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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.03.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990315014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899031501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899031501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-15
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Größere Schriften laut unserem Preis» verzeicbniß. Tabellarischer und Ziisernsatz nach höherem Taris. —»«»c^»— trrtra-Bcilagc» (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung -/L 60.—, mit Postbesörderung ./L 70.—. Ännahmeschluß für Änzcigtn: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morge n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. IN Mittwoch den 15. März 1899. 93. Jahrgang. Der Liberalismus und der Cullurkampf. L. Die „AllgemeineEvangelisch-Lutherische 5t irchenzeitung" sagt in ihrer neuesten Nummer sehr richtig, die römische Hierarchie sorge meisterlich dafür, daß die „Culturkampfeindrücke" bei den deutschen Katholiken nicht ver wischt werden. Seltsamer Weise erleichtert die „Allgem. Ev.- Luth. Kirchenztg." der römischen Hierarchie dieses Geschäft, in dem sie behauptet, daß der Cullurkampf vom Liberalismus will kürlich herbeigeführt worden sei. „Wenn der damals all- m ä chtige Liberalismus", schreibt das kirchliche Organ wörtlich, „die preußische Regierung nicht ge radezu gezwungen hätte, Rom an seiner empfindlichsten Stelle anzugrcifen, würde ihm heute seine stärkste Waffe bei uns fehlen." Da diese Auffassung in weilen Kreisen derjehigen conser- vaiiven Partei verbreitet ist, erscheint es angezeigt, nachzuweisen, vaß sie durchaus ungeschichtlich ist. Eben erst hat ein katho lischer Historiker, Professor Finke in Münster, festgestellt, Fürst Bismarck habe den Cullurkampf nicht muthwillig vom Zaune gebrochen; ob Professor Finke jüngst die geschichtlichen Gründe der Entstehung des Culturkampfcs angeführt oder blos auf die erwähnte allgemeine Feststellung sich beschränkt Hai, wissen wir nicht. In sehr zutreffender Weise werden diese ge schichtlichen Gründe von einem Gelehrten entwickelt, der keines wegs als liberal im landläufigen Sinne des Wortes angesehen werden darf: von dem Leipziger Historiker Erich Marcks. Er schreibt über die Gründe des Culturkampfcs in seiner Kaiser-Wilhelm-Biographie u. A. Folgendes: „Woher er stammte und weshalb er ausbrach, das ist im Großen und Sach lichen ebenso klar, wie es im Einzelnen und Persönlichen noch zweifelhaft oder doch umstritten ist. In dem uralten Gegensätze des modernen Staates zur Weltkirche war der Staat Jahr hunderte hindurch der vordringende Theil gewesen; seit der fran zösischen Revolution, die beide Gewalten gleichermaßen auf liefere und breitere, demokratischere Grundlagen stellte und die inner» ' ' beider so unendlich erhöhte, war es die Kirch« . . . Vou ^t.ernationalen Boden aus trat ihnen die Welt kirche, jetzt sie als die Angreiferin, als die Erobernde, entgegen, mit ihrem verstärkten Heerbanne, alle Mittel des neuen Jahrhunderts ausnllhend, immer weiter und höher dringend: zwei Mächte, ihrem tiefsten Wesen nach, selbst da, wo zu ihrer grundsätzlichen Abweichung nicht noch die konfessionelle hinzutrat, einander fremd und bis zu einem gewissen Grade einander nothwendig feind, über ihr gegenseitiges Verhältniß und mindestens die Grenzen ihrer Machtkreise ein für alle Male auf den Kampf und die Verhandlung angewiesen. Als jetzt im gleichen Jahre hier das d e u t s ch e Re i ch, national und zudem protestantisch, der Sieger über die dem Papste dienst baren und auch von ultramontanen Kräften zum Kriege ge lriebenen katholischen Kaiserreiche, der natürliche Beschützer des schicksalsverwandten italienischen Einheitsstaates, sich erhoben batte, dort das vatikanische Concil, die internationale Kirche vollends absolutistisch zusammengeschlossen hatte, da stießen die beiden Gewalten, jetzt alle beide in stolzem Aufstiege, beinahe von selbst aufeinander. Nicht, daß sie es thaten, war das Auffallende; man darf fragen, ob sie und wie sie cs ver meiden konnten? Erst die Erfahrungen eines langen Streites haben sie gelehrt, sich, so weit sie es können, zu verständigen. Wer nun den ersten Schuß gethan hat, braucht hier nicht er örtert zu werden; in jedem Falle hatte der Staat Anlaß genug, sich für den Herausgeforderten zu halten." In' den vom Fürsten Bismarck aufgenommencn Kampf ist Kaiser Wilhelm freier und entschiedener hineingegangen, als die meisten der ihm nahestehenden Conservativen. Aber ge rade die hervorragendsten Conservativen haben den Cullurkampf durchaus gebilligt. Urkundliche Beweise hierfür liegen besonders in den „Denk würdigkeiten" des verewigten Kriegsministers Grafen von Roon vor. „Der Kampf selbst ist eine Stärkung, sogar ohne den Sieg", schreibt Roon am 16. Januar 1873 an Bismarck, nachdem er die Allocution Pius' IX. an das Geheime Cvnsi/t storium über die „Verfolgung" der deutschen Katholiken Ge schwätz genannt hat. Am 21. Mai 1874 schreibt Roon an Moritz von Blanckenburg: „Die Maigesetze sind meines Erachtens nothwendig geworden, weil in der Siegesbetäubung von 70 versäumt worden war, nach dem Jnfallibilitätsbeschluß sofort diplomatisch zum Kriege mit Nom zu schreiten durch die Er klärung: die römisch« Kirche von,ehemals existirt nicht mehr, also auch unsere Verträge mit derselben nicht." In einem Neu jahrsglückwunschschreiben (vom Ende des Jahres 1877) an Kaiser Wilhelm nennt Noon den Kampf gegen den Datican „ganz berechtigt". Endlich schreibt er am 8. Juli 1878 an Blanckenburg: „Daß Bismarck ... den Kampf gegen Rom, um der kirchlichen Zeloten aller Confcffionen willen, mit einer freiwilligen Chamade beschließe ... ist doch . . . undenkbar." Neben Roon hat auch Generalfeldmarschall Edwin von Manteuffel den Cullurkampf durchaus gebilligt. Ein Zeugniß aus seiner Feder, das hierfür besonders charakteristisch ist, hat vor Kurzem Professor Alfred Dove in seinen „Aus gewählten Schriftchen" mitgetheilt. Es ist enthalten in einem Briefe Manteusfel's an Leopold von Ranke, der einer neuen Ausgabe seiner „Päpste" Abschnitte über die Zeiten Pius' IX. und über das vatikanische Concil angehängt hatte. In Bezug auf diese Abschnitte schrieb Manteuffel am 12. August 1874: „Fürst Bismarck müssen Sie die Sache schicken; es ist ja von zu großem Interesse, daß er die ganze Frage einmal im Zu sammenhänge und mit der Wahrheit dargestellt liest, und daß er den politischen Gedanken, der darin liegt und der ja auch Motiv zu seinem Handeln ist, auch klar ausgedrückt liest." Fürst Bismarck hat sich über das politische Motiv seines Handelns in der großen Rede vom 10. März 1873, die im Herrenhause gehalten wurde, ausgesprochen. Er weist in der Rede nach, daß der Kulturkampf eine Erneuerung des uralten Machtstreites zwischen Königthum und Priesterthum ist: „Es handelt sich um den uralten Machtstreit, der so alt ist, wie das Menschengeschlecht, um den Machistreit zwischen Königthum und Priesterthum, den Machtstreit, der viel älter ist, als die Erscheinung unseres Erlösers in dieser Welt, den Machtstreit, in dem Agamemnon in Aulis mit seinen Sehern lag, der ihm dort die Tochter kostete und die Griechen am Auslaufen ver hinderte, den Machistreit, der die deutsche Geschichte des Mittel alters bis zur Zersetzung des deutschen Reiches erfüllt hat unter dem Namen der Kämpfe der Päpste mit den Kaisern, der im Mittelalter seinen Abschluß damit fand, daß der letzte Vertreter des erlauchten schwäbischen Kaiserstammes unter dem Beile eines französischen Eroberers auf dem Schaffst starb. . . ." Fürst Bismarck ist auch in seinen „Gedanken und Erinne rungen" auf den Cullurkampf eingegangen; an keiner Stelle aber, so weit wir gesehen haben, sagt er auch nur andeutungs weise, daß der Liberalismus die preußische Regierung „geradezu gezwungen" hätte, Rom anzugreifen. Dagegen sagt er von seinen ersten Versuchen zur Anbahnung des kirchlichen Friedens, sie hätten auch beim Kaiser keinen Anklang gefunden: „Der Ein fluß der höchsten evangelischen Geistlichkeit war damals stärker als der katholisirende der Kaiserin." — Daß die höchste evangelische Geistlichkeit damals identisch war mit dem Liberalismus, wird die „Allg. Evang.-Luth. Kirch«nztg." nicht behaupten wollen. Bismarck's Hinweis auf jene höchste evan gelische Geistlichkeit darf aber als ein Fingerzeig dafür gelten, wie die gesammte evangelische Geistlichkeit Preußens, von Aus nahmen abgesehen, den Beginn des Kampfes gegen den Vatikan ausgenommen hat. Deutsches Reich. T Berlin, 14. März. (Telegramm.) Der Reichstag lehnte beute in zweiter Lesung mit 209 gegen 141 Stimmen die Erhöhung der Friedenspräsenzstärke des Heeres nach der Regierungsvorlage ab. Hierauf wurde der CommisfionS- antrag gegen die Stimmen deS Centrums und der Frei sinnigen Bereinigung ebenfalls abgelchnt. Der Rest der Militärvorlage wurde angenommen. Die dritte Lesung findet am Donnerstag statt. (Ausführlichen Bericht s. u. Reichstag.) Berlin, 13. März. Der preußische Finanzminister und der preußische Minister des Innern haben an sämmtlichc Regie rungen einen Erlaß gerichtet, der sich mit der Bestimmung des Disciplinargesetzes beschäftigt, nach welcher die Dis- ciplinarbehörde bei Verhängung der Strafe der Dienstentlassung gegen einen pensionsberechugten Angeschuldigten ermächtigt ist, sofern besondere Umstände eine mildere Beurtheilung zulassen, in der Entscheidung zugleich festzusetzen, daß dem Angeschuldig ten ein Theil des reglementsmäßigen Pensionsbetrages auf Lebenszeit oder auf gewisse Jahre als Unterstützung zu verab reichen sei. Die zu berücksichtigenden Umstände brauchen nun nach dem ministeriellen Erlasse nicht nothwendig dem besonderen Thatbestande des abzuurtheilenden Disciplinarfalles anzuge hören, sondern es können auch andere, außerhalb dieses That- bestandes liegende Milderungsgründe berücksichtigt werden, z. B. bisherige tadellose Führung, lange vorwurfsfreie Dienst laufbahn, früher erworbene Verdienste, eifriges Bemühen, die Folgen der Srrafthat wieder gut zu machen und dergleichen. Die äußeren Verhältnisse des Angeklagten sollen ebenfalls in Be tracht gezogen werden. Nach wie vor soll cs aber nicht gerecht fertigt sein, verhältnißmäßig jungen und völlig erwerbsfähigen Beamten erhebliche Bruchcheile der gesetzlichen Pension wohl gar auf Lebenszeit zu bewilligen. Um Unklarheiten und Jrrthümer zu vermeiden und eine sachgemäße Prüfung der getroffenen Ent scheidung in der Berufungsinstanz zu ermöglichen, ist von den Ministern angeordnet, daß bei Anwendung der betreffenden Ge- setzesvorschrift in den DiSciplinarerlenntnisien ersichtlich zu machen ist, in welchen Tatsachen das Gericht die besonderen Um stände erblickt hat, welche eine mildere Beurtheilung zulassen. 6.II. Berlin, 11. März. (Die maritime Besetzung der australischen Station.) Zn Folge der Wirren auf Samoa ist bekanntlich der „Cormoran" von der ostasiati schen Station nach Samoa hin beordert worden. Tie Nach richt, daß der „Falke" nun von dort abberufen werden würde, ist jedoch falsch, denn nach den soeben erfolgten Sommercommandirnngen wird auch der „Falke" auf der australischen Station bleiben und außer ihm noch die „M ö w e". (D Berlin, 14. März. (Telegramm.) Der Kaiser unternahm gestern Nachmittag einen Spazierritt und arbeitet, später allein. Gestern Abend wohnten der Kaiser und die Kaiserin der Vorstellung im königlichen Opernbause bei. — Heute früh nm 8 Uhr hörte der Kaiser die Vorträge des Cbcfs des MilitärcabinctS, Generals von Hahnke, und des Kriegsministers von Goßler. Um 10 Uhr begab sich der Kaiser nach Zänickendorf, um dort einer Uebung des 1. Eiseiibahn-NegimentS beizuwohnen. Das Frühstück nahm der Kaiser beim Officiercorps des Regiments ein. (-) Berlin, 14. März. (Telegramm.) Der „Reichs anzeiger" veröffentlicht die Bestimmungen der heute dem Landtage zugegangenen Vorlage über die Eanal-BerbiuVnng vom Rheine nach der Weser und der Elbe nebst der aus führlichen Begründung. Die Baukosten, einschließlich derer für acht Scitcneanäle, werden auf 2KL Millionen Mark veranschlagt. (-) Berlin, 14. März. (Telegramm.) Der bekannte Politiker, Nationalökonom und frühere Reichstagsabgeordnete Ludwig Bamberger ist heute hier gestorben. Ludwig Bamberger wurde am 22. Juli 1823 in Mainz geboren' erreichte demnach ein Alter von 76 Jahren. Er studirte 1842—45 in Gießen, Heidelberg und Göttingen die Rechte, nahm 1848 an den politischen Bewegungen daselbst lebhaften Antheil und trat 1849 in die Reihen der Freischärler in der Pfalz. Das Mißlingen der Er hebung, welche er in seiner Schrift „Erlebnisse aus der pfälzischen Erhebung" (Frankfurt 1849) schilderte, zwang ihn zur Flucht. Ec lebte darauf in der Schweiz, in England, Belgien, Holland, meist in kaufmännischen Stellungen, seit 1853 in Paris als Leiter des großen Bankhauses von BischosfSheim L Goldschmidt. 1866 kehrte er in feine Vaterstadt zurück, die ihn 1868 in das Zollparlament und dann in den Reichstag wählte, in welchem er sich der national liberalen Partei anschloß und seine sreihändlerijchen Principien mit großer rednerischer Gewandtheit zur Geltung brachte. An der Münzresorm hatte er hervorragenden Antheil. 1881 schied er aus der nationalliberalcn Partei aus und begründete die Fraktion der Secessionisten, 1884 in Gemeinschaft mit der Fortschrittspartei die der Teutschsreisinnigen, aus der er 1893 wieder anstrat. Er be kämpfte seitdem BiSinarck's Politik, namentlich dessen Colonialpläne. D Berlin, 14. März. (Telegramm.) Gleichzeitig mit der Ernennung deS Admirals Köster zum Generaliuspecteur der Marine ist beute die des bisherigen Stabschefs des Marine-Obercommaudos, des Contre-Abmirals Bendcmann, zum Ehef ScS AdmiralstabeS der Marine erfolgt. — Die Audienz von Cecil Rhodes beim Kaiser hat nicht, wie vereinzelt behauptet wurde, nur den Charakter eines formellen Empfangs gehabt, sondern es hat über eine halbe Stunde eine lebhafte Unterhaltung stattgefunden, bis der Kaiser zum Diner beim Fürsten Hohenlohe fahren mußte. Von ter Aufnahme, die er und seine Pläne gesunden haben, soll Rhodes vcr Meldung mehrerer deutscher Blätter zufolge befriedigt sein. Taffelbe telegraphirt auch der Berliner Correspondent deS „Standard", welcher hinzufügt, eS seien nur »och die Einzelheiten in den amtlichen Fornien eines Abkommens zu regeln. — Zwischen dem Verleger deS „Berliner Local- AnzeigerS", Herrn Scherl, und dem „Verbände deutscher Buchdrucker und Schristgießer" ist eS be züglich deS SchriflsetzerauSstandes vom Januar d. I. zu einem Vergleich gekommen. Die Streitigkeiten haben infolge dieses Vergleiches ihre cndgiltige Erledigung gefunden. (-) kiel, 14. März. (Telegramm.) Zur Ernennung des Chefs der Marinestation der Ostsee, des Avmirals K ö st e r, zum Generaliuspecteur der Marine ist noch zu melden, daß die Ernennung unter Belassung des Admirals in seinen bisherigen Verhältnissen und unter Verleihung der Befugnisse und des Ranges eines commandirenden Admirals erfolgt ist. (-) Hamburg, 14. März. (Telegramm.) Der „Ham burgische Correspondent" meldet aus Friedrichsruh: Tie Sarkophage des Fürstenpaares sino gestern hier eingetroffen. Die einzelnen Stücke sind in Kisten verpackt und werden an Ort und Stelle in dec Grabescapelle zusammen gesetzt werden. Die Leich« der Fürstin wird heute hier er wartet und zunächst ins Schloß überführt. Die Beisetzung beider Leichen findet dann am Donnerstag Vormittag statt. Fürst Herbert und Graf Wilhelm Bismarck mit ihren Gemahlinnen und Graf Rantzau treffen heute bezw. morgen hier ein. Die Gräfin Rantzau wird wegen Krankheit der Beisetzung nicht beiwohnen. * Münster t. W., 13. März. Auch für Westfalen wird nunmehr auf Beschluß Les Provinzialtags eine Land- Fersrllrton Das 19. Jahrhundert. Bon Friedrich Thieme. (Nachdruck verholen.) Während die französische Aufklärungs-Lite ratur des vorigen Jahrhunderts von tiefgehendstem Einfluß auf die ganze Denk- und Handlungsweise Europas war, öffnete sich das literarische Frankreich des neu beginnenden 19. Säculums unverkennbar den Anregungen der deutschen und englischen Dichter und Denker. Der natürlichen Entwickelung der Dinge entsprechend, folgte der Revolution die Reaktion, und nicht nur auf dem Gebiet« der Politik, sondern auch auf dem vrr Literatur. Die Romantik hielt ihren Einzug und nahm zum Theil einen wesentlich christlichen Charakter an. Aber nicht nur die kirchenfeindliche Philosophie wurde bekämpft, sondern auch der Geist und die formell« Schreibweise der französischen klassischen Richtung; wie bei uns, forderte auch dort die Romantik oie Befreiung des Gedanken-, die Beseitigung abgelebter Formen, den Wegfall der einseitigen Bevorzugung der Aniike. Chareau- briand eröffnet« 1802 den Kampf der neuen Richtung, sein „Geist des Christenthums" ist der Triumphbogen, durch welchen die Romantik ihren Einzug in Frankreich hielt. Ihm secundirte vie durch deutschen Einfluß gebildete Frau von Staöl, deren Werk über Deutschland die lächerlichen Dorurtheile der Franzosen gegen deutsche Poesie zerstörte. In demselben Sinne wirkten Charles Nodier (geb. 1783), R. Toepffer, Andr^-Marie de Chenier, der berühmte Pamphletist Paul Louis Courier (1772 dir 1825). Auf dem Gebiete der Lyrik glänzten B 6 ranger (1780—1857), der berühmte freisinnige Liederdichter, und La martine, einer der gefühlvollsten Lyriker Frankreichs. Victor Hugo (1802—1885) war rin Meister sowohl des Dramas als des Romans, auch Alexander Dumas der Aeltere (1806—1870), welcher der Erfinder der literarischen Zu- sammenarbeiterschaft ist, verdient Erwähnung. Hervorragend sind noch Alfred de Bigny, Scribe, Balzac, Eugön« Sue, Alfred d« Müsset u. s. w. George Sand (1804—1876) schuf den socialen Tendenzroman. Die alte klassische Richtung vertraten Fontanes (ausgezeichnet im Lehrgedichl), Barthölemy, ein talentvoller Epiker, Marie Joseph de Chönier (1754—1811), ein populärer Dramatiker, Enenne, der beliebtste Lustspirldichter seit Moliere, endlich Jouy (1769—1850), der preisgekrönte Ver fasser der „Vestalin". Wie in Deutschland, so artete auch in Frankreich die Romantik zuletzt in Unnatur und Sensation aus, was einige Dichter bewog, zwischen den Tugenden der klassischen und romantischen Schule eine edle Verbindung zu suchen. Es waren dies Francois Ponsaid und Emil Augier (geb. 1820). Letzterer errang schon mit seinem ersten Drama: „I-a cixuö" (Der Schierling) einen großen Erfolg. Am be kanntesten in Deutschland ist sein „Haus Fourchambault". Weiter errangen Sardou im Schauspiel und Pailleron im Lustspiel große Erfolge. Alexander Dumas (Sohn) führte in seiner „Cameliendam«" di« Pariser Halbwelt in die Literatur ein. Claude Tillier (1801—1841) schuf in seinem Roman „Llon vndo Lonjarnin" ein geistvoll-witziges Werk, Jules Verne (geb. 1828) endlich schrieb eine Reihe eigenartig natur- wissenschaftlich-phantastischer Romane, von denen „Die Reise um die Erde in 80 Tagen", „20 000 Meilen unterm Meer" und „Reise nach dem Monde" die berühmtesten sind. Schon Balzac hat!« verstanden, seinen Romanen und Er zählungen eine starke realistische Färbung zu geben; auf ihm fußt daher die Schule des Naturalismus, die seit 20 Jahren auch in Deutschland zahlreiche Vertreter besitzt. Aller Romantik feind, gilt ihr als die höchste Aufgabe der Kunst die treue Wiedergabe der Wirklichkeit. Ihr Hauptvertreter ist Emile Zola (geb. 1840), ein genialer Schriftsteller von bewunderns- werther Darstellungskraft, welche Stellung man auch immer zu seinen Produkten einnehmen mag. Sein Hauptwerk ist der Romancyklus „Les Rougon-Maquart". Von den übrigen Mit gliedern der Schule oder ihrem Gefolge seien hier nur die Brüder Goncourt, Mphonse Daudet, Guy de Maupassant und Erckmann-Chatrian genannt. Richt vergessen dürfen wir zum Schluß den großartigen Aufschwung, welchen die Geschichts schreibung in der neueren Zeit in Frankreich genommen hat. Auf eine eingehendere Charakteristik dieses Theiles der litera rischen Thätigkeit können wir uns nicht näher rinlassen, wir heben nur al» Vorzüge der französischen neueren Geschicht-schreibung die Lebhafligkeii des Stils und die effektvolle Charakterzeichnung neben der Klarheit der Darstellung hervor. Die Namen Guizot, Thiers, Mignet, Thierry, Taine verdienen hier eine Stelle. Die Literaturen von Italien, Spanien und Portu - g a l wiesen denselben Kampf der Romantik mit dem Classicis- mus auf, wie lvir ihm in Deutschland und Frankreich be gegnet sind. Auch hier siegt die Romantik. In Italien durch ihr Haupt, Alessandro Manzoni (1785 bis 1873), dessen Roman „I promessi spcsi" (1827) eine neue Gattung des Romans, den vaterländischen Geschichtsroman, in der italie nischen Literatur einführte. Seinem Vorbild folgten Tom maso Grosse, Massimo d'Azeglio, Cesare Cantu, während Guerrazzi (1801—1873) mehr den Spuren Victor Hugo's und des französischen Rcmanticismus nachging. Niccolini (1782 bi» 1861) übertrifft Manzoni als Dramatiker durch energischere Führung der Handlung, seine Trauerspiele sind voll patriotischen Geistes. Silvio Pellico (gest. 1854) wurde hauptsächlich durch seine „Francesca da Rimini" populär, auch Paolo Giacometti ist als Dramatiker zu erwähnen. Giacomo Leopardi (1798 bis 1837) brachte den Weltschmerz zum radikalsten Ausdruck, wogegen Giuseppe Giusti (1809—1850) in seinen gern gelesenen politischen und satirischen Gedichten weniger schwere und bittere Töne zu treffen wußte. Der patriotische Charakter der meisten der Schöpfungen der erwähnten Schriftsteller erklärt sich durch die Sehnsucht der italienischen Nation nach Einheit und Unab hängigkeit, und auch während des großen Freiheits- und Ein- heitÄampfeS geht die Poesie, wie Julius Hart sich treffend aus drückt, als „Trommelschlägerin" an der Spitze der Truppen. Der moderne Naturalismus erscheint in Italien als „VerlSmuS", seine hauptsächlichsten Repräsentanten sind der in antiken Vers maßen moderne Ideen niederlegende Giosuö Carducci, der senti mental-sinnliche Lorenzo S ecchetii, der Dramatiker Pietro Costa, der gewandte Erzähler Giovanni Verga, die sociale Dichterin Ada Negri u. s. w. Von den Unterhaltungsschriftstellern nennen wir u. A. Edmondo de Amicis, Salvatore Farina, Mathilde Serao und Castelnuovo. — Auch die Entwickelung der spanischen und portugiesischen Li rratur nahm keine selbstständige Richtring, sie folgte der allgemein europäischen mit etwas Verspätung nach. Die Aufklärungspoesie wurde von der Romantik, diese von einer mehr realistischen Richtung abgelöst. Die politischen Flüchtlinge, unter ihnen Angel de Saavedra, der Herzog von Rivas, brachten die Romantik von Paris und London mit, als sie nach der Amnestie von 1833 in ihr Vaierlanv zurücklehrten, der Erfolg der Schicksalslragödie Saavevra's „Don Alvaro" bedeutete den Triumph der Romantik aus den Brettern. In seine Bahnen traten der leidenschaftliche Josö de Espronceda (1808—1842), der sprach- und formgewandte Josö Zorilla (1817—1893), in Portugal pflanzte Almeiva Garet: (1799—1804) die Fahne der Romantik auf, in Brasilien der Epiker und Dramatiker Goncal ves de Magalhaes (1811—1882). Die realistische Richtung brich: sich in Spanien Bahn in den Romanen Juan Valera's und Perez Galdo's, von den neueren Dramatikern dieses Landes — Ayala, Alarcon, Numrez de Arce rc. — ist bei uns Josö Ecke garay am bekanntesten geworden, der Verfasser des „Galeotto". In Portugal vertritt u. A. Joao de Deus die Schule des Realis mus, während Eca de Queiroz schließlich zum Naturalismus überging. Seit 1870 gelangte auch in Brasilien der Realismus (durch Sylvio Romero repräsentier) zur Geltung. In England finden wir am Anfang des Jahrhunderts die Romantik in voller Blü he. WalterScott (1771—1832) schrieb seine berühmten historischen Romane, damit die in ganz Europa mit Beifall begrüßte und nachgeahmte nationalpatrio tisch« Geschichrsdichtung begründend. Die Dichter der sogen. Seeschule, Wordrworth, Robert Southey und Coleridge, vor Allem der Letztere mit seiner Borliebe für das Grausige unv Schreckliche, stehen im Banne der Ideen der Romantik. Thomas Moore (1779—1852) sang seine zarten Melodien, Shelley dichtete seine leidenschaftlichen Tragödien. Zum markantesten Ausdruck gelangt aber der Subjektivismus der Romantik in Lord Byron (1788—1824), dem Sänger des „Childe Harold", dem Dichter des gegen die engen Schranken der Menschheit sich auf bäumenden „Manfred", des die Gottheit und das Schicksal herausfordernden „Cain". Durch Walter Scott war der Roman wieder mehr in den Vordergrund des Interesses gedrängt wor den, ihn gestaltete die englische Literatur des 19. Jahrhunderts in vorzüglichster Weise aus. Bulwer bewährte sich fcwchl als Meister des historischen Romans (z. B. in „Die letzten Tage von Pompeji"), wie als solcher des humoristischen unv Volks romans Charles Dickens vereinigt Gemüth und Humor in spannenden geistvollen Werken von tiefsocialer Bedeutung
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