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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.03.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990327011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899032701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899032701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-27
- Monat1899-03
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Schon während der Kämpfe, welche das Erzhaus Oesterreich mit den Höcks in den Niederlanden führte, während des Butter- und Käsekrieges, sowie in der geldrischen Fehde, kam Albrecht von Holland aus mit Friesland in Berührung, von der unentschieden bleibt, ob sie von dem Herzoge mit Rücksicht auf die späteren Verhältnisse, in welche er zu diesem Lande trat, herbergeführt wurde oder nicht. An der Küste von der Maas bis zur Elbe wohnten die Friesen, die in verschiedene Stämme zerfielen. Schon früh ivurde das friesische Land von der Maas bis zum Zuidersee von dem übrigen Friesenlande getrennt und den, Grafen von Holland unterworfen. Das freie Friesland blieb als Provinz bei dem deutschen Reiche, und die Kaiser sandten Grafen hin, denen sie dir Verwaltung anvertrauten. Friesland, das wieder in einzelne Theile zerfiel, war einem Fretstaate ähnlich, denn die Grafen konnten nur oberflächlich die Herrschaft ausüben, die alten Gewohnheiten, Rechte und Freiheiten blieben dem Volke erhalten, Geistlichkeit, Adel und Landbesitzer waren die Stände des Landes. Bei Upstallbom, unweit Aurich, unter dem 'schatten uralter Eichen, sprachen die friesischen Richter Recht, und zur Zeit der Gefahr, wo eines Mannes Sinn und Arm walten mußte, wählte man einen Herzog zu Krieg und Re gierung, er hieß „Potestat". Nach der Trennung des westlichen Frieslandes theilte sich das Land vom Zuidersee bis zur Weser in drei Theile. Dom Zuidersee bis zur Lauwer wohnten die Ostcrgoer, Westergoer, Siebenwoldener; das war das west- lauwcrische Friesland. Von der Lauwer bis zur Ems, das ost- lauwerische Friesland, später Gröningerland, von der Ems bis zur Weser, erstreckte sich Ostfriesland. Alle drei Landstriche hielten an gleicher einigender Verfassung fest und schützten sich gegen die Grafen von Holland, welche ihre Herrschaft gern auf die jenseitigen Ufer ausgedehnt hätten. Die Grafen von Holland stützten ihr Recht darauf seit dem zwölften Jahrhundert auf mehrere Thatsachen. Es batte der holländisch« Graf Florcs III. dem Bischöfe von Utrecht gegen Gröningen Hilfe geleistet; hieraus war ein Streit entstanden, den Kaiser Friedrich I. dahin zu schlichten versucht hatte, daß er bestimmte, der Bischof und der Graf von Holland sollten das Land besitzen. Die Grafen von Holland suchten immer wieder ihr Recht geltend zu machen, es kam oft zu Kämpfen, und im vierzehnten Jahr hundert verlor Wilhelm IV., der letzte männliche Sproß des bennegauerschen Grafenhauses, in der mörderischen Schlacht bei Stavoren gegen die siegreichen Friesen das Leben. Infolge der Kriege mit Holland bildeten sich in Westfriesland zwei Parteien, die Vetkooper, die Aristokratie, und die Schieringer. Im mittleren Friesland übte das mächtige Gröningen eine Art Hegemonie und im Ostfriesland, dem Lande zwischen Ems und Weser, zeichnete sich die Häuptlingsfamilie des Cirksena aus. Edzard Cirksena war gefürchtet im Kriege, geehrt im Frieden; er trug dem Kaiser Friedrich das eigentlich Ostfriesland zu Lehn auf, und dieser erhob es zur Reichsgrafschaft. Jenes Friesen Neffe, Edzard Cirksena der Große, regierte Ostfriesland zu Ende des fünfzehnten Jahrhunderts. Von ihm sagen die Friesen, er sei gewesen: ein gefeierter Held, seines Stammes der Größte, er habe sein Volk treu geliebt, und dies sei ihm wieder mit un glaublicher Liebe ergeben. Schon 1479 ließ Kaiser Friedrich von den Friesen den Reichstribut fordern, und rieth ihnen, wegen der Fortdauer der inneren Zerwürfnisse, nach alter Weise einen Potestaten zu wählen, auch ward von dem geldarmen Kaiser der mächtigen Stadt Gröningen, wie eben erwähnt, die Aussicht eröffnet, daß sie gegen Bezahlung einer jährlichen bedeutenden Summe Geldes die Regierung von Friesland an sich bringen könnte, doch suchten die Gröninger lieber durch Bündnisse mit den einzelnen Landes- theilen und Ständen ohne Aufwand zu denselben Zielen zu gelangen. .Hierdurch entstand aber neue Parteiung zwischen denen, die im Bunde mit Gröningen waren und den übrigen nicht Verbündeten. Im Jahre 1492 versammelten sich alle die, welche mit Gröningen nicht im Bündnisse standen, als: Leeu- warden, Sneek, Bolsward, Franeker, Stavoren und Wortum, um die alte Freiheit auch gegen Gröningen zu vertheidigen. In demselben Jahre kam Herzog Albrecht zuerst mit den Friesen in Berührung. Er befand sich nämlich in Hoorn am Zuidersee, gegenüber den friesischen Küsten, forderte von hier aus die Friesen auf, den Tribut zu zahlen, den sie seit alter Zeit den Grafen von Holland schuldig wären, und wiederholte die For derung im Namen des Reiches. Die Friesen verweigerten dies dem Herzoge; meinten, sie wären nicht steuerpflichtig und wollten den Beweis der Forderungen erwarten, ergäbe es sich, daß sie zum Abtragt der geforderten Summe verbunden wären so würden sie als treu Unterthanen sich dessen nicht weigern. Ob Albrecht damals schon eine Aussicht auf die nachher erlangte, seinerseits schwer und theuer erkaufte Statthalterschaft über Friesland gehabt, ist zweifelhaft, so viel jedoch gewiß, daß der Herzog seit dem Jahre 1492 mit den friesischen Angelegenheiten sich beschäftigte, dabei aber bis 1498 mehr durch Politik wirkte, als in der Eigenschaft des Feldherrn. Ms Kaiser Friedrich III. gestorben war, rieth Kaiser Maximilian den in sich zerklüfteten Friesen, zur Beseitigung der Zerwürfnisse einen Potestaten zu wählen. Ihre Wahl fiel aufden friesischen Häuptling Juwe Decama. Man meint auch, daß Maximilian den Friesen Herzog Albrecht als Potestaten empfohlen habe. Juwe Decama war zu schwach, um den Parteikämpfen Einhalt zu thun, und als noch eine entlassene Soldateska im Lande plündern umherzog, da darf man wohl annehmen, daß die Friesen sich selbst nach einer starken Hand sehnten. Zu dieser Hand ersah Kaiser Maximilian den w sein HauS so sehr verdienten Herzog Albrecht. Im Jahre 1494 wurde Maximilian's Sohne Philipp in Brüssel gehuldigt. „Als die Huldigung allenthalben mit großem Triumphe eingenommen worden, da hat der römische König Maximilian in Gegenwart aller Fürsten, Herzog Albrecht von Sachsen, welcher dem römischen Könige und Seiner Majestät Sohne, Philipp, — viel gute Dienste bewiesen, für sich rufen und denselben sammt seinen Nachkommen mit dem erblichen Titel „ewiger Gubernator von Friesland"" begabt, denn weil die Herren von Oesterreich, laut ihrer alten Verträge und Erbhuldigung kein Land oder Grafschaft, so an Oestreich kommen, verschenken oder verkaufen möchten, so hat der römische König den Titel sammt Einkommen des Frieslandes, welches ein stolzes und frevliches Volk in sich hat, „„so lang er solches erhalten möcht,"" dem Herzoge von Sachsen und seinen Erben auf ewig präsentirt und verehrt". Von einem Anerkenntnisse der neuen Würde des Herzogs, Seitens der Friesen, findet sich bis zum Jahre 1498 keine Spur, auch ward das, was vorgegangen, den Friesen wohl kaum amtlich bekannt gemacht. Maximilian hatte nicht Unrecht, die an Albrecht übertragene Gabe, selbst nach jenen von uns angeführten Worten des Geschichtsschreibers, als etwas Ungewisses zu bezeichnen, denn der Sinn des friesischen Volkes war bekannt, und wenn Albrecht gleich die Niederlande zum Gehorsam gebracht hatte, so galt hiervon auf die Friesen wohl nur ein, schwache Hoffnung verheißender Schluß, denn es waren die Umstände ganz andere: in Friesland galt cs, eine neue Staatsform zu begründen, und nicht blos Altes herzustellen. Endlich dachte ein Theil der Friesen daran, dem Elend des Vaterlandes ein Ende zu machen. Als nun die Friesen wegen der Wahl eines erblichen Guber nators Schritte zu thun gedachten, befand sich Herzog Albrecht in seiner Eigenschaft eines Generalstatthalters zu Medenblick am Zuidersee. Vor Ostern des Jahres 1498 sandten die wester- goischen Friesen, namentlich von der dort überwiegenden Schieringer Partei, eine Botschaft an ihn. Den des Elends Müden hatte die von den Voreltern ererbte Selbstständigkeit nach augenblicklicher Ansicht wenig Werth; Albrecht dagegen, der in den Niederlanden den Frieden erfochten hatte, unter dessen Schatten die Blüthe der Gewerbe, des Handels und der Künste vielleicht schon damals wieder zu erstarken begann, konnte Ruhe erzwingen, welche Vielen mehr galt, als der unverletzte Bestand des alten friesischen Staatsrechts, was Factionsgeist, Selbstsucht und wohl auch manche Maßregeln Gröningen's, dem die Um stände doch gar zu günstig schienen, seine Zwecke zu verfolgen, aufgcopfcrt hatten. Dies Alles hatte der Herzog vielleicht er wartet, und der Kaiser, wie viele Andere, mochten die Friesen damals als ein aufgegebenes Volk betrachten, das sich selbst ver lassen hatte, auch' schien wirklich die Niederschlagung der Factionswuth als das nächste, unerläßliche Bedürfnis. Im Juli 1489 ertheiUe der Kaiser auf dem Reichstage zu Freiburg i. B. die Bestellungsurkunde, worin der Herzog zum erblichen Gubernator mit dem Titel Potestat ernannt wurde. Albrecht scheint nicht wenig hierüber erfreut gewesen zu sein, er ließ Münzen schlagen und gab dem Kaiser und Philipp eine Menge Schlösser, die er im Pfand hatte, heraus, ohne daß diese biederen Leute einen Heller zahlten. Am 15. October des Jahres 1498 wurde von den Ständen zu Ostergo und Westergo der Besitz des Landes Herzog Albrecht's Bevollmächtigten, dem Or. und Kanzler Siegmund Pflugk und Nitard Fox eingeräumt. Zu Sneek, im Chor der Kirche des Convents der Kreuzträger, versammelten sich die beauftragten Stände, und unter dem Läuten der Glocken ward dem Herzoge Albrecht gehuldigt. Doch die Uebertragung der erblichen Potestatenwürde auf einen nichtfriesischen Fürsten war weit enr- fernt, ein Versöhnungs- und Friedensmittel zu sein; es war dadurch ein neues Element in das friesische Staatsrecht ge kommen, was am Ende Keiner wollte, und dem Herzoge selbst war mit der Huldigung und dem Worte des Kaisers der ruhige Besitz des Landes noch nicht gewährt. Willbord von Schauwen- berg oder Schauenberg, ernante der Herzog zum Stellvertreter in Friesland (obersten Capitän), ihm übertrug Albrecht die nächste Leitung der Geschäfte in Friesland, sowie dem Grafen Bodo von Stollberg und Wernigerode, dem Kanzler Siegmund Pflugk und dem Ritter Nitard Fox. Kaum aber war die kaiserliche Urkunde, welche Albrecht als erblichen Potestaten bestätigte, überall im Lande bekannt ge worden, so begannen die alten Händel mit neuer Kraft; nur die Bewohner des Westergo ließen sich die Würde eines erblichen Statthalters gefallen, und erkannten diesen in dem Herzoge von Sachsen an, nicht so die Ostergoer, Siebenwoldncr und die beiden Städte Leeuwarden und Gröningen. Natürlich kam es zum Kampfe und die Seele dieses Kampfes war Gröningen und die Detkoopers. Schauenburg sah sich nach einem Verbündeten um und fand ihn in Edzard von Qstfriesland. Im Monat April 1499 wurden zu Wörden wegen Beilegung der Händel mit dem wichtigen Gröningen, Besprechungen ge halten, wobei Albrcckt mit seinem Sohne Heinrich, Graf Edzard von Ostfriesland und der Bischof von Utrecht zugegen waren; es lieferte jedoch dieser Friedensoersuch kein Ergrbniß. Grö ningen wollie möglichst unabhängig sein. Wenn es auch gleich dazu sich verstand, alle Verbindung mit den Westergoschen Friesen aufzugeben und geschehen zu lassen, daß die Umlande den Herzog Albrecht als Gubernator und Potestaten huldigten. Nun rüstete sich Albrecht zum Kriege gegen Gröningen, hoffend, daß ein Sieg über die mächtige Stadt ihm endlich den völligen Besitz des ganzen Frieslandes gewähren. Im Kampfe mit den Gröningern blieb Albrecht's guter Anführer Nitard Fox. Zu der Zeit, als diese Kämpfe stattfanden, schiffte Albrecht mu seinem Sohne Heinrich nach Friesland und wurde mit Ebr erbietung empfangen. Er begab sich nach Franeker, Sneek und Leeuwarden, von angesehenen Gesandtschaften dieser Orte be^ gleitet, in welchen man ihm den Schwur der Treue leistete. In Leeuwarden, erzählt ein Chronist, fielen etliche Rathsherren dem Herzoge zu Füßen und begehrten Gnade, da sie die erste Sühne nicht hatten gehalten; er vergab ihnen, und sie schwuren, ihm künftig „hold und treu" zu sein. Der Herzog dachte nun auch an Werke des Friedens und an solche, welche zur Erhaltung der Ruhe nöthig schienen. Er bereiste das umliegende Land, traf unter anderen Einrichiungen zu vollständiger Gewinnung und Sicherung eines angeschwemmten Landstriches: der sogenannten Plöd, welche Albrecht ausmessen ließ, als sie ihm Maximilian nebst einigen anderen Ländereien ähnlicher Art besonders ver liehen hatte; auch ließ der Herzog, der Gewalt der Elemente zu begegnen, Dämme aufwerfen und Städte mit Werken versehen; Franeker bestimmte er zum Hoflager und fing somit an, durch eine planmäßig eingerichtete Verwaltung des Landes Wohl zu befördern. Wohlweislich wählte er angesehene Männer aus dem Volke, welche bei der Verwaltung oder bei Entscheidung von Rechtshändeln, Stimme führten. Einige Friesen waren dami: zufrieden, Andere waren das Gegentheil. Hätte aber Albreck: länger und ausschließlich den friesischinAngelegenheiten sich widmen können, so wäre es ihm vielleicht gelungen, die Friesen zu ver söhnen und das Land zu beruhigen, Aber das tonnte er nicht, er mußte auf den Reichstag zu Augsburg, wo über die Kriege „gen Türke» und Fra"zosen" verhandelt werden sollte. Er übergab die Regierung ,einem Sohn Heinrich, der durch um fähige Räthc berathen, die Karre bald in den Sand fuhr. Er spielte die Rolle eines Zwingherrn und verbot sogar den Friesen die Feier der Schlacht bei Stavoren. Das reizte natürlich die Friesen und ehe er es sich versah, befand er sich in Franeker be lagert. Pflugk war in Leeuwarden. Die Sache stand sckimm sehr schlimm. Endlich erfuhr Albrecht durch Edzard den ganzen Ernst der Lage. Jetzt rüstete Mbrecht mit Macht, auch Philipp sandte den Grafen Egmondt von Usstlstein, sowie Erich von Braunschweig. Albrecht's Werber sammelten ein Heer. Friesland war wieder zum größten Theile im Aufstand. In Salza sammelten sich Albrecht's Schaaren und am 22. Juni 1Ä)o brach er mit seinem ältesten Sohne Georg nach Friesland auf. Vorsichtig und bedächtig schritt Albrecht zum Kampfe. Mil Edzard zusammen schlug er bei Langeworden die Friesen, so daß diese in wilder Flucht sich zerstreuten. Die Niederlage machte auch die Belagerer von Franeker muthlos, Albrecht schlug sie und entsetzte den Ort. Die sächsischen Söldnerschaaren hausten furchtbar im Lande. Persönlich übte Albrecht Milde und Ge Seume als Patriot. In ihrem in der G. I. Göschen'schen Verlagsbuchhandlung, Leipzig, erschienenen Werke „Johann Gottfried Seume, Geschichte seines Lebens und seiner Schriften", ein glänzender und meister hafter Beitrag zur deutschen Literaturgeschichte, berühren die Verfasser Oscar Planer und Ciamillo Reißmann möt liebevollem Eingehen ans die ethische Seite im Wesen Seume'» auch dessen Stellung zum Vaterland. Wohl kein anderer deutscher Schriftsteller erweckt durch seine LebenSschicksal« soviel rein menschliche Theiinahme al» Seume. Der erste Schritt, welchen er selbstständig that, war entscheidend sür sein ganzes Leben. Ein dunkler Drang, dem Zusammen hang der Dinge nachßuspüren, die Wahrheit zu ergründen, trieb ihn in di« Welt hinaus und machte den achtzehnjährigen Jüng ling zum Spielball eines widrigen Geschickes. Er wurde zuerst ein Opfer des herrschenden, barbarischen Söldnerthum» und so dann ein steter Augenzeuge von dessen Willkür und Ungerechtig keiten. Nacheinander Soldat in hessischen, preußischen und russischen Diensten, lernte er die Träfen wie di« Höhen der mensch lichen Gesellschaft kennen. Aber weder da» Feld noch die Weit vermochte nach Döttiger» treffendem Ausspruch von dem Gepräge diese» harten Thaler» etwa» abzuschl eisen. Seume blieb in allen Lagen soine» wechselvollrn Ledens der reine, unbestechlich«, selbst ständige Charakter, frei, selbst in Fesseln, und erhaben über Alle», wa» er vom Leben zu hoffen oder zu fürchten hatte. So starr und unbeugsam er sich gegen Anmaßung und Bedrückung jeder Art zeigt«, so bescheiden und ehrerbietig war er gegen wahre» Verdienst und den Adel der Gesinnung, so empfänglich für Freundschaft, Menschen- und Vaterlandtlivb«, für alle» Gute, Große und Schön«, kurz: er war mit echtem Griechen- und Nömersinn in seltener Verschmelzung rin echter Deutscher! Die kulturgeschichtliche Bedeutung Seume's ist nicht in erster Reihe aüf dem Gebiete der Dichtkunst zu suchen. Diese galt ihm nicht als Endzweck, sondern nur al» ein Mittel seiner Be strebungen. Er dichtete, wie sein Zeitgenosse Garlieb Merkel kritisch sagt, wie «ine Nachtigall singt, oft bezaubernd, aber ohne Takt zu halten. Seume'» Hauptbedeutung liegt unstreitig aus politischem Gebiete, in seiner Wirksamkeit al» Lbarakter und deutsch» nationalerPatrtot. Zwar huldigt« auch er im Ackfange dcm von Frankreich auügehenven Gedanken eine» allgemeinen Weltbürgerthum», brach aber mit jenen Träumereien, al» er sah, daß die Franzosen einer vernünftigen staatlichen Freiheit selbst nicht fähig waren, und wendete den Blick auf die nächstliegenden, der Lösung harrenden Ausgaben im Vaterlande. Mit kraftvoller Stimme verkündet er in der Schrift „Mein Sommer 1803": „Die Zeit der Dichtung ist vorbei, die Wirklichkeit ist an gekommen!" Er machte sich nun zum Heroldderherauf- st eigen den neuen Zeit. Sein Streben galt von da ab ausschließlich nur dem deutschen Vaterland«. Kühn und un erschrocken schleudert er allen denen, die das Geschick der Nation in ihren Händen hielten, seine politischen lttberzeugungen ins Gesicht, jede Stunde bereit, für diese in di« Schranken zu treten oder, wenn «S sein mußte, für sie zu sterben. Seume war ein Politiker im vornehmsten Sinne, denn er war selbstlos. „N u r der ist der Edelste, der das Meiste für da» Vaterland thut und da» Wenigste dafür genießt!" ruft er sein«» Zeitgenossen zu. Politisch nannte er Alles, wa» zum allgemeinen Wohle etwas beiträgt oder bei tragen soll: qnock douuw publicum promovst. Stürmen wollte er nicht; er richtete seine Mahnungen nur an Männer seines Bildungsgrades, denn er war der Ansicht, die Aufklärung müsse von oben herab nach dem Gebot der Menschenliebe und d«r Gerechtigkeit aüf die Massen übertragen werden, wenn da» Wohl de» Ganzen gedeihen solle. Unter Aufklärung verstand er die richtig«, volle, bestimmte Einsicht in unsere Natur, unsere Fähigkeiten und Verhältnisse, und den Hellen Begriff über unsere Rechte und Pflichten und ihren gegenseitigen Zusammenhang. Wer Gegner einer solchen Auffassung set, der sei gewiß ein Gauner oder «n Dummkopf, vielleicht auch beide». So stellt Geum« sich uns al» Politiker dar, al» wahrer Menschen- und Vater land »freund, al» ein tode»muthig«r Vorkämpfer für die Be freiung unsere» Volke», nicht allein von der Schmach der Fremdherrschaft, sondern auch von dem Drucke de» un- gl«ichen Rechtsverhältnisse» der deutschen Staatsbürger unter einander, der jede nationale Entwicklung lähmt«. S» war Seume vom Schicksal nicht beschieden, dir Saat, di« er ausstreut«, aufkvimen und den Funken nationaler Begeisterung, den er weckte, zur Flamme «mporlodern zu sehen, ober sein Goist blieb wirksam in unserem Volke. Seume'» Wabrhenrn und Lehren sprechen zu un» wie «in „gute», alte» deutsche» Ge wissen", sie sind noch heut« gütig und werden «» immer bleiben. Sie waren allen Denen, die nach ihm kamen und berufen waren, für di« geistige Entwickelung unsere» Volke» weiter zu kämpfen ein« unerschöpfliche Quelle der Kraft, To rrrtherltt z, V. Wander, der Hervu»grber de» deutschen Sprichwörterlexikon», über Seume'» Schriften: „In jedem Hause «in Seume, und dieser Seume in Fleisch und Blut — und da» deutsche Volk feiert feine Auferstehung!" Und in der That, ein Theil des Dankes, den wir den Vorkämpfern für Vas große nationale Eimgungswerk schulden, gebührt auch dem wackeren „Spaziergänger nach Syrakus". Noch Einiges über Seume's Verhältniß zu Leipzig. Bon Poserna, wo Johann Gottfried Seume ge boren, kam der siebenjährige Knabe nach Knautkleeberg, wo der Vater die Pachtung eines Wirthshauses übernahm. Es war dies der Ga st Hof zum weißen Roß, an dem neuer dings auch «ine Gedenktafel angebracht worden ist, die darauf hinweist, daß Seume's Vater den Gasthof übernommen und der Dichter dort seine Jugend verlebt hat. Nach seiner Lonfirmation in Knauthain wurde Seume in das Haus des Rectors Korbinsky in Borna ausgenommen, nach seinem eigenen AuSspruch als ein halber Hurone, moralisch gut gebildet, völlig unverdorben, alber wissenschaftlich ganz roh und wild. Dort blieb er zwei Jahr«, um dann im Juni 1779 die Nicolaischule zu Leipzig zu bezieben. Noch heute kennt man feine Eintragung daselbst: „Rsetnre Martini iu seripti anno 1779 Ao. 161 Johann Gottfried Seume aus Knauthkleeberg aä not. 17. Sohn eines verstorbenen Häuslers daselbst, kam in Claff« II d. 30. Juni, ging Nach 1j Jahren auf die Akademie und z Jahr hiernach in alle Welt." Vom Dachstübchen in ver Nicolaischule zog Seume als Student zu einem Bäcker in der Stadt, doch schon Ende Juni 1781 oerlieb er nach schweren Seelenkämpfen, die seine skeptischen Anschauungen über die Dogmen mit sich brachten, heimlich die Stadt. Es Ist bekannt, wie der Dichter dann als Soldat in hessischen Diensten stand, später in preußischen Diensten, zuletzt in russischen Diensten, wie er feinen „Spaziergang nach SyrakuS" und endlich sein« nordische Reise unternahm. Da zwischen liegt ein dreimaliger Aufenthalt in Leipzig. Nach seiner krirg»gerichtlichen Verurtheilung und Begnadigung in Emden in die Heimath zurückgekehrt, faßte Seume auf An- rathen seiner Freunde und Gönner den Entschluß, sich nun in Leipzig dem Studium ver Rechiswissenschdft zuzuwendrn. Neben seinen Studien gab er Unterricht in der englischen Spruche, womit er sich zum großen Theile seinen Unterhalt erwarb. Er wohnte damals um Markte in dem Hause, worin sich jetzt das Daarmann'fche Restaurant befindet, in der Mansarde mitdemThürmchen. Nach Abschluß seiner im Sommer 1787 begonnenen akademischen Studien promovirte Seume und habilittrte sich an der Universität Leipzig. Er hatte Jurisprudenz und Philologie studirt, hierauf Metaphysik und Scholastik und wurde End« 1791 Magister al» einer der Besten. Al» solcher wurde er Sekretär und Adjutant de» russischen General» von Jgelström. Ein Freund de» letzteren bewog ihn, sich «ine» schwer verwundeten Officiers aus seiner Reise in die Bäoer von Pisa anzunehmen, und so kam Seume im August 1790 wieder nach Leipzig. In dieser Zeil machle er die Bekanntschaft oe- Malers Adam Friedrich Oeser; am nächsten stand ihm aber der feinsinnige und gutherzige Schnorr, der auch fein Vertrauter in dem Herzensverhältniß wurde, das er mit einem schönen uns reichen jungen Mädchen, mit Wilhelmine Röder, anknüpfte, die erste „große konvulsivische Leidenschaft" seines Lebens. Seume hatte Wilhelmine, die in dem Mühlengebäude zu Gohlis wohnte, auf seinen Spaziergängen in Gohlis öfter gesehen. Doch der Herzensbund trug keine Gewähr der Dauer und Des Glückes in sich. Dann kam fein Spaziergang nach Syrakus. „Ich Hube", so schreibt er selbst, „da» schöne Neapel so gut als möglich genossen, habe auf den Trümmern von Mragas junge Mandeln gefrühstückt, bin die Latomien, die Steinbrüche von Syrakus durchgekrochen, habe aus dem Anagus Aale gegessen und bin fast im Simäthus ertrunken, habe den Vater 2lnnu. so hoch und so tief man kann, in fein ungeheures Maul gesehen und habe überall die Hesperidenäpfel TrinakrienS mit dem Ar^ denken an meine vaterländischen Freunde genossen; bin bei oer kumischen Sibylle und in dem Becher des furchtbaren, bösen und guten Nachbars von Parkhenope gewesen, habe in Salerno viel Unsinn und in Pästum keine Rosen gefunden." „Der Spaziergang nach Syrdkus" lag hinter ihm. Da bezog Seume in Leipzig ein Stübchen in Amtmannshof in der Reichs st raße, wo es ihm aber nach all dem Großen und Schönen, was er auf seiner Reise gesehen hakt«, erst gar nicht gefallen wollte. Hier entstana auch seine Schilderung dieser Weltpromeimdc. Doch schon im Jahre 1805 verließ der wack«re Seume unsere Stadt, um seine nordische Reise nnzutrrten. Er durchmaß auf dieser Nordlandsfahrt wiederum eine ungeheure Strecke, davon etwa einhundertundfünfzig deutsche Meilen zu Fuße. Aufs Neue kam Seume nach Leipzig, wo er dann vom September 1805 bi» Mai 1810 weilte. Hier richtete er sich in seiner Wohnung in der Lhomasfchule, wohin er aus Göschen'» Sommerwohnung in Reichel'S Garten schon früher ge zogen war, um, wie er selbst sagte, sein Amphibienkeben zu der schulmeistern, so gut r» ging. In der ersten Hälfte de» Juni 1810 fach Teplitz endlich seine letzten Lebenttvge, seinen Tod uno sein Begräbniß. Da» schildert in meisterhafter Frische das auf Grund gewissenhaftester Forschungen entstanden» Werk Planer'«. V. Lt
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