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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.04.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990410024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899041002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899041002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-04
- Tag1899-04-10
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28Ü2 7) die Revision der in der Brüsseler Konferenz 1874 aus gearbeiteten und bis heute nicht ratificirten Erklärung, be treffend die Gesetze und Gepflogenheiten im Kriege; 8) die principielle Annahme der Verwendung von guten Diensten zum Zwecke der Vermittelung, sowie eines sacultativen Schiedsgerichtes in den hierfür geeigneten Fällen, um bewaffneten Conflicten unter den Nationen vorzubeugen; eine Verständigung über die Art ihrer Verwendung und die Feststellung einer gleichförmige» Praxis für ihre Anwendung. Zu der Abrüstungskonferenz sind sämmtliche europäische Mächte, mit Ausnahme Bulgariens, des Vatikans und Monacos, eingeladen; von außereuropäischen Mächten, wie schon erwähnt, die Vereinigten Staaten, Persien, Siam, China und Japan. Die Conferenz tritt am 18. Mai zusammen. Durch Fortführung energischer maritimer Rnstuugc» setzt Rußland Alles daran, seine Po-siition im Großen Ocean unter allen Umständen zu befestigen. Das gegenwärtige zum Neubau von Schiffen bestimmte Flottenbugdet Rußlands be ziffert sich auf 200 Millionen Francs. Die Neubauten betreffen hauptsächlich die Schwarze-Meer-Flotte und das ostasiatiscbe Ge schwader. Die Freiwillige Flotte des Schwarzen Meeres, deren Schiffe ohne jeden Verzug in Hilfskreuzer umgewanocl! werden können, war von jeher schon ziemlich zahlreich, jedoch wird dieselbe im Verlaufe eines Jahres auf 24 Schiffe ge bracht werden, und nach einem weiteren Jahre soll sie sich auf 50 Fahrzeuge belaufen, deren Mehrzahl aus Schiffen von 10 000 Tonnen bestehl. Für den ferneren Osten baui Rußland eine achtunggebietende Flotte von Panzerkreuzern und geschützten Kreuzern, welche den Kriegshafen Port Arthur zur Flottenstation haben. Einige der vor bezeichneten Schiffe sind bereits vom Stapel gelassen, und zwar die „Oßlablia" und der „Pereswjet", welche auf der Newa gebaut wurden, andere werden ihnen ohne Verzug folgen. Der Haupttypus der Kreuzer ist folgender: Sie haben eine Länge von 130—145 m, eine Panzcrstärke von 25 cm in der Mitte und 15 cm an Den Enden, Panzerdecks von 5—7 cm Stärke und führen an artilleristischer Aus rüstung 4 schwere Geschütze von 25 cm in geschlossenen Panzerthürmen, 8 Geschütze von 15 cm in gepanzerten Kasematten, 6 Geschütze von 10 cm in Barbette-Thürmcn und mehrere leichte Geschütze. Ihre Ausrüstung besteht aus Ü Torpedorohren, ihre Geschwindigkeit bei natürlichem Zuge 20 Knoten. Diesem Typus entspricht beispielsweise der Panzerkreuzer „Rossia", der im Jahre 1896 vom Stapel ge laufen ist, 12 200 Tonnen Deplacement hat, Maschinen von 16 000 Pferdekräften und eine Geschwindigkeit von 19 See meilen. Die geschützten Kreuzer, die nur ein inneres Panzerdeck führen, zeichnen sich durch einen sehr großen Aktionsradius und eine sehr große Fahrgeschwindigkeit aus; sie find vermöge dessen befähigt, sich in einer Fahri direkt von den europäischen Häfen Rußlands nach Ostasien zu be geben, ohne nöthig zu haben, unterwegs Kohlen zu nehmen. Betrachtet man alle Maßnahmen Rußlands in ihrer Ge- sammtheit, so gewinnt man die Ueberzeugung, daß das Zaren reich danach strebt, eine Seemacht ersten Ranges zu werden, die in keiner Weise den Flottenstreitkräften irgend eines anderen Staates, ausgenommen Englands, nachsteht. Deutsches Reich. U Berlin, 9. April. Die wichtige Meldung der „Berl. Pol. Nachr." über den Plan einer völligen Neugestal- tung des Strafprocesses lautet vollständig: Nachdem in der Reichstagskagung von 1895/97 die sogenannte Justiz novelle, wegen deren die Tagung über zwei Jahre hingezogen wurde, hauptsächlich in Folge der Meinungsdifferenzen über die Besetzung der Strafkammern der Landgerichte gescheitert war, traben die verbündeten Regierungen sich bekanntlich inzwischen be- iniüht, einige der darin behandelten Materien einzeln zur legis latorischen Erledigung zu bringen. Mit der Entschädigung un schuldig Verurtheilter ist dies bereits in der vorigen Tagung gelungen, die Ersetzung des Voreides durch den Nacheio ist Gegen stand eines dem jetzigen Reichstage vorliegenden Entwurfs, und nach den bisherigen Berathungen ist die Hoffnung vorhanden, daß auch dieser Entwurf wird unter Dach und Fach gebracht werden können. Obwohl also verschiedene Einzelheiten der früheren Justiznovelle auch auf einem anderen Wege zur Er ledigung gebracht sind oder gebracht werden dürften, sind die verbündeten Regierungen nach wie vor von der Reform - bedürftigkeit der Strafproceßordnung über zeugt. Wenn von ihnen dem Reichstage in der gegenwärtigen Tagung keine Vorlage dieser Art gemacht ist, so erklärt sich dies nach jetzt bekannt werdenden Aussagen des Staatssekretärs des Reichsjustizamtes schon daraus, daß cs während des letzten Jahres ausgeschlossen gewesen ist, die mit den umfangreichen Arbeiten zur Durchführung der Ciwilrechtsrefor-m belasteten Justizverwaltungen der Bundesstaaten auch noch mit straf- processualischen Reformfragen zu befassen. Ohnehin kann auch nicht daran gedacht werden, in diesem, dem nächsten und viel leicht auch noch dem übernächsten Jahre ein« Strafproceßordnung praktisch zur Durchführung zu bringen; denn eine solche Reform würde mancherlei Organisationsänderungen mit sich bringen, mit welchen man in der jetzigen Uebergangszeit von dem alten zu dem neuen bürgerlichen Rechte dir Thätigkeit der Gerichte nicht stören darf. Die Regierung wird es nicht als unnütz ansehen, inzwischen zu erwägen, ob man an die Gesctzesrevision nicht von cnderem Gesichtspunkt» aus, vielleicht im Wege einer völligen Neugestaltung des Strafprocesses, herantreten sollte, um sicherer zu dem ersehnten Ziele zu ge langen. 6. 8. Berliu, 9. April. Der Commandant des Kreuzers „Falke". Die letzten Depeschen aus London über das mehr wie merkwürdige Verhalten des amerikanischen Admirals Kautz gegen den Commandanten des kleinen Kreuzers, Corvettencapitän Schoen selb er (Victor) haben natürlich hier «ine gewisse Erregung hervorgerufen. Zunächst kann wohl als feststehend angenommen werden, daß Herr Schoen- felder, der als ein ruhiger und energischer Mann gilt, das deutsche Interesse nach jeder Richtung hin gewahrt und die deutsche Flagge vor Beleidigungen geschützt hat. Da der Name des Capitäns Schoenfetder noch viel genannt werden dürfte, so sind die Personalien desselben vielleicht willkommen. Er ist am 19. December 1877 Unterleutnant geworden, war als solcher be reits auf der australischen Station, und zwar auf dem Kanonenboot „Habicht", zum Leutnant zur See wurde er am 17. Januar 1882 befördert, war als solcher bei der Torpcdo- versuchsdivision, dann Matrosendivision beschäftigt, dann wurde er als ältester Leutnant auf die damalige Kreuzerfregatte „Bis marck" commandirt, die zum Kreuzergeschwader gehörte, das der Contreadmiral Knorr befehligte, hierauf wurde Leutnant Schoenfelder (Victor) Adjutant der II. Werftdioision, dann, nachdem er am 20. April 1889 zum Eapitänlcutnant befördert war, Lehrer bei der Seeofficierschule, dann finden wir ihn auf der Kreuzerfrcgatte „Leipzig" (Flaggschiff des Kreuzer geschwaders unter Contreadmiral v. Pawelsz), hierauf wird er Führer der 1. und 3. Compagnie der II. Matrosendivision, sodann ist er erster Officier auf dem Kreuzer II. Classe „Prinzeß Wilhelm" (Wachtschiff in Wilhelmshaven), er wird weiter Lehrer an der Marineschule; am 11. November 1895 avancirt er zum Corvettencapitän; er hat also ein sehr ab- wechsclungsreiches Marineleben schon hinter sich, überall hat er sich bewährt; im klebrigen dürfte der andere Kreuzer „Cormorau" auch in allernächster Zeit vor Apia eintreffen; da der Commandant desselben, Corvettencapitän Emsmann, ein um zwei Monate jüngeres Patent als Schoen selber hat, so fällt dem Letzteren das Obercommando über die beiden Kreuzer zu. * Berlin, 9. April. Die vom „Marine-Berordnungs- Blatt" veröffentlichte, an den Reichskanzler gerichtete kaiserliche Verordnung über dicEhrengerichteder Officiercin der kaiserlichen Marine lautet: Im Verfolg meiner Ordre vom 14. März dieses Jahres bestimme ich hierdurch: 1) In Abänderung meiner Ordre vom 26. Juli 1895 ist in allen Fällen, in denen über die Zuständigkeit oder über die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Behandlung der ehrengerichtlichen Angelegenheiten Zweifel entstehen, unmittelbar meine Ent scheidung einzuholen. 2) Die von mir unter dem 1. Januar 1897 erlassenen Bestimmungen zur Vorbeugung von Zwei kämpfen und meine unter dem 26. Juli 1895 erlassene Ver ordnung über die Ehrengerichte der Officiere meiner Marine sind, wie in der Anlage geschehen, abzuändern. — Sie haben hiernach die weitere Bekanntmachung an die Marine zu veranlassen. An Bord meines Linienschiffes „Kurfürst Friedrich Wilhelm", Kiel, den 20. März 1899. Wilhelm. In der vorerwähnten Ordre vom 26. Juli 1895 heißt cs: Den Officicren meiner Marine sollen die von meinem in Gott ruhenden Herrn Großvater ausgesprochenen ernsten rind bedeutungsvollen Worte, welche für alle Zeiten für die Standespflichten der Officiere maßgebend sein müssen, in unveränderter Form erhalten bleiben. — Ich will, daß Zweikämpfen meiner Officiere mehr als bisher vorgebeugt wird. Der Officier muß es als Unrecht erkennen, die Ehre eines Anderen anzutasten. Die Ordre vom 2. November 1875 lautet: Ich will, daß die heute von mir vollzogene Verordnung über die Ehrengerichte der Officiere in meiner Marine in dem Geiste verstanden und angewendet wird, der meine Marine seit ihrem Bestehen ausgezeichnet hat. Ich erwarte daher von dem gesammten Officiercorps meiner Marine, daß ihm, wie bisher, so auch in Zukunft die Ehre das höchste Kleinod sein wird; dieselbe rein und fleckenlos zu erhalten, muß die heiligste Pflicht des ganzen Standes wie des Einzelnen bleiben. Die Erfüllung dieser Pflicht schließt die gewissenhafte und vollständige Erfüllung aller anderen Pflichten des Officiers in sich. Wahre Ehre kann ohne Treue bis in den Tod, ohne unerschütterlichen Muth, feste Entschlossenheit, selbstverleugnenden Gehorsam, lautere Wahrhaftigkeit, strenge Verschwiegenheit, wie ohne auf opfernde Erfüllung selbst der anscheinend kleinsten Pflichten nicht bestehen. Sie verlangt, daß auch in dem äußeren Leben des Officiers sich die Würde ausdrücke, die aus dem Bewußtsein heroorgcht, dem Stande anzugehören, dem die Vertheidigung von Thron und Vaterland anvertraut ist. Der Officier soll bestrebt sein, nur diejenigen Kreise für seinen Umgang zu wählen, in denen gute Sitte herrschend ist, und darf am wenigsten an öffentlichen Orten aus dem Auge lassen, daß er nicht blos als gebildeter Mann, sondern auch als Träger der Ehre und der gesteigerten Pflichten seines Standes auftritt. Von allen Handlungen, welche dem Ruf des Einzelnen oder der Genossenschaft nachtheilig werden können, besonders von allen Ausschweifungen, Trunk und Hazardspiel, von der Uebernahme solcher Ver pflichtungen, mit denen auch nur der Schein unredlichen Be nehmens verbunden sein könnte, vom hazardmäßigen Börsen spiel, von der Theilnahme an Erwerbsgesellschaften, deren Zweck nicht unantastbar und deren Ruf nicht tadellos ist, sowie überhaupt von jedem Streben nach Gewinn auf einem Wege, dessen Lauterkeit nicht klar erkennbar ist, muß der Officier sich weitab halten. Sein Ehrenwort darf er nicht leichtsinnig verpfänden. Je mehr anderwärts Luxus und Wohlbehagen um sich greifen, um so ernster tritt an den Officierstand die Pflicht heran, nicht zu vergessen, daß es nicht materielle Güter sind, welche ihm die hochgeehrte Stellung im Staate und in der Gesellschaft erworben haben und erhalten werden. Nicht nur, daß die kriegerische Tüchtigkeit des Officiers durch eine verweichlichende Lebensweise beeinflußt werden könnte, sondern völlige Er schütterung des Grundes und Bodens, worauf der Officier stand steht, ist die Gefahr, welche das Streben nach Gewinn und Wohlleben mit sich bringen würde u. s. w. — Abt Willibrord Bengler von Maria-Laach ist in Berlin eingetrofsen, um dem Kaiser persönlich für das Geschenk des Hochaltars in der Abteikirche Maria-Laach zu danken; ferner ist in Berlin eingetroffen der Obere des katholischen deutschen Hospizes in Jerusalem, Pater Schmidt. — Frhr. o. Heyking, der wegen seiner Gesundheit den Pekinger Posten aufgegeben hat, ist ein geborener Livländer, studirte 1870 bis 1873 in Dorpat uno trat als Beamter ins Ministerium für Reichsdomänen in Petersburg. Er wurde dann Redacteur einiger baltischer Blätter, wanderte aber, da er die Erfolglosigkeit seiner Bemühungen einsah, nach Deutschland aus uno wurde 1880 im Auswärtigen Amte angestellt. Dort blieb er bis 1885, ging dann zunächst als deutscher Consul nach New Dort, dann nach Valparaiso, nach Kalkutta und 1894 als Generalconsul nach Kairo. Im Mai 1896 erfolgte seine Er nennung zum Gesandten in Peking. — Freiherr v. Hammer st ein, der ehemalige Chef redakteur der „Krcuzzeitung", wird am 26. Juni d. I. aus dem Zuchthaus Moabit entlassen werden. Das gegen ihn am 22. April 1896 gefällte Urtheil, lautend auf drei Jahre Zucht haus, 1500 Geldstrafe oder noch 100 Tage Zuchthaus und fünf Jahre Ehrverlust, wurde erst am 26. Juni 1896 rechts kräftig, da an diesem Tage die Revision vom Reichsgericht ver worfen wurde. Um dem Freiherrn v. Hammerstein die Ver büßung von noch 100 Tagen Zuchthaus zu ersparen, ist von Freunden seiner Familie die Summe von 1500 aufgebracht worven. Es ist noch fraglich, ob Freiherr o. Hammerstein nach der Strafverbüßung bei seiner Familie in Friedenau verbleiben oder nach dem Auslande gehen wird. — Die Sitzung des pharmaceutischen Aus schusses der Commission zur Bearbeitung des Arznei buches für das deutsche Reich ist auf Montag, den 17., und Dienstag, den 18. d. M., verschoben worden. — Die Gründe für die Anordnung des preußischen Cultus- ministers, daß auch im Posener wie im Bromberger Bezirke nur hauptamtliche Kreisschulinspectionen ein gerichtet werden sollen, liegen auf nationalpolitischem Gebiete. Gerade in den gemischtsprachigen Distrikten verlangt dieses Amt «ine volle Arbeitskraft. Im Regierungsbezirk Posen gab es im Jahre 1898 ständige Kreisschulinspectionen 29, dagegen 28 im Nebenamte verwaltete Kreisschulinspectionen, von denen zwei un besetzt waren. Im Bromberger Bezirke gab es 15 ständige und 21 nebenamtliche Kreisschulinspectionen. Es würden also 49 neue hauptamtliche Kreisschulinspectionen geschaffen werden. — Eine interessante Reminiscenz gräbt das Organ des Deutschen Buchdruckerverbandes aus. Gelegentlich des Streites in der socialdemokratischen Partei über die Aufnahme der Dresdner Zuchthausstrafen unter die officielle Rubrik „Unterm neuestenCurs" erinnert es daran, daß seiner Zeit ein Herr Gasch, der wegen verleumderischer Beleidigung des Verbands vorsitzenden zu einem Monate Gefängniß verurtheilt worden war, ebenfalls „Unterm neuesten Curs" ausgeführt wurde! — Das spricht ja Bände über das Verhältniß der socialdemokratischen Partei zum Buchdruckerverband! — bemerkt dazu die „Hilfe". — Dem zum Vortragenden Rath im Auswärtigen Amt ernannten bisherigen Generalconjul in Capsiadt Wirkt. Leg.-Rath v.Sckiuckmann ist der Rothe Adlerorden dritter Classe mit Schleife und Schwertern am Ringe verliehen worden. * Pose», 9. April. Der 22. deutsche Fleischer- Derbandstag findet am 20. und 21. Juni hier statt. * Braunschweig, 9. April. Die hiesigen Maurer be schlossen, in eine Lohnbewegung einzutreten, wenn ihre Forderung eines Stundenlohnes von 45 H abgelehnt würde. Die Maurer meister lehnten die Forderung ab. Es scheint sich um eine all gemeine Lohnbewegung der Maurer im ganzen Herzogthum zu handeln, denn auch aus den übrigen Städten des Herzogthums kommen Meldungen über erhöhte Lohnforderungen. Die Ver hältnisse im Baugewerbe lassen es wenig wahrscheinlich er scheinen, daß die Maurer ihre Forderungen durchsetzen werden. Im vorigen Jahre sind dieselben Versuche fehlgeschlagen. * Bochum, 9. April. Neben dem svcialdemokratischcn und dem ultramontanen Bergarbeiterverband soll jetzt hier auch noch einevangelischerBergarbeiterverband gegründet werden. Zu dem Zwecke ist eine Versammlung auf den 7. Mai einberufen worden. In dem Aufruf zur Gründung dieses neuen Verbandes heißt eS: „Zwei Bergarbeiter-Verbände sind vor handen; aber es giebt Bergleute genug, die sich aus principiellen und Gewissensgründcn keinem von beiden anschließen können. Der eine Verband vertritt vorzugsweise socialdemokratische Ten denzen, der andere steht im Verdachte ultramontaner Propa ganda; in beiden Verbänden können sich daher solche Bergleute, die evangelisch und national gerichtet sind, niemals wohlfühlen... Eine Organisation, der nicht von vornherein das Odium an haftet, als stehe sie im Dienste entweder der Socialdemokratie oder des Ultramontanismus, würde auch bei den Arbeitgebern eher etwas erreichen, als irgend eine andere, die sich stets und unter allen Umständen in Kampfesstellung befindet und darum natur gemäß fast immer principiellen Widerstand finden muß." * Biersen, 9. April. Die hiesige ultramontane Zeitung „Deutsche Volksblätter" theilt mit, daß wegen der Enthebung des katholischen Pfarrers Richen von dem Amte als Localschul- inspector wegen seiner Verunglimpfung des Fürsten Bismarck „an compctenter Stelle Einsprucherhoben und die Sache energisch weiter verfolgt werden" solle. Zugleich behaupten andere niedcrrheinische ultramontane Blätter, wegen des „Falles Richen" werde das Centrum eine Interpellation im Abgeordneten Hause einbringen. An der gebührenden Antwort wird es im Abgeordnetenhaus« nicht fehlen. * «otha, 9. April. Die großherzoglich hessische Familie ist nach Darmstadt zurückgereist. — Die Heber - siedelung des herzoglichen Hofes nach Coburg wird in den nächsten Tagen stattfinden. (D) Reichenbach i. Schl., 10. April. (Telegramm.) Der Weberausstand nimmt einen immer größeren Umfang an. Auch in den Fabriken von Hein, Fleischer und Roth traten die Weber ohne Einhaltung der Kündigungsfrist in den Ausstand ein. Die Ausständigen fordern eine zehnstündige Arbeitszeit, ein« Lohnerhöhung um 10 Procent und die Berechnung der Löhne nach Metern, nicht nach Werthstücken. Um den Arbeitswilligen rntgegenzukommen, beschlossen die Fabrikanten, den Betrieb in den Fabriken erst dann einzustellen, wenn weniger als ein Viertel der Arbeiter zur Arbeit erscheint. Oesterreich-Ungarn. Zur Los von Rom-Bewegung schreibt daS „Neue Sachs. Kirchenblatt", Leipzig', dem wir vollkommen zustimmen, in seiner neuesten Nummer 14 Folgendes: Die Klerikalen wenden nach wie vor alle Mittel gegen die Bewegung an. Die „Neuen Tiroler Stimmen" reden den evan- gelischen Pfarrern ins „christliche Gewissen", solche Uebertritte doch nicht anzunehmen. So haben diese Kreise also jetzt nicht nur ihr deutsches Herz, sonder» auch das christliche Gewissen der Protestanten ent deckt, dos sie doch sonst so schmählich leugnen. Aber das hindert nicht, daß dasselbe katholische Blatt die ernste kirchliche Feier des Uebcrtrittcs als „Kneipulk" bezeichnet. Gegen solche Bubenfrechheit müssen die österreichischen, zunächst in diesem Falle die Innsbrucker Protestanten die Gerichte anrufen, nicht nur um sich Respect zu verschaffen, sondern vor Allem, um den Staat wirk- sam an seine Eckmtzpslicht gegen seine evangelischen Unterthanen zu erinnern. — Denn das wird immer nothwendiger gegenüber den ultramontanen Versuchen, die rein kirchliche Förderung der rein kirchlichen Seite der Los von Rom-Bewegung als Unter stützung politischer, antidynastischer oder hochverräthe- rischer Umtriebe zu brandmarken. Wir Protestanten haben so gut wie die Katholiken das Recht, Uebertretende aufzunehmen, andere für den Ucbertritt zu gewinnen, Unkundige zu belehren. Schwankende zu ermuntern, überhaupt unsere gute evangelische Cache in Wort und Schrift frei und ungehindert vor Jedermann zu vertreten, selbstverständlich auch vor Andersgläubigen. Dabei sind uns politische Beweggründe für den Uebrrtritt natürlich auch minder erwünscht, als rein religiöse, wir dringen auf religiöse Vertiefung, betheiligen uns selbst in keiner Weise an der Politik und treten ihr, wo sie in der That, und nicht blos in den feind seligen Vorstellungen ultramontaner Gegner unsittliche Ziele ver folgen sollte, direct entgegen. Aber uns zuzumuthen, daß wir eine Uebertrittsbewegung blos deshalb pflichtschuldigst ablehnen sollten, weil da auch politische Motive mitspielen, richtiger mitgespielt haben, ist einfach lächerlich. So etwas fällt im umgekehrten Falle keinem katholischen Bischof oder Priester ein. Mindestens neun Zehntel aller Conversionen zum Katholicismus sind aus politischen Beweggründen erfolgt, aus Angst oder aus Liebedienerei vor der politischen Gewalt in der Gegenreformation, aus klerikal- conservativer Angst vor der Revolution nach bekanntem roman- tischen Recepte im XIX. Jahrhundert. Die katholische Kirche hat sie alle mit offenen Armen ausgenommen, die Rochow, Anger, Prinz Schönburg und wie sie alle heißen. Und wo traten sie zumeist über? — In Oesterreich! Wo wurden sie schleunigst untergebracht, damit ja kein Wort aus dem Kreise ihrer Angehörigen, aus dem Munde ihrer Kirche die Wankenden zurückrufen konnte? — In österreichischen Jesuitenklöstern I Und die österreichische Regierung, was that sie bei alledem? Hat sie etwa den Seelenfängern ihre Opfer entrissen? Die Brutnester per Proselytenmacherei durchsucht?, Hat sie der systematischen Umgehung sächsischer Landesgesetze endlich ein Ziel gesetzt, indem sie die von sächsischer Seite wiederholt und dringend erbetene Erschwerung des Uebcrtrittcs entsprechend Len sächsischen Bestimmungen endlich eintreten ließ? Ist ihr gar nicht eingefallen! Da ist es doch wahrhaftig eine Naivetät sondergleichen, von deutschen Regierungen zu verlangen, daß sie die Uebertritte in Oesterreich durch Chicanirung ihrer reicksdeutschen Freunde erschweren Helsen sollen! Wir haben in Deutschland leider Manches für möglich halten gelernt, was früher unmöglich schien, aber Das hallen wir denn doch nicht für möglich. Wenn es doch geschähe, so müßte dir öffentliche Meinung vor Allem auch die in der Tages presse durch rinmüthiges Zeugniß die betr. Regierung belehren, daß sie sich in eklatanten Widerspruch zn Lein Rechtsbewußtsein des Volkes gesetzt hat. Wir glauben wirklich nicht, daß es dahin kommt. Aber von Oesterreich aus wird in diesem Sinne gehetzt, wie eine direkte klerikale Aufforderung an die österreichische Regierung zu diplomatischen Schritten beim deutschen Reiche beweist, — die von der «dein „Germania" schleunigst abgedruckt wird (und von uns bereits gewürdigt wurde. Red. des „L. T."). Dieser österreichischen Zumuthung gegenüber halten wir eS für dringend Wünschenswerth, daß daS Vorstehende so oder anders möglichst allseitig in der Presse ausgesprochen wird. Orient» Parteikämpfe in Rumänien. * Bukarest, 9. April. Eine von etwa 10 000, auch aus der Provinz gekommenen Theilnehmern besuchte öffentliche Ver sammlung der nationalliberalen Partei, die unter dem Vorsitze des Kammerpräsidenten Gianni abgehalten Auf einem Sessel saß Bernhard und auf einem Schemel vor ihm kniete Senzi. Ihr Kopf lehnte an seiner Brust, und ihr zartes, süßes Gesicht sah erschreckend verweint und verstört aus. Bernhard sprach eifrig und überredend auf sie ein, ohne doch ven Ausdruck trostloser Niedergeschlagenheit in ihren Zügen dannen zu können. „Das kann, das darf nicht sein", sagte er eben leidenschaftlich, während er sie an sich preßte, als wolle er sie nicht blos gegen Andere, sondern auch gegen ihren eigenen Willen vertheidigen. „Du bist mein, ich lasse Dich nicht mehr, und wenn auch di« ganze Welt Einspruch evhöbe. Auch wir haben Rechte, und es ist unsere Pflicht, dieselben zu vertheidigen, denn die Aufgabe der selben wäre die entsetzlichste Selbstvcrnichtung. Niemand kann Dich zwingen, zu ihm zurückzukehren; alle Welt wird eine Schei dung unter diesen Umständen natürlich und selbstverständlich finden, und selbst das Gesetz wird auf unserer Seite sein." „Aber das Recht ist auf der seinen", sagte Senzi traurig, aber fest. „Wie könnte ich jemals froh und glücklich sein mit dem Gedanken, daß ich den Armen zurückgestoßen, ihn in Noth und Elend sich selbst überlassen habe. O, sage nichts mehr, führe mich nicht immer wieder in Versuchung; ich kann, ich darf nicht anders handeln. Es muß sein, wir müssen uns trennen, und wenn mir das Herz darüber bricht." „Und an mich denkst Du gar nicht", erwiderte Bernhard bitter, „was aus mir wird, kommt nicht in Betracht." Ein Ausdruck so herber Qual prägte sich auf ihrem Antlitz aus, daß er verstummte und ihr Köpfchen beschwichtigend an sich zog. Trotz gegen das Geschick und heißes Mitleid mit ihrer weichen Seele kämpften in ihm. Aber den Gedanken, sie jetzt auf- Ggeben, konnte er nicht fassen; noch einmal jene schrecklichen Jahre voll Verzweiflung und bitterem Ueberdruß durchleben, die er schon einmal gekostet, dünkte ihm schlimmer als der Tod. In finsteres Nachdenken versunken sah er auf sie nieder. Er wußl», daß all«s Glück zu Ende war, so oder so, denn ihr starkes Rechtsgefühl würde sie nie zur Ruhe kommen lassen, selbst »enn «r fü doch noch überreden konnte, an ihm festzuhalten. Ueberdies hofft« er nicht mehr auf diesen Erfolg. Es lag ein so seltsam fester, bestimmter Ausdruck um ihren Mund, den er nie zuvor an ihr bemerkt. Er hatte eben immer nur die Glückliche, oder sanft Traurige gesehen; jene arme, unglückliche, verlassene Senzi, die in herbster, innerer und äußerer Noth mit ihrem Schicksal kämpfte, hatte «r nie gekannt. Was die letzten Jahre, was das Glück in ihrem Antlitz verwischt, das war plötzlich wieder da, das unverkennbare Gepräge von Energie und Willenskraft. Diese Senzi würde nicht gegen ihre Ueberzeugung, gegen die un trügbare Stimme ihres Pflichtgefühls handeln; nur eins konnte er vielleicht von ihr erreichen, und er war entschlossen, es zu ver suchen. „Senzi", sagte er, ihr Antlitz zu sich emporziehend und ihr tief in die traurigen Augen sehend. „Senzi, eins giebt es, um vereint zu bleiben. Wenn wir nicht zusammen leben können, so können wir doch zusammen sterben. Ich kann, ich will nicht mehr leben ohne Dich. Wenn eine Schuld darin liegt, so wird sie ge mildert durch den Tod. Wenn ich Dich lassen muß, so tödte ich mich, aber wenn Du mich liebst, so wirst Du mit mir gehen." Heiß und innig, in flehender,berückender Leidenschaft, aber mit dem Ausdruck eines festen Entschlusses flüsterte er ihr diese Worte zu, und sein Blick hing in zwingender Macht an dem ihren, als wolle er ihr damit Kraft und Muth verleihen, um den dunklen Weg mit ihm zu beschreiten. Wir gebannt hielt ihr Auge diesen Blick aus. All' die un endlich« Liebe, die sie für diesen Mann empfand, wallte über in ihrem Herzen, betäubte die Stimmen von Pflicht und Recht und bethätigte sich in einem Gefühle fast glücklicher Erlösung. Sterben mit ihm! In diesem Augenblick schien es ihr wie eine unverdiente Gnade, wi« der einzig richtige, der einzig mögliche Ausweg aus dieser unerträglichen Lebensnoth. Er sah daS Ausathmen der Erleichterung, den Strahl des Glückes in dem schönen Antlitz dämmern, und auch ihn üb«rkam es dabei wie ein Rausch der Befriedigung, wie ein Triumphgefühl über die Gewißheit, ihr hartes Schicksal dadurch zu besiegen. Und di«» Alle» sah und hört» der Mann, der mit stockendem Athem und unerträglich schmerzendem Herzen lautlos hinter der Portier« stand und das geliebte Weib die Aussicht auf den Tod mit einem Lächeln begrüßen sah als wllnschenswerthen Tausch gegen das Leben an seiner Seite. Er hatte genug gehört. Jetzt durfte Senzi ihn nicht sehen. Sie sollte nie erfahren, daß er sie belauscht. Behutsam, den Athem anhaltend, schlich er hinaus. Eine wahnsinnige Erregung trieb ihm das Blut in siedenden Wellen zu Kopf und Herzen. Er mutzte den Hofrath aufsuchen, ihm sagen, was er gehört, damit dieser im Stande war, das Ungeheure zu verhindern. Vielleicht war er inzwischen zurückgekommen, er wollte auf seinem Zimmer nachsehen. Es wür seltsam; Alles war hell erleuchtet wie zuvor, und doch schien es ihm trübe und düster. Nur vereinzelt schoß es wie bunt flimmernde Strahlen vor seinen Augen umher. Das Zimmer des Hofraths war leer, der alte Herr war noch nicht zurückgekehrt. Taumelnd, wie ein Trunkener, ging Martin zurück. Jetzt kam auch der Diener über den Corridor. Bestürzt sah er in das unheimlich fahle, entstellte Antlitz Martin's. »Fehlt Ihnen etwas?" fragte er, doch Martin schüttelte den Kopf. „Nichts, mir fehlt nichts", sagte er heiser, „aber ich muß den Hofrath sprechen, gleich, sofort." „Ich werde es sofort bestellen." Eilig lief der Diener davon, der Mann war ihm wirklich unheimlich. Wie ein Nachtwandler schritt Martin ihm nach, die Treppe hinab, aber er erreichte den Flur nicht mehr. Es wurde plötzlich ganz finster vor seinen Augen, wie ein Messer durchfuhr es seine Brust. Er rang nach «Luft, aber der Ath«m versagte ihm und mit einem dumpfen Laut stürzte er den Rest der Stufen hinunter. Gleich darauf kam der Hofrath aus dem Salon. Er eilte auf Martin zu, den er mit Hilfe des Dieners emporrichtete. Er suchte nach seinem Puls, fühlte nach seinem Herzen, sah in die gebrochenen Augen, um dann tief erschüttert Lei Seit« zu treten. Hi«r gab e» nichts zu thun; ein Herzschlag hatte das Leben de» unglücklichen Mannes beendet. * rfe »je Wieder waren sechs Monate vergangen. Gerade ein Jahr war es her, daß Bernhard und Senzi sich in Lausanne gefunden hatten, und wie damals, war es ein herrlicher, blüthenduftiger Sommertag. Im Hause des Hofraths war nun doch Hochzeit gefeiert worden, freilich aus doppelten Gründen eine sehr stille Hochzeit. Und doch leuchtete ein echtes Glück aus den Augen der Neuvermählten, und auch der Hosrath sah es mit tiefer Be friedigung. Nach jenem aufregenden, inhaltsreichen Abend war Senzi wochenlang leidend gewesen. Trotzdem sie nie erfahren, daß Martin Zeuge ihres verzweifelten Entschlusses geworden, ward sie doch von heftigen Zweifeln bedrückt. Sie empfand aufrichtige Trauer und tiefes Mitleid mit dem Todten, und doch fiel es ihr dabei schwer, das Gefühl der Erleichterung und einer neuen Lebenssreudigkrit zu unterdrücken. Dies beunruhigte sie, obschon sie sich sagen mußte, daß das Schicksal gnädig die beste Lösung gegeben. Sie betrachtete den herben Zwischenfall als eine Prüfung und war dem Himmel dankbar, daß sie mit freiem, reinem Herzen ihr neu geschenktes Glück genießen konnte. Clärchen fehlte heute. Sie war inzwischen Wittwe geworden und mit ihren Kindern für einige Zeit nach M. gereist. Der Hofrath wollte di« Villa verkaufen und in Gens bei Senzi uns Bernhard wohnen, um seinen Lebensabend nicht einsam zu ver bringen. Schon in vierzehn Tagen sollte die Ilebersiedelung stattfinden. Eben fuhr der Wagen vor, der sie zur Bahn brachte. Ab schiednehmend stand Senzi inmitten ihres Zimmers, mit weh- müthigcm Blick die ihr liebgewordene Umgebung musternd. Viel Gkück und viel Leid hatte sie hier erlebt; aber Las Glück war doch Siegerin geblieben und begleitete sie nun unsichtbar nach ihrer neuen, schwer errungenen Heimath. End»
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