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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.04.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990408026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899040802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899040802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-04
- Tag1899-04-08
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Reklamen unter dem RrdactioaSstrich (»ge spalten) ütt^z, vor den Iamilirnnachrichtrn (Kgrspalteul 40/4. Größere Schriften laut unserem Preis- verzrichnib- Tabellarischer und Zifferusatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Au»gabe, ohne Postbeförderuag ^l SO.—, mit Pvstb«sörd«rung ^l 70.—. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Anuahnttschlnß für Anzeigen: Ab «ad-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: Nachmittag» 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Anretie« sind stet» au di« Expedition zu richten. 93. Jahrgang. Politische Tagesschau. * L-iprig, 8. April. Um im Wahlkreise Welle-Diephol» zur Stichwahl zu ge langen, wenden die dortigen Conservativen ganz eigenartige Mittel an. So lassen sie Listen herumgehe», in welche sich Diejenigen eintragrn sollen, dir den konservativen Candidaten zu wählen geneigt sind. ES sei nur beiläufig erwähnt, daß ein solche- Verfahren einer Verhöhnung deS doch nun ein mal auch für die Conservativen bestehenden geheimen Wahlrecht- gleichkommt und daß e- die Heuchelei groß zieht, weil e» natürlich nicht an Wählern fehlen wird, die au» Opportunitätsgründen sich in die Liste eintragen, die aber nachher bei der Wahl ganz ander- stimmen. Viel bedenklicher ist r», daß durch derartige Mittelchen das Welfenthum in der Provinz Hannover gestärkt wird. Daß «S, obwohl Hannover seit mehr al» einem Menschenalter preußisch ,si, noch immer sehr stark ist, haben die letzten Wahlen wiederum gezeigt. Eine so jähe Bevölkerung wie die niedersächsische kann nur dadurch gewonnen werden, daß sich die altpreußischen Elemente nicht den geringsten Verstoß gegen die Gesetzlichkeit zu Schulden kommen lassen. Daß zedeS ungesetzliche Verfahre» von der welfischen Presse auS- genutzt wird, zeigt sich auch in diesem Falle. So schreibt die „Deutsche VolkSztg.": „Diese» System führt zur Corruption hei den Wahlen, was die Veranstalter wohl bedenken mögen." Die Art der konservativen Agitation in Melle-Diepholz thut dar, daß gewiss« Kreise in Hannover mit denselben Mitteln regieren möchten, wie in den fünfziger Jahren das im ganzen Lande unbeliebte Ministerium BorrieS-Kiel- mannSegg. Die Erinnerung an dieses Ministerium hat viel dazu beigetragen, daß wenigstens ein Tbeil der hannöverschen Bevölkerung sich sehr bald mit dem Anschlüsse an Preußen au-sohnte; wollte man an die Tradition dieses Ministerium- wieder anknüpfen, so würde man die Gesinnungsgenossen der Borries und KielmannSegg, den welfischen Adel, zwar nicht gewinnen, wohl aber die deutschnationalen Elemente zu den Welfen hinübertreiben. Wie wenig der altpreußische HochconservatiSmu» im nörd lichen Theil« Mitteldeutschlands angebracht ist, hat man ja im Herzogthum Braunschweig beobachten können. Dort hat man früher vom Welfenthum herzlich wenig gewußt, erst das Regiment der letzten Jahre har zur Folge gehabt, daß bei den letzten ReichStagswablen in allen drei braunschweigischen Wahlkreisen recht erhebliche Stimmen für welsische Candi daten abgegeben wurden. In Hannover, wo daS Welfenthum ohnehin schon eine breite Basis hat, werden die welfischen Fortschritte noch rapidere sein, wenn die Regierung die Treibereien der hannöverschen Conservativen direkt oder indirekt fördert. In einer Erörterung über die WaarenhauSsteuer schreibt da- „Verl. Taget!.": „ES hieß jüngst in einem nichtpreußischen Blatte, daß der Betrag der Steuer für Berlin 800 000 ausmache, die den Gewerbesteuerpflichtigen der III. und IV. Classe zu Gute kommen sollten. Ihre Zahl beträgt in Berlin etwa 63 000, macht auf den Kops des Ein zelnen «ine jährliche Erleichterung von sag« und schreibe 12 Und darum Räuber und Mörder!" Rach der Auffassung des freisinnigen Blattes kommt es also einem kleinen Gewerbtreibenden nicht darauf an, ob er jährlich 12 mehr oder weniger Steuern bezahlt. Wenn aber einmal die Regierung eine indirekte Steuer vorschlägt, die d«n Einzelnen in einem viel d«ringeren Umfange belastet, dann I heißt es, daß die minder bemittelte Bevölkerung ^iese Belastung I unmöglich ertragen könne; dann werden — wie beispielsweise! durch das „Berl. Tagebl." bei der Wahlagitation von 1890 — illustrirte Flugblätter auSgegeben, die die schwere Belastung des Steuerzahlers veranschaulichen soll«n. Die indirekten Steuern sind Reichssteuern und bei den Reichstagswahlen kommt «s darauf an, die große Masse der weniger Bemittelten zu gewinnen. Wei den Steuern des preußischen Staates oder der Eommunen aber denkt man daran, daß bei den preußischen Landtagswahlen und den Communalwahlen die wohlhabenden Classen den Ausschlag geben, und deshalb hat man bei preußi schen oder städtischen Steuern nicht nöthig, Ersatz für den kleinen Mann zu haben. Zu der deutschen Strafexpeditio» nach Lüd-Lchantung wird dem „Berl. Tagebl." zutreffend geschrieben: Die jüngsten Ereignisse in Schantung haben zur Genüge gezeigt, daß die gegenwärtigen Verhältnisse in dieser Provinz unhaltbar sind und so lange unhaltbar bleiben werden, so lange Deutsch- land nicht einen entscheidenden Einfluß auf die Verwaltung Schantungs auszuüben vermag. Es ist schon um der großen wirthschaftlichen Interessen willen, die wir in Schantung haben, dringend zu wünschen, daß Deutschland, nachdem es sich zu einer Straf expedition entschlossen hat, nicht auf halbem Weg- stehen bleibt, sondern durch eine Besetzung der wichtig st en Punkte der Provinz die deutschen Unternehmungen in Schantung in entsprechender Weise sichert. Denn für jeden Kenner chinesischer Verhältnisse ist es zweifellos, daß die Unruhen, welche seit geraumer Zeit in Schantung herrschen, und die viel ernster sind, als man lange Zeit annahm, durch die um ihre Einnahmen besorgten Mandarine immer wieder von Neuem geschürt, nicht nur nicht aufhören, sondern voraussichtlich immer weitere Kreise ziehen werden. Ein zweiter Grund, der es dringend wünschens- wcrth macht, daß Deutschlands Einfluß in Schantung vergrößert werde, ist die Regulirung des gelben Flusses, deren große wirthschaftliche Bedeutung, wie es scheint, noch immer nicht genügend gewürdigt wird. Schantung wird als Absatzgebiet für deutsche Maaren erst Bedeutung erlangen, wenn es der Technik der deutschen Ingenieure gelungen sein wird, den von Zeit zu Zeit immer wiederkehrenden Ueber- schwemmungen des gelben Flusses Einhalt zu gebieten. Di: Bevölkerung Schantungs ist arm, sogar sehr arm, und die immer wiedertrhrenden Verheerungen, welche der Hoangho an richtet, machen es zweifellos, daß auch unter dem europäischen Einfluß die Wohlhabenheit und damit die Kaufkraft der Be wohner sich nicht wesentlich heben wird, bevor der Hoangho nicht endgiltig regulirt ist. Zwar hat die chinesische Regierung es an dem guten Willen nicht fehlen lassen, den Dammbrüchen vorzubeugen; sie hat dafür bereits unzählige Millionen geopfert, nnd die laufenden Ausgaben für die Erhaltung der Dammbauten des Hoangho werden auf durchschnittlich sechs Millionen Mark im Jahre angegeben. Aber bei der bekannten Unehrlichkeit der chinesischen Beamten und der Mangelhaftigkeit der chinesischen Technik haben all« Bemühungen bisher niemals einen bleibenden Erfolg gehabt, wie die letzte Ueberschwemmung im Herbste vorigen Jahres wieder gezeigt hat. Dieselbe hat eine theilwoise Hungersnvth in der Provinz zur Folge gehabt, welche nun von den Mandarinen zu Verhetzungen gegen die Europäer aus gebeutet wird. Während der Hoangho heute die Ursache der Armuth des größten Theiles der Bevölkerung ist, würde er nach seiner Regulirung, die nach dem bekannten Gutachten der holländischen Commission von Technikern durchaus möglich ist, zur Quelle der Wohlhabenheit der Bewohner werden. Denn der mehr als 600 Kilometer lange Fluß, dessen Schiffsverkehr heute kaum nennenswerth ist, würde dadurch zur wichtigsten Verkehrs st raße des nördlichen Chinas. Der hiesige amerikanische Botschafter Mr. White hat gegen über einem Vertreter der „Münch. Allg. Ztg." über die Tamoa- Angclegenhett bemerkenswerthe Aeußerungen gethan. Mit Bezug auf das befremdende Verhalten England- be- tonie Mr. Wbite, er sei ohne jeve Information über die Gründe, welche England zu einer abfälligen Beurtheilung der deutschen Politik, bezw. des Verhaltens der deutschen Beamten in Samoa veranlaßten. Jedenfalls könne er versichern, daß man sich in Amerika durch die Bemühungen der englischen JingoS in eigenen Entschließungen nicht beeinflussen lassen werde, da die amerikanische Regierung principiell geneigt sei, mit Deutschland in Frieden und Einvernehmen zu leben. Die bessere amerikanische Presse denke nicht daran, jene Hetzereien der „gelben" Presse, die leider auS eng lischen Kreisen unterstützt werde, irgendwie ernst zu nehmen. Wenn in Folge der Beurtheilung, welche die kriegerischen Ereignisse des vorigen Sommers in einem Tbeil der deutschen Presse gefunden, ein Rest von Bitterkeit auch in den Herzen derjenigen Amerikaner zurückgeblieben sei, die da auf die deutsche Freundschaft stets einen besonders großen Werth legte», so dürfe man in Deutschland darum doch nicht klagen, daß die Amerikaner für den Werth einer solchen Freundschaft unempfindlich geworden seien, möge auch eng lischerscits der Versuch unternommen werden, aus der Eingangs deö Satzes angeführten Thatsacke im gegen wärtigen Augenblick Capital zu schlagen. Mr. White fügte hinzu, daß sein Ideal allerdings eine Verbrüderung der drei verwandten Nationen, Deutschlands, Eng lands und Amerikas, sei; er könne jedoch nicht verhehlen, daß zur Zeit in England gewisse Einflüsse der Er füllung eines solchen Wunsches feindlich gegen überständen, aber er glaube trotzdem, daß die Ursache der gegenwärtigen Verstimmung zu geringfügig sei, als daß es bei einer entgegenkommenden Haltung des in seinem eigenen Machtbereich so consvlivirt wie nur möglich dastehenden Deutschland nicht gelingen sollte, dieselbe zu überwinden. — Mittlerweile erhalten wir folgende Meldung, welche nicht verfehlen wird, Aufsehen zu erregen. * London, 8. April. (Telegramm.) Die „Times" theilen aus Melbourne von gestern mit: Privatnachrichten aus Tonga zufolge haben der Capitän Les englischen Kreuzers „Tauranga" uud der englische Viceconsul kürzlich ein Abkommen mit dem König der To nga«lFreundsch afts-)Jnseln Georg II. abgeschlossen. Danach verpflichtet sich der König, seine Souveränitäts« rechte nicht aufzugebe», noch irgend einen Theil des Königreichs der Tonga-Jnseln an eine fremde Macht abzutreten, zu verkaufen oder zu verpfänden. England verpflichtet sich dagegen, die Unab- hängigkeit des Königreichs zu garantiren. Die Freundschaftsinseln schließen sich bekanntlich un mittelbar südlich an den Samoaarchipel an und bilden daS Bindeglied nach Neuseeland und den gleichfalls englischen Fidschi-Inseln. Jede auf Samoa interessirte Macht würde an dieser Inselgruppe einen wesentlichen Rückhalt und Stütz punkt haben. Kürzlich hieß es in englischen Blättern, Deutsch land beabsichtige sich der Tonga-Inseln zu bemächtigen. Hat diese Absicht wirklich bestanden — und sie mußte bestehen —, so wären wir wieder einmal zu spät aufgestanden. Im Uebrigen ist dieser neue englische Freundschaftsbeweis eine neue Illustration der deutsch-englischen Entente. Wir sind gespannt, wie man in Washington sich zu dem jüngsten englischen Schachzuge stellen wird. Im Sudan schreitet die kolonisatorische Arbeit der Engländer energisch vorwärts. Die Reise de» Sirdars, Lors Kitchener, nach Kassala und Berber, hat bereit» einen wesentlichen Erfolg gehabt. Der Bau einer Bahn von Khartum nach Suakim ist beschlossene Sach«, und mit der Eröffnung dieser Linie wird ein weiterer großer Schritt zur Erschließung Les Südan und zur Vcrwerthung seiner reichen Erzeugnisse gethan sein. Die Linie soll über Abu Harras, Gedaref, Kassala, Suakim gehen. Die Strecke ist der früher geplanten über Berber vorzuziehen, denn während jene durch Wüste und wüstenähnbiche Gegenden führt, erschließt die neue Linie ein Gebiet, das im Wesentlichen fruchtbar und zum Theil, wie Nordabessinien, sehr ertragreich ist. Italien würden, da Kassala gleichzeitig mit Massauah über Keren und mit Suakim verbunden wäre, durch die neu: Verbindung vielerlei Vortheile erwachsen. Leicht wird der Vahnbau nicht sein, denn die Strecke führt durch ein schier unglaublich zerrissenes Gelände, tn dem flache Hochebenen mir steilen Wänden und tiefen Schluchten und Flußbetten mit einander abwechseln und der Anlage eines jeden geraden Weges Schwierigkeiten machen. Inzwischen schreitet der Bau an dec Khartum-Bahn schnell fort. Di« groß« Brücke über den Atbara wird von einer amerikanischen Firma gebaut werden, da das Angebot und die Zeichnungen der englischen Firma Westwoos L Co., Millwall, zu spät kamen und nicht genügten. Die englische Firma erklärt freilich, die Arbeit der Amerikaner werde Humbug sein, aber diese versprachen, die Brücke für den Ge brauch der Bahn in genügender Weise in sechs Wochen her- zustellen, während die Engländer ebenso viele Monate für. die Arbeit verlangten. Für die anglo-egyptisch« Regierung ist aber die Hauptfach«, daß die Bahn nach Khartum allerschnellstens fertig gestellt wird. Die Cap-Kairo-Wahn wird von Rosaires am blauen Nil nach Mengo (Uganda) führen und dort Anschluß suchen an die Bahn, die von Mombassa an der vstafrikanischen Küste kommt, und an Tabora, den geplanten Knotenpunkt der Deutschen Bahn in Ostafrika. Für die verschiedenen neuen Strecken sind 36 gewaltige Locomotiven in Amerika im Bau. Deutsches Reich. tzs Berit», 7. April. (DaS Arbeitspensum des Reichstage».) Der Reichstag wird sich nach dem Ablauf der Osterferien vor ein noch recht beträchtliches Arbeits pensum gestellt sehen. Von den größeren Entwürfen sind zwar der Invalidenversicherungsentwurf und die Bankvorlage in den ersten Lesungen erledigt, haben auch schon in den Commissionen theilweise oder ganz die Vorberathung gefunden, dagegen stehen die ersten Lesungen für so wichtige und umfangreiche Entwürfe, wie daö Postgesetz, da- Fleischschaugesetz, die Novelle zur Gewerbeordnung und den Entwurf über die Be nutzung der öffentlichen Wege durch die Telegraphen verwaltung noch auS. Die auS dem Reichsjustizamt I stammenden Entwürfe, wie Vie Novelle zum Straf- Igesetzbuch, die die EideSsrage betreffende Novelle I zur Civil - und Strafproceßordnung, der Entwurf Frr»illsto»r. >« Senfl. Roman von M. Immisch. Nachdruck vkrbatm. „Merkwürdig ist, daß Sie gerade an dem Tage reisen, an dem hier im Hause Hochzeit gefeiert wird", fuhr der Hofrath fort — „allerdings eine recht stille Hochzeit. Das ersehen Sie schon daraus, daß ich eS mir sogar versagte, einen so lieben Freund wie Sie dazu zu laden. Bernhard bringt seinen Trau zeugen aus Genf mit, und meine Schwägerin hat sich erboten, Senzi denselben Dienst zu leisten. Apropos, Sie haben sie wohl noch nicht begrüßt? Gestern Abend ist sie angekommen. Mit ihrem Manne steht eS leider sehr schlecht. Er ist noch immer in Davos, und ich glaube kaum, daß er es lebend verlassen wird. Seine Krankheit macht stete Fortschritte, wie das ja bei solchen Leiden immer der Fall ist, und, so wenig schön es klingt, es läßt sich doch nachfühlen, daß sein Hinscheiden für seine nächste Umgebung als eine Erlösung zu betrachten ist." vr. Stein strich ein wenig nervös über seinen schönen, wohl gepflegten Bart, und eine feine Röthe flog für einen Moment über Stirn und Wangen. Der Hofrath ahnte nicht, wie peinlich dir» Thema für ihn war und daß Clärchen'S nächste Nähe ihn, ein ziemliches Unbehagen verursachte. Sein Verhältniß zu ihr hatte sich damals so gestaltet, daß es nicht wenig dazu beitrug, seinen Entschluß, eine Reise nach Ostafrika zu unternehmen, zur Reife zu bringen. Er hatte keine Ahnung gehabt, daß Cläre, die mit ihrem Gatten seit einigen Monaten in DavoS lebte, hier war, sonst hätte er sich sicher eher von dem Hofrath verabschiedet. Eine Begegnung mit ihr war ihm durchaus nicht erwünscht. Der Reise nach DavoS waren damals sehr unliebsame Scenen voran gegangen. Die sonst so kluge und berechnende Frau hatte ihrer „großen Leidenschaft" «ine Herrschaft über sich «ingeräumt, die sie alle Gebote der Vernunft und des Zartgefühls vergessen ließ. Wie ein glühender Rausch war es über sie gekommen, und in zügellosem Selbstvergessen hatte sie ihn zu befriedigen gesucht. Auch vr. Stein war vielleicht heftiger und unwiderstehlicher da von ergriffen worden al» je zuvor; aber diese lodernd« Gluth war dann um so schneller in sich selbst zusammengesunken und hatte nur eine trübselige Leere und Enttäuschung zurück gelassen. Ckäre's Reise nach Daivos war ihm eine große Erleichterung gewesen, während sie, trotz der merklichen Erkältung von seiner Seite, immer noch start im Banne seiner Leidenschaft lag und nur mitging, weil ihr keine aridere Wahl blieb, wenn sic nicht Alles verlieren wollte, was sie durch ihre Heirath mit Moritz Guckcnheim errungen. Moritz hatte mit dem Scharfsinn der Eifersucht ihr ver ändertes Wesen ziemlich richtig gedeutet, und mit der be rechnenden Klugheit, die seinem Stamme eigen ist, hatte er das richtige Mittel gefunden, um sie wenigstens äußerlich wieder ge fügiger zu machen. Hätte vr. Stein Clärchen geliebt, sie hätte um seinetwillen allem Reichthum und Luxus entsagt; aber sie war nur seine Geliebte, und sie fühlte, daß sie für ihn, selbst im besten Falle, nie mehr sein werde. Wozu sollte sie also die Schrecken der Ar muth — wenigstens was ihrem verwöhnten Sinn jetzt wie Armuth däuchte — durch eine Trennung von Moritz herauf beschwören? Um des Geldes willen bezwang sie sich, sah sie doch das Ende dieses unerträglichen Zustandes immer näher rücken. Außer Moritz war Niemand im Zweifel, daß er den Sommer nicht erleben konnte, nur der Kränke selbst dachte nicht an den Tod, sondern schwklgt« im Ausmalen der verschiedensten Plane. Cläre hatte anfänglich von dem einsamen Dorf auS, das ihr wie ein Verbannungsort erschien, ein paar Mal wöchentlich an vr. Stein geschrieben, aber seine Antworten waren so selten, so knapp und fremd, daß sie, außer sich vor Zorn, Schmerz und verletztem Stolz, ihm schließlich einen regelrechten Abschiedsbrief geschrieben hatte, den er jedoch nie beantwortete. Sie hatte die Einladung, auf ein paar Tage nach Zürich zu kommen, mit großer Freude angenommen, in der Hoffnung, um jeden Preis eine Gelegenheit zu finden, um sich mit vr. Stein wieder zu versöhnen. Als sie ihn diesen Mittag durch den Garten kommen sah, waren ihre Nerven in eine fieberhafte Aufregung gerathen, und fest entschlösse», den günstigen Zufall zu benutzen, überlegte sie nur noch, wie sie dies am scheinbar unbefangensten ins Werk setzen könne. Während vr. Stein bestrebt war, seinen Besuch bei dem, wie ihm däuchte, heute ungewöhnlich redseligen alten Herrn zu kürzen und dessen Aufforderung, die Damen noch zu be grüßen, mit allerlei Ausreden ablehnte, hatte Clärchen sich vor genommen, gerade auf ihr Ziel loSzusteuern. Als vr. Stein eben abschiednehmend die Rechte des Hofrathes ergriff, trat sie plötzlich ins Zimmer, und die Miene der Ueberraschung und des Ecstaunens wäre ziemlich täuschend gewesen, wenn die unge wohnte Blässe und der gespannte, unruhige Blick sie nicht Lügen gestraft hätten. „Du kommst wie gerufen", sagte der Hofrath. „vr. Stein behauptete, daß Damen selbst für ihre besten Freunde nicht zu sprechen sind, wenn sie dicht vor einem Ereigniß stehen, bei dem sie ihrer Toilette besondere Sorgfalt zuzuwenden haben. Er hafte die Absicht, sich Dir und Senzi in französischer Weise zu empfehlen, trotzdem er uns morgen für Jahr und Tag verläßt. Ich hoffe, Du wirft ihn von der Grundlosigkeit seiner Annahme überzeugen." „Sie gehen fort, und für so lange?" sagte Clärchen, nachdem sie die ceremonielle «Begrüßung vr. Stein's erwidert und sich nachlässig in einen Sessel gesetzt hatte, ihn so erneut zum Bleiben zwingend. „Nur für ein, höchstens zwei Jahre", gab vr. Stein leicht zurück. „Eine Afrikarcise ist ja heutzutage bei einem modernen Schriftsteller ein Erfordernis, erxo — mit den Wölfen muß man heulen." Aus ihrem Antlitz war jede Spur von Farbe entwichen, aber der schöne Kopf bog sich unwillkürlich stolz zurück, und die Augen flammten in beinah feindseligem Zorn. Etwas wie Haß erfüllte sie in diesem Moment. Das leidenschaftliche Ver langen nach Liebe und Verzeihung, das sie hergetrieben, er starrte gleichsam unter der vernichtenden Gewißheit, daß er sich für immer kaltblütig von ihr losgelöst. Der würgend« Schmerz, der vom Herzen zur Kehle drängte, wurde zum Glück für ihre Fassung vom Stolz überboten. Trotzdem aber fühlte sie, daß sie nicht im Stande war, eine gleichgiltige Unterhaltung weiter zu spinnen. „Ich will Sie nicht aufhalten; Sie haben sicher noch Vor bereitungen zu treffen", sagte sie, ausstehend, mit blassen Lippen, aber einem unnachahmlich hochmüthigen Ausdruck. „Meinen Glückwunsch zur Reise, mein Herr." Und ohne ihn noch einmal anzusehen, ging sie hinaus. Verblüfft sah ihr der Hofrath nach. „Frauenlaunen", sagte er halb verlegen, halb ärgerlich, aber er machte keinen Einwand mehr, als vr. Stein sich nun mit etwas erzwungenem Lächeln und mit der Versicherung, öfters Nachricht von sich zu geben, endgiltig empfahl. Dom Fenster Ihre» Zimmers aus sah Cläre ihm nach. Schmerz, Scham und Verzweiflung durchtobten wie ein Sturm ihre Seele. Zum ersten Male sah sie das Geschehene im wahren Lichte, erkannte sie die ganze Tiefe ihrer Erniedrigung. Was sie in dieser Stunde in sich selbst auskämpfte, kein fremdes Auge sah es. Sie hatte die Thür verriegelt und sich, wie erschlagen an Geist und Körper, auf ein Ruhebett geworfen. Als sie später ins Wohnzimmer kam, schien sie wieder ganz die alte Cläre; nur als vr. Stein einen Strauß herrlicher Rosen mit einem Glückwunsch an Senzi schickte, verfärbte sie sich jäh und ihre graublauen Augen blitzten unheimlich aus dem blassen Gesicht. Als Senzi, die geschäftig hin und her ging, wieder einmal das Zimmer verlassen hatte, da beugte sich die schöne Frau in feindseligem Zorn über die köstlichen, süßduftenden Rosen, und mit einer Geberde, als wären die unschuldigen Blumen verantwortlich für die Treulosigkeit ihres G«bers, en! blätterte und knickte sie ihre Kelche und warf sie dann, un bekümmert, daß sie das Eigenthum Senzi's waren, voll Groll und Abscheu zum Fenster hinaus. Gegen Abend fuhr der Hofrath zur Bahn, um die erwarteten Gäste abzuholen, und Clärchen, die ihrer Gewohnheit, sich überall in den Vordergrund zu stellen, selbst heute treu blieb, begleitete ihn. Kaum zweihundert Schritte von der Villa entfernt ging Martin Auer an der Equipage vorbei. Von einem Vorüber gehenden erfragie er die Wohnung des Hofraths, und dann eilte er mit hastigen Schritten und Len Augen eines Fieberkranken darauf zu. Der Eingang war nicht verschlossen, und ungehindert kam Martin bis in dm Flur des Hauises, der, mit Blattpflanzen reich geschmückt, einen festlichen Eindruck machte. Die breite, von einem Weinrothen Läufer bedeckte Treppe herab kam «in Diener und musterte mit der hochmüthigen Impertinenz, die Lakaien gegen vermeintlich 'Geringere zuweilen annehmen, wenn ihre Herrschaft außer Hör- und Sehweite ist, den ärmlich gekleideten Fremden, der mit zitternder Stimme den Herrn Hofrath zu sprechen verlangte. „Der Herr Hofrath ist ausgcfahren", lautete der Bescheid. „So erlauben Sie, daß ich ihn erwarte", bat Martin Auer. „Der Herr Hofrath wird heut« jedenfalls keine Zeit für Sie haben; kommen Sie in ein paar Tagen wieder", sagte der Diener. „Dann muß ich sofort Frau Auer sprechen", gab Martin zurück, der nicht in der Stimmung war, sich durch die hoch trabende Manier eines Dieners einschüchtern zu lassen. Senzi war in ihrem Zimmer noch mit allerlei kleinen Dor bereitungen beschäftigt. Ihre Wangen waren rosig überhaucht und ihre schönen, sanften Augen strahlten in froher Erwartung. „ES ist ein Mann draußen, der beharrlich den Herrn Hofrath
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