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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.03.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990318027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899031802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899031802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-18
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Abend-Ausgabe Mp.riger Tageblatt v.27/32. Anzeiger Druck und Verlag »on E. Polz in Leipzig. 93. Jahrgang. UI Sonnabend den 18. März 1899. > >! ,V4-. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr. -ir Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. js Professor Schell ist auf den Inder gekommen; er hat sich dieser Censurirung unterworfen. Was der Index wissen schaftlich Werth ist und was somit die Unterwerfung unter ihn moralisch werth ist, sagt uns Jemand, der es wissen muß. Der Jesuit Curci, langjähriger Nedacteur der jesuitischen Zeitschrift „Civilta Cattolica", schreibt in seinem 1883 erschienenen Buche II VatienQo regio (S. 166): „Der Vatican bedarf einer Schmiede, die stets zur Hand ist, um die Blitze zu bereiten, die gegen ihm verhaßte oder unbequeme Leute zu schlendern sind. Zu dem Ende sucht er den Glauben zu verbreiten, es bestehe in Rom ein auserlesener Areopag von Gelehrten, der die Lite ratur der ganzen Welt überwachen, das Gold von den Schlacken scheiden und die Katholiken vor letzteren warnen könne. Das ist aber eine Fabel! In Wirklichkeit verhält sich die Sache so: die Jndex-Congregation besteht aus einem Cardinal-Präfecten, der sich wenig oder gar nicht um die Sache bekümmert, und aus mehreren Cardinälen als Mitgliedern, die sich nicht mehr darum kümmern, aus einem Sekretär, der für ein bescheidenes Ein kommen die Arbeit macht, und aus etwa 40 Consultoren, denen diese Ehre nicht mehr Arbeit verursacht, als unseren Ordens- comthuren und Ordensrittern ihre Titel. Das Wenige, was zu thun ist, besorgen einige Priester und Mönche. Diese Con- gregation weiß von der Masse von Büchern, die täglich erscheinen, nichts, sie will auch nichts davon wissen, sie ignorirt ihre Existenz. Sic befaßt sich nur mit solchen Büchern, die ihr den uncirt werden. In ganz seltenen Fällen wird nun wohl ein Buch aus aufrichtigem Eifer für die Wahrheit dcnunrirt. In den meisten Fällen geht die Denunciation von offenen und versteckten Gegnern der Schriftsteller aus, die auf diese Weise einen Nebenbuhler demüthigen wollen. Nicht zu frieden mit der Denunciation, geben sich die Denunciantcn viel fache Mühe, ihren Zweck zu erreichen: sie besuchen die Con sultoren, suchen sie zu beeinflussen. Von alledem erfährt der Denuncirte nichts. Man habe doch die Ehrlichkeit, anzuerkennen, daß ein System, wie das der Jndexcongregation, absolut unhalt bar ist. Aber dann würde die Mihschmiede im Vatican er löschen und Millionen irrende Gewissen und Millionen schwere Sünden würden Wegfällen, und das kann der Vatican nicht ge statten, dessen Herrschaft auf den irrenden Gewissen und Sünden beruht. Ich habe vergessen, zu erwähnen, daß es für ängstliche Gemüther ein Mittel giebt, sich vor Versündigungen gegen die Jndexcongregation zu schützen: wer einige Lire zahlt, erhält die Erlaubniß, alle verbotenen und noch zu verbietenden Bücher zu lesen." Wer die Geschichte des Index kennt, dem wird dies Urthcil nur allzu gerechtfertigt erscheinen. In der Literatur geschichte der gesammten Menschheit giebt es — nimmt man Alles in Allem — kein zweites Beispiel von solcher Unwissenschaftlich keit, Beschränktheit, Einseitigkeit, fanatischem Haß und kindischer Thorheit, als wie es die Jndexcongregation schon seit drei Jahr hunderten der Culturwelt darbietet, ^.ero perounius ist und bleibt zu ihrer Kennzeichnung ihr Urtheil über Galilei: „Der Satz, daß die Sonne der Mittelpunct der Welt ist uNd keine räumliche Bewegung habe, ist philosophisch absurd und rheologisch betrachtet irrig im Glauben. Der Satz, daß die Erde nicht der Mittelpunct der Welt und nicht un beweglich ist, ist gleichfalls philosophisch absurd und irrig im Glauben!!" Und der höheren Einsicht d i e s e s Gerich tShofeS, hat sich Schell unterworfen. thum als Pfand verschreiben lassen. War denn Moritz nicht da? Du hättest ihm den Brief geben sollen!" „Ich sah ihn erst nicht, aber er begegnete mir, als ich zurück kam", sagte Senzi, den Vorwurf der Freundin ruhig einsteckend. „Er wird sich gewiß denken, daß ich für Dich bei seinem Vater war und sich sicherlich darnach erkundigen." „Aber ich kann nicht mehr warten, ich muß Geld haben", sagte Clärchen aufspringend und die goldbraunen Lockenringel, die tief in ihre Stirne fielen, ungeduldig zurückwerfend. „Du weißt, heute kommt Bernhard und Mama hat außerdem Stephan und den Medicinalrath zu Tische geladen. Ich will nicht, daß gleich aus allen Ecken die Misere unseres Hauses heraussieht. Du mußt Rath schaffen, Senzi, auf jeden Fall, und solltest Du Deine Muhme darum anborgen. Hast Du denn gar nichts mehr?" „Vielleicht zwanzig Mark", sagte Senzi erröthenv und sich der Armseligkeit ihrer Lasse herzlich schämend. „Zwanzig Mark? Aber warum hast Du denn das nicht gleich gesagt?" sagte Clärchen erfreut. „O, Du liebe, dumme Senzi Du, das genügt für heute, und morgen wird Moritz Guckenhcim sicher mehr bringen. Aber nun lauf schnell und hole das Geld, es ist keine Zeit zu verlieren; und noch eins: bringe mir einen von den feinen Spitzenkragen mit, die Deine Muhme kürzlich erhielt. Sag' ihr, daß ich ihn in einer Woche oder in einem Monat, oder wenn Du willst, bezahle; oder noch besser, bring' gleich zwei, damit meine Schwester Bertha auch einen hat. Wir wollen uns fein machen heute, aus tausenderlei Gründen. Möglicherweise giebt es bald eine Verlobung im Hause, oder auch gleich ein paar, da muß man immerhin gerüstet sein." Sie blinzelte Senzi schelmisch zu, umarmte sie und drückte einen herzhaften Kuß auf ihren weichen rothen Mund; dann schob sie dieselbe energisch zur Thür hinaus und eilte selbst zur Küche, um noch allerlei anzuordnen und nachzusehen Senzi huschte die Stufen wieder hinunter, und, das Wohn zimmer vermeidend, ging sie leise in ihr Stübchen, um dort ihre Sparkasse zu plündern. Wie gern hätle sie mehr gegeben, aber Clärchen hatte schon wiederholt Anleihen bei ihr gemacht, die sie nie zurückbekam. Senzi arbeitete für das Geschäft ihrer Muhme Spitzen und feine Kragen, strickte Strümpfe und nähte Jacken und Röcke, und die Lumpenliese bezahlte sie Lesser dafür wie ein« Fremde. Auf diese Weise sollte Senzi sich das Geld für eine Ausstattung zusammensparen. Die brave Liese hatte keine Ahnung, wohin die mühsam verdienten Thaler wanderten, sobald wieder einig« beisammen waren. Sie war Uberzeuqt, bb, 28^. Sii'' 88', 131-, 65',. 80^ Uebereinstinuuend wird versichert, die Verhandlungen über Cecil Rhodes' afrikanische Tüd-Rordbah» seien zwar noch nicht zum Abschluß gediehen, hätten aber zu eiuer princi- piellen Uebereinstimmung geführt, auS der eine end- giltige Verständigung über die Einzelheiten wohl und zwar daran, in dieser Beziehung ihre dem Verhalten der englischen machen. Wohl aber liegt die deutsche Regierung nach Vorarbeiten, die sicherlich lange Filialen: vtto Klemm'» Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum). Lottis Lösche, Aatharinenstr. 14, Part, und KSnigSplatz 7. Ännahmeschluß für Anzeigen. Abend-AuSgab«: Vormittag» 10 Uhr. Marge »-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anreisen sind stet» an di« Expedition zu richten. daß Senzi schon ein hübsches Sümmchen gespart hatte, und seit Martin Auer ein so fleißiger Gast bei ihr war, brachte sie dasselbe mit allerlei Plänen und Zukunftsträumen in Ver bindung. Um Martin's willen unterdrückte sie auch ihre Scheltworte, die ihr auf den Lippen brannten, als Senzi endlich mit glühenden Wangen und leuchtenden Augen in die Stube kam, um ihren Auftrag bezüglich der Spitzenkragen auszurichten. „Nun ja, ich will sehen, was ich noch habe", sagte sie ein wenig sauersüß, „aber vor allen Dingen bleibst Du jetzt hier. Ich habe Herrn Auer zum Kaffee eingeladen; es wird hohe Zeit, daß Du ihn fertig machst und den Tisch deckst." „Ja, gleich, Bas, im Augenblick!" sagte Senzi, „ich will nur schnell noch die Kragen hinauftragen, ich hab' es versprochen; aber ich komm' sofort wieder." „Als ob das solche Eile hätte mit den Kragen!" brummte Liese, zog aber doch einen Kasten vor, dem sie nach kurzem Zögern zwei duftige Spitzenkragen entnahm, die sie sorgfältig in einen kleinen Carton legte und der vor freudiger Ungeduld bebenden S«nzi übergab. „Sie kosten acht Mark", sagte sie, aber Senzi hörte schon nicht mehr. Mit strahlendem Lächeln eilte sie hinaus, um Gelo und Kragen in die Hände ihrer Freundin zu legen, di« dafür mit einem zärtlichen Kosewort quittirte. Froh und glücklich, wie es nur ein gutes, harmloses Kinder herz zu sein vermag, das unbewußt d«n Lohn für seine Güte in der eigenen Freude darüber findet, kehrte Senzi zurück. Nie war sie Martin Auer so schön erschienen als in dieser Stund«. Um den süßen rothen Mund lag ein weiches, glückliches Lächeln, die schönen Augen strahlten in feuchtem Schimmer, und über ihrem ganzen Wesen lag der Hauch keuschen jungfräulich«» Liebreizes. Mit harmloser, unbefangener Zutraulichkeit plau derte sie mit ihm, während sie geschäftig den Tisch deckte und auf der Spiritusmaschine d«n Kaffee kochte. Der arme Martin war im siebenten .Himmel; er hatte keine Ahnung davon, daß, während Senzi mit ihm plauderte, ihre Gedanken unablässig der Zeit voran eilten, daß ihr Herz unruhig und sehnsüchtig pochte und vor ihren glänzenden Augen das Bild eines Jünglings stand, der ihr junges Herz seit ihren Kindertagen völlig erfüllte. „Er kommt, heute noch kommt er!" sang und klang es in ihren Ohren, und sie war so glücklich in ihrem süßen Geheimniß, in der freudigen, frohen Erwartung, daß sie aller Welt und damit auch Martin Auer am liebsten nur Gutes und Angenehmes erwiesen hätte. Selbst Liefe'» sonst so scharfe Augen täuschten sich diesmal völlig. Senzi'» frohe Erregung schien ihr ein Widerspruch, den der nationalliberale Abgeordnete Or. Ende- mann gegen die Doctrin von der „beseligenden Kraft der Kirche" in der Reichstagssitzung vom 9. März d. I. erhoben hat. Die„Krzztg." meint, sein evangelisches Bewußtsein münde im Ma terialismus, und fragt, worin unterscheide er sich dabei von dem Abgeordneten Bebel. Die hochconservative Presse würde solck)e Behauptungen und Fragen wohl mit etwas weniger Selbst genügsamkeit ausgesprochen haben, wenn sie sich rechtzeitig der „Trostgedaiiken" vcs (tzcncralfclvmarschalls ttzrafon v. Moltkc erinnert hätte. Was vr. Endemann sagte, deckt sich in der Hauptsache mit Gedanken, die Graf von Moltkc, gewiß einer der hervorragendsten Männer, den conservative Wähler je in den Reichstag geschickt haben, am Abend seines langen Lebens ausgezeichnet hat. 'Um dem Leser das eigene Urtheil nicht im Mindesten zu beschränken, stellen wir die fraglichen Aus führungen Moltke's und vr. Endemann's gegenüber. Moltke schreibt in seinen „Trostgedanken" (abgedruckt im 1. Bande der „Gesammelten Schriften") u. A. wörtlich das Folgende: „Das Christenthum hat die Welt aus der Barbarei zur Gesittung emporgehoben. Es hat in hundertjährigem Wirken die Sklaverei beseitigt, die Arbeit geadelt, die Frau emancipirt und den Blick in die Ewigkeit geöffnet. Aber war es die Glaube ns- lehre, das Dogma, welches diesen Segen schuf? Man kann sich über Alles oerständigen, nur nicht über Dinge, an welche das menschliche Begriffsvermögen nicht heranreicht, und gerade über solche Begriffe hat man achtzehn Jahrhunderte hindurch gestritten, hat die Welt verheert, von der Vertilgung der Arianer an durch dreißigjährige Kriege bis zu den Scheiterhaufen der Inquisition, und was ist das Ende aller dieser Kämpfe — derselbe Zwiespalt der Meinungen wie zuvor! Wir können die Glaubenssätze hinnehmen, wie man die Versicherung eines treuen Freundes hinnimmt, ohne sie zu prüfen, aber der Kern aller Religionen ist die Moral, lv eiche sie lehren, am rein st en und ers chöpfend- st e n d i e chri st l i ch e. Und doch spricht man achselzuckend von einer trockenen Moral und macht die Form, in welcher sie gegeben, zur Hauptsache. Ich fürchte, daß der Eiferer auf der Kanzel, welcher überreden will, wo er nicht überzeugen kann, die Christen aus der Kirche hinauspredigt. Ueberhaupt sollte nicht jedes fromme Gebet, möge es nun an Buddha, an Allah oder Jehdvah gerichtet sein, an denselbenGottgelangen, außer dem es keinen giebt?" — So schreibt Graf Moltke. Der nationakliberale Abgeordnete Dr. Endemann aber hat im Reichstage am 9. ds. gesagt: „Die beseligende Kraft der Kirche kann ein großer Theil meiner protestantischen Freunde nicht anerkennen. Der Katholicismus wurzelt ja ganz sicher in der Kirchlichkeit, aber in diesem Sinne hat der Protestant seine Kirche nicht, sondern der Protestantis mus ist Individualismus . . . Wir sind moralisch« Christen, und das sage ich Ihnen offen: Die christliche Moral ist die höchste, die wir befolgen können . . . Moralisch kann auch sein — ich wiederhole, unsere christliche Moral steht über Allem — ein Mensch, der nicht der christlichen Religion angehört. Das ist ganz klar. Gehen Sie doch nur in das Alterthum zurück. Wollen Sie die Menschen von damals für unmoralisch erklären, weil sic keine Christen gewesen sind?" — In Bezug auf diese Worte hat die „Kreuzzeitung" die „ungeheuer ernste Frage" aufgeworfen: „Was soll sich das Volk bei dem Begriff des „Staatserhaltenden" denken?" vr. Endemann kann hierauf gelassen antworten, daß er zum Mindesten kein schlimmerer „ilmstürzker" ist, als der Generalfeldmarschall Graf von Moltke. Ae-action »nd Expedition: JohanniSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend» 7 Uhr. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit dec Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbeförderung 70.—. günstiges Zeichen für ihre eigenen Pläne. Sie freute sich aus nahmsweise, als mit d«m steigenden 'Nuchmittag ihre Kunden sich verliefen und sie dadurch Zeit geivann, sich an der Unter haltung am Kaffeetische zu bethriligen. Sie betrachtete die Beiden mit Vergnügen und sagte sich, daß cs ein ganz hübsch«» Paar abgebt. Martin Auer war im besten Mannesalter, und Senzi konnte von Glück sagen, eine so gute Partie zu machen. Zwar sah sie gegen den etwas derben Mann, der offenbar dem Handwerkerstände angehrte, aus wie eine thaufrische Maienrose gegen einen Asternstrauch, aber nach Liese's Meinung und Er fahrung Ivar Schönheit nur eine Gefahr mehr für «in armes Mädchen, und sie wollte Gott danken, wenn sie das gebrechlich« Fahrzeug glücklich in den .Hafen bugsirt hatte. Martin Auer hatte sich zwar noch nicht direct erklärt, aber Liese war seiner völlig sicher. Es gehörte thatsächlich kein übermäßiger Scharf blick dazu, um seine Wünsche und Hoffnungen in Bezug auf Senzi zu erkennen. Nur diese selbst stand ihm völlig unbefangen gegenüber, obschon junge Mädchen im Allgemeinen sonst einen scharfen Blick dafür haben, wenn irgend Jemand, gleichviel, ob alt oder jung, sie mit d«n Augen der Lieb« betrachtet. Ent weder war Senzi ausnahmsweise harmlos, oder ihr Herz und ihre Gedanken waren so erfüllt von einem anderen Bilde, daß sie für nichts weiter Sinn und Verständniß hatte. Liese hütete sich auch, sie vorzeitig aufmerksam zu machen, denn sie wußte wohl, daß jung« Mädchen manchmal von d«r Meinung älterer Leute ganz abweichende Ideen über Lieben und Heirathen haben, und eine schnelle Ueberrumpelung däuchte ihr auf jeden Fall das Beste. Während die Drei in der Stub« der Lumpenliese plauderten und dabei Jedes noch seinen besonderen Gedanken nachhing, die so weit voneinander verschieden waren, schritt der junge Guckrnheim die gewundenen Stufen zum ersten Stocke hinan, fest entschlossen, diesmal aus jeden Fall eine Entscheidung herbei- zufichren. Das Mädchen führte ihn ins Studierzimmer. Moritz Guckenheim hakte in ven Familienzimmern vr Rainer'» bis jetzt keinen Zutritt. Frau vr. Rainer entstammte einer alten Adrlsfamilie, uno in ihren Augen konnte man mit dem Sohne eines Geldverleihers nur geschäftlich ver kehren. Es war Ehre gemig für ihn, wenn er überhaupt empfangen wurde. Sie, die sonst so streng auf da» Aeußere hielt, fand deshalb auch nicht das mindeste Anstößige dabei, daß Clärchen ge zwungen war, den jungen Mann oft zu empfangen und allerlei Geschäfte mit ihm zu erledigen. Um derartige Angelegen heiten hatte sie sich nie bekümmert. Sie hatte, wie es die an genehme Pflicht der Frauen aus den besseren Ständen ist — es ttreweo, l-etp»«?, ck v»»eir>. <Ul/8) von ' (17/H io i«) io t: »Sooo AnzeigenPreiS die «gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem RedactionSstrich (»ge spalten) 50^, vor den Familiennachrichte« (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preit- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Senzi. Roman von M. Immisch. viachcoir r.lionu. Auf dem breiten Fensterstock stand ein Arbeitskörbchen uno Sarin lag eine zierliche Häkelarbeit. Träumerisch griff Martin Auer nach der kunstvoll gearbeiteten Spitze. Vielleicht sah er in Gedanken die schlanken Finger des Mädchens vor sich oder gar ihren weißen zarten Hals, den diese Spitze später schmücken sollte. Sch«u sah er sich um, ob es Niemand bemerkt, und sann beugte er sich schnell hernieder und drückte seine Lippen verstohlen auf die zierliche Arbeit. Er war ganz roth dabei geworden; dann stand er auf unv ging erregt auf und ab. Ihm war, als müsse sein heißes Verlangen die Kraft haben, das holde junge Geschöpf herbeizuziehen. Aber Senzi dachte augenblicklich an alles Andere, nur nicht an ihn. Leichtfüßig kam sie über ven Hof und die breite steinerne Trepp« heraus. Aus einem Fenster des oberen Ge schosses winkte ihr ein reizender Mädchenkopf mit erwartungs vollen Augen entgegen. Senzi nickte ihr zu und sprang dann eilig die Stufen zu der ersten Etage empor. Eine kleine weiße Hand streckt« sich ihr entgegen und zog sie hastig in ein der Treppe gegenüber liegendes Zimmer, das außer einem Schreib tisch und zwei Lehnstühlen nur noch eine Menge Bücher enthielt, die auf Regalen an den Wänden aufgestasxlt waren. Es war das Studierzimmer vr. Rainrr's, das er jedoch schon seit zwei Jahren an seine Tochter Clärchen abgetreten hatte, die seit seiner Krankheit alle geschäftlichen Angelegenhriten leitete und mit bewunderungswürdigem Verständniß zu erledigen wußte. „Nun, hast Du ihn getroffen? Was sagte er? Hast Du Geld mit?" sagte Clärchen Rainer, sich in einen Srffel werfend und die Freundin erwartungsvoll ansehend. Senzi berichtete das Resultat ihrer Unterredung mit Daniel Guckenheim. „Der alte Heuchler! Wer weiß, was er wieder plant!" sagte Clärch«n, während sich ihre feinen Brauen zusammenzogen und ihre großen stahlgrauen Augen zornig aufblihten. „Er thut, als wäre es ein ungeheures Risico, wenn er ein paar Hundert Mark herausrücken soll, und dabei hat er sich doch von allen Seiten sicher gestellt und sich unser gesammtes Eigen- in kurzer Zeit zu erwarten stehe. Eine parlamentarische Corresponvenz will wissen: Das den deutschen Colonialbesitz in Ostafrika durchschnridrnde Bindeglied wird ganz von deutschem Gelbe gebaut, mit deutschen Beamten betrieben, bezw. verwaltet und von der deutschen Regierung in Gemäßheit der ReichSverfassung geleitet und controlirt werden. Auch alle Vorarbeiten werden von Deutschland gemacht oder bewerkstelligt werden. Auf diese Weise erlangt Cecil Rhodes den Vortheil, daß ihm die Schwierig keiten abgen»Minen werden, welche namentlich daraus sich ergeben, daß die Bahnlinie durch noch unerforschte Gebietstheile geführt werden muß Wenn englischen Blättern von hier au» mitgetheilt worden ist, die deutsche Regierung werde, falls dem Unternehmen englischerseits eine Ziusgarantie gewährt werde, ein gleiches Verfahren einschlagen, so ist dies begreiflicher Weise Unsinn. Die deutsche Regierung denkt nicht Entschließungen irgendwie von Regierung abhängig zu die Möglichkeit vor, daß Ausführung der uothwendigen Zeit in Anspruch nehmen, den Reichstag angehen wird, seine Ein willigung zur Uebernahnie einer Zinsgarantie für dieses deutsch-ost- afrikanische Glied in der großen Festlandbahn zu geben. Verhand lungen sind bereits mit potenten Finanzgruppen gepflogen worden, haben jedoch noch kein Resultat ergeben, da man sich bisher noch nicht über die beiderseits einzugehenden Verpflichtungen zu einigen vermocht hat. Das ließe sich, vorausgesetzt, daß die Correspondenz genau informirt ist, scheu eher hören, denn da hätten wir es mit einer vollständig deutschen Bahn zu thun. Die Haupt sache ist, das; sie von deutschem Gelde gebaut wird. Zn dieser Beziehung sagt die „Tägl. Rundschau" treffend: „Nur Eisenbahnen mit deutschem Capital von deutschen Unternehmern auögesiihrt in unseren deutschen Colonien, oder —-!" Wir ergänze,, den Satz aus dem Zusammenhänge des Artikels: Aussaugung unserer Colonien durch englisches Capital! Da Afrika, führt das Berliner Blatt, dem wir vollkommen bei- stimmen, weiter aus, territorial jetzt so ziemlich vergeben ist, tritt die Anglisirung der von den verschiedensten Nationen jetzt be- setzten Gebiete mit Hilfe von Capitalisirung und Wirth- fchaftlichen Unternehmungen größten Stiles zu Tage. In Egypten sind es die Eisenbahnen, Industrie und Nilprojecte (Dämme), Portugal werden seine Colonien abgekaust, dem Wil- watersrand mit den unerschöpflichen Goldlagern des Transvaals wird seine Lebensader, Telagoa-Bai, abgeschnitten Lurch lieber- gaug an England, am Cap monopolisirt Rhodes mit seinen An hängern mehr und mehr alle großen Unternehmungen und tödtct so mit Hilfe der De Beers-Compagnie und Chartered-Compagnie das holländische Capital, an der Goldküste und am Congo und in Central-Asrika arbeiten englische Gesellschaften, unterstützt von großen Capitalisten. Man sieht, die von Frankreich, Portugal, Holland, Belgien theilweise in hundertjähriger Culturarbeit colo- nisirten nnd verwalteten Gebiete werden langsam, aber »n- merklich und sicher englisch. Da» in der Verwaltung jener Colonien angelegte Nationalvermögen der einzelnen Staaten geht der Aufsaugung durch das englische Großcapital ent- gegen. Den einzigen Widerstand hatte bisher Deutsch. mbar« do» Str. 7,N »«Ileckatt-, ipf«r «rsa- 'sr ,»»rslltiur> Zermenie"; loiUsroev', »dar- (16,3, t, »II» kiwk l. keekstt >orr (16 oo Oportu ) »Nudele- voo klev lotterdem' »t»dt (15, w >r «ar der VezugS-Prett in dir Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus- qobestellen abgeho > t: vierteljäbrlich t.öO, sei zweimaliger täglicher Zustellung ins r)aus ->ii ö.5O. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Tirecte tägliche Kreuzbandsendung iuS Ausland: monatlich 7.50. 881, 2' „ Ltramu, 1«otr.-Lct.s 133 , »cokaelüc! 7« Politische Tagesschau. * Leipzig, 18. März. Als im Sommer 1896 ein großer internationaler Frauen- congreß in Berlin stattfand, kam die Vorkämpferin der Krancttbewcgung den socialdemokratischen „Colleginnen" mit der größten Rücksicht entgegen. Zum Dank dafür ernteten sie nichts als Sottisen. Eine der socialdemokratischrn Rednerinnen erklärte rund heraus die Bemühungen des Congresses für puren Unsini, nur die Socialdemokratie könne die „Befreiung" der Arau herbcifllhren. Die Reformerinnen ließen sich dadurch nicht adschrecken und haben auch zu dem für diesen Sommer geplanten großen internationalen Frauencongreß in London wiederum die socialistischen Führerinnen eingeladcn. Sie haben ebenso wie damals nichts als Hohn geerntet, denn die Einladung wurde mit der Motivirung abgelehnt, daß es nicht auf „reformerische", sondern auf revolutionäre Arbeiterinnenbe- ivcgung ankäme. Man sollte nun meinen, daß die bürger lichen Führerinnen der Frauenbewegung angesichts dieser gänz lich ablehnenden Haltung der Socialistinnen sich in einen be wußten Gegensatz zu der socialdemokratischen Propaganda stellen müßten. Aber weit gefehlt! In einem Vortrage, den die geistig wohl bedeutendste Persönlichkeit der deutschen Frauen bewegung, Fräulein vr. Anita Augspurg, vor einigen Tagen hielt, stellte sie eine Reihe von Forderungen auf, von denen die ein« oder andere uns aus dem socialdemokratischen Pro gramm wohlbekannt ist. So verlangte beispielsweise die rechts gelehrte Dame für die Frauen das Wahlrecht zu den politischen Wahlen, eine Forderung, dir einem Anträge entspricht, den die Socialdemokwten bereits im Jahre 1893 im Reichstage ein gebracht haben. Die Führerin der Frauenbewegung möge es verzeihen, wenn wir die Meinung aussprcchen, daß die Social demokraten besser wissen, was sie mit ihrem Anträge erreichen können, als sie es weiß. Man braucht nur die socialdemokratische Presse und die socialoemokratischen Reden zu verfolgen, um zu wissen, daß dir socialistische Agitation sich nicht an die Logik wendet, sondern an die Leidenschaften. Bald löst sie die Gefühle des Hasses gegen die angeblichen Unterdrücker aus, bald die des Mitleids mit den angeblich Unterdrückten: man braucht nur an die Ausnutzung des Dresdner Schwurgerichts- urtheils über den Löbtauer Krawall zu senken. Diese specifischc Ärt der Agitation, mit der die anderen Parteien nicht mitkönnen, würde zur Folge haben, daß die Frauen sich bei politischen Wahlen vorwiegend der Socialdemokratie anschließen würden, denn die Frau läßt sich mehr durch Empfindungen und Leiden schaften leiten, als der Mann. Wenn also eine hervorragende Führerin der deuischen Frauenbewegung eine Forderung auf stellt, deren Erfüllung leviglich der Socildemokratie zu Gute kommen würde, so arbeitet sie bewußt oder unbewußt für den Socialismus. Damit aber schädigt die Frauenbewegung sich selbst, denn man wird es keiner Regierung verargen können, wenn sie einer Bewegung mißtrauisch gegenübersteht, die der sociali stischen Propaganda Vorschub leistet. Das Lessing'sche Wort, daß weniger mehr gewesen wäre, läßt sich sehr wohl auf di deutsche Frauenbewegung anwenden. Die Vorkämpferinnen für die Fraurnrechte würden wahrscheinlich heute schon viel mehr er reicht haben, wenn sie nicht durch ein Uebermaß von Forderungen die Regierung und die gemäßigten bürgerlichen Parteien stutzig machten. Wollen sie etwas erreichen, so müssen sie sich von der Socialdemokratie abwenden, statt diese Partei zu umschmeicheln und sich noch obendrein von ihr einen Korb zu holen. Die hochconservative Presse, voran die „Kreuzzeitun g", übt mit absichtsvoller Beharrlichkeit parteiisch« Kritik an dem Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Ratyes nnd Polizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Ul. >r»d >ld» utu-^vt. » ?!»c>üo ro Uilv. X'uedv. »ruk»e. ilue» us Ovinseeo 85 > > » ?»c>üe I Keller. 'rior. :kin.^u . 108,50 do. do. 99,— oldrent« 100,30 roasrrr. 97,75 — I. 59,LO ?oeitiu 83,00 UO.Nrioi . 80.- . 91,50 rokuolü iordoetd . 99,00 luioud. — idioo»U 141,97 -erkLkr 109,00 Mploll 87.00 ieoout 4-, s» üslä n vp.-^. k, VII! 101,75 .r.tlotds 135,- »uU 156 25 I3S, - trueed. 198.— kUerdeb 313 — rusesud 84,75 8trueed. 159 — littioll 344.50 resetuM 302,— Ounsst. 142,75 Ilorxv. 137.30 18550 Villislw 237,25 lelitr-ä. 170,— lelitr.-^ 179.50 klektr. 177,75 Nksräb. 144,— 228,— Mnoi» — — IlU8t-ä so, - l- -Lust. 133,10 >d..Usä. 116,50 355,— Orlld. 530,— isrev. 296,— >rxk>.-6. 151,30 NIeeb 181,90 orr»II. 320,— )rn 151,40 Illckust. 123,25 ,uc.-l.n Lerev. 247,50 168,15 re II». — le- 213,— Uurr 215,85 ,sn 92,SO 416,— 180,50 24690 ttttw 100,60 1I5.-0 its 225 - , -»voll 194(0 183,5 7 191,7., lovil 114,90 117 90 »eitle 83,62 58, - re» t'est aut u.kssev Nul-r. ulir". rck verboten > 6sw liriei 8850 8925 7700 7800 4450 67S0 6825 3050j 3I2i> 13V50 13/50 2475 2525 3775 3825 2900 2950 — 4627 1IIOO 11250 14900 I5I00 II900 12100 10800 11000 4200 4275 10900 11100 2450 252ü —> 3805 — 725 — 1625 3175 3250 1450 1500 2050 2700 2850 2900 14300 14550 — 2550 12350 12500 I77S! 1825 — 3550 240 260 — 2600 170 45IOO — 30 — 1775 - - 2440 —— 390 — 4125 750 80^ 412M 4175 4925! 4975 8100! 8150 I Doretkelä t« «rdeblicb et. dem 1 lluueu uu, l srvsdUcb
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