Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.04.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990408026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899040802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899040802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-04
- Tag1899-04-08
- Monat1899-04
- Jahr1899
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
2794 über die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuld verschreibungen, sowie der Hypotbekenbankgesetz- cutwurf haben alle nur die ersten Lesungen passirt. Auch auf sie wird der Reichstag im Plenum noch manchen SitzungS- tag verwenden müsse», nachdem sie auS den Comuussious- berathungen berauSgekommeu sein werden. Dazu tommt, daß noch einige Vorlagen dem Reichstage ganz sicher nach den Osterferien zugehen werden, so der überaus wichtige Entwurf über den Schutz des ArbeitöverhältnisscS, der Nach trag Set at und die Vorlage wegen der Handels beziehungen zu England. Weniger wichtige Entwürfe sind iu der Aufzählung nicht mit angeführt. Aber schon aus der Reihe der mitgetheilten Entwürfe gebt hervor, daß der Reichstag in den etwa fünf Wochen, die ibm zur Berathung zwischen Ostern und Psiugsten verbleiben, das Pensum laum wird erledigen können. Es wird demnach Wohl jetzt schon als wahrscheinlich angesehen werden müssen, baß der Reichs tag über Pfingsten hinaus zusammeubleiben wird. ö O. Berlin, 7. April. Der vom preußischen Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinalangelegenbeiten der katholischen Geistlichkeit im Regierungsbezirke Oppeln aus di« Eingabe vom Januar dS. IS. wegen größerer Berücksich tigung der polnischen Sprache beim Unterricht in der Volksschule am 29. Marz d. Js. erthcilte Bescheid hat solgenden Wortlaut: „Die Ausführungen der Vorstellung vom Januar d. Js. haben mir Anlaß gegeben, die bestehenden Vorschriften über den Gebrauch der deutschen und der polnischen Sprache in den Volksschulen im Regierungs bezirk Oppeln einer nochmaligen eingehenden Prüfung zu unterziehen. Tas Ergebnis dieser Prüfung ist in jeder Hinsicht zu Gunsten der unveränderten Ausrechthaltung der seit 27 Jahren mit Erfolg durch- geführten Verordnungen über die Unterrichtssprache in Len Volks- schulen des Regierungsbezirks Oppeln ausgefallen. Insbesondere haben die angestellten Ermittelungen ergeben, daß die Schule auch im Religionsunterricht für die polnisch redende oberjchlesische Jugend ihren Zweck überall La vollständig erreicht, wo der Lehrer die bestehenden Vorschriften mit Eifer und Geschick anwendet. Am günstigsten sind die Unterrichtsersolge auch im Religionsunterricht La, wo die Herren Geistlichen die Bemühungen der Unterrichts verwaltung auf diesem Gebiete mit Berständniß freudig unterstützen. Ich erkenne gern an, Laß zahlreiche Geistliche LberschlesienS der neuerdings auch dort angezettelten national polnischen und deshalb vatcrlandsfeiudlichen Agitation fern stehen. Es ist aber ein beklagcnSwerther Jrrthnm, wenn man in der dortigen polnischen Bewegung nicht nationale, sondern rein sprachliche Tendenzen erblicken zu dürfen vermeint. Die Sprache wird vielmehr vielfach nur als Deckmantel für die verwerflichen deutschfeindlichen Bestrebungen benutzt. Jede Nach- giebigkeit der Unterrichtsverwaltung in der Sprachenfrage würde daher zur Förderung der nationalpolnischen Agitation auSgebeutct und um so wirksamer in diesem Sinne gemißbraucht werden, als ein sachlicher Grund zur Unzufriedenheit mit den auf dem Unter richtsgebiete getroffenen sprachlichen Anordnungen nicht besteht. Dem privaten Gebrauche des örtlichen polnischen Idioms tritt die Schule nicht feindlich gegenüber. Aufgabe der Volsfchule im deutschen Reiche und im preußischen Staat ist aber nicht die besondere Pflege der fremden, sondern der vaterländischen, für jeden Deutschen unentbehrlichen deutschen Sprache. Uebrigens treffen die Voraussetzungen, von denen doS Archipresby- terat bei seinen Anträgen auSgeht, nicht zu. Neue Bestimmungen über die Unterrichtssprache in den zweisprachigen Schulen der Pro- vinz Ostpreußen sind von mir nicht erlassen worden. Unter Liesen Umständen liegt kein Anlaß vor, dir bestehenden Vorschriften über di« Unterrichtssprache in den Volksschule» im Regierungsbezirk Oppeln zu ändern." * Berlin, 7. April. (Zum Schutz der Bauarbeiter.) Die »Nordd. Allg. Ztg." wendet sich heute gegen die socialdemokratische Behauptung, daß sie Reich-Verwaltung der Frage veS Arbeiterschutzes bei Bauten keine ge nügende Beachtung schenke, und verweist auf die Erklärung des Grafen PosadowSky in der Reichstagssitzung vom 24. Januar. Es heißt dann in dem Artikel: Hiernach ist zwar einstweilen davon Abstand genommen worden, von Reichs wegen Vorschriften zur Verbesserung des Arbeiterschutzes auf Bauten zu erlassen; dagegen sind bei den Bundes regierungen die zu diesem Zwecke erforderlichen Maß nahmen und insbesondere eine Verschärfung der poli zeilichen Baucontrole in Anregung gebracht. Dabei ist, wie der Staatssekretär des Innern in der oben erwäbnten Reichstagssitzung gleichfalls hervorgehoben hat, auch die Frage zur Erwägung gestellt worden, wie weit etwa zur besseren Durchführung der Schutzvorschriften auf den Bauten eine gewisse Mitwirkung von Personen auS dem Arbeiterstunde thunlich sein würde. Freilich wird man zu diesem Zwecke nicht eine gesonderte organi- sirte, ihre Spitze gegen d ie Unternehmer kehrend e Arbeilervertreluug schaffen können, durch welche die Gegensätze, wie sie sich üi Folge der socialdemokratischen Agnation im Baugewerbe mit besonderer Schärfe heraus- gebildel haben, zu». Schade» der Sache nur noch gesteigert werden würden. Wobl aber ist die Erwägung angeregt wor den, ob nicht bei einzelnen, insbesondere größeren Banken die Unternehmer zu verpflichten wäre», ihrerseits der Polizeibehörde einzelne Arbeiter zu bezeichnen, welche die Ausgabe haben würden, auf die Beachtung der Schutzvorschriftcn bei den Bauten mit zu acht en und, wenn der Polier oder die sonst den Ban leitende Stelle ihren Vorstellungen wegen Beachtung solcher Vorschriften nicht gerecht wird, bei der Polizeibehörde Anzeige zu machen. ES erscheint nickt ausgeschlossen, daß sich eine solche Maß regel, welche inzwischen in einzelnen Theilcn deS Reichs bereits in Aussicht genommen ist, in der That wirksam erweist, die Thätizteik der Eontrolbcamlen zu unterstützen und den Bauarbeitern Len Schutz gegen Unfälle zu sichern, aus den sie offenbar Anspruch haben. Gleichzeitig mit dem Rund schreiben an die Bundesregierungen sind auch Verhandlungen mit den BaugewerkS-Berussgenossenschaften ver anlaßt worden, um diese zu einer intensiveren Gestaltung der berufSgenossenschaftlicheu Eontrole über die Durch führung ihrer Unsallverbütnngsvorschriften zu ver mögen. Diese Verhandlungen sind noch nickt zum Abschluß gekommen. Entsprechend dem wohlerwogenen Staudpuncte der ReichSverwaltnng, der sich gleichmäßig aus rechtliche Erwägungen wie aus Zweckmäßigkeitsgründe stützt, wird zunächst abzuwarten sein, wie weit cS in den Einzelstaaten gelingt, die noch be stehenden Uebelstände nach Möglichkeit zu beseitigen. Dort sind zur Verbesserung des Schutze» der Bauarbeiter neue Vorschriften theils schon erlassen, theils in Angriff oder doch für nahe Zeit in Aussicht genommen. Dort sind auch die Wünsche und Interessen der Arbeiterschaft geltend zu machen, sofern wirklich beabsichtigt wird, nicht agitatorische Kundgebungen zu veranstalten, sondern in Wahr heit der Sache des ArbeiterschntzeS zu dienen." — Der Kaiser empfing gestern bekanntlich den Bot schafter der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, Mr. Andrew D. White, in längerer, etwa l'/r Stunden dauernder Audienz und unterhielt sich, wie eine hiesige Eorre- spondenz mittheilt, mit ihm auf das Angelegentlichste über alle Fragen von Interesse, die zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten schweben. Der Kaiser drückte dem Bot schafter seine hohe Befriedigung aus über daS Entgegen kommen und freundschaftliche Verhalten der Vereinigten Staaten gegenüber dem deutschen Reiche, sowie darüber, daß der z. Z in Washington weilende neuernannte Vorsitzende des Municipalraths von Apia, vr. Solf, so außerordentlich gut empfangen worden und dem Präsidenten Mac Kinley vorgestellt worden sei. — Die ZeitungSmeldunzen über die sommerlichen Reise pläne des Kaisers werden beute um eine weitere ver mehrt. Wie nämlich „Truth" wißen will, treffe der deutsche Kaiser, begleitet von der Kaiserin und den Prinzen Wilhelm und Eitel Fritz, au Bord der Kaiser-Nacht „Hohenzollern" am 29. Juli in EoweS ein. Der Kaiser werde an Bord seiner ?)acht wohnen, die Kaiserin und ihre Söhne würden Gäste der Königin in Osborne sein, wo während des Aufenthalts des Kaiserpaares, der sich bis zum 5. August erstrecken würde, Prunkmable in dem neuen Durbar- Room und andere Festlichkeiten statlsinden würden. Der Kaiser und die Kaiserin würden außer der Nacht-Regatta in EoweS den Pferderennen in Goodwood und Brigbton beiwohnen. — Von dieser Nachricht gilt wie von allen ähn lichen, die in den letzten Tagen zu verzeichnen waren, daß endgiltige Beschlüsse über die diesjährigen Sommerreisen des Kaijers noch nicht gefaßt worden sind. Bemerkt sei bei dieser Gelegenheit, daß von dem Plane einer Drei-Kaiser- Zusammenkunft in Skierniewice in Berlin an amt licher Stelle nichts bekannt ist. Auch in Wien will man an zuständiger Stelle bisher noch nichts von einer angeblich geplanten Monarchen-Zusammenkunft wissen. — Der Ausschuß des BundeSrathS für Handel und Verkehr hielt heute eine Sitzung. — Einzelne Blätter nennen bereits die Namen der Mit glieder der Samoacommission, die „Magd. Ztg." meint jedoch, diese Meldungen beruhten vorläufig noch auf Ver- muthungen. vr. St übel, der sich gleichfalls unter den Genannten befindet, ist bereits zweimal längere Zeit auf Samoa gewesen. Das letzte Mal wurde er l889 dorthin entsandt, um bei der Einführung der Acte behilflich zu sein. Er hat damals unserer Regierung die besten Dienste geleistet. Augenblicklich ist er Generalconsul in Shanghai. Ob die gegenwärrigen drei Eonsuln in Apia abberufen werden, wird von dem Ergebniß der Eommssiousarbeiten abhängen. Tie endgiltige Enescheidung über deren Beschlüsse steht natürlich den Vertragsmächten zu. Ueber die Einzelheiten deS ArbeitS programmS der Commission sollst sch'.r.'len gleichfalls noch Verhandlungen. — Ueber die Ehrengerichte der Marineofficiere veröffeutlicht das „MarineverorduungSblatt" eine kaiserliche Verordnung, durch welche bestimmt wird, daß in allen Fällen, in deueu über die Zuständigkeit oder über die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Behandlung der ehreu- gerickNicben Angelegenheiten Zweifel entstehen, unmittelbar die Entscheidung des Kaisers eiuzuholen ist. — Der Kaiser hat dem Generaladjutauten General der Eavallerie Grasen v. Lehndorff zum siebzigsten Geburtstage desselben sein lebensgroßes Oelgcmälde zum Gcsckcnk gemacht, aus welche», der Monarch in der Uniform der Gardes du EorpS dargestellt ist. — Die Meldung über neue Uniformen für die Feld artillerie soll der „Kreuzztg." zufolge der Begründung entbehren. — Die Ankunft deS Majors v. Wissmann wird von Pretoria gemeldrt. Während seines kurzen dortigen Aufenthaltes wurde er von der deutschen Colouie gefeiert. Seine Abreise nach der Ostküste war auf den 15. März festgesetzt. (K. Z.) — Das im Jahre 1888 gegründete Telegraphen- Jngenieurb urcan des Reichspostamts hat nach einer Bestimmung des Staatssekretärs v. PodbielSki fortan die Bezeichnung „Telegraph en versuch Samt" zu führen. Wichtigere Aenderuugen in der inneren Einrichtung und den besonderen Aufgaben deS bisherigen Telegraphen-Jngenieur- bureaus sind mit der Nameuänderung nicht verknüpft. — Die verschiedenen antisemitischen Gruppen, die gegenwärtig in Deutschland bestehen, sollen wieder ein mal unter einen Hut gebracht werden, ein Unternehmen, welches nach allen Erfahrungen sehr wenig Erfolg ver spricht. Es ist nämlich die Gründung eines Allgemeinen Antisemitenbundes für ganz Deutschland in Aus sicht genommen. Der zu diesem Zwecke erlassene Auf ruf stellt folgende Forderungen auf: 1) Aufhebung aller bisher bestehenden Nesormvereine oder sonst für sich bestehenden antisemitischen Organisationen und Ein tritt sämmtlicher Gesinnungsgenossen in den neuzugründenden Bund; 2) Führung der Bundesgeschäfte durch eine allgemeine Centralleitung nach dem Muster des Bundes der Land- wirthe, welche ausschließlich die Verfügung über die Beiträge der BundcSmitgliedcr hat; 3) Anstellung von Parteisekretären in den Hauptorten der Provinzen, welchen die Geschäfts führung, Agitation u. s. w. übertragen wird; 4) Durch- fübrung eines umfassenden, organisch gegliederten Vertrauens- männersystemö. — Der Erbprinz Bernhard von Sachfen-Meiningei, ist nach mehrtägigem Aujenthalt hier nach Breslau zurückgekehrt. — Der Untcrstaatsjecretär im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, Wirk liche Geheime Ralh Fleck, ist von Freienwalde a. O. wieder hier angekommeu. — Der Präsident der Eisenbahndirection Berlin, Wirkliche Geheime Ober-Regiernngsrath Kranold, ist vom Urlaub zurückgekehrt und hat die Dienslgeschäste wieder übernommen. — Der Geheime Medicinalrath Pros. vr. v. Esmarch ist gestern aus Kiel hier eingelrvssen. — Der Generalconsul in Capsladt, Legationsrath von Schuck- mann, der zum Vortragenden Rath im auswärtigen Amt ernannt worden ist. war bis zum Jahre 1890 Viceconjul in Chicago, er wurde daun in die Colonialabtheilung des auswärtigen Amts be- rufen. Von dieser trat er in die Abtheilung sür Personalien und zuletzt war er in der Handelsabtheilung, wo er das Referat über die Conjulate hatte. Zur Zeit als er noch Hilfsarbeiter bei der Colonialabtheilung war, wurde er mit der Vertretung des beur laubten Gouverneurs von Kamerun, Zimmerer, betraut und führte die Geschäfte Les Gouverneurs etwa ein halbes Jahr. Seine Stellung in Capstadt hatte er seit October 1895 inne. — Dem bisherigen Präsidenten der Seehandlung, Wirklichen Geh. Rath v. Bnrchard, ist der Rothe ALIerorden erster Clasje mit Eichenlaub verliehen. * Danzig, 7. April. AuS Anlaß der Eröffnung des Freihasenbezirks gab die Danziger Kaufmannschaft ein größeres Festmahl in der altehrwürdigen ArtuShof-Halle, an dein die Vertreter der Behörden theilnahmen. Im Verlaufe des festlichen Abends wurde an den Kaiser folgendes Tele gramm abgesandt: „Die auS Anlaß der Eröffnung des Frei bezirks im ArtuSbos versammelten Vertreter der Behörden, der Kaufmannschaft und der Bürgerschaft gedenken dank erfüllt Ew. Majestät nie ruhender landesväterlicher Fürsorge sür die Stadt Danzig und senden Ew. Majestät ehrerbietigen Gruß und Segenswunsch, v. Goßlcr. Berenz. Delbrück." — Vom Minister Thielen lies ein Glückwunschtelegramm ein, das sofort erwidert wnrde. * Lübeck, 7. April. Sicherem Vernehmen plant der Senat die Einführung einer WaarenhanS-Steuer. * Köln, 7. April. Die Kölner Saalbesitzer beschlossen in einer gestern stattgehabtcn Versammlung, gegen die Ver fügung des Regierungspräsidenten, wonach nur alle 14 Tage Tanzvergnügen statlsinden darf, beim Minister deS In nern vorstellig zu werden. Eine dreigliedrige Commissi.n wird sich dieserbalb bereits morgen nackt Berlin begeben. * Rnrubcrg, 7. April. Am Mittwoch Abend fand iu dcn Sälen des Hotels Adler die von dem Nationalliberalen Verein Nürnberg veranstaltete BiSmarck-Gedenk- feier statt. Sie war auS allen Kreisen der Nürnberger Bürgerschaft zahlreich besucht und lieferte den Beweis, daß auch hier die Zahl der treuen Verehrer unseres großen ersten Kanzlers eine hohe uud stets wachsende ist. Universitäts professor Vr. Geiger von Erlangen hielt die Gedächlnißrede. * Karlsruhe, 7. April. Der Großherzog empfing gestern 51 Veteranen des 1. Bataillons des vormaligen 4. badi schen Jnfantcric-Regiments von Porbeck, das im Jabre 1849 daS Gefecht bei Ulderup in Schleswig zur siegreichen Entscheidung gebracht hatte, und hielt dabei folgende An sprache: „Ich danke Ihnen Alle» herzlich dafür, daß Sie hierher gekommen sind, und Ich bin tief ergriffe», noch so viele von Ihnen zu sehen. Wir sind gemeinsam im Jahre 1848 auS- gezogen, Sie haben den Vorzug gehabt, im Jahre 1849 vor dem Feind zu stehen und sich Ihres Nockes und der Pflicht würdig zu zeige». Nicht Allen, die an die damalige Zeit zurück denke», wird Las Glück zu Theil, sich zu erinnern, die Treue be wahrt zu haben. Wer die Jahre miterlebt hat, weiß, was das Gegentheil bedeutet. Ich bcurtheile jene Zeit aber auch von einem anderen Staudpuncte. Die Ereignisse von 1849 sind nicht allein durch Ungehorsam und Untreue, sondern auch in Folge mangelhasterFührung herbeigeführt worden. Ordnung und Gesetzlichkeit kann nur da aufrecht erhalten werden, wo eine feste Führung vorhanden ist. Deshalb wende Ich Mich an Sie, damit Sie zu Hause hieran mahnen und vor Allen» auch die Jugend daraus Hinweisen, daß zur strengen Handhabung der Ordnung aller Muth und alle Energie erforderlich ist. Alle müssen Lazu beitragen, die Ordnung aufrecht zu erhalten, und beim Einzelnen gehört dazu vor Allem die Selbstverleugnung und die treue Pflichterfüllung. Wir haben jetzt LaS Glück, daß eine feste Ordnung bei uns herrscht, und wir besitzen dieselbe, weil wir ein großes, starke- Heer haben und das Gefühl der Gemeinsamkeit in unserem Vaterland. Daß wir darauf auch künftig bauen können, dazu muß ein Jeder mitwirken. Die Erinnerung, die Sie heute hierher geführt hat, ist deshalb so schön, weil Sie das Be- wußtsein haben, seiner Zeit Ihre Pflicht erfüllt zu haben. Ich werde Sie wohl Alle nicht mehr sehen, wenigstens nicht mehr in diesem Leben, denn wir stehen Alle in einem Alter, wo man ge- wärtig sein muß, abberufen zu werden. Hoffentlich aber werden wir uns anderswo wiedersinden, und damit uns dies zu Theil werde, wollen wir hier recht leben und unsere Pflicht erfüllen. Mit dieser Mahnung verlasse Ich Sie und habe nur noch den Wunsch, daß Ihnen noch manche guten Tage be- schieden sein mögen. Wenn noch einer ein besonderes Anliegen hat, so möge er es Mir mittheilen. Ich bin gern bereit, meinen alten Kameraden zu helfen, soweit es in Meinen Kräften steht. Sie haben mich beim Eintritt mit einem Hurrah begrüßt und Ich möchte Sie bitten, in denselben Ruf mit mir einzustimmen. Im Jahre 1870 ist das Deutsche Reich begründet worden, durch die Kraft des deutschen Heeres und das Heer war es, welches den Kaiser geschaffen hat. Ich fordere Sie auf, unserm jetzigen Kaiser ein freudiges Hurrah zu bringen. Hurrah!" Oesterreich-Ungarn. Ein Schlag gegen Sie Los-von-Rom-Bewegnng; ein Hohenlohe * Wie», 7. April. In den hiesigen Buchhandlungen erschien heute eine behördliche Commission und beschlagnahmte sämmt- liche aus die Los-von-Rom-Bewegung bezüglichen Schriften, ohne Rücksicht, ob sie confiscirt sind oder nicht. Man will wissen, die Maßregel sei erfolgt auf Einschreiten des Wiener Erzbischoss, der von aristokratischen Damen hierzu veranlaßt wurde. — Prinz Philipp zu Hohenlohe, der Neffe Les deutschen Reichskanzlers, wird am Sonntag in Olmütz als Domcapitular installirt werden. Frankreich. TrcyfuS-Affäre * Paris, 7. April. Es siebt nunmehr fest, daß der CaffationShof unmittelbar nach Wiederaufnahme der Be rathung die ergänzende Untersuchung anordnen wird, insbesondere die Vernehmung der Mllitärrichter im Proceß gegen DreyfuS. Dadurch wird eine neuerliche Ver schleppung des EndurtHeils unvermeidlich. (Mgdb.Z) Svanien. Tie carlistischc Gefahr * Madrid, 7. April. Wie der „Jmparcial" meldet, hat die Regierung ein wachsames Auge aus die Umtriebe der oder die gnädige Frau zu sprechen verlangt", meldete der Diener. „Wahrscheinlich ein besserer Bettler", fügte «r hinzu, als Senzi fragend And zögernd aufblickt«. s „Dann schicken Sie ihn herein", sagte Senzi, die immer zu helfen bereit war, namentlich jetzt, wo ihr Herz voll Glück und Freude war. Es war dämmerig im Zimmer, und erst als Senzi auf den elektrischen Knopf drückte, flammte aus einem Büschel rosiger Glasblüthen, die von der Decke herunter hingen, «in angenehmes Licht auf, das den vornehm ausgestatteten Raum und die jugend lich« Bewohnerin desselben hell überfluthete. Sprachlos, zitternd, war Martin Auer an der Thür stehen ge blieben und sein Blick hing mit einem unbeschreiblichen Ausdruck an der schönen, schlanken Frauengestalt, die freundlich auf ihn zukam. „Mit was kann ich Ihnen dienen", sagte Senzi, aber sie stockte plötzlich. Ihre Augen schienen größer und weiter zu werden, und in furchtbarem tödtlichen Schreck starrte sie auf den selbst leichen blassen Mann. Ihre "Hände streckten 'sich in flehender Abwehr auS, und mit einem dumpfen, unartikulirten Wehlaut sank sie in ihre Knie. t „Senzi, Senzi, fasse Dich, erschrick nicht so! Ja, ich bin es, Dein Mann, Gott sei Dank, ich komme nicht zu spät. Senzi, verzeihe mir! Herrgott im Himmel, sie stirbt! Senzi, wach auf! Senzi! Senzi!" So rief, stammelte, weinte Martin, während er die Kraft lose, die thatsächlich einer Sterbenden glich, angstvoll schüttelte ::»d sie mit der Stärke der 'Verzweiflung emporhob und auf das Sopha setzte, sie mit seinen Armen stützend und haltend und ihr wirre Worte zu flüsternd. ' Regungslos, wie gelähmt, mit erloschenem Blick, in dem der Ausdruck eines namenlosen Entsetzens erstarrt zu sein schien, lehnte sie da, während der Mann, ni«dergeschmettert von Angst und Pein, zu ihren Füßen kniete und sein Antlitz schluchzend in ibre Hände preßte. Groll und Liebe, Furcht und Hoffnung, ja sür eine Secunde sogar eine Art Triumph, daß er noch zeitig ge nug gekommen, um dieses geliebte Wesen als sein Eigenihum fordern zu können, durchströmten ihn. Sie war sein Weib; sie gehört« zu ihm und lieber wollte er aus sein Leben verzichten als auf sie. Unzusammenhängend, verworren, erzählte. Lat, erklärte er; in einem Atbem erflehte «r Mitleid und Berzeihung, beklagte ec sie und verlangte doch als ganz selbstverständlich, daß all: anderen Rechte vor den seinigen erlöschen sollten. Unverstanden rauscht« Alles, was er sagte, Bitten, Be treuerungen und Erklärungen, an Senzi vorüber; sie wußte, erkannte, fühlte nur «ins: er war da, auferstanden von den Tobten, und für sie und Bernhard war Alles zu Ende. Bernhard! Der Gedanke an ihn rüttelte sie auf aus ihrer Erstarrung; eine namenlose Furcht vor dem Schmerz, der ihm bovorstand, ersaßt« sie, und dabei zerriß gleichzeitig «in un endliches Mitleid mit dem unglückseligen Manne, der wie ein um seine Begnadigung flehender Verdammter vor ihr kniete, ihr Herz. Martin wußte Alles, so viel war ihr klar; aber Bernhard! Was konnte sie beginnen, um den ersten furchtbaren Schlag für ihn abzuschwächen. Die Uhr auf der Eonsole schlug mit silberhellem Klang sechs Uhr. Um dies« Zeit kam der Eilzug aus Genf; in spätestens einer halben Stunde war Bernhard hier. Bei diesem Gedanken löste sich der starre Druck in Kopf und Herzen, ein Strom von Thränen drängte sich in ihre Augen, und in hilflosem Jamm«r rann die entfesselte Fluth über ihre blassen, zarten Wangen her nieder. 'Außer sich, sprang Martin empor. Er hatte wahrlich nicht erwartet, daß sie ihm freudig um den Hals fliegen werde; aber diese stille, fassungslose Verzweiflung war mehr, als er ertragen konnte. Hätte sie todt vor ihm gelegen, er hätte es nicht so herb empfunden wie dies. „Und dazu Lin ich am Leben geblieben, dazu habe ich Ver nunft und Verständniß zurückgewonnen", sagte «r mit bitterem Lachen. „O Ironie des Schicksals, die mich für eine solche Heimkehr aüfgespart." Er schritt auf die Thür zu, um zu gehen; aber Senzi war durch diese herbe Klage zur Besinnung gekommen. Mit zwei Schritten war sie an seiner Seite, und seine Hand erfassend, hielt sie ihn zurück. „Nicht so", bat sie, „verzeihe, o verzeihe mir! So plötzlich, so unvorbereitet kam dies; gönne mir Zeit, daß ich es fassen kann. Du weißt, was mir bcvorstand. Roch ist Alles dunkel um mich und in mir, und ich sehe keinen Weg in diesem schreck lichen Verhängniß. Habe Mitleid und Nachsicht mit mir; nur die nächste Stunde, diesen einen Abend gönne mir noch. Er, Bernhard, kann jeden Augenblick kommen; «r darf Dich nicht gleich sehen; von mir allein soll er es erfahren; es ist das Letzte, was ich ihm erweisen kann." Ihre Thränen waren versiegt, und eine feste Entschlossenheit prägt« sich allmählich auf ihrem Antlitz aus. „Komm mit mir", fuhr sie fort, „ich führe Dich einstweilen in das Zimmer des Hofraths. Er wird Dir Manches erklären und auch Du wirst dänn milder denken." Schweigend folgte er ihr. Im Eorridor stand der Diener. Die dicken Portieren hatten verhindert, daß er hören konnte, was in Senzi's Zimmer vorgegangen; aber trotzdem war seine Neu gierde stark erregt. „Wenn der Herr Hofrath kommt, so melden Sie ihm, daß ihn Jemand zu sprechen wünscht", sagte Senzi mit mühsam er zwungener Festigkeit, „und Herrn vr. Rainer lasse ich bitten, auf mein Zimmer zu kommen." ., Wieder schlug eine Uhr; es war halb Sieben. Hastig öffnete Senzi die Thür zum Zimmer des Hosraths. Es war matt erhellt und sah äußerst einladend und behaglich aus. Aber Martin Auer hatte kein Auge dafür. Ein eifersüchtiger, neidischer Schmerz erfüllte ihn ganz uns gar. Er wußte ja, weshalb er hier untergebracht wurde. „Ich soll aus dem Weg« sein", so dachte er voll Bitterkeit, „wenn Senzi dem Manne, den sie liebt, eine so grausame Enttäuschung zufügen muß." E.r fühlt«, daß sie noch mehr für den Geliebten als für sich selbst litt, und die Qual dieses Wissens drückte ihm schier das Herz ab. , Jetzt hörte man Peitschenknallen und das Rollen eines Wagens. Wieder wurde Senzi blaß wie der Tod. Zitternd stützte sie sich für einen Moment auf die Lehne eines Stuhls; ihre Kräfte drohten abermals zu schwinden. Ihre Lippen zuckten, aber sie vermochte nicht zu sprechen, und die großen, sanften Augen blickten mit einem herzzerreißenden Ausdruck auf den unglücklichen Mann, der ihre Qual nur zu gut «rkannte und begriff und sie in ganzer Stärke in der eigenen Seele mit empfand.' . > In aihemlosem Lauschen streckte sie den dunklen Kopf ein wenig vor. Vor dem Hause hielt der Wagen; Stimmen er tönten; da fuhr sie empor, und mit einem letzten, flehenden Blick auf Martin stürzte sie davon, um in ihrem Zimmer zitternd und bebend, von nervösen Schauern geschüttelt, in die Knie zu sinken. Die Treppe Henads kam ein leichter, elastischer Schritt. Bern hard, zwar befremdet durch ihr sonderbares Verlangen, das der Diener ihm bestellt, aber doch ahnungslos und hoffnungsfrcch, eilte auf ihr Zimmer zu. Die Thür öffnete sich Strahlend vor Freude und glücklicher Erwartung betrat er den hell erleuch teten Raum. Suchend flog sein Blick umher. Warum kam Senzi ihm nicht entgegen, wo war sie? Das war sein erster Gedanke. Dann erst sah er sie, auf dem Boden kauernd, dcn Kopf in die Polster des Ruhebettes ver borgen und den schlanken Körper von den heftigsten Schauern vurchbebt. . , , Mit einem Ausruf des Schrecks rind der Bestürzung eilte er auf sie zu, und als er sie wie ein Kind emporzog, schlang sie wortlos die Arme um seinen Hals und weinte an seinem Herzen die verzweiflungsvollsten, bittersten Thränen ihres an Bitterkeit so reichen Lebens. Achtzehntes Capitel. „Aber was soll nun werden?" sagte der Hofrath, als er den Brief vr. Rainer's gelesen und zwischendurch die Erklärungen Martin Auer's angehört hatte. „Das ist ja eine unerhörte Ge schichte. Sagen Sie mir vor Allem, wie Sie sich die Lösung dieser Wirren denken." „Ich glaube, diese Frage ist überflüssig", sagte Martin, in dem allmählich ein herber Trotz aufgestiegen war. „Senzi ist von Gott und Rechts wegen meine Frau, und ihr Platz ist auf jeden Fall bei mir." „Hm, ja; soweit ist dies ja richtig." Der Hofrath schritt aufgeregt im Zimmer umher und seine schmalen Hände fuhren zuweilen nervös durch die weißen Haare. „Aber sind Sie sich auch klar darüber, was dies für Senzi bedeutet? Daß Sie völlig mittellos zurückkommen und Senzi absolut gar keine Existenz bieten können, tommt jetzt durchaus nicht in Betracht. Ich habe Senzi an Kindesstatt angenommen, und darin kann Gottlob nichts geändert werden. In materieller Beziehung wirb stets für sie gesorgt sein. Aber denken Sie denn, daß sie im Stande ist, so im Handumdrehen ihre Gefühle zu wechseln? O bitte! Ich weiß, was Sic sagen wollen. Sie sind der Ehe mann und können daher verlangen, baß sie alles Andere schnellstens über Borb wirft, sobald Sie wieder auftauchen und Ihre verbrieften Rechte geltend machen. Wohl, Ihr Verschollen sein war ein Unglück und keine Schuld. Sie kamen mit den alten Gefühlen, den alten Voraussetzungen zurück, und die Verände rung, die hier vorgegangen, däucht Ihnen jetzt wie ein an Ihne» begangenes Unrecht. Aber versetzen Sie 'sich auch ein wenig an Senzi's Stelle. Mein Schwager Bernhard ist der Genosse, der Freund ihrer Kindheit, der Mann, dem ihre erste und wohl auch einzige Liebe gehört. Warum sie damals verzichtete, wissen Sie so gut wie ich. Damals hat sie es mit bewundernswerthe.. Opfermuih ertragen, aber.heute liegt doch Vieles anders. Da, Schicksal führte sie ungesucht zum zweiten Male zusammen. In voller Berechtigung knüpften sich die von fremder Hand ze - rissenen Bande fester und inniger, und heute, an der Schwelle des erträumten Glückes, soll Alles wieder zerstört werden. Das ist hart, sehr hart, und ich fürchte — ich fürchte " „Daß der unbequeme Störer einfach bei Seite geschoben wird", vollendete Martin bitter. „Nein, Gott sei Dank! Was auch vorgefallen ist, so schlecht, so herzlos könnte Senzi nie sein. Ich kenne sie. Sie wird zur Besinnung kommen und rinsehen, zu wem sie gehört. Was auch von anderer Seite versucht wird, sie wird doch mit mir gehen. Dafür würde ich meine Hand ins Feuer legen." (Schluß folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder