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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.04.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990414013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899041401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899041401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-04
- Tag1899-04-14
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Neclamen unter dem Redaktion-strich (4g«- spalten) 20/^, vor den Familiennachrichlen (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis» Verzeichnis. Tabellarischer und Ztffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbesörderung SO.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abead-Au-gabe: BormittagS 10 Uhr. Morgeu»Ba-gabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Anzeige« sind stet» an die Expedition zu richte». Druck and Verlag von E. Pol- in Leipzig. 83. Jahrgang. Die Lerliner Reichstagsnachwahl. Mv« schreibt uns aus Berlin: Soweit Berlin nicht als Sitz des Kaisers, der Reichs- und LandeSrogierung, sowie als ParlammtSstätte in Betracht lammt, erweckt es selten politisches Interesse. Ganz besonders ist es schon lang« nicht oorgekommen, daß eine Berliner Wahl geeignet war, im Zusammenhänge mit den Parteiverhältnissen außerhalb der ReichShauptstvdt betrachtet zu werden. Die vor gestern vollzogene Nachwahl im 2. Berliner Reichstagswahlkreise bildet eine Ausnahme. Ihr Ergebniß kann und muß als ein Symptom einer allgemeinen deutschen Stimmung angesehen werden. Das würde noch sinnfälliger geworden sein, wenn vir Socialdemokratie nicht — zum ersten Male in diesem Wahl kreise — in der Hauptwahl durchgedrungen wäre, wenn also eine Stichwahl hätte angesetzt weiden müssen. Man würde «dann noch deutscher, als es jetzt möglich ist, gesehen haben, daß die Ab neigung -der nationalen Wähler, bei Reichstagswahlen an der Fiction eines praktischen Unterschiedes Mischen Socialdomo- kratie und Richter'schem Freisinn festzuhalten, in unausihalt- samrm Wachsthume begriffen ist. Das Ergebniß, wir «S vorliegt, zeigt crber, wenn auch weniger klar, als eine Stichwahl gekonnt hätte, diese Entwickelung an. Ein Berliner freisinniges Blatt spricht mit Recht von einem unerhörten Rückgänge der konservativen Stimmen, und es sieht mit Freude diesen Rückgang als einen gewollten an. Nicht, waS die Berliner konservative Parteileitung attlangt. Diese hat eher über das Gewohnte hinausyehend« Anstrengungen gemacht. Aber die Wähler versagten. Und zwar nicht nur konservative und antisemitische Wühler, sondern auch nationalliberale. Man darf sich Aber die Grundftimmug der Berliner Nationallibevalen nicht durch Vie Thatsache irre machen lassen, daß der Vorstand eines hier bestehenden nativnalliberalen Kränzchens zur Wahl des Freisinnigen ausgefordert hat. Der in der Rrichshauptstadt, Vie selbstverständlich, im Verhütttniß sehr stark vertretene, wenn auch vorläufig noch nicht zu einem selbstständigen Vorgehen be fähigte Nattonvlliberalismus fühlt sich in einem sehr schroffen Gegensätze zum Freisinn uwd damit in Geistes- und Gemükhs» Verwandtschaft mit dem Rvtionalliberakismus im Reiche. Es ist wohl verstautet, die aus diesem Gegensätze eben in Berkin gezogenen Consequenzen auch im „Leipziger Tageblatte" zu erklären, obwohl Ihr Organ Vie Forderung unbedingten AusamnrenstehenS aller bürgerlicher Parteien gegen die Sorialdemvkratie — gerade auch aus Anlaß dieser Berliner Nachwahl — mft großem Nachdruck vertreten hat. Bei allem Bemühen, den Ueberblick über daS ganze Reich zu behalten, ist es nicht menschenmöglich, das Urtheil von den Verhältnissen der Hingebung des eigenen Bundesstaats unbeeinflußt zu halten. Und Sachsen hat den Freisinn zu vernichten ver standen. Wo inan direkt von den Ausdünstungen dieses modernden Stammes belästigt wird, hat man ein Recht, bei dem bürgerlichen Zusammenschlüsse gegen die Socialdemokratie vor der sogenannten freisinnigen Volk-Partei Halt zu machen. Unseres Erachtens aber auch aus allgemeinen reichspolikischen Gründen. Der Verfasser dieses hat sich Jahrzehnte lang und FcniHeton. Ouellenfinder und Wasserzauber. Von vr. KurtRudolf Kreusner. »iochtruck Verbotes. Bor einiger Zeit wurde in diesem Blatte der Nachweis ge liefert, daß die Nutzbarmachung der vielgeschmälhten südwest- afrikanischen Coloni« Deutschlands im Wesentlichen eine Frage der künstlichen Bewässerung durch Stau-Becken und Erbohrung unterirdischer Wasservorräthe sei. Was von dem fernen Lande im schwarzen Erdtheile gilt, trifft auch bei manchem Stücke heimischen Bodens zu, welches bedeutend im Werthe steigen würbe, wenn Quellen in seiner nächsten Nähe zur Verfügung ständen. Sandigen Boden, in welchem des Himmels belebendes Naß sofort fast ungenützt in di« Tiefe sickert, grebt es in der Mark, in Niederschlvsien, Posen, im Hannoverschen und an vielen anderen Orten genug, und in den Gebirgen, namentlich dort, wo die Kalkformation vorherrscht, wie an dielen Stellen der öster reichischen Alpenländer, leiden viele Dörfer allsommerlich unter dem Mangel an Quellwasser, welches durch den unappetitlichen Inhalt der größten Ctsterne nicht vollwerthig ersetzt werden kann. Insofern also die Auffindung guten Wassers oft ein« Lebens frage für manche Siedelungen ist, bietet di« Quellenkunde «in all gemeines Jnt«resse, und in der That hat man seit den ältesten Zeiten diejenigen Lent«, welche in dem Ruft standen, tüchtige Quellenfirder zu sein, hoch geehrt und zu ihnen, je nachdem sie ihre Thätigtrit mit magischen Teremonien umgaben, oder offen und ehrlich ohne bombastische Bräuche ausüibten, mit scheuer Be wunderung oder voll Dankbarkeit aufgeblickt. Wenn wir den Ursprüngen der Quellenfindung nachspüren wollen, so müssen wir uns nach dem sonnendurchglühten Orient wenden, wo in den wasserarmen Gegenden Arabiens und des iranischen Hochplateaus von den Quellen daS Wohl und Wehe der nomadisirenden Stämme sammt ihrem einzigen Reichthum, ihren Heerden, abhängt. An der Spitze der Quelknfinderzunst marschirt kein Geringerer al» MoseS, der mit seinem Zauber stabe auS dem Felsen in Horab auf Geheiß Gottes de» Herrn Wasser sprudeln läßt, und in den ReligionSbüchern der Perser und ven arabischen Märchen au» muhamedanischer Zeit spielt di« Auffindung von Quellen durch magische Künste «ine große Roll«. Ein großer Theil der Quellensucher bi» in die Gegenwart hinein bedient sich, so weit e» nicht Geologen von Beruf sind, die sich natürlich lieber auf ihre Instrumente verlassen, zum Zweck der Aufspürung unterirdischer Wasseradern der Wünfchel- ruthe, und zwar entweder in Gestalt «ine» Zweiges bei Hasel nutzstrauche» oder de» gabeligen Zweige» der Mistel, welchem schon in der Aenekde di« Fähigkeit zugesprochen wird, die Pforten der Unterwelt zu öffnen. Wo «» aber die Wünschelruthe nicht thut, da ist «» der Zauberstab der Götter und Magier, der die noch bei den letzten allgemeinen Wahlen die Finger wund ge schrieben, um der national gesinnten Bevölkerung die Unter stützung des Freisinns gegen die Socialdemokratie als Pflicht er scheinen zu lassen. Wenn aber bei der vorgestrigen Wahl in jenem Wahlkreise eine Stichwahl nothwendig geworden wär«, so würde ihm solbst nationales Ehrgefühl und politisches Ur theil verboten haben, für den freisinnigen Gegner der Social demokratie einen Stimmzettel abzugeben. Und das ist die Empfindung und das Urtheil der Berliner rsichstreuen Wählerschaft und der reich-treuen Wählerschaft überhaupt geworden. Diesem Element hat vorgestern — ver glichen mit der Wahl des vorigen Jahres — 6000 Stimmen von den Urnen ftrngehalten, um es gar nicht zu einer Stichwahl zwischen einem Socialdemokraten und einem den Winken des Herrn Richter gehorchenden Candidaten kommen zu lassen. Die Gewohnheit kann hierin eine Versündigung am Bürgerthum sehen, die Ueberkegung nicht. Vor Allem nicht, weil es gegen das Interesse des Bürger- thums verstößt, den Freisinn in der bisherigen Sicherheit darüber zu lassen, daß er, mag er selbst wie immer verfahren, auf die Hilfe der nationalen Parteien gegen die Sociakdomokratie rechnen darf. Bei den Wahlen des vorigen Jahres sind auf Eugen Richters Gebot siebzehn (socialdemo- kratische Candidaten gegen nationale Candidaten in der Stichwahl unterstützt und in den Reichstag gebracht worden. Umgekehrt hak die 'Leitung der freisinnige» Volkspartei nicht für eine einzige Stichwahl die Unterstützung eines nationalen Bewerbers empfohlen. Angesichts dieser direkten Förderung der Umsturzpartei durch den Freisinn wird der Appell, den Freisinn um der bestehenden Ordnung willen am Leben zu lassen, hinfällig. Mehr als dies: es ist geradezu wider sinnig, Leut«, di« Brandstiftern das Brennmaterial zutragen, anders zu behandeln wie den Brandstifter selbst. Dir Verschiedenartigkeit des Programms hat keine Be deutung bei der völligen Gleichartigkeit der Agitation und deS politischen Wirkens. Dies ist nur ein papierener Unterschied. Ao aber ein materieller Unterschied in der letzten Zeit zu bemerken tvar, da konnte das Zeugniß der größeren Mäßigung eher der Socialdemokratie ausgestellt werden. Jedenfalls hat die Social demokratie gegen das Marinegesetz, gegen die jüngste Heeres- verstärkung nicht giftiger gehetzt, als der Freisinn. Und in der Frage der Sicherung deutschen Landes im Norden gegen «ine dänische Losreißungspropaganda ist es nicht die Socialdemokratie, sondern der Freisinn gewesen, der die Initiative zu Gunsten der Feinde Deutschlands ergriffen hat. Diese Parteinahme für di« Minen und gegen die nord- schlrswigschen Deutschen, die di« Vorkehrungen der Regierung, ob wohl sie für sie selbst mit Unzuträglichkeiten verbunden waren, als NotPvehract guthießrn, vor Allem aber di« Episode Blell ist es gewesen, di« vorgestern Tausende von Berlinern der Urne frrnhiät. Und wir gestehen: es ist eine mit der Selbst achtung unverträgliche, darum auch nicht mehr politisch haltbare Forderung, Männer von nationalem Bewußtsein anzufeuern, einem Manne in die Vertretung des deutschen Volkes zu verhelfen, der den dieses Volk beschämenden Bettelbrief des Herrn Blell Riegel hebt, und so steht der AeSkuIapstab auf den Achselstücken der deutschen Sanitätsofficiere, den das Bolt mit grimmigem Humor als Blutegel deutet, der aber nichts Anderes ist als der Schlangenstäb des HermeS, mit welchem derselbe den Seelen der Abgeschiedenen aus dem Wege zum Hades voranschreitet, im engsten Zusammenhang« mit der zauberkräftigen virgulu ckivinn welche auch der Gott deS heidnischen DeutschthumS Wuotan, der Gott des Wunsches, als Symbol in der Hand trägt. Daß er den Weg zu unterirdischen Quellen weist, ist nur «ine der vielen ihm zugeschrrebenen wunderbaren Eigenschaften, denn er zeigt auch an, wo sich edle Metallerze im Gestein befinden oder Schätz« vergraben sind. Anter den Bergleuten des Mittelalters bildete sich das Quellen- und Schatzsucher! sogar zu einer besonderen Wissenschaft aus und diese sogenannten Ruthengäuger (Rhabdomanten), die von Mansfeld, Freiberg, Goldberg in Schlesien und noch manchen anderen Orten Deutschlands durch di« Gauen zogen, hielten namentlichden in der Johannisnacht unter besonderen Ceremonien und Ansprachen geschnittenen gabeligen Haselnußzweig für be sonders geeignet, um Demjenigen, der di« dünnen Gabelendea mit beiden Händen festgeschlossen vor der Brust hielt, so daß da dickere Wurzelende nach vorn und in die Höhe wies, durch seine Schwankungen den Ort anzuzeigen, wo sich die gesuchten Gegen stände befinden sollten. Noch im Anfang dieses Jahrhunderts haben sich gelehrt« Ge sellschaften allen Ernstes damit befaßt, di« physikalischen Ur sachen zu ergründen, deretwegen die Wünschelvuth« in der Nähe von unterirdischen Wasseransammlungen in Schwingungen ge- riethe. Nachdem aber der Stab und die Ruthe gegenüber der fortschreitenden Erkerrntniß als gar zu rudimentäre Werkzeuge erschienen, erfand man den bipolaren Cylinder, nämlich einen zwischen Zeigefinger und Daumen gehaltenen Metallstab, und den sogenannten sibirischen Pendel, nämlich ein Stück Kohle oder Schwefelkies, welcher an ein«m Faden aufgehängt war und unter der Einwirkung eines verborgenen Quells in pendelnde Bewegung gerathen sollt«. Besonders war es der italienische Bauer Amo- retti, welcher mit diesen Instrumenten als Quellensucher Auf sehen erregt« und sogar der Münchener Akademie der Wissen schaften, welche ihn zu umfangreichen Versuchen hrranzog, seine Mätzchen vormachte. Natürlich können die vom Aberglauben früherer Zeiten erfüll ten Versuche nicht ernst genommen werden, sondern verflüchtigen sich vor dem Lichte der Wissenschaft wie Nebel vor der Sonne. Durch Gilbert, Marechaux, Erman, Pfaff und Andere wurde in überzeugender Weise klar gelegt, daß di« thatsöchlich beobachteten Zuckungen der Wünschelruthe, die sogenannten ideomotorischen Bewegungen, nichts Andere» sind al- unwillkürlich« Bewegungen, deren der Suchende in seiner Aufregung nicht mehr Herr wer den kann, wenn er sich nach seinen bisherigen Erfahrungen an «inen Ort gekommen glaubt, unter welchem ein« Quell« verborgen sein könnte. Nicht dir versteckte Wasserader bewegt den Haselnuß» zweig, sondern unbewußt der Quellensinder selbst, dessen Mu»- keln von Seiten de» Nervensystem» zu Lontracttonen veranlaßt ohne Zweifel ebenso gebilligt hätte, wie ihn Eugen Richter gebilligt hat, und sein« Fractionsuntergrbenen ihn billigen mußten. Durch eine solche Stimmabgabe hätte sich die nationale Politik selbst verneint, also aufgehört, Realpolitik zu sein. Ein« fernere Erklärung des Berliner Wahlergebnisses ist darin zu finden, daß die Verweigerung des Grußes zum 80. Geburts tag« Bismarck' S durch die Berliner freisinnige Stadt verordnetenmehrheit mit dem Tod« dieses größten Förderers und Wohlthäters Berlins in frische, grimmige Erinnerung gerufen worden war. Auch auf die Wähler, die sich von dieser frei sinnigen Großkhat bestimmen ließen, einen freisinnigen Wahlsieg durch Unchätiglest zu hintertreiben, möchten wir keinen Stein werfen. Es kam, und dies entschuldigt hier viel, nicht nur be rechtigter Unmuth über die Berliner Gemeindewirthschaft, sondern auch eine Erwägung hinzu, die zum Mindesten interessant ist. Man sagt« es nicht öffentlich, geschweige daß man es drucken ließ, aber man dachte: von Gottes- und Rechtswegen muß der Freisinn dir Verzögerung der Entscheidung über die Bestätigung der Wahl des Berliner Oberbürgermeisters mit in den Vordergund des Wahlkampfes schieben. ES ist dies, wie selbst Conservative anerkannt haben, eine Angelegenheit von größter principiellcr Bedeutung und es ist eine Angelegenheit, die den Freisinn, weil einen der Seinen berührend, direkt angehl. Die durch die Beiseitelassung dieser Frage gezeigte Feigheit hat auch einen kleinen Theil an dem Wahlergebnis. Die Hauptsacke aber war in Berlin und wird früher oder später in ganz Deutschland die Erwägung sein, daß es den Kampf gegen die Socialdemokratie nicht erleichtert, sondern er» schwert, wenn man «inen nie versagenden Bundesgenossen eben dieser Socialdemokratie vor dem Untergange rettet. Zur Aamoafrage wird un» au» Berlin uuterm 13. April telegraphirt: Dem Reichstag ging folgende Interpellation zu: »Ist der Reichskanzler bereit, über die die deutschen Interessen schwer verletzenden Ereignisse auf Samoa, sowie über die von der Regierung ge troffenen oder beabsichtigten Maßnahmen Auskunft zu geben?" Die Interpellation ist von den Con- servativen, dem Centrum und den National liberalen unterzeichnet. Der deutsche Botschafter v. Holl eben theilt, wie uns ein Telegramm au- New Aork meldet, mit, daß er zwar gegen die Vertreibung der provisorischen Regierung und die Krönung des König» Tanu protestirt, dagegen keine Be schwerde über die angebliche Beleidigung der deutschen Flagge erlassen habe, weil alle bisherigen Be richte darüber als Unwahrheit erschienen. Die Inter pellationsbeantwortung wird sich also voraussichtlich auf die beiden ersten Punkte beschränken. werden. Der Quellfinder suggerirt sich eben selber die Idee, hier den richtigen Ort gefunden zu haben, wo nachgegrabrn wer den muß; er befindet sich also in einem Zustande von Selbst- hypnotisirung, der sich sehr treffend mit jenem vergleichen läßt, Dank dessen Versuchspersonen den Gedankenleser wie Cumber land, Home, Davenport, die mit verbundenen Augen arbeiten, durch kaum wahrnehmbare, unfreiwillige Bewegungen selbst zu dem Ort hinleiten, wo ein von ihnen «verborgener Gegenstand versteckt ist. Den einzig sicheren Wegweiser zur Auffindung von unter irdischen Quellen und Wasserrinnsalen bietet natürlich die Geo logie. Das im Regenfall zur Erdoberfläche niedergehende Wasser folgt auch weiterhin dem Gesetze der Schwere und sucht durch Spalten und poröses Erdreich in di« Tief« zu dringen. In weit ausgedehnten Ebenen nun, namentlich in denjenigen des Tief landes, kommt es nicht weit auf diesem Wege. Denn hier ist meistens auf mehrere Hundert Meter Tiefe daS Erdreich durch diluvial« Ablagerungen gebildet und all« vorhandenen Zwischen räume sind hier bis zur Höhe d«S Wasserspiegel- der benachbarten Ströme, Flüsse und Bäche mit Wasser vollauf gesättigt. Es ist daher durchaus nicht wunderbar, daß man in solchen Gegenden meistens schon in geringer Tiefe überall auf reichliches Wasser stößt und daß das Niveau in daselbst angelegten Brunnen g«nau nach den jeweiligen Masserstünden der benachbarten Flußläufe steigt und sinkt. Anders liegen di« Derhültniss« in sandigem oder in hügeligem oder gebirgigem Terrain. In Sandgegenden wird man oft sehr tief graben müssen, ehe man auf Grundwasser stößt; in Ge birgsgegenden aber hängt die Loralistrung der Quellen lediglich von dem Verlauf der geologischen Schichten ab. Wenn in sanft geneigter schiefer Eben« eine mrdurchlAssige Erdschicht, wie Thon, Mergel,-Lehm oder Lette, verläuft, über welche durchlässige Erd massen streichen, so wird da- Regenwasser bis zu der von beiden gebildeten Grenzfläche, dem sogenannten Wasser führenden Hori zont, Vordringen und dort, wo die durchlässige Schicht abbricht oder sehr schwach »st, al» Quell« zu Tage treten oder leicht zu finden sein. Das Wasser folgt dabei genau dem Gesetze der communieirenden Röhren, so daß, wenn beide Schichten vom tiefsten Punkte deS Thale» wieder nach der Höhe zu umdiegen, di« Quell« durchau- nicht immer tief unten §u Tage tritt, sondern oft in ziemlicher Höhe an der Bergwand entspringt, natürlich aber an einem Punkte, der absolut tiefer liegt al» die Gegend, auS welcher die Quell« gespeist wird. Aus letzterem Umstand« allein erklärt sich auch daS Vorkommen der sogenannten Gipfelquellen, welche entweder direkt auf oder dicht unter einer P«rgspitze zu Tage treten und sehr mit Unrecht als ncrturgeschichiliche Wun der angestaunt werden, im Grunde genommen ab«r nichts Ande re» sind al- natürliche Springbrunnen, deren speisende» Bassin den Blicken verborgen ist. Hierher gehören auch die artesischen Brunnen, welche oft in Gegenden erbohrt werden können, wo der Laie zunächst keine Spur von Wasser »ermuthet, wie z. «. in großen Theilen der Sahara, welche, soweit sie auf algerischem Gebiet« liegt, von den Franzosen durch Anlage von Tausenden Ueber die Stimmung in London erhalten wir folgende Mittheilung: * London, 13. April. (Telegramm.) „Reuter's Bureau" theilt mit: Der AuSbruch der Feindseligkeiten auf Samoa wird als geeignet erachtet, die bereits entstandenen ernsten Verwicke lungen noch schwieriger zu gestalten. Es ist unmöglich, eine endgiltige Meinung über die neuerliche Entwickelung der Angelegen heit au-zudriicken. Es dürfte aber al- offenkundig erscheinen, daß das aggressive Vorgehen des deutschen Consul» auf Samoa Rose, mag er auch technische Gründe für seine Rolle, die er zu Gunsten der deutschen Politik spielt, gehabt haben, di« Ursache mit für den neuen Ausbruch der Feindseligkeiten ge» wesen ist, der dir Bemühungen, einen freundschaftlichen Stand der Dii^e auf den Inseln herzustellen, sehr erschweren muß. Es war die offenbare Pflicht der drei Consuln, die Ent scheidung des obersten Gerichtes über di« Ein setzung Tanu's für die provisorische Regierung Mataafa's aufrecht zu erhalten. Da- Vorgehen Rose'», als er seine Gegenproclamation erließ, dir die Rebellen unterstützte, konnte nur rin unheilvolles Resultat haben, wie es sich in dem Gefechte gezeigt hat. Es ist unmöglich, mit einiger Sicherheit vorauszusagen, wie sich die Dinge entwickeln werden, aber man hält eS hoch an der Zeit, daß die Commission mit ihren Arbeiten beginnt, um Ordnung in die beklagenswerthen Zustände zu bringen. Es wäre ein sehr schlimmes Vorzeichen, wenn das „Bureau Reuter" die Ansicht der Londoner RessierungSkreise wieder- gäbe, denn dann wäre eine Verstänvigung auf- Aeußerste erschwert, wenn nicht gänzlich ausgeschlossen. Nach der Samoa-Acte war eS nicht die Pflicht der drei Consuln, die Entscheidung des Oberrichter- Chambers zu acceptireu. Die Acte sagt nur, daß zur Ausführung einer solchen Entscheidung Einstimmigkeit der Consuln »öthig ist. Ist dieselbe nicht zu erzielen, so ist die Ent scheidung wirkungslos. DaS anzuerkennen, wird auch England nicht umhin können, und deshalb neigen wir der Annahme zu, daß die Londoner Regierung aus der Reuter'schen Auslassung nicht spricht, sondern daß daS Bureau sich zum Sprachrohr der englischen ExaltadoS gemacht bat. Wenn eine Londoner Meldung ver „Voss. Ztg." sich bestätigt, hätte Lord Salisbury auch bereits einzulenken begonnen. Die Meldung besagt: * Lontzou, 13. April. (Telegramm.) Ter Berliner Bericht- erstatt» der „Morningposl" erfährt, zwischen der britischen und der deutschen Regierung sei «ine Verständigung über die Samoafrage erzielt. Lord Salisbury wünschte ursprünglich, daß die Beschlüsse der Commission mit Mehrheit gefaßt werden. Dieser Wunsch sei in Folge der nicht erbaulichen (?) Ergebnisse, welche das Einstimmigkeitsprincip bisher hatte, veranlaßt gewesen; er habe jedoch von Anfang an eingeräumt, daß die Samoacte für die Giltigkeit des EinstimmigkeitSprincips in allen von den europäischen Eonsulu angenommenen Maßnahmen Für sorge treffe, daß er folglich machtlos sei, sein Beto gegen von artesischen Brunnen der Cultur zurückgewonnen ist, dir Dank Len unterirdischen Wasserschätzen schon vor zweitausend Jahren unter karthagischer und römischer Herrschaft zu hoher Bküth« ge langt war. Wenn man sich demnach von der Vorstellung lossagen muß, daß die Quellen etwas wie Ausflußrohre einer natürlichen Röhrenwasserleitung seien, ergiebt es sich klar, daß die Auffin dung unterirdischer Wasserhorizonte eine genau« Kenntniß der Erdschichten der betreffenden Gegenden zur Voraussetzung hat, weil es von der Lagerung dieser Schichten abhängt, ob das Wasser in unzugängliche Schichten sinkt oder durch Bohrungen gefaßt werden kann. Der Theoretiker wird nun mit seinen ab strakten Fachkenntnissen allein ebenso hilflos dastehen, wie der volksthümliche Quellensucher mit seiner Wünschelruthe; er wird diesem aber unbedingt himmelweit überlegen sein, wenn er die geologische Durchforschung der Gegend zu Hilfe nimmt, und zahllose erfolgreiche Bohrversuche in allen Theilen Deutschlands beweisen, daß es dabei ganz mit rechten Dingen zugeht. Sind nun die Quell«nsucher, welche unter mehr oder minder mystischen Gebräuchen als Laien ihr Handwerk betreiben, durch weg Schwindler? Keineswegs! Die zahlreichen unbestreitbaren Gefolge predigen laut das Gegentheil, und daß dem so ist, darf uns nicht Wunder nehmen, wenn wir erwägen, daß gewisse geo logische Fachkenntnisse dabei oft von den Quellfindern angewandt werden und sich durch Generationen vom Vater auf den Sohn vererben. Dazu kommt natürlich noch, daß die reiche Erfahrung den Blick für die zur Bohrung am meisten sich eignenden Oert- lichkeiten schärft. Einer der berühmtesten Ouellenfinder aller Zeiten war Abb6 Paromelle, welcher in seinem französischen Vaterlande und weit über die Grenzen desselben hinaus virltausendmal erfolgreich zu Rathe gezogen wurde und seine vielseitigen Erfahrungen in einem noch heute interessanten Buche „Quellenkunde" niedergelegt hat, welches von Cvtta auch ins Deutsche übersetzt worden ist. Kaum weniger berühmt als der eben Genannte war, wenigstens in seiner engeren schlesischen Heimaih und im östlichen Deutschland überhaupt,derbekannteschlesische Graf Wrschowetz, und ein büu«r- licher Quellenfinder, der in Schlesien weithin Ansehen genoß, ist ihm vor wenigen Wochen in den Tod gefolgt. Manchmal freilich geht es dem gelehrten und dem ungelehrten Quellensucher, wi« dem Goethe'schen Zauberlehrling, der die Geister, di« er rief, nicht mehr Io» werden kann. Da» Wasser sprudelt dann in ungeheurer Mächtigkeit und wirft große Mengen von Sand auS dem sich mehr und mehr erweiternden Bohrloch« auS, so daß im Innern der Erde groß« Hohlräume entstehen, der«n Decken schließlich zusammenbrechen. Dann verwandelt sich der erhoffte Segen in Unheil, wie bei jener noch in aller Er innerung stehenden Katastrophe in einem posenschen Städtchen, bei welcher in der Ausdehnung ganzer Straßen der unterminirte Boden einsank und die darauf stehenden Häuser in unbewohnbare Ruinen verwandelt wurden.
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