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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.03.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189903262
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18990326
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18990326
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-26
- Monat1899-03
- Jahr1899
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.03.1899
- Autor
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Größere Lchrirten laut unserem Prti- verzeickniß. Tabellarischer und Zissnistap nach höherem Tarif. Evtra-Beilage» (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Posibeiörderung ./L 60.—, mit Postbesördernng 70.—. Ännahmelchluk für Anzeigen: Abend»Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morge n-AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen nnd Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die (üxpevitioii zu richten. Truck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 155. Sonntag den 2 . März 1899. 93. Jahrgang. Ans der Wo he. DaS BiSm arck-Jahrbnch bat dem deutschen Bolte wieder auserlesene Gaben varzebracht. Insbesondere den Frauen und Müttern wird die goldene Menschenseele, die au« dem schlichten Tone dieser Briese spricht, den „Eisernen" noch näher bringen. Aber für Jedermann ist eS rübrend, wie der die größten politischen Probleme in seinem Haupte Umherwälzente Zeit findet, seinen kleinen Knaben von dem Schaden zu erzählen, den eia Unwetter an den Stellen, die sie interessirrn, angerichtet. Den Gruß Bismarck» an die Wittwe gewordene Gemablin deS FeldzrngmeisterS Benedek theilt das Jahrbuch nicht mit. Aber in dem Dankschreiben der Getrösteten spiegelt sich die Liebenswürdigkeit deS Trösters wider, der am Grabe des rin Opfer der Sünden und Fehler Anderer gewordenen unglücklichen Feldherrn zu Herzen gebende Worte der Anthcilnabme und Gerechtigkeit für den einst maligen Gegner gefunden baden muß. Mit den ungemischten Gesiiblen» die diese Veröffentlichungen erregen, wird kaum Jemand der deutschen Ausgabe der „Tagebuchvlätter" Busch», die die Derlagsbandlung von Giunow anzeigt, entgegensehen. Diese Ausgabe des Werke-, da- bei seinem Erscheinen in englischer Sprache vielfachen Widerspruch hervorrief, hat — durch Nichtgenannte — eine neue Redaction erfahren und nach ter buchbändlerischenAnkündigung ist das Buch „wesentlich verschieden von der überhasteten und ungesichteten englischen Ausgabe". Es soll dann „Viele»" bringen, „waS in dem arg verstümmelten Texte fehlt", und „Manches nicht enthalten, kva» tort unbedacht abgerruckt worden ist, Dinge, deren Veröffentlichung man nur beklagen kann, weil sie entweder unbedeutend oder Aeußerungen persönlicher Gereiztheit in der Umgebung deS Fürsten sind." Die Thalsache, daß daö Material auch des deutschen BucheS von dem also gekenn zeichneten Herausgeber deS englischen hrrrübrt, bleibt bestehen. Die Anziehungskraft de» Namens Bismarck wird aber voraussichtlich beim deutschen Publicum daS mit der ersten Veröffentlichung gegebene Aergermß in Vergessenheit bringen. Jrdeusall» bat der Vorwurf geringe» Gewicht, daß da» Werk den einheimischen Hassern de» Großen Stoff zu Ver unglimpfungen seines Andenkens bietet. Darüber sind die Manen Bismarck'- und seine Bewunderer erbabeu. Die unerschütterliche Verehrung für Bismarck wird es ja schließ lich auch ertragen lassen, wenn die anfgetauchten Vorschläge zur Bestrafung von Beleidigern und Verleumdern deS großen Tobten sich nicht verwirklichen sollten. Die Lorbeeren des barischen Eentrums haben die Frei sinnigen im preußischen Abgeordnetenhause nickt schlafen lassen. Auch tort ist eine Aenderung deS Geschichtsunterrichts im Sinne der Friedensfreunde, d. h. daS Schweigen über die Deutschland Jahrhunderte hindurch zugesügte Unbill, dringend empfohlen worden, und auck dir Klerikalen, die anfänglich anderer Meinung zu sein schienen, haben sich dein Wunsche angrschlossen. Als die Frage in Baden diScutirt wurde, haben wir uns zu bemerken erlaubt, daß die eigentlichen Urheber de» „Reform"-Vorschlag» wahrscheinlich nicht der Meinung sind, daß wie de» SchlachtenrufeS der Deutschen auch der Heldentbaten der Makkabäer in den Schulen keine Erwähnung grsch hen soll. Gegenüber den Verhandlungen im preußischen Abgeordneten bause, wo Herr vr. Max Hirsch sür die Ausmerzung der Kriegsgeschichte au» dem Unterricht stritt, ist jene Vrr- muldung doppelt berechtigt. Wenn man sieht, wie hoch beglückt sich ein großer Tdeil der französischen Presse über da« Afrika-Abkommen mit England zeigt, kann man sich nickt sonderlich animirl fühlen, der deutschen Jugend da» Bewußtsein fern zu halten, daß sie vielleicht einmal, wie die Väter so oft, sich französischer Waffen zu erwehren baden werden. Das Abkommen ist für Frankreich keineswegs glänzend. Wenn man an der Seine dennoch vollauf be friedigt ist, so ist die Ursacke darin zu finden, daß das Schwinden ter sranzösisck-englischcn Spannung den Franzosen ein Hinderniß künftiger Revancke für Sedan zu beseitigen scheint. Die deutschen Blätter, die aus dein Faschoda-Aerger deS Nachbarn die Befreundung mit dem Frankfurter Frieden aus den französischen Gemülhern herauSwacksen sahen, sind nun eines Anderen belehrt. Im preußischen Herrenhause haben Regierung und eine Reihe von Mitgliedern übereinstimmende Gedanken über die Bekämpfung der Svcialdemokratie ausgetauscht. Nur die ungeheuerliche Znmutbung, die Richter im Sinne einer ReprefsionSpolitik zu beeinflussen, ist mit der gebührenden Entschiedenheit von einem Justizminister zurückgcwiesen worden. Es ist nur zu billigen, wenn der Staat alle ihm vom Gesetz gebotenen Waffen zur Be kämpfung der Umsturzbestrebungen gebraucht. Schon die Ankündigung, daß dies geschehen werde, hat, wie sich fest stellen läßt, Eindruck gemackt, insbesondere auch auf die Unterbeamten. Es gilt jetzt, die 1890 und später in dieser Richtung gemachten Fehler wieder gut zu machen. Die Strenge des Gesetze» hat der Socialdemokratie auch in dem Löbtauer Falle imponirt. Anfänglich wurden die Strasthaten der Berurtheilten als auS einem löblichen Lohnkamp', also einer socialdemokraiischen Unternehmung, sozusagen mit Naturnotbwendigkeit hervorgeganqene und darum entschuiobare, wenn nickt gleichfalls löbliche Handlungen dargestellt; man sprach von dem Tottschlagversuch von Löbtau im Mindesten wie von einer res circa k»crr>. Jetzt bestreitet die social- demokratiscke Parteileitung, daß jene Strasthaten in irgend einem Zusammenhänge mit ihrer Parteibewegung stehen. In Preußen tobt ein ZeitungSkrieg zwiscken einigen nationalliberalen und mehreren conservativen Organen. Wir haben vorläufig keinen Anlaß, ausführlicher, als geschehen, darauf einzugeben, denn ein freisinniges Blatt stellt mit Sckmerz und mit — Neckt fest, daß die konservative Kriegs- eiklärunz — die „Eons. Eorr." halte anzefangei — in ter conseivaliven Presse „doch wenig Widerhall erweckt". Der ganze Lärm bestätigt uns auch wieder die beklagenSwerthe Berliner Uubekanntfchaft mit den Verhältnissen und Stim mungen im Lande. Die „Ehrentafel" des vorwärts und -er Löbtauer Landfriedensbrnch. Als vor einigen Tagen der socialdemokratische Parteivorst and die „Ehrentafel" veröffentlichte, auf welcher die Namen derer gebucht sind, die zum höheren Ruhme der Partei mit dem Strafgesetzbuch in Eonflict ge kommen und sür ihre gerichtliche Bestrafung durch Verleihung der Märtyrerkrone entschädigt werden, wurde gefragt, warum wohl die wegen deS Löbtauer LandfriedensbruchS vom Dresdener Schwurgericht Berurtheilten nicht auf dieser Tafel ständen. Auch socialdemokratiscke Parteiorgane, wie die „Säcks. Arb.-Ztg.", sahen die Tafel an nnd „vermißten die Aufführung des Löbtau-DreSdener Unheils"; nur in Folge eines „Versehens", meinten sie, könne das Urtbeil fehlen. — Und sie hatten Recht, daß eS eigentlich nur ein Versehen sein konnte. Hatten dock die Führer der socialdemokratischen Bewegung selbst diese Vorkommnisse als ein Glied in dem unter ihrer Leitung sich vollziehenden EmancipationSkampf der Arbeiterklasse behandelt. Am 5. Februar schrieb das socialbcmokratische Eentralorgan: „Die Dresdener Justiz Hit ein Urtbeil gegen Arbeiter gefälli, wie eS die opferreiche Geschichte der deutschen Arbeiterklasse noch nicht kannte. . . . Sachsen ist der klassische Boden des Kampfes zwischen Proletariat und Reaktion. Kein Hauck eines freizesinnten BürgerthumS ist dort zu verspüren. In allen Fragen des Rechts und der Freiheit siebt die Arbeiterschaft völlig allein. . . Und wohlbekannt ist die SpruckpraxiS res höchsten sächsischen GerichlSboses, der oft ohne Umschweife die An gehörigen der Arbeiterpartei als minderen Rechtes erklärt bat, denn andere Staatsbürger". — Eino zweite Stimme. Die der wissenschaftlichen Wochenschrift der Socialdemokratie, der „Neuen Zeit": sie schrieb über daS Dresdener Urtheil: „Hier hat nicht die Rechtspflege eines civilijirten Volkes ge» sprachen, sondern das Jnter«sse der herrschenden E lassen; im heim- lichen Bericht haben zwölf bürgerliche Geschworene und drei gelehrte Richter den Stab gebrochen über classenbewußte Proletarier: nicht üst zustitia! steht in diesem Urtheil geschrieben, sondern vav vieris.... Allein der eigentliche Anlaß des Streite-, der Versuch classenbewußter Arbeiter, „arbeitswillige" Kameraden zum Einstellen der Arbeit zu veranlassen, bat jenes furchtbare Urtheil veranlaßt, das jedem fühlenden Menschen das Blut in den Adern gerinnen macht... Ehrlos mögen sie sein für die besitzenden Ciassen; sür die arbeitenden Elasten sind sie ehrlich, sind sie Märtyrer, denn vor dem vernichtenden Sireiche, den die Classenjnstiz gegen sie geführt hat, verschwindet vollständig, was sie gefehlt haben. Ja, sie sind die ersten Märtyrer des ZuchthausrurjeS . . . Nein, das dars den neuen Opfern des Dresdener Urtheil» nie vergessen werden — und eben deshalb sind sie Märtyrer ihrer Elaste — daß, was sie gefehlt haben, au- einem braven, ehrlichen Beweggründe gefehlt worden ist." So am 8. Februar, nachdem am 6 Februar ,,die ocialdemokratischr Fraction des deutschen Reichstag»", in deren Anfirag: Auer, Bebel, Liebknecht, Meister, Pfannkuck und Singer im Eentralorgan einen Auf ruf erlassen hatten, „An die Arbeiter Deutschlands" und sie zur Gelbsammlung auffordertcn; mit der Begründung: „Bürgerliche Geschworene sprechen dieses Urtbeil über Angehörige der Arbeiterklasse unter Verweigerung mil dernder Umstände und bürgerliche Ricktcr gewannen es über fick, dir schuldig Gesprochenen tbeilweise mit den schwersten Strafen zu belegen, die daS Gesetz kennt." Tie Fe b ruar-,,Eb ren lasel" kam, und sie blieb leer'. Und warum? Heute veröffentlicht im Eentralorgan nicht mehr an der Spitze, sondern ans der vierten Seile der „Partei vorstand", der die verantwortliche Redaktion der „Ehren tafel" zeichnet, die Erklärung dafür und zwar, wie folgt: „Als seiner Zeit die Rubrik „Unterm neuesten Curs" eingerichtet wurde, geschah es zu dem Zwecke, uin „alle im Zusammenhang mit uns er er Parteibewegung er folgten Verurtheilungen und Verfolgungen zu regislr ren." So wenig der ParteivorslanL auch nur einen Augenblick darüber im Zweifel war (!), daß die in dem Urtheil ausgesprochenen, furchtbar hohen Strafen nur in den besonders in Sachsen auf die Spitze ge. triebenen Elasten verurtheilten ihre Erklärung finden konnten, so steht Loch andererseits auch scst, daß die so auffallend hart geahndete Strasthat nicht in dem geringsten Zusammenhang mit der socialdemokratischen Parteibewegung steht (!)... „So iehr wir aber die Pflicht anerkannten, unS der unglücklichen Opfer anzunehmen, so wenig sind wir geneigt, die Stras that zu beschönigen oder gar a!S mit der Parteibewegung zusammenhängend erscheinen lassen." So geschrieben am 23. Mär;. Wer ist nun der Partei vorstand, der also diese hervorragend«! Prrßstimmen und die Herren Auer, Bebel, Liebknecht, Meister, Pfannkuck und Singer sammt den Dresdener Verurtheilten abschütielt und sich nicht nennt? ES sind die Herren — Auer, Bebel, Pfaniikuch und Singer, die der letzte socialtcmokratiscke Parteitag am 8. Oktober v. I. als Partcibänpter wählte; sie erklären jetz:, daß sie die „ersten Märtyrer des Znckthauscurscs" nickt an erkennen! Da bleibt uns allerdings nichts anderes übrig, als unser Urtheil dahin zu ändern: Man laßt die Armen schuldig werden, und wenn sie dann nach Recht und Gesetz der „Pein überliefert" werten, dann ve> leugnet man sie, aber stellt sich im Reichstag bin: „Es ist bei unS genau so, wie bei den ersten Edristen!" Wir Kälten in diesem Falle übrigens gar nickt nöthig gehabt, uns selbst der Mühe zu unterziehen, die» Feckler- knuststückchcn deS socialisiischen Parieivorstandes als solches zu charaklerisiren. Ein Blatt der sächsischen Genossen, die „Sächs. Arb.-Ztg ", sagt den Herren ihre Meinung, wie folgt: „Wir erinnern uns keiner einzigen Kundgebung aus Partei» kreisen, die uns so bitter geschmerzt hätte, wie diese Veröffentlichung des Parieivorstandes, da wir der festen Ueberzeugung sind, daß dieses Ergebnis einer kläglichen Angstmcierei unserer Frriilletoir. Äm Palmsonntage. Culturgvschichtliche Skizze von Heinrich Geller. Ä>a<i>ptUU »>rooua. Am Eingänge der Osterwoche steht der Palmsonntag, wie rin frischblühender Baum am Portale eines erhabenen Domes. Die Osterwoche ist der Erinnerung an die erschütterndsten Er eignisse der christlichen Ueckerlieferung geweiht, der Palmsonntag acker mahnt an einen Freudrmag, an jenen Tcrg des Triumphes, da EhristuS auf -einem Esel reitend in Jerusalem einzog und das Volk jubelnd ihm cntgrgeniwallte und Palmenzweige auf seinen Weg streute. Zum Gedächtnisse dieser Begebenheit ist der Palm sonntag von der griechischen Kirche schor im 4. Jahrhundert festlich begangen worden; di« abendländische Kirche folgte ihr erst später nach. Papst Gregor d. Gr. ordnete eine Proression am Palmsonntage an und zur Zeit Karl's des Großen finden wir das Fest bereits allgemein in Geltung. Freilich hat auch hier die gelehrte Forschung einen Zusammenhang mit vorchrist lichen Culten festzustellen versucht, und besonders hat Hammer an die Esetsprocesfion der Perser im März erinnert. Doch darf man wohl mit ziemlicher Sicherheit die Palnrsoantagsfei«r als der christlichen Kirche eigenthümlich ansehen, auch das germa nische Heidenthum hat höchstens die Gestaltung mancher Einzel heiten des Festes beeinflußt. Die Palme ward das beherrschende Symbol dieses Tages, di« Palm« wurd« geweiht und umhergetragen, und zeiiig bildete sich die Vorstellung, daß die so geheiligten Palmen segensreich seien und gegen mancherlei Krankheiten und Unholde schützten. Nach Rom werden die Palmen von der Riviera gebracht, und der Papst selbst nimmt den frierlichen Act d«r Weih« vor. Sonst ersetzt man die Palmen in Italien durch Myrten- und Lorbeerzweige, in Tpanien durch Dattelzweige. Noch schwie riger war l»r Ersatz im Norden. Die Münchener freilich ver sorgten sich in alten Zeiten aus Mailand, sonst aber begnügt man sich in Deutschland und anderen germanischen Ländern mit Zweigen der Dachl- oder Palmweide, der Stechpalme, der Mistel, des SeckenbaumS oder ganz bescheidentlich mit grünem Laube. Bis auf den heutigen Tag ist es an vielen Orten das Ziel des Ehrgeizes, die schönste Palme zu haben. Wetteifernd putzten die Landleut« in d«r Umgegend von Basel ein sauber ge schältes Tannenstämmchen mit Zweigen, Bändern und Aepseln aus; am Palmsonntage tragen dann die Knaben des Dorfes stolz ihre Palme der Kirche zu, um die sich alle Palmbäume sammeln, und eifrig sind die Einwohner in der Beuriheilung der Leistungen. Im Schwarzwald», zwischen Rippoldjau und Freiburg, hab« di« Palmen die Form großer, rother Kreuze, von denen bunte Bänder berabwallen; in Belgien werden kleine Buchsbaumzweig« als pauntaüjens geweiht und dann unterm Dach« befestigt, um da» Hau» vor Feuer zu schütz«». Die Deutschen in Böhmen begnügten sich mit Haselnußpalmen und! schlucken ihre Kätzchen, um sich gegen das Fieber zu schützen. I Selbst im nebligen London entflieh« an diesem Sonntage viele Knaben in aller Frühe dem unermeßlichen Häusermeerr, um pnilQinx zu gehen und Weivenzweige zu suchen, mit denen sic sich dann schmücken. Im nahrhaften Holland hat die Palme die konsistentere Form der palrnpssclrcu angenommen, kleiner Kveuze oder Bretzeln aus Brodteig, in denen rin Kreuz liegt und die mit Buchsbaum geschmückt find. Durch den Umzug Mit den fröhlich geschmückten Palmen gewann die Feier des Tages ersichl.ich einen volk-thümlichen Zug und den Charakter eines Frühlingsfestes, das denn wohl auch mit altheidnischen Erinnerungen zusammentraf. Noch liegt ja um diese Zeit gewöhnlich die Natur im Winterschlafe und di« zarten Wetoemätzchen verkünden als erste Bot« das Nahen des ersehn «n Frühlings. In Schwaben pflegte man die Weiden zweig« schon ein paar Wochen vorher ins Wasser zu stellen, damit sie ergrünten und aufblüh en, und dann mit diesen Früh gaben des Lenzes den Altar der Kirche zu schmücken. Acker dem in allen Dingen zu sinnfälliger Anschaulichkeit neigenden Geiste des Mittelalters genügten die Palmen oder ihr Erssttz nicht, um die Erinnerung an Christi Einzug in Jerusalem wachzurufen. Man griff daher zu dem Mittel, die Begebenheit des Tages dramatisch darzustellen. Wieder ist es angeblich Gregor der Große, der zuerst einen Esel in der Palm- sonntags-Prcression mttfiihren ließ. Der Esel hatte ja zugleich die symbolische Bedeutung und den Werth, daß «» ein Abbild der Demuth war und die Gläubigen zur Ausübung dieser schweren Timend mahnte. In d esem Sinne sangen die „Hueri- ckucken rm Dayevwakde an diesem Tage: Jesus in das Haus reitet rin Demüthig auf einem Eselein. Schämet Euch, Ihr stolzen Weltkinver! Ihr richtet alles auf den Schein, Geprangt, gespitzt muß alles sein, Das gefällt Gott nicht, o Sünder! Beiläufig sei hier bemerkt, daß der Esel, den Christus bei seinem Einzuge in Jerusalem ritt, seine eigene Legende hat. Er soll von Palästina trockenen Fußes nach Chpern, Rhodus, Kreta, Malta und Sicilien gewandert und nach mancherlei Irr fahrt« in Verona gestorben sein, wo seine Reste zu St. Maria in Organs in einem Reliquiar von Eselsgestalt aufbewahrt würden. Di« Veroneser waren aber über diese Legende und den Daran knüpfenden Spott manckec Literaten und Reisenden so erbost, daß sie späterhin ihren hölzernen Esel gar nicht mehr zeigen, geschweige denn in der Proression umgehen lassen wollten. Wo man keinen Esel hatte, mußte man sich anders behelfen. So wurde bis 1700, bei der großartigen Palmsonntags-Proces- sion in Moskau, das Patriarchen-Pferd mii zwei langen Ohren ausstaffirt und von dem Zaren selbst geführt, bis Peter der Große Liefen Brauch ackschasfr». Bei uns aber ersetzte man den lebenden Esel fast allgemein durch einen auf Rädern gehenden hölzernen, der dann den Namen „Palmesel" führte. Solcher Pälmesel sind noch heute eine Anzahl erhalten. Den alter- thiimlichsten besitzt wohl das schweizerische Lanvesmuseum zu Zürich; des schönsten aber können sich die Ulmer rühmen. Dieser ist vielleicht ein Werk des berühmten Jörg Syrlin und zeigt eine naturwahre Charakteristik des Esels und eine edle Christus- figur. Denn nur im Anfänge und spä.er an bestimmten Orten war es Sitte, daß ein Mensch auf der Holzgestalt ritt und in Kleidung und Haltung den Heiland darstellle. Knaben, Kleriker, Ministranten wurden zu dieser Rolle ausgewählt; in Antwerpen mußte d«r Christus nach einem Beschlüsse oom Jahre 1487 jedesmal durch einen Pilger vertreten werden, der eben aus Jerusalem zurückzekehrt Ivar. In anderen Gegenden aber schritt man zeitig dazu, auch Christus durch eine Holz figur zu verkörpern. So hören wir schon von d«m (973 ge storbenen) Bischof Ulrich vvi Augsburg, daß er am Palm sonntage allemal die Palmen zu segnen und dann „mit einem Bilde des auf dem Esel sitzenden Herrn" zu dem Hügel Perleich zu ziehen pflegte. Diese Darstellungen sind cs denn, die als „Palmesel" in der Feier unseres Tages Jahrhunderte lang eine so große Rolle gespielt hacken. » Denn sie bildeten naiürlich den Mittelpunkt des Zuge-, der unter dem Geläut der Glocken um die Kirche, oder in größeren Städten von einem Gotteshaus zum andern ging, während die Menge frohbewegt dem Bilde folgte und Palmen auf seinen Weg streute. Zum Schluß wurde dann der Palm esel in der Kirche ausgestellt, wobei Kerzen davor angeziindet wuvdcn. Es galt aber für das Seelenheil für gar ersprießlich, den Palmesel zu zielten. So wird von den Zwictauern erzählt: „Etliche, die guten Vermögens gewesen, haben viel Geld drauf gewendet und es für eine große Gnade gehalten, wenn es ihnen vergünstiget worden, daß sie den Esel ziehen durften." Auch in Nürnberg und Meßkirch genossen Patricier und Rathsherren -Dies Vorrecht; in Zürich und Tübingen waren die Metzger mit dem Ziehen des Palmesels betraut (die Figur war schwer und die -Metzger hatten vor Allen die erforderlichen Kräsie). Eine ergötzliche Anekdote knüpft sich an das Ziehen des Palmesels in Schwäbisch-Hall. Dorthin kam im Jahre 1489 der römische König Maximilian, und da er auf die Palmsonntagsprocession traf, so schloß er sich ihr an. „Da er aber Christum durch die Häscher oder Stadtknecht« in die Kirche führen sah, wandte er sich zu dem Herrn von Thurn una sprach: „Ei, mein Gott, haben denn die Haller Niemand, denn Büttel und Schergen, welche den wackern Mann führen können?" Darauf wurde bestimm:, daß sortack zwei Rathsherren dies Amt übernahmen sollten. An vielen Orten gestaltete sich der Umzug des Palmesels zu einem echten Volksfeste. So auf dem Nonnberge bei Salz burg, wo die Benedikt inerlnnen einen berühmten Pälmesel be saßen. Zu seiner Proression strömte das Landvolk in solchen Massen, daß ein Markt mit dem Feste verbunden wurde. In Brügge, in Tirlemcnt bildeten sie Umz'^e Durch ihr» Prnch', ihre Abwechselung uns ihre Ausgelassenheit eine große Volks belustigung. Fischart Hal oom Pälmesel geschrieben: „Kommt er wieder, so ist Freud' in allen Gaffen". Zu Hirschau in Schwaben war d«r „Palmeseli-Tag" ein «großes Kinderfest, La dann die Kleinen auf dem Esel ein Weilchen reiten durften; die gleiche Gunst wurb« ihnen gegen einen Kreuzer für die Meßner in Konstanz gewähr:. Diesem fröhlichen Treiben mach:e nun an -vielen Orten die bildcrfcindliche Reformation «in Ende, die auch gegen die Holzaestatt des Palmsonntags eine «i- schiedene Abneigung zeigte. Damals fand so mancher Palmesel ein gewaltsames Ende. Doch wissen wir, daß lange noch auch die Protestanten hier und Lu ihre FreuLe an Lei alten Sitte hatten; so klagt 1669 eine Appenzeller Synooe, Laß Vas junge Bclk am Palmsonntage dem Esel in Si. Gallen zulaufe. Andererseits zeigt den ganzen Gegensatz zwischen den beiden Bekenntnisse^ die Historie vom Pälmesel zu Baden im Aargau. Den csc.feino.ichen Protestanten zum Trotze wollte La der Rath sich einen rechl sctönen Esel ansckaffen. So bestelle er einen bei einem Züricher Meister, acker -die eifrige Züricher Obrigkei! kam dahinter und verbrannte das Werk. Darauf hol.en fick ost Badener einen Holzsckniver aus Augsburg, der auck die Figur vollendete, dann -aber auf merkwürdige Weise an einem Holz- spane erstickte. Dieser Vorfall erregte ein gewaltiges Aufseben und gab zu Spotilndern Anlaß, aus die die Antwort von der anderen Seit« nichr ausblieb. In Len katyoiischen Gegenden blieb der Palmesel lange in seinem überkommenen Nech:e. z-um Theil bis gegen die Mine unser«- Jahrhuncer:s. Meist aber fand er gegen den Ausgang des 18. Jahrhunderts sein Ende, indem die aufgeklärte katholische Geistlichkeit die Sitte ackschasfte. Hier und da, wie z. B. in Konstanz, erregte sie dadurch Unzufrieder.beit. Damals ereilte viele Palmesel ein unrühmliches Geschick. Dieser wurde zer spalten, jener im Ganzen verkauft; der endete als Kinderspiel zeug und jener verkümmerte im Dunkel des Kellers. Besonders tragikomisch war der Ausgang des Palmesels in Windisch- Mcnrei. Als hier 2er Ccttcant Punz Pcter — es mag zwischen 1847 und 1849 gewesen sein — di« Gestalt zcz, fiel sie um und das hierauf entstehende Gelächter weihte sie dem Untergänge; sie ward in die Kirchenhütte geworfen und tauchte nichr wieder auf. Der Punz Peter aber mußte rock lange bissige Spokiresen über sich ergehen lassen. Daß die zumeist plumpen Figuren der Pälmesel schließlich zur Zielscheibe des Volkswitzes geworden waren, beweist die Sprache, in oer sich Ler Ausdruck als Schimpf- und Sport wort mehrfach erhalten hat. Im Elsaß heißt ein tölpischer Mensch Palmesel, in Schwaben sagt man: „Machst a Gfich: wie a Pälmesel", d. h. ein dummhochmiiihiges Gcsictn; auch in Kärnthen wird Pälmesel als Schimpfwort gevrauch:. Außer den Figuren, die hier un«d da Museen und Attertbumsverein: aufbewahren, bilden diese sprachlichen Ueberledsel die einzige ltbinoige Erinnerung an ein: Sitte, an sie sich «inst so viel frohstes Vrl'sleben -nkrüpf:«. Lia rrnviir «lori« wurrälk
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