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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.04.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990410024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899041002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899041002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-04
- Tag1899-04-10
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180 Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentags um b Uhr. Filialen: ttlo Klemm's So.tim. (Alfred Hahn). Universitätsslraße 3 (Paulinum). LoniS Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7. Ne-action und Expedition: Johannisgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend» 7 Uhr. BezugS-PreiS in der Hauptexpedition oder den im Stadt- tesirk und den Vororten errichteten Aus- ocwrstrllen abgeholt: vierteljährlich^(4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in- Hau» k.üO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandiendu.ng in» Ausland: monatlich 7.b0. Abend-Ausgabe. Mixziger TaMalt AnzeigeN'Prei- die bgespaltme Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter demRedactionsstrich (4ge- spalten) ÜO/H, vor den Familtenaachrichtrn (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- vrrzeichmb. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrfördrruag SV.—, mit Postbefürderung ^ll 70.—. Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Molizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Montag den 10. April 1899. Rrmahmeschluß sSr Anzeigen: Abeud-AuSgab«: BormÜtag» 10 Uhr. Marge »-Ausgabe. Nachmittag» »Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je rim halbe Stund« früher. Anzeige» find stet» an di« GxPetzitia» zu richten. Hruck und «erlag von E. Polz in Leipzig. 93. Jahrgang. Der neue Vertragsbruch aus Samoa. -p. Aus Apia sind neue Meldungen des „Reuter'schen BureauS" eingetroffen, die wir im gestrigen Morgenblatt aus führlich Wiedergaben. Obwohl diese Berichterstattung in aus gesprochen deutschfeindlichen Händen liegt und zu Ungunsten der deutschen Beamten auf Samoa gefärbt ist, läßt sie doch deutlich erkennen, daß bei den jüngsten Wirren wieder die ganze Schuld auf englisch-amerikanischer Seite liegt. Die Berichte entsprechen im Wesentlichen der amtlichen Kabelmeldung unseres Generalconsuls Rose, d. h. den That- sachen. ES kann sich also nur noch um unwesentliche Einzelheiten handeln, um deretwillen man umfassende amtliche Berichte aller drei Consuln abwarten müßte. Sie würden höchstens noch ver wischen können, was an den Reuter'schen Meldungen anti deutscher Anstrich ist. Schon jetzt kann man sich ein annähernd objektives Bild von den Vorgängen machen. 'Es ist das einer absoluten Anarchie auf Samoa, herbeigeführt durch die Consuln und Schiffscapitäne Englands und der Vereinigten Staaten, gipfelnd in einem neuenbrutalenVertrags- bruch und einer neuen unerhörten Vergewalti gung derdeutschenRechteund ihrer Vertreter. Nicht nur, daß die Engländer und Amerikaner im Bunde mit den Tanuleuten Mataafe gezwungen haben, die Stadt, die sie bombardirten, zu verlassen, sie haben auch mit dem üblichen Eeremoniell den unmündigen Tanu als König proclamirt und gekrönt und unter den Klängen der amerikanischen Schiffs capelle durch die Stadt geführt. Aber nicht genug damit, um das Rechtsgefühl der Eingeborenen zu beschwichtigen, hat der amerikanische Admiral Kautz in einer Proklamation bekannt ge geben, auch der deutsche Consul und der Commandant des „Falte" haben der Absetzung Mataasa's und der Krönung Tanu's zugestimmt. Und mehr noch! Die Gegenproclamation Rose's, in welcher dieser erklärt, Mataasa's provisorische Regierung, die von sämmtlichen Consuln anerkannt war, auch weiterhin an erkennen zu müssen, da der gemeinsam gefaßte Beschluß laut Samoaacte nur durch einen gemeinsamen Beschluß außer Kraft gesetzt werden könne — eine Proclamation also, welche die Be hauptung des Herrn Kautz, Tanu sei mit Wissen und Willen der deutschen Vertreter eingesetzt, als unwahr erweist, diese Proclamation wird in dem Reuter'schen Bericht als eine schwere Beleidigung des amerikanischen Admirals und als Anlaß des Blutvergießens gebrandmarkt. Das heißt doch alle Logik auf den Kopf stellen und Wirkung und Ursache verwechseln. Der Protest war eine Wirkung des englisch-amerikanischen Vertrags bruches und das gegenwärtige Durcheinander ist wieder eine Folge von diesem. So liegen die Dinge! Dieser Sachlage gegenüber hat auch diedeutscheReichs- regierungdie Augen nicht länger verschließen können. Sie hat in anerkenenswerther Weise einen unzweideutigen formellen Protest nach London und Washington gerichtet, in welchem sie vor dem Worte Vertragsbruch nicht zurückschreckt und darauf be steht, daß das Vorgehen der Engländer und Amerikaner kein tait ncwonapli bedeute. Hoffentlich täuscht sich die officiöse „Nordd. Allg. Zig." nicht, wenn sie schreibt, die neuesten Er klärungen der betheiligten Regierungen ließen keinen Zweifel darüber, daß sie sich auf vertragsmäßigen Boden stellen, also ihre Vertreter desavouirten werden. Aber damit allein kann es nicht gethan sein. Abgesehen von dem einseitigen und gewaltsamen Vorgehen der antideutschen Partei auf Samoa, hat der amerikanische Admiral sich direkter Uebergriffe gegen Deutschland er dreistet. Einmal hat er dem Capitän des „Falke" befohlen, dazubleiben und bereit zu sein, seinen Landsleuten zu helfen, worauf der „Falke" dableiben mußt«, und dann hat Kautz den „Falke" gezwungen, sich innerhalb des Hafeneinganges aus dem Wege zu begeben, damit die englischen und amerikanischen Schiffe Apia beschießen könnten. Herr Kautz hat dem Commandanten eines deutschen Kriegsschiffes überhaupt nichts zu befehlen und er würde es auch nicht gewagt haben, wenn er sich nicht in der Uebermacht gewußt hätte. Dieser mußte der „Falke" weichen. Der Befehl Kautz's war also abermals ein Gewaltakt, eine direkt feindliche Handlung gegen Deutschland. Die Ehre der deutschen Flagge ist hierdurch angetastet und dies fordert Sühne! Wir erwarten von unserer deutschen Reichs regierung, daß sie uns Genugthuung schafft oder doch zu schaffen nichts unversucht läßt, sobald der Vorfall vollkommen auf geklärt ist. Mit Genugthuung sehen wir, daß jetzt auch der Theil der deutschen Presse, welcher bisher in der Vorsicht den besseren Theil des Muthes gesehen und es für selbstverständlich gehalten, daß wir für unser Dasein auf Samoa England und Amerika um Ver zeihung bitten, in Harnisch geräth und das Recht Deutsch? ands mit Nachdruck zur Geltung gebracht wissen will. Möchte man auf dieser Seite nur auch zu der für alle Sehen wollenden sonnenklaren Einsicht gelangen, daß es höchste Zeit ist, den jüngsten englandfreundlichen Curs wieder zu ändern. Am Sonnabend wurde gemeldet, England habe mit dem König der Freundschaftsinseln «inen Vertrag geschloffen; wie etzt aus New Aork gekabelt wird, handelt es sich um eine Besitz- n a h m e des Archipels durch England. Selbst in Amerika wird dieser Schritt des uns „befreundeten" Nachbarreiches als wenig freundschaftlich gegen Deutschland angesehen. Von deutschen Blättern sind uns bis jetzt nur wenige zu Gesicht bekommen, die dasselbe sagen. Dann aber noch Eins! Lediglich die maritime Ueber macht Englands ist es, die uns zwingt, vorsichtiger und zurückhaltender aufzutreten, als unsere nationale Würde es uns gestattet. Die Lehre, die sich hieraus mit zwingender Gewalt ergiebt, ist die: Stärken wir unsere Macht zur See so, daß wir selbst, gegebenen Falles im Bunde mit Anderen stark genug sind, England auch auf dem Meere die Stirn zu bieten. Im Hafen von Apia sind wir ja geradezu kläglich vertreten. Der „Falke", das einzige deutsche Schiff vor Samoa, konnte sich gegen die Uebermacht nicht wehren; er ist ein kleines Schiff von 1790 Tonnen Deplacement, hat Maschinen von 2900 Pferdekräften, Zwillingsschrauben und eine Fahrgeschwindigkeit von 16 See meilen. Er gehört zur Classe der kleinen Kreuzer, speciell der jenigen, die zum politischen Dienst auf überseeischen Stationen Verwendung finden und deren Gefechtskraft nur «ine sehr be grenzte ist. Das Schiff führt 8 Schnellfeuergeschlltze von 10,5 em Kaliber, 5 Maschinengewehre und 2 Torpedorohre. Irgend welchen Panzerschutz, sei es auch nur in der Form eines inneren horizontalen Panzerdecks, besitzt das Schiff nicht. So kann es doch unmöglich weiter gehen. Allersdings ist der Anfang zur Schöpfung einer ansehnlichen deutschen Flotte vor Kurzem gemacht worden, aber, abgesehen davon, daß wir viel zu lange damit gesäumt haben, es hieße nichts gethan haben, wollen wir glauben, wir hätten schon genug gethan. In Samoa hat man es einmal versucht, uns als qunntitb nögligeadls anzusehen, man wird den Versuch wiederholen dort, wo es sich um mehr als das Bischen Südseeinsel handelt. Für solch« Fälle müssen wir gerüstet sein und dazu bedarf es eben einer mächtigen, auch England imponirenden Flotte. Unsere wirth- schaftlichen Interessen weisen uns hinaus auf die fernen Meere, dort liegt Deutschlands Zukunft. Aber gerade auf dem Welt meere will England unsere Wege kreuzen. Möchte der Samoa zwischenfall darüber bei Niemandem mehr einen Zweifel gelassen haben, und möchten alle Parteien daraus die Konsequenzen zichen! Politische Tagesschau. * Leipzig, 10. April. Rußland ist von jeher die dew noire der deutschen Social demokratie, speciell Liebknecht's, und eS genießt, wenigstens seit den unter dem letztverstorbenen Zaren ergangenen Maß regeln gegen die Juden, den ganzen Haß unserer Freisinnigen. Wenn es aber gilt, Deutschland etwas anzubängen, dann verscklägt es der einen wie der andern Partei nichts, auch das „despotische Rußland" gegen daS eigene Land auszuspielen. So sehen wir denn, wie der „Vorwärts" und Berliner frei sinnige Blätter Tag für Tag den Zaren gegen den Münchner Professor Freiherrn von Stengel „in Schutz nehmen", der „Vorwärts" noch dazu in Redewendungen, die einer Anklageschrift wegen MajestätSbeleidignng entnommen sein könnten. Gleichzeitig und über Herrn v. Stengel binaus zielend bemüht sich das socialdemokratische Organ mit der Erbringung des Beweises, daß Rußland gar nicht anders könne, als gegen Deutschland diplomatisch vorzugeben. Von einem von der Ehre Rußland» gebotenen Krieg spricht der „Vorwärts" nicht, well diesmal zufällig die Friedens konferenz eS ist, die als Vorwand zu dem Versuch der Auf reizung eines fremden Staates gegen Deutschland herhalten muß. Frhr. v. Stengel, wir haben das gemeldet, ist einer der deutschen Abgesandten für die Conferenz im Haag und er hat, natürlich vor seiner Berufung zu dieser Function, eine Schrift veröffentlicht, die den ewigen Frieden in dem Bereich der Träume sieht und die Ueberzeuguna ausspricht, daß ihn auch die Friedenskonferenz dort belassen werde. (Wir werden auf diese Schrift in einer der nächsten Nummern noch näher eingehen.) Nun aber hat kein Mensch jemals geglaubt, daß daS Zarenmanifest und die durch ihn angeregten Berathungen den Krieg auS der Welt schaffen würden. Der Zar am wenigsten, und die Rüstungen, die Kaiser Nicolaus unmittelbar vor zener Kundgebung und nach derselben anbefohlen, sind eine weit gewichtigere Thatsachc als daS Erscheinen der Stengel'schen Schrift, die der „Vorwärts" partout als eine „Verhöhnung deS Zaren" angesehen wissen will. WaS aber die Conferenz vielleicht erreichen kann, nämlich eine Milderung der Schrecken des Krieges, das ist nichts, WaS nicht auch Freiherr v. Stengel wünschte. Wenn gesagt wird, mit der Entsendung dieses Gelehrten sei der „Bock zum Gärtner" gemacht, so fragen wir, wo die deutsche Regierung den Mann hätte finden sollen, der im Haag den Garten deS ewigen Friedens zu pflegen geneigt und geeignet gewesen wäre. In Herrn Liebknecht, der einen Anspruch Frankreichs auf Elsaß- Lo,lbringen anerkennt und somit den Boden der noch immer größten europäischen Kriegsgefahr düngen Hilst, sicher nicht. Wenn aber nicht einmal ein Anhänger der internationalen Socialdemvkratie zur Verwirklichung der — bekanntlich dem Vorschlag deS Zaren nicht zu Grunde liegenden — Idee zu gebrauchen ist, kann es nicht Wunder nehmen, daß in den Kreisen der rückständigen Bourgeoisie kein geeigneter zu er mitteln ist. Uebrigens haben wir nichts dagegen, wenn die Socialdemokratie eine unter der Führung Liebknecht's stehende Abordnung nach Petersburg schicken, um den weißen Zaren wegen der Schrift deS Freiherr» v. Stengel um Verzeihung zu bitten. Möglicherweise setzt es Liebknecht bei dieser Gelegenheit durch, daß der nächste internationale Socialisten- congreß irgendwo in Sibirien abgehalten werden darf. Die Mitglieder des engeren Vorstandes des Bundes -er Lanöwirthc, di« Abgg. Frhr. v. Wangenheim, vr. Hahn und -Genossen, haben sich d«r Abstimmung über das Jesuttengrsctz enthalten. Mehr Befremden noch als diese „Neutralität" erregte aber die eigenthümliche Begründung, die diese Herren in der klerikalen „Köln. Volkztg." veröffentlicht haben. Sie sagten, da der Bund ebensowohl in katholischen als evangelischen Kreisen -Mtglirder habe, so waren die Bundesmitglieder „verpflichtet", in dieser konfessionellen Sache einen neutralen Stand punkt einzunehmen. Diese Erklärung muß ihnen aber wohl selbst nun als gar zu dürftigerschienensein,denndasBundesorgan sieht sich veranlaßt, eine neue zu geben, nämlich: die Jesuiten angelegenheit sei eine „formalpolitische" Frage; solche Frage hätte früher im Vordergründe gestanden, als es galt, den mit „Blut und Eisen zusammengeschweißten" Reichsbau zu erhalten, jetzt aber ständen die wirthschaftlichen Fragen im Vordergrund. So berechtigt im jungen deutschen Reiche vor der heutigen ver- hängnißvollen wirthschaftlichen Entwickelung die Parole ge wesen: Bindung in allen formalpolitischen, Freiheit in allen wirthschaftlichen Fragen, ebenso berechtigt sei heute die agrarische Forderung: Bindung in -allen wirthschaftlichen, Freiheit in allen formalpolitischen Fragen! Auch diese Beschönigung ist völlig verfehlt. Eine solche Auffassung der staatsbürgerlichen Pflichten von Wählern und Gewählten muß unweigerlich in kürzester Frist die constitutionellen Grundlagen zerstören. Nicht nur für die ersten Anfänge des Reiches, sondern für seine Dauer war Artikel 29 der Verfassung bestimmt, worin die Begründer des Reiches, zu denen auch Fürst Bismarck gehört, mit Vorbedacht geschrieben hatten, daß die Mitglieder des Reichstags Vertreter des gesammten Volkes und an Aufträge und Instructionen nicht gebunden sein sollen. Der Volksvertreter soll aus freier Ueberzeugung und unabhängigem Pflichtbewußtsein ent scheiden; diese Grundsätze sind im „jungen deutschen Reiche" stets in Ehren gehalten worden, und r» ist nicht zu treffend, daß damals „Bindung in formalpolitischen Fragen" Princip gewesen sei. DaS wird jetzt behauptet, nur um in irreführender Antithese neue Parolen ausgeben und damit eine Politik, wie die Stimmenthaltung bei dem Jesuitengesetz, be gründen zu können. Es freut uns, aus den fortgesetzt nöthig werdenden Erklärungen der Bundesvertretung entnehmen zu können, wie tief di« gerechte Erbitterung im Lande ist. Einiges Aufsehen hat die seltsame Haltung erregt, welche neuerdings das Berliner Organ der freiconseroativen Partei, die „Post", zu der Lanalfrage eingenommen hat. Das Blatt behauptet, ohne zu sagen, woher es seine Wissenschaft bezogen, daß die Landwirthe von Westfalen, Hannover, Sachsen, wahr scheinlich auch Hessen und Thüringen, gegen den Canal seien, und daß sie zu mindest verlangen, „daß das Canalunternehmen so lange ausgesetzt werde, bis ihnen bei der Erneuerung der Handels verträge ein wirksamerer Schutz ihrer Erzeugnisse gegen aus ländische Concurrenz gesichert sein werde." In freisinnigen Blättern wird hinter dieser Auffassung der neue Präsident der Seehandlung Frhr. v. Zedlitz, und hinter diesem wieder der Finanzminister vr. v. Miquel gesucht. Die „Natl. Corresp." bemerkt dazu: Wir sehen im Gegcntheil in diesen Auslassungen der „Post" lediglich die bekannten schlesischen Stimmungen. Was die Auffassung an der Spitze des Finanzministeriums und im Viccpräsidium des preußischen Staatsministeriums anlangt, so wissen wir bestimmt, daß man nicht daran denkt, mit solchen Argumenten dem großen Culturwerk, das zu vollenden der sehn lichste Wunsch des Kaisers ist, die Wege zu verlegen. Im Gegen- theil, wir glauben bestimmt zu wissen, daß man gerade an dieser Stelle schwere Besorgnisse gehegt hat, es könnten die land- wirthschaftlichen Interessen gegen den Canalbau factiös mobil gemacht werden, mit dem Schlagwort: entweder zollpolitische Garantien oder Aufschub des Canalbaues bis nach Ablauf der Handelsverträge — wodurch eine neue Verbitterung und neue Gegensätze in die Parteien hineingetragen würden, auf deren Zusammenhalt der preußisch« Staat angewiesen sei. Mit Rücksicht auf die nunmehr ergangene Einladung zur Haager Arie-cnSconscrenz erscheint cs zweckmäßig, an das von Rußland für dieselbe aufgestellte Programm zu erinnern. Das zweite Rundschreiben des Grafen Murawjew an die Ver treter der Mächte in St. Petersburg in Betreff der Abrüstungs frage faßt das der internationalen Friedenskonferenz zu unter breitende Berathungs-Programm in nachstehenden acht Haupt themen zusammen: 1) Ein Einvernehmen, welches die Nicht-Vermehrung des gegenwärtigen Effektiv st andeS der Land- und Seestreitkräfte, sowie der hierauf bezüglichen Kriegsbudgets für eine festzufetzend« Zeit stipulirt, und vorläufiges Studium der Wege, auf welchen sich über dies in der Zukunft eine Herabsetzung des Effectivstandes und der oberwähnten Budgets verwirklichen ließe; 2) das Verbot, sowohl in den Armeen und Flotten was immer für neue Schußwaffen und neue Explosivstoffe einzuführen, als auch die bereits in Verwendung stehenden explodirenden Geschosse für Gewehre und Kanonen weiterhin anzuwenden; 3) die Beschränkung der Anwendung von bereits vor handenen Explosivstoffen von furchtbarer Wirkungin Kriegen zu Lande und das Verbot, Geschosse oder Explosivstoffe irgend welcher Art von einem Ballon aus oder in ähnlicher Weise zu verwenden; 4) das Verbot, in Seekriegen unterseeische Torpedoboote, Taucher oder ähnliche Zerstörungs maschinen zu verwenden, und die Verpflichtung, in Zukunft keine Sporn-Kriegsschiffe mehr zu bauen; 5) die Anpassung der Bestimmungen der Genfer Convention vom Jahre 1864 für Seekriege auf Grund der Zusatzartikel vom Jahre 1868; 6) die Erklärung, daß die während oder nach den See schlachten mit der Bergung der Schiffbrüchigen beschäftigten Schiffe und Schaluppen aus demselben Titel neutral seien; iss Senzi. Roman von M. Immisch. Nachdruck vnchotkn. „Ja, ich glaube es selbst, nein, ich weiß, daß Sie Recht haben", sagt« der Höfrach mit tiefem Ernst. „Sie wird mit Ihnen gehen, aber oben so sicher ist, daß sie daran zu Grunde geht." Der Ton voller Ueberzeugung, mit dem diese Worte ge sprochen wurden, machte aus Martin einen vernichtenden Ein druck. Das an sich schon hagere und leidende Antlitz wurde noch fahler, und aus seiner gequälten Brust drang es wie ein Stöhnen. Ein Krampf zog sekundenlang sein Herz zusammen, so daß er in entsetzlicher Achemnoch ans Fenster eilte, denn ihm war, als müsse er ersticken. Besorgt betrachtete ihn der Hofrath. Der Mann war zweifel los krank, sehr krank sogar, aber um so größer erschien ihm di« Ungerechtigkeit, daß Senzi ihm geopfert werden sollt«. Er nahm sich vor, so schonend als möglich, aber doch auf jedm Fall, eine Frist für sie zu erreichen. Inzwischen hatte er Martin aus seiner, in einem Wand schränkchen befindlichen Hausapotheke lindernde Tropfen gegeben und den Erschöpften genöthigt, in einem Lehnstuhl Platz zu nehmen. Vorläufig schien es ihm als Arzt geboten, weitere Disputationen zu verschieben, um den leidenden Mann nicht noch mehr zu erregen. Jedenfalls war ei richtiger, sich nun erst um Senzi und seine Gäste zu bekümmern. Als er auf seine Frage vom Diener hörte, daß Bernhard noch bei Senzi war, dachte er, daß «in Dritter in dieser Stunde jedenfalls sehr überflüssig sei, und so überließ er die Beiden sich selbst und begab sich in den Salon, wo Clärchen und Bernhard's Freund und Trauzeuge, vr. Brück, auf» Höchst« verwundert über das Verschwinden des Bräutigams und die unmotivirt« Abwesenheit der Braut sich die Zeit und die Neugierde ver trieben, so gut cs eben ging. Der Hofrath übernahm es, sie -von der veränderten Sachlage in Kenntniß zu setzen, und dann redeten und berathschlagten sie hin und her, ohne doch zu einer festen Ansicht zu kommen, vr. Brück war «in aufrichtiger Freund Bernhard's, und daher ebenso bestürzt wie beunruhigt über das Mißgeschick, das diesen betroffen, und über die Folgen, die es hervorrief. Clärchen schien die Erregtest« von Allen; aber ganz im Ge heimen empfand sie «ine fast triumphircnde Befriedigung über diese ungeahnte Wendung. Sie hatte Senzi sehr beneidet; jetzt hatte sie dies nicht mehr nöthig. Di« Zeit, die Martin Auer allein im Zimmer des HofrathS verbrachte, erschien ihm endlos lang. Die tiefe Stille im Hause wurde nur von dem Pfeifen des Windes unterbrochen, der ab und zu an den Fenstern rüttelt«, und «inmal kam ein Mädchen herein und deckte geräuschlos «inen kleinen Tisch, den es vor Martin's Sessel schob. „Der Herr Hofrath läßt bitten, daß Sie sich bedienen", sagte sie, nachdem sie Speisen und eine Flasche Wein zurecht ge stellt hatte. Ihr keckes Stumpfnäschen schob sich verwundert in die Höh« über d«n geistesabwesenden Blick, mit dem Martin ihre Aufforderung beantwortet«. „Der muß nicht ganz richtig im Kopfe sein", sagte sie in der Küche. „Merkwürdig, daß der Herr Hofrath „so Einen" in seinem eigenen Zimmer bewirthet." ES gab überhaupt viel zu flüstern und zu staunen im Reich der Küche. Di« Köchin war in Verzweiflung, denn das Diner drohte zu verderben. Niemand schien Verlangen darnach zu haben. Es war rl-wa» nicht richtig im Hause, so viel war gewiß, und der Diener behauptete mit imponirender Sicherheit, daß der Fremde der -Ueberbringer einer Unglücksbotschaft gewesen sei. Nun, e» mußte sich ja bald herau»st«llen. Höchsten» vierzig Minut«n war«n vergangen, aber Martin bäuchten si« so viel Stunden. Eine quälende, sich immer mehr steigernd« Unruhe erfüllte ihn. Heute lockte ihn der Duft der Speisen nicht, trotzIcm er den ganzen Tag über nichts gegessen hatte, im Gegeniheil, er war ihm unangenehm. Um keinen Preis hätte er etwas davon berühren mögen, nur ein Glas Wein stürzte er hastig und gierig hinunter, um das Gefühl des El«nds und der Schwäche, das überwältigend in ihm emporstieg, zu besiegen. Immer unerträglicher däuchte ihm dieses schreckliche Allein sein. Ein« fiebernde Angst folterte ihn. -Unablässig schritt er auf dem weichen Teppich auf und ab. Ihm war, als müsse er irgend etwas thun und unternehmen, um die erdrückende Last von seiner Brust abzuwälzen, als müsse er wahnsinnig wertden durch den grellen Strahl der Erkenntniß, der durch des Hofraths Worte in ihm geweckt worden. „Ich weiß, daß Senzi mit Ihnen geht, aber ebenso sicher ist es, daß sie daran zu Grunde geht", so hatte der Hofrath gesagt, und diese Worte, deren Wahrheit Martin nur zu tief empfand, brannten in seiner Seel« wie ein tödtliches Gift. Vorbei war es mit seinem Trotze auf sein g-utes Recht. Um diesen Preis war es zu theuer bezahlt. Jeder Rest von Hoffnung und Illusion schrumpfte kläglich zusammen, und er sah nur noch die rauhe, öde, trostlose Wirklichkeit. „Der Hofrath hat Recht, um meinetwillen wird Senzi's Leben zerstört und vernichtet; ich bin es, der sie elend und un glücklich macht", sagte er verzweiflungsvoll vor sich hin. „Wie verblendet war ich, zu hoffen, daß die Bande, die uns verbunden, stärker sind, als die Liebe, die sie zu Jenem zieht. Damals opferte sie sich für ihn; heute opfert sie sich vielleicht um meinetwillen, aus Mitleid unv Pflichtgefühl. Aber schon dieser Gedanke ist unerträglich! Doch noch ist es Zeit, noch kann ich gut machen, was ich schuldlos verschuldet, und ich will eS, so wahr mir Gott helfe. Es bleibt kein anderer Weg al» eine Scheidung. Ich kann mein Leben nicht freiwillig enden. Sie sagen, Selbstmord sei Feigheit, und doch fände ich nicht den Muth zu solcher Feigheit. Und dann, es würde auch für immer zum Stachel für sie werden. Nein, nein, das thu-e ich ihr nicht an, das wäre keine Wohltha-t, sonoern eine Rache. Gott wird barmherzig sein und mich auch so bald erlösen." Erschöpft sank er in «inen Stuhl. Ihn fröstelte und ein Fieberschauer schüttelte ihn. Er trank «in zweites Glas Wein, und die Wärme, die ihn darnach durchströmte, belebte ihn wieder. Plötzlich fiel ihm ein, daß Senzi katholisch war, und daß eine Scheidung von ihm ihr doch keine neue Heirath erlaubte. Das erschreckte ihn aufs Neue; doch «r hatte schon öfters von be sonderem Dispens gehört, das würde hier sicher auch gehen. Die Umstände befürworteten die», und dann — sie war ja jetzt die Tochter des Hofraths, und mit Geld war Vieles zu er reichen. Ja, so ging cs: morgen früh wollt« er weiter gehen. Irgend wo würde er schon ein Plätzchen finden. Er wollte sich keiner Arbeit schämen, und sein tägliches Brod konnte er schon noch verdienen. Aber Senzi sollte es nun auch gleich erfahren. Keine Minute länger wollte er sie in Kummer und Zweifel lassen. Ein einziges Mal noch wollte er in ihr geliebtes Antlitz sehen, er wollte ihr zeigen, daß er stark und fest, ohne Groll und als Freund von ihr scheide, und ihr künftiger Glück sollte die Belohnung für seine Entsagung sein. Es litt ihn nicht mehr im Zimmer. Mit unwiderstehlicher Gewalt zog eS ihn hinaus, um Senzi zu suchen. Er dachte nicht mehr an die Anderen und an das Peinliche, daS sein Erscheinen möglicher Weise Hervorrufen konnte. Nur hin zu ihr, sie erlösen von ihrer Qual, um jeden Preis. Dort war die Thür, durch die er vorhin bei Senzi eingetreten; vielleicht war sie noch da; er wollte eS versuchen. Lauschend blieb er stehen. Ihm war es, al» hör« er ihre Stimm«, abgebrochen, flüsternd, fremd und doch vertraut. Leise öffnet« «r die Thür. Hinter d«n schweren, mit Seide gefütterten PlüschportiSren blieb er strhen, und srin Aug« sog sich fest an dem Bild«, da» sich ihm bot.
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