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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.03.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990322019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899032201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899032201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-22
- Monat1899-03
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Reklamen unter demReduckionsstrich l4ge- spalten) 50>^, vor den Familiennackrickrei <6 gelpaiten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeikbniß. Tabellarischer und Zifferniap nach höherem Taris. Extra-Veilage» (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbesördernng 60.—, mit Poslbesörderung >/l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abeud-Ansgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgeu-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 93. Jahrgang. ' Die Gewerdegesehnovelle. i. -k> Es zeugt von dem großen Aufschwung unserer Industrie und unsere- Handel», daß fast in jeder Tagung de» Reichs tag- sich die Nothwendigkeit berausstrllt, die Gewerbeordnung zu ergänzen und neue Bestimmungen zu erlassen, die den Fortschritt im Gewerbe fördern, oder die den Schutz der An gestellten oder brr Unternehmer bezwecken. Auch die neue, dem Reichstage zugegangene Novelle enthält eine Reihe ein schneidender Bestimmungen, die geeignet sind, in gewissen Betrieben eine Aenderung bervorzurufen. Wie die Gewerbc- orknung, die unserer Meinung nach eine Sammlung aller möglichen Gesetze geworden ist^ immer mehr den Betrieb der Industrie einheitlich regelt und damit gewisse Entscheidungen den LandeSbehörden und der Rechtsprechung entzieht, so will auch die vorliegende Novelle sür da» Reich einheitliche Be stimmungen treffen und gewisse willkürliche Auslegungen der au-führenden Organe unmöglich machen. Die Novelle er streckt sich auf eine ganze Anzahl Puncte. Sie giebt eine Er gänzung der Bestimmungen über da-Verfahren bei Errich tung genehmigungspflichtiger Anlagen oder Be schränkungen für einzelne gewerbliche Anlagen, sie ordnet den Geschäftsbetrieb der Gesindevermittler, Stellenvermittler, Auktionatoren und Bücherrevisoren bis zu einem gewissen Grade, sie beschränkt den Hausirhandel, enthält Bestimmungen über Einführung von Lohnbüchern und Arbeitszetteln, wwie über die Mitgabe von Arbeit nach Hause an Arbeiterinnen und jugendliche Arbeiter, über Pausen sür die Letzteren in Fabriken und Vorschriften über die Be schäftigung der Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter in offenen Verkaufsstellen. Diese Zusammenstellung zeigt zur Genüge, wie ein schneidend für einzelne Branchen dieses neue Gesetz sein wird. Was den ersten Artikel anbelangt, so will das Gesetz dem Unternehmer einen wirksamen Schutz angedeihcn lassen. Im 16 deS jetzigen Gesetzes sind die Anlagen aufgesührt, die einer behördlichen Concession zu ihrer Errichtung bedürfen. Es sind daS eine erhebliche Anzahl und wir müssen dieserhalb auf das Gesetz selbst verweisen. Die Genehmigung dieser Anlagen ist von zwei Faktoren abhängig, eineStheils von der Gcwerbepolizei, anderntheilS von der Baupolizei. Man hat schon ost den Vorschlag gemacht, diese Genehmigung in die Hände einer Behörde zu legen, man ist aber immer wieder davon abgekommen, weil dadurch die Errichtung der Anlage, insbesondere des erforderlichen Baues, über Gebühr hinaus verzögert werden könnte. Die Regierung ist einsichtig genug, daS oftmals kleinliche Bestreben von Localbehörden und Nachbarn, die Anlage einer concessionSpflichtigen Anlage zu bindern, nickt zu theilen, und sie ist dieser Ansicht schon seit Langem. Bereit» 1837 hat die preußische Negierung darauf hmgewiesen, daß die Erfahrung lehre, daß nicht selten auS Eigennutz, Mißgunst, Unverstand oder irgend einer anderer Veranlassung ganz unbegründete Einwendungen erhoben werden, vielleicht nur in der Hoffnung, den Unter nehmer dadurch zurückzuschrecken oder doch die Ausführung seines Vorhaben- zu verzögern, und daß es deswegen nöthig sei, dem verständigen Ermessen der Behörden das Urtbeil darüber anheimzugeben, inwiefern die Ertheilung der Ge nehmigung bis zur rechtskräftigen Verwerfung der auf einen privatrechtlichen Titel gegründeten, im gewöhnlichen Rechts wege geltend zu machenden Einwendungen oder schon vorher salvo zure deS Widersprechenden zu verwirken sei. Wenn man auch in unserer Umgegend beobachtet, wie schwer der Mangel genügender Bebauungspläne und damit die Ver- wertbung deö Grund und Bodens wiegt, wie noch schlimmer die Versagung der Bauerlaubniß auf Grund früher festge stellter, freilich noch nicht genehmigter Baupläne, die einer fortwährenden Aenderung unterzogen werden, wie im Osten unserer Stadt, auf die Besitzer des zum Zwecke gewerblicher Bebauung gekauften ArealeS wirkt, so wird man diesen vor sechzig Jahren eingenommenen Standpunkt der preußischen Regierung für sehr richtig finden und nur bedauern, daß der darin ausgestellte Grundsatz noch nicht allenthalben zum Verständniß gekommen ist. Auch die ReickSrcgierung steht auf dem Standpunkte, daß dem Unternehmer die Benutzung der Conjunctur gestattet sein müsse und daß er durch das HinauSschiebcn der Genehmigung nicht unnöthig geschädigt werde. Unter Umständen ist der Schaden, der dem Unternehmer zugefügt wird, nicht nur dessen Schaden, sondern er kann bei neuen Artikeln, die von Patenten und der Auslandskonkurrenz abhängig sind, für weite Kreise von Nachtheil sein. AuS diesen sehr vernünf tigen Gründen will der Gesetzentwurf, daß, unbeschadet der späteren gewcrbepolizcilichen Genehmigung, dem Unternehmer, wenn er den ersten Bescheid auf seine Erlaubnißeingabe erhält und dieser Bescheid eine Genehmigung nickt enthält, auf sein Ansucken die Behörde, auf Gefahr des Unternehmers wegen des einzuschlagcnden RekurSverfahrens, die vorläufige Baugenehmigung gewährt. Die Reichsregierung meint, daß die dein erstinstanzlichen Bescheid vorangegaugcne Er örterung aller gegen die Genehmigung der Anlage sprechenden Bedenken und erhobenen Einwendungen eine ausreichende Gewähr dafür bietet, daß von der Befngniß nur in solchen Fällen Gebrauch gemacht werden wird, in denen durch die weitere Hinausschiebung der Bauten bis zum Eintritt der Rechtskraft überwiegende Interessen des Unternehmers ge fährdet sein können. Da nur die Bauausführung, nicht aber die Eröffnung des Betriebs auf Grund des erstinstanzlichen Bescheides zugelassen werden darf, so werden hierdurch auf der anderen Seite berechtigte Interessen der Nachbarn oder des Publikums schwerlich gefährdet. Wo aber eine solche Gefährdung dennoch möglich erscheint, ist die Behörde in der Lage, entweder von der ihr eingeräumten Befngniß keinen Gebrauch zu machen, oder die unverzügliche Ausführung der Baulichkeiten nur gegen Sicherheit zu gestatten. Durch letztere wird die Wieder beseitigung der inzwischen etwa hergestellten Baulichkeiten für den Fall gewährleistet, daß die Genehmigung der Anlage durch die Recursentscheidung versagt oder an Bedingungen geknüpft wird, welche auf die Gestaltung der Gebäude einen Einfluß ausüben. Die von der Behörde in dem Genehmigungsverfahren zugezogenen Sachverständigen sind gegenwärtig, sofern es sich nicht um Beamte handelt, durch gesetzliche Vorschriften weder zur Verschwiegenheit über die durch das Verfahren zu ihrer Kenntniß gelaugten Tbatsackcn verpflichtet, noch in der Verwerthung dieser Kenntniß zu ihrem eigenen Nutzen behindert. Die Regierung empfiehlt, nach dem Vorgänge des Unfallversickerunggesetzes den Sackverständigen ausdrücklich ein Verhalten zur Pflicht zu machen, welches jeden Mißbrauch ihrer Kenntniß von Betriebsgeheimnissen ausschließt. Im gewissen Zusammenhänge mit der besprochenen Vor lage steht die Unterstellung der im 8 16 der Gewerbeordnung angeführten Betriebe unter Landes Baucontrole. Die vermehrte Fürsorye für einen zweckmäßigen, den An forderungen der öffentlichen Gesundheitspflege Rechnung tragenden Ausbau der Städte bat in den letzten Jahren in immer zunehmendem Maße dazu geführt, in den Baupolizei ordnungen für bestimmte Bezirke oder OrtStheile die Er richtung gewisser Anlagen, namentlich solcher, die durch starken Rauch, Verbreitung schädlicher Dünste oder durch un gewöhnliches Geräusch Gefahren, Nachtbeile oder Belästigungen für die Nachbarschaft oder das Publicum überhaupt herbei zuführen geeignet sind, zu untersagen, oder von erschwerenden Bedingungen abhängig zu machen. Ob diese beschränkenden Vorschriften auch für die Errichtung von Anlagen der im 8 16 der Gewerbeordnung bezeichneten Art Geltung haben und dementsprechend von den GenebmigunzSbehörden bei der vor geschriebenen Prüfung beachtet werden müssen, erscheint um deswillen nicht zweifelsfrei, weil für diese Anlagen die Ent scheidung darüber, ob sie an der in Aussicht genommenen Stelle zuzulassen sind, ausschließlich in die Hand der Geneh migungsbehördcn gelegt ist, deren Genehmigung zugleich den Bauconsens einschließt. Dazu kommt, daß Abs. 3 des 8 23 der Gewerbeordnung in der jetzigen Fassung für den Erlaß von Bestimmungen, die die Errichtung genehmigungspflichtiger Anlagen in den einzelnen Ortstbeilen anSschließen oder be schränken, lediglich den Weg des OrtSstatutS Vorsicht, welchem ein diese Regelung ermöglichendes Landesgcsetz vorangegangen sein muß. Die Bedenken, die hiernach gegen die Recht»- giltigkeit allgemeiner baupolizeilicher Verbote der gedachten Art gegenüber den im H 16 erwähnten Anlagen obwalten, haben sich dem Erlasse solcher, im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege wünschenswerthen Bestimmungen vielfach hinderlich erwiesen. Um sie zu beseitigen, sind die in tz 16 aufgesührteii Betriebe -Uvd.h.Uich in di, Beschränkung ein gezogen worden. Eine neue Bestimmung regelt die Erlaubnißertheilung privater Schlächtereien, weil in dieser Materie von oberen Gerichten verschiedene Urtheile ergangen sind. Erstreckt sich der hier besprochene erste Theil der Gewerbe gesetznovelle auf den Schutz deS Unternehmers, so beschäftigen Artikel 3—4 sich mit dem Schutz der Stellenlosen rc., die sie vor der Ausbeutung durch gewinnsüchtige Vermittler schützen wollen. Gegenwärtig ist das Geschäft eine» Gesinde- oder Stellenvcr Mittlers nicht concessionS- pflichtig. Es kann dem Gesindevermiether die Ausübung deS Betriebes nur untersagt werden, wenn er wegen aus Gewinn sucht begangener Vergehen oder Verbrechen gegen daS Eigen- thum ober Vergehen uud Verbrechen gegen die Sittlichkeit bestraft ist. DaS neue Gesetz will beide Arten Vermittler dem Pfantleibgewerbe gleichstellen und ihre Genehmigung von den gleichen Voraussetzungen wie bei diesen abhängig macken. Es verlangt, daß die Vermittler ihre Taren, deren Höhe ihnen natürlich freisteht, der Ortspolizeibehörde einreichen, und daß eine Aenderung dieser Taxen bis zur Anzeige bei der Polizeibehörde und Anschlag in den Geschäftsräumen besteben bleibe». Man will damit eine Ausbeutung der Notblage der Strllensuchenden verhindern, und vor Allem den willkürlichen Festsetzungen der Provision in verschiedenen Fällen entgegenwirken. Ob diese Bestimmungen auSreichrn, die Absichten deS Gesetzgebers zu erreichen, mag dahingestellt bleiben, jedenfalls wäre »ine Bestätigung der Tax» durch die Polizeibehörden Wünschenswerth. Mit den nun beantragten Bestimmungen wird ein Zu stand wieder eingefübrt, wie er früher bestanden hat, «in Zustand der polizeilichen Ueberwachung, den die Gewerbe ordnung für den Norddeutschen Bund beseitigte. Die Wieder einführung einer gewissen polizeilichen Controle ist durchaus nicht reaktionär, sondern dringend geboten, da die gewerbs mäßige Stellenvermittelung uno Gesindevermiethung recht bedauerliche Auswüchse zeigt. Getroffen werden von den neuen Bestimmungen nur diese Auswüchse, die reelle Ver mittelung, insbesondere die durch Vereine, bleibt völlig un berührt. lieber das Gewerbe der Gesindevermiethung äußert sich schon die Begründung zur Gewerbegesetznvvelle vom Jahre 1883 wie folgt: Dieses Gewerbe wird vielfach und in manchen Bezirken überwiegend durch Personen von zweifelhafter Rechtschaffen beit und Moralität betrieben. Diese benacktbeiligen Herr schäften und Gesinde durch wabrheilswidrige Angaben, indem sie unzuverlässige und untaugliche Dienstboten als zuverlässig und tauglich empfehlen oder Dienstboten zur Nebernahme von Stellen veranlassen, zu deren Wahrnehmung sie sich hinterher untauglich zeigen. Um durch vermehrte Stellen Nachweisungen erhöhten Gewinn zu erzielen, verleiten sie das Gesinde geflissentlich zu leichtfertigem Stellenwechsel uno tragen dadurch an vielen Orlen wesentlich zur allgemeinen Verschlechterung deS Gesinde» bei. Ihre Gebübrensorderungen sind oft übertrieben, und nickt selten verschaffen sie sich da dnrck, daß sie sich sowohl von den Herrschaften als auch vo i den Dienstboten bezahlen lassen, ein unrechtmäßigen Gewinn. Tie Zwangslage stellenloser Dienstboten wissen sie dadurch auszubenten, daß sie ihnen gegen hohe Vergütung bei fick Unterkommen gewähren und ihnen erst dann einen Dienst ver schaffen, wenn sie auf diese Weste deren ganze Hal^e an sich gebracht haben. Am bedeuklichsten wird dieser Gewerbe betrieb in den nickt seltenen Fällen, wo er dazu benutzt wird, der Unsittlichkeit Vorschub zu leisten, entweder dadurch, daß stellensuchende weibliche Dienstboten, znm Theil unter falschen Vorspiegelungen in lüderlichen Häusern untcrgebrachl oder während der Zeit der Stellenlosigkeit zu nnzüchligem Verkehr verleitet werden. WaS damals aalt, das gilt in vielleicht erhöhtem Maße noch heute. Im Jahre 1885. veranstaltete die preußische Re gierung eine Untersuchung der in diesem Gewerbe herrschenden Zustände. Nach dem Ergebnisse dieser Erhebung sind von 52k 6 gewerbsmäßigen Stellenvermittlern 632, also über 12 Prcc , wegen Verbrechens oder Vergebens vorbestraft- unter diesen 632 Personen befassen sich 537 auch mit der Stellenvcr Mittelung für weibliches Gesinde. Die Bestrafungen waren erfolgt: 345 Mal wegen Diebstahls, Hehlerei, Betrug- oder Unterschlagung, 109 Mal wegen Körperverletzung, 25 Mal wegen Kuppelei, 3 Mal wegen Meineide-, 279 Mal wegen eines anderen Verbrechens oder Vergehens, so daß sick für 632 Bestrafte 76k Verbrechen oder Vergehen ergaben. Unter Ium 300jahrigen Geburtstage des Malers Anton van Dyck. Geboren am 22. März 1599. Bon vr. F. Sauerhering. Nachdruck verboten. II. Wie wir am Schluss« o«S ersten Theiles unseres Jubiläums- ailitels bereits ausgesprochen haben, beabsichtigen wir, mit Ueber- gehung der religiösen Bilder oan Dyck's, den Leser mit de» Künstlers prächtigen Porträtwerken des Näheren bekannt zu machen. Seine hohe Meisterschaft in der Bildnißmalerei wurde im Vorhergehenden mehrfach hervor gehoben; ferner ist es nach dem kurz geschilderten Lebenslauf von selbst klar, daß van Dyck an den Hauptstationen seiner künstlerischen Pilgerfahrt, also in Oberitalirn, Antwerpen und besonders in London diejenigen Per sönlichkeiten abkonterfrit haben werd, die ihm als dem liebens würdigen, feingebildrren, dazu nicht um des täglichen Brodrs willen schaffenden Künstler aus der Mitte seines gewählten Freundeskreises oder aus der ihn protegirendrn hohen und höchsten Gesellschaft mit Achtung oder Zuneigung entgegentraten. Wir haben gesehen, daß van Dyck ein frühreifes Talent war, daß er mit zwanzig Jahren schon für einen berühmten Maler galt, wenngleich er in der Bildnißmalerei noch keine Probe ge liefert hatte. Daß er nichtsdestoweniger schon in jungem Alter sich nach Testen de» Porträtfaches künstlerisch zu entwickeln schien, beweist die Anekdote aus dem Rubensatelier, derzufolge oan Dyck eine durch di« Katzbalgerei der Schüler des berühmten Lehrmeisters entstandene Beschädigung der Hand einer frisch gemalten Figur schnell und geschickt rrstaurirte, so daß Ruben» den Schaden nicht gewahr wurde. Urbrigen» kann besagte Anekdote gleichzeitig auch andeuten, wie peinlich und fein van Dyck die menschlichen Extremitäten zu malen verstand, wie ja auch gerade dadurch sich seine Bildnisse unter vielen anderen kenntlich machen. Wir kommen auf diesen Punkt unten noch einmal zurück. Wenige Jahre nach jener zwar ernsten, aber, wie eS scheint, nicht allzu philiströsen Lehrzeit bei Ruben» war van Dyck »in gefeierter Vildnißmakrr. Wir schreiben daS Jahr 1621 (bezw. 1623) und beginnen damit denrrsten Abschnitt von van Dyck'» gkLnzendee Thätigkeit in der PorträtirungSkunfi. In Italien regten Land, Leute und die großen Meister des jüngst verflossenen Jahrhunderts den Maler zu eminentem Schaffen an. Ein günstiges Geschick hat es gefügt, daß dir meisten seiner Werke, die auf italienischem Boden entstanden, am Bestimmungs ort selbst verblieben sind. Dies gilt vor Allem wieder von den Bildnissen, die er von adligen Personen in Genua abnahm. In dieser altberühmten Dogenstadt stehen noch heutigen Tages die Paläste Marcellv-Durazzo, Balbi-Senarega und Rosso, welch letzterer, früher Palazzo Brignole-Sale genannt, im Jahre 1874 durch Schenkung eines Mitgliedes.der Adelsfamilie in dm Besitz der Stadt überging. In den Gemächern dieser Paläste hängen Perlen van Dyck'scher Bildnißkunsi und Zeugen van Dyck'scher Schaffrnszeit. Der Palazzo Rosso bewahrt u. A. den auf einem Schimmel reitenden Marchese Antonio Giulio von Brignole-Sale, seine Gattin die Marchesa, geborene Paola Adorno, die Marchesa Geronima von Brignole-Sale nebst Tochter; der Palazzo Balbi-Senarega mehrere Bildnisse aus der Familie Balbi, darunter den Marchese Francesco Maria Balbi zu Pferd. In ver Galerie des Palastes Pitti zu Florenz neht man das vornehme und elegant gemalte Bildniß des Cardinals Giulio Bmtivoglio. Di« zweite Blüthezeit van Dyck's datiri von 1626 bis 1632, während welcher Jahre der Künstler sich in seiner Vater stadt Antwerpen aufhielt; hier lebten oder erschienen be freundete oder sonst interessante Persönlichkeiten, die vor sein forbengefüllten Palette ihre Reverenz machten. Eine enorme Zahl von Bildnissen entstanden in der kurzen Zeit bis zur Ueber- siedekung nach England, die weithin verthrilt sind, aber dennoch in den Galerien zu Brüssel, Cassel, London, München und Wien eine bleibende, jedem Kunstfreund zugängliche Stätte gefunden haben. Wir nennen zunächst die Bildnisse seiner Zunft genossen: den Landschaftsmaler Jan Wkldens (Brustbild), die Maler LucaS und Cornelis de Wael, mit denen van Dyck zu Genua in enger Freundschaft lebte; den berühmten Thiermaler Fran» Snyders mit seiner Frau, Beide in Schwarz, behaglich dafitzend (ein vollendetes Doppekbildniß), sämmtlich in der Casseler Galerie. Ferner der Maler David Ryckaert im Prado- Museum zu Madrid; sodann der Kupferstecher Karl Malery, der Maler Peter SnayerS im breitkrämpigen Hut, sowie der Bildhauer Colyn de Nole, im Lehnstuhl sitzend, desgleichen seine Gattin mit Töchterchen; VaS Doppelbildniß deS alten Jan de Waek und seiner Frau, des Vater» der obengenannten Maler, sämmtlich in der Alten Pinakothek zu München. Weiter in der Eremitage zu Petersburg das Bildniß des MalerS Jan Brueghel und des Architekten Inigo JoneS, endlich m der Liechtenstein'schen Galerie zu Wien das vorzügliche Brustbild deS Malers Gaspard de Crayer, mkt der besonders schön «uSqeführtm erhobenen linken Hand. Diese Künstlerbildnisse gehen dem Beschauer ordentlich nahe; meist als Brustbiloer ooer in Halbfigur gehalten, zeigen diese Porträts, daß ihr Schöpfer weniger Werth auf das Aeußerliche legte, sondern vor Allem das Mienenspiel im Antlitz seiner Freunde sprechend ähnlich wiedcrzugeben bemüht war. Daher blicken denn auch diese Gesichter von Künstlern des Pinsels oder Meißels so recht freundlich und behaglich aus dem Rahmen. Steifer sehen dagegen diejenigen Personen aus, denen ihre Staatsstellung ein gewisses Air sozusagen zur Pflicht machte. In Antwerpen malte Anton van Dyck von diesen Standcs- personen: den Antwerpener Bürgermeister I. van den Borcht lAmsterdam), den Rath von Antwerpen A. Drlafaille (Berlin); den Antwerpener Bürgermeister Sebastian van Leers nebst Frau und Söhnchen (neben einander sitzend), zwei Bildnisse eines Herrn und einer Dame in stehender ganzer Figur, er im Staatsgewand mit sprechender Bewegung der linken Hand (alle vier Werke in Cassel); den Kunstliebhaber und intimen Freund von Rubens, Cornelius oan der Geest, in Brustbild (Londoner Nationalgalerie); Sen Herzog Wolfgang Wilhelm von Pfalz- Neuburg, den Begründer der 1805 vor den Franzosen nach München geretteten Gemäldegalerie zu Düsseldorf, in ganzer stehender Figur mit einer gefleckten Dogg« neben sich; besonders aber Herzog Karl Alexander von Croy und seine als Schönheit gefeierte Gemahlin Genvvefa von Urphö, Beide ebenfalls in ganzer stehender Figur, sowie die 'Pendants des sogenannten „Bürgermeisters von Antwerpen" und dessen Frau, ver Organist an der Antwerpener Kathedrale, Heinrich Liberti, in Halb figur mit einem dem Evangelisten Johannes ähnelnden, weichen, fast gezierten Ausdruck (sämmkliche sechs Bilder in der Münchener Pinakothek; von letzterem eine Wiederholung im Museum zu Madrid); ferner der spanische Oberbefehlshaber Franz von Moncada, einmal zu Pferde, ein zweites Mal als Brustbilo, und der Brüsseler Rathsprüsident Richaibot mit seinem jugend lichen Sohn (im Louvre zu Paris); der Schatzmeister der Stadt Antwerpen, sowie auch dessen Gattin in der Eremitage zu Peters burg; Graf Henri Vandenburgh, der spanische Rath Johann von Montfort in der kaiserlichen Galerie zu Wien; Bildniß eines vornehmen Mannes (fälschlich Wallenstein lxnannt), Bildniß eines Geistlichen aus der Antwerpener Familie Tassis, Gräfin Mana Luise von Tassis, das in Vorderansicht dargestellte Knie stück einer jungen Niederländerin, in der Galerie Liechtenstein zu Wien. Die letztgenannten beiden Frauenbilonisse, von denen das der jugendlich anmuthigen Maria Luise von Tassis im weißen Atlas- kleide mit dem Federfächer in der Rechten (Stich von Vogel, 1875; große Photogravüre in Facsimile-Format) zu den viel bewunderten und allgemein bekannten Meisterwerken Anton von Dyck's gehört, leiten zu der dritten Künstlerepoche deS herrlichen MalerS über, zu der SchaffenSzeit am englischen Hofe, woselbst van Dyck mehr als sonst 'Gelegenheit fand. schöne Frauen, und unter diesen die Königin des Landes selbst im Bilde zu verewigen. Wie angegeben, war Ver Künstler zu Anfang des Monats April 1632 zum zweiten Mal in London zu längerem Aufenthalte eingetroffen und vom König Karl auf» Glänzenoste empfangen worden. Eine ungezählte Menge von Aufträgen seitens der königlichen Familie und der Hofgesellschasi drangen auf den berühmten niederländischen Meister ein; Alle wollten in möglichst kurzer Zeit und mit allem pomphaften Exterieur von seiner subtilen und geschickten Hand gemalt sein Ban Dyck wußte sich der zahllosen Aufträge thatsächlich rbens' schnell wie glänzend zu entledigen; daher die mehrfachen Bildnisse ein und derselben Person, z. B. malte er mehr als zwölfma! die Königin, fünfmal den König, neunmal den Grafen Strafforv, siebenmal den Grasen Arunoel, wobei er allerdings der Schülerhilfe nicht entbehren konnte. Ehe wir Vie Königsbilder des Näheren kennzeichnen, erwähnen wir von sonstigen in London gefertigten Bildnissen der Aristo kratie, die sich großentheils im Schlosse zu Windsor befinden: Graf von Bristol (Sir Kenelm Digby) am Tisch fitzend; dessen Gattin Lady Vcneria Digby, viermal in einem Jahre gemalr davon einmal als Sinnbilo der Unschuld aufgrfaßt, in idealem Gewand duschend und eine Taube streichelnd; Herzogin Maria von Richmond, Gräfin Lucia von Carlisle, Gräfin Maria von Dorset, Beatrix von Cusance (Prinzessin von Cantecroix), in reicher Gescllschaftsklcidung die Schwelle ihres Hauses be schreitend, sämmtlich im Schlosse zu Windsor; Lady Diana Cecil, Gräfin von Oxford, sitzende Halbfigur (im Museum zn Madrid). Sodann bewahrt die Petersburger Eremitage von derartigen Bildnissen aus jener Zeit: Erzbischof Laud, Sic Thomas Cherloner, Henri Danvers (Graf von Danby), Sir Thomas Wharton, den jungen Lord Philipp Wharton, letzteres ein hervorragendes Porträt. Hieran wollen wir dann gleich die Bildnißwerle reihen, die van Dyck im UilaubSjahr 1634 zu Brüssel und Antwerpen schuf: hierher gehören: der mehrmals porträtirte Thomas Franz von Savoyen, Prinz von Carignan (in Berlin, Turin und Windsor): ferner der Cardinalinfant Dvn Ferdinand, Bruder deS Königs Philipp IV. von Spanien, der im November 1634 die Statt halterschaft in den Niederlanden übernahm (Halbfigur, im Museum zu Madrid); der Brüsseler Syndikus JustuS van Meer straeten, in höherem Alter, sowie dessen Gattin Isabella van Aksche (in der Galerie zu Cassel). Alle diese im Vorstehenden aufgrführken Bildnisse sind wahre Meisterwerke der Porträtmalern, eckte Kinder van Dyck'scher Gestaltungskunst'; die kostbarsten Perlen aber, die sauber und glänzend, wie selten bei einem Bildnißmaler, der Palette de» Meisters entrollten, sind und bleiben die Porträt» de» Königs der Königin und der königlichen Kinder. In ihnen hat van Dyck den Höhepunct seine» Können» erreicht, in ihnen ist über»
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