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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.04.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990415016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899041501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899041501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-04
- Tag1899-04-15
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Morgen - Ausgabe cipMr.TaMalt Airzetger Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 189. 93. Jahrgang. Sonnabend den 15. April 1899. u. s. »« lsso L W1i0 0. t.v »rr lie Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr. dir Bbead-AuSgabe Wochentag- um ü Uhr. der eine daß ab- i.v ».v I.L I.d t-v o s. 5 O ) v *) „Die Voraussetzungen des Socialismus und die Aufgaben der Socialdemokratie." Won Ed. Wernstein, Stuttgart, I. H. W. Dietz Nachfolger. s. S.2L L r,— L ^ÜO L Die Frage, bi« zu welcher Grenze die Einstimmigkeit erforderlich sein soll, ist noch zu erledigen, und es dürsten in dieser Hinsicht wahrscheinlich einige Vorhalte gemacht werden. Die letztere Meldung ist jedenfalls mit Vorbebalt auf zunehmen, nachdem v. Bülow rund und ohne Einschränkung erklärt hat, Deutschlands Vorschlag sei acceptirt worden. Die an Kautz entsandte Instruction läßt hoffen, daß weiterem unnützen Blutvergießen auf Samoa endlich Einhalt gethan werde. Die hochgehenden Wogen beginnen sich zu legen, daS deutsche Schiff ist durch die Brandung! W>L«t0. >7V»«»0 -UNLrk l.L. «.». l-k l-L t-L. t-L «v. l-L ».vpH w.Op.x 1° I.v. lü Ne-artion und Lrpeditto«: ZohanniSgaffe 8. Die Txpedifion ist Wochentag« ununterbroche» geöffnet von früh ö bi« Abend« 7 Utz». Filialen: ktto Klemm S Tortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), Lsni« Lösche, Satharinrnstr. 14, pari, und königiplatz 7. iS.— s. a,so L o — «. 7^0 t»s S.7S a s — «. I^o s freund war u. A. Sultan Achmed HI. (1703—1730). Es wird erzählt, daß sein Großvezier, um seiner Neigung entgegenzu kommen, in seinem Garten etwa eine halbe Million Zwiebeln ge pflegt habe. Standen sie dann in Blüthe, dann lud der Vezier den Sultan und seinen ganzen Hof in seinen Palast zu Gaste; die Zwiebeln, die keine Blüthen getragen hatten, wurden mit anderen Tulpen ausstaffirt, zahlreiche Lichter zwischen die Blu men gestellt, Bäume aus anderen Gärten eingesetzt, Käfig« mit allerlei Vögeln in den Park gebracht, die Wege mit Lichtern ein gefaßt, und so besah der Sultan unter den Klängen rauschender Musik allnächtlich die Tulpenblüthe. Es hieß, daß die Mannig faltigkeit der Farben und der Wiederschein der Lichter in zahl reichem Spiegeln «inen wunderbaren Effect hervorbringe, und so lange die Tulpen blühten, wurde dies Fest in jeder Nacht ge feiert. Es war im Jahre 1554, als der kaiserliche Gesandte Busbeck auf seiner Reise nach der türkischen Hauptstadt zwischen Adria- nopel und Konstantinopel zum ersten Male diese im Abendlande noch ganz unbekannte Nationalblume der Türken sah. Die farben prächtige Blume fiel ihm gar sehr auf und riß ihn zu lebhafter Bewunderung hin; und um sie auch der christlichen Welt zu gänglich z-u machen, brachte er Tulpensamen heim. Von Bus beck scheinen nun, wenn auch vielleicht nicht ausschließlich, die ersten Tulpen zu stammen, die damals in Westeuropa blühten. Die allererste Tulpe sah Conrad Gesner 1559 im Garten eines Augsburger Patriziers; 1565 blühte sie im Garten der Fugger. Weitere Verbreitung fand sie durch den bekannten Naturforscher Carl Clusius, der 1573 in Wien mit Busbeck zusammentraf, dort von ihm Tulpensamen erhielt und später die bald begehrte Prachtblume mehrfach verkauft zu haben scheint. So treffen wir die frühesten Tulpen in England zwischen 1578 und 1582; im Ilortu« meäicnm deS Laurentius Scholz zu Breslau 1594; in Montpellier 1598, in Luzern um 1599. Diese Notizen mögen ge nügen, um die schnelle und allseitige Verbreitung der neu einge- führten Pflanz« in den Gärten Westeuropa« zu kennzeichnen. Außerordentlich aber war das Aufsehen und die Be wunderung, die die neue Blume überall im Abendlande fand. Man mutz den durch die Renaissance hervorgerufenen und ganz be sonders auf die Pflege der Gärten gelenkten Sammeleifer und den durch die Wohlhabenheit der damaligen höheren Stände der- anbatzten Luxus der Lebensführung ins Äug« fassen, will man die nun erwachende Tulpenleidenschaft verstehen. Jedenfalls ent stand ein wahre! Wettrennen um den Besitz seltener Tulpen, und jeder Liebhaber wollte di« Modeblume, wollte ihre rarsten Exemplare und Sorten in seinem Garten haben. Nirgends aber stieg diese Leidenschaft so hoch wie bei den Holländern, die, wie Hehn sagt, frei und reich geworden, aber phantasielos geblieben waren. In Amsterdam sahen die Blumen freunde nnter grosser Verwunderung bei dem Apotheker Walich Zieuwertsz die erste Tulpe blühen; 1590 halt« sic Joh. van Hoghe- lande zu Leyden, 1596 der Prediger Joan de Jonghe in Middel- bürg. Wie begierig man aber in Holland gleich von Anfang an nach der neuen Prachtblume war, zeigt der Umstand, daß dem armen Clusius, der seine Sorten auch hierhin einführte und aller- ding» sehr hohe Preist verlangte, die meisten und schönsten seiner Tulpen Nacht» gestohlen wurden; diese Sorten wurden dann von bat! Patte Balfour in London als sein Vertreter fungirt oder hätte das Colonialamt die Sache in Händen gehabt, so versichert da« Frankfurter Blatt, so wäre die Angelegen heit glatt erledigt worden. Uns scheint vielmehr, daß man in London sehr genau von Salisbury instruirl war und sehr genau gewußt bat, was man tbut. Man wollte den Versuch machen, Deutschland zu demütbigen und auf die Knie zu zwingen, um eS dann — als Englands Vasallen — wieder aufzuheben. Daraus ist nun freilich nichts geworden. Von weiteren, die jüngste Phase der Samoa-Angelegenheit betreffenden Meldungen verzeichnen wir noch die folgenden: * New Bork, 14. April. (Telegramm.) Die Morgenblätter, denen di» englische Zustimmung in der Angelegenheit Samoa-Commission noch nicht bekannt war, führen zum Theil heftige Sprache. Die gelbe Presse beschuldigt Deutschland, eS den Consul Rose dadurch ermuthlgt habe, daß es ihn nicht berief. Die „Tribüne" räth zur Ruhe und spricht ihr Bedauern darüber auS, daß die Deutschen auf Samoa nicht mit den Eng ländern und Amerikanern cooperirten. Der „Herold" bemüht sich- unverfälscht zu sein, und sagt, die Sachlage gewähre die Hoff nung auf eine Wiederherstellung des Friedens, wenn Deutschland hierzu mitwirke. * Washington, 14. April. (Telegramm.) Die Com mission für Samoa reist am 25. April an Bord des ameri kanischen Transportschiffes „Badger" von San Francisco ab. Die amtliche Miltheilung der Ernennung des ersten Sekretärs der deutschen Botschaft zu Washington, Legationsralhes Baron Speck von Sternburg, zum deutschen Eommissar für Samoa ist heute hier eingrtroffen. * Loudon, 14. April. (Telegramm.) Ein Artikel der „Times" drückt die Befriedigung über die Ernennung des Frei herrn Speck von Sternburg zum Mitglied der Samoa- Commission auS und sagt, Deutschland habe hierdurch einen that- sächlichen Beweis von der Aufrichtigkeit seines Wunsches für eine schnelle Erledigung der Samoa-Frage gegebcn. Der Artikel spricht weiter die Hoffnung aus, daß sich nun einer befriedigenden Lösung keine Hindernisse mehr entgegenstellrn werden. * Washington, 14. April. (Telegramm.) „Reuter'S Bureau". Admiral Kautz wurde durch den letzten von Auckland abgegangenen Dampfer darin instruirt, unnöthige Collisionrn zu ver meiden, jedoch Eigenthum und Leben zu schützen, bis sich die drei Mächte entschieden haben, waS in Bezug auf die Lage geschehen soll. * Washington, 14. April. (Telegramm.) „Reuter'S Bureau". Die den Mitgliedern der samoanischen Obercommission zu ertheilenden Instructionen sind im Einzelnen noch nicht definitiv von den drei Mächten sestgelegt worden. Die Angelegenheit unter- Worauf Bernstein hinauskommt, ist, zu verlangen, daß die Socialdemokratie der bisherigen „Katastrophentheorie" ihrem Glauben an eine katastrophenmähize Entwickelung der Dinge den Laufpaß geben und die Wege einer demokratisch-socialistischen Reformpartri wandeln solle. Im Uebrigen ist er Social demokrat durch und durch, und es wär« jedenfalls nichts ver kehrter, als von seinem Buche neue Schlüffe auf den angeblichen „Mauserungsproceß" ziehen zu wollen, in dem die Social demokratie sich befinden soll. Bernstein ist kein ganz reiner Marxist mehr, aber Marxist trotz alledem. Ueberdies wird sein Buch auf die socialdemokratischen Massen schon darum keine Wirkung äußern, weil diese es überhaupt nicht zu Gesicht be kommen werden. Was den bürgerlichen Parteien die „Bern- ,st «j,n i a d e", wie Klara Zetkin auf dem Stuttgarter Partei tage es genannt hat, interessant macht, sind einige recht werth volle Zugeständnisse, zu denen Bernstein mit Bezug auf die reale Wirklichkeit unseres politischen und wirthschaftlichen Leben- sich herbeilätzt. Darin weicht sein Buch von der sonstigen social demokratischen Phraseologie so vorlheithaft ab, daß einige Aus züge daraus am Platze erscheinen. Wir Bernstein nicht daran glaubt, daß von heute auf morgen Wunder geschehen wessen, so sieht er auch die unerläßlichen Vorbedingungen des Socia lismus als noch längst nicht gegeben an. Er nennt als diese Vorbedingungen zwei: einen bestimmten Höhegrad kapitalistischer Entwickelung, eine gewisse, genügend vorgeschrittene Centrali- sation der Betriebe, und sodann die Ausübung der politischen Herrschaft durch die Socialvemokratie. Was die letztere Vor aussetzung, die Eroberung der politischen Macht durch das Prole tariat, betrifft, urtheilt er einstweilen noch sehr skeptisch. Eine einheitliche proletarische Masse giebr es nach seiner Meinung überhaupt nicht. Er sagt: „Es kann gar nicht anders sein, als daß wesentliche Unterschiede in Beschäftigungsweise und Einkommenshöhe schließlich auch andere Lebensführung und Lebensansprüche erzeugen. Der Feinmechaniker und der Kohlenzieher, der gelernte Stubenmaler und der Lastträger, der Bildhauer oder Modelleur und der Maschinenheizer führen in der Regel ein sehr verschiedenartiges Leben und haben sehr ver schiedenartige Bedürfnisse. Wo der Kampf um ihre Lebens haltung zu keiner Eollision zwischen ihnen führt, kann je doch die Thatsache, daß sie allesammt Lohnarbeiter sind, diese Unterschiede aus der Vorstellung verwischen, und da» Bewußlscin, daß sic dem Capital gegenüber einen gleich artigen Kampf führen, eine lebhafte gegenseitige Sym pathie erzeugen. Aber zwischen solcher politischen oder socialpolitischen Sympathie und ökonomischer Solidarität ist noch ein großer Unterschied, den starker politischer und ökonomischer Druck neutralisiren mag, der aber in dem Maße, als dieser Druck hinwegfällt, sich schließlich immer wieder in der einen oder anderen Weise bemerkbar machen wird. . . . Nehmen wir aber an, daß in der industriellen Arbeiterschaft diese Differenzirung nicht bestände oder keinerlei Wirkung auf die Denkweise der betreffenden Ar ¬ le» Hee» mit Schulden zu beginnen, die dann der spätere Verdienst reichlich decken sollte. Darin lag nun schon der Keim zu jenen höchst un gesunden Zuständen, di« sich dann vollends in der berüchtigten Tulipomanie entwickelten. Die eigentliche Tulipomanie fällt in di« dreißiger Jahre des 17. Jahrhunderts und wird durch den Eintritt der Speculation bezeichnet. Zuerst handelte man die Tulpen natürlich in der Zeit, wo sie lieferbar waren, vom Juni bis zum September. Dann dehnte sich das Geschäft auf das ganze Jahr aus und wurde nun natürlich auf Lieferungsfrist im Sommer abgeschlossen. Da nun je nach der Nachfrage sich Differenzen in den gebotenen Preisen einstellten, so lag jetzt das Differenzgeschäft auf der Hand, Geldspeculanten bemächtigten sich seiner, aus dem Blumen handel wurde rin reines Börsenspiel, ein .Windhandel". Nie dagewesene Exemplar« wurden aus Zeit gekauft und verkauft, unter Entrichtung der bloßen Differenz zwischen dem verein barten und dem am Verfalltage notirten Preise; die Tulpenzucht, die Tulpenzwiebeln selbst traten ganz in den Hintergrund, und eine wahnsinnig« Spielleidenschaft, von dunklen Existenzen ge fördert und genährt, von vielfachem Betrüge begleitet, tobte mehrere Jahre in Holland. Ziemlich unvermittelt trat dann im Februar 1637 die Kata strophe ein. An einem Abend soll die Waare um mehr als die Hälfte abgeschlagen sein. Vielleicht daß die Liebhaber, die doch eigentlich das einzig reelle Fundament dieses ins Phantastische gewachsenen Schwindels bildeten, sich, von dem Verlaufe der ganzen Sache degoutirt, zurückzogen, oder auch wohl größere Posten Tulpenzwiebeln zu verkaufen suchten; der Anstoß war an sich unbedeutend, aber er genügte, um die unausbleibliche Panik hervorzurufen. Vergeblich versuchten di« Floristen Allerlei, um den Verfall ihres Geschäftes aufzuhalten; das Kartenhaus war zusammengebrochen und zahlreiche Existenzen mit ihm. Die ganze Episode erinnert lebhaft an die, die ein Jahrhundert später zu Paris an das Treiben des Schotten Law anknllpfte. Blumen, die vor dem Krach mehr als 5000 Gulden gegolten hatten, erzielten jetzt nur noch 50 Gulden. An sich immer noch «in recht ansehnlicher Preis, wie denn überhaupt mit der „Tulipomanie" keineswegs auch die Liebhaberei für die Tulpen starb. Vielmehr erlebte letzter« im 18. Jahrhundert noch einmal einen neuen Aufschwung. Aus dem Jahre 1723 hören wir wieder von «in«m Preise von 600 Gulden für eine Zwiebel, und noch 1794 wurde eine Tulpe mit 25 Pfund (500 cK), 1800 andere mit 600—800 Gulden berechnet. Erst unser Jahrhundert hat der Tulpenleid«nschaft anscheinend endgiltig den Laufpaß gegeben, und eS genießt bei uns in Deutschland speciell die Tulpe im Allgemeinen nur «ine geringe Werthschätzung und Tultur. In Holland freilich wird sie noch heute fleißig gepflegt, und jedenfalls gehören die Vorstellungen „Holländer" und „Tulpe" für immer eng zusammen. sr SS SS Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Poslbeförderung -M SO.—, mit Postbesürderung 70.—. - L iS N. o s. 0 6. 0 V. 0 Ü. Anuahmeschlvß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgeu-AuSgabe: Nachmittag« «Uhr. Bet den Filialen und Annahmestelle» je ein« halbe Stund« fpfthsr. Anteilen find stet« an di« Erpetztti«» zu richten. Anzeigerr-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Rrclamen unter dem Redactionsstrich (4gs- jpallen) ÜOA, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeictmiß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. d-v 5. 0. s. s. ü. 6. S. L 0. «j. 6. 6. Die „Lernsteiniade". p Die Ed. Bernstein'sche Streitschrift*), so gering man auch ihre praktische Wirkung veranschlagen mag, scheint den social demokratischen Parteihäuptern doch höchst unbequem zu sitzen. Ed. Bernstein ist jener Schriftsteller, der auf dem vorjährigen Parteitage in Stuttgart den Unwillen der „Genossen" heraus forderte, weil er das Wort gesprochen hat, daß ihm die Be wegung alles, das Endziel des Socialismus dagegen nichts sei. Er befindet sich im Grunde genommen nur hinsichtlich der zu befolgenden Taktik im Gegensätze zu den übrigen Parteigrößen, ist aber in der Begründung seiner Anschauungen allmählich doch genöthigt gewesen, auch an einige der grund legenden Theorien von Karl Marx und Fr. Engels die kritische Sonde anzulegen. Wesentlich ist es der Satz von der angeb lichen Hoffnungslosigkeit der Lage des Arbeiters, dem Bernstein zu Leibe geht. Es sei nicht nur nutzlos, meint er, sondern auch eine große Thorheit, verheimlichen zu wollen, daß die Zuspitzung der gesellschaftlichen Verhältnisse nicht in der Weise sich vollzogen hat, wie das „kommunistische Manifest" sie schildert. Die Zahl der Besitzenden sei nicht, wie Marx ooraussagte, kleiner, sondern größer geworden. Hierum dreht sich im Wesentlichen der Streit, oder wenigstens nimmt er hiervon seinen Ausgang. ES ist einer der Grundpfeiler, der mit dem Zusammenbruch der „Ver elendungstheorie" aus dem Gebäude des Marx'schen Socialis mus herausgebrochen ist. Wenn das wahr ist, sagen die Wider sacher Bernstein's, daß die Zahl der Besitzenden seit Jahr und Tag nicht ab-, sondern zunimmt, dann ist der Zeitpunct unseres Sieges nicht nur sehr weit hinausgeschoben, dann kommen wir überhaupt nicht ans Ziel. Und so verlegen sie sich denn aufs Leugnen, während Bernstein ihnen gelassen erwidert: „Daß die Zahl der Besitzenden zu- und nicht abnimmt, ist nicht eine Erfindung bürgerlicher Harmonie-Oekonomen, sondern eine von den Steuerbehörden oft sehr zum Ver druß der Betreffenden ausgekundschaftete Thatsache, an der sich heute gar nicht mehr rütteln läßt." Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Volizei-Amtes der Ltadt Leipzig. SS,so u . isoo a Aus der Geschichte der Tulpe. Von Konrad Münch. NaLdruik vir^oUn. Die Feldtulpe ist eine unserer zeitigsten Frühlingsblumen. Mit ihren bunten Blüthen schmückt sie gar lustig die sich nur langsam belebende Flur. Einen weiten Weg mußte sie zurück legen, um in unsere nördlichen Striche zu gelangen. Denn ihre Heimath ist der sonnige Orient; von da aus ist sie dann nach den Mittelmeerländern gewandert, aber erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ist sie nach England und Schweden, nach Rußland und Frankreich vorgedrungen. Die allgemeine Vorliebe für die Tulpe als Modeblume hat damals auch auf die bescheidene und an Reizen nicht eben überreiche Feldtulpe die Aufmerksamkeit gelenkt, und um der Vollständigkeit der Collection halber cultivirten di« Liebhaber auch sie in ihren Tulpengärten. Die Heimath der Feldtulpe war der Orient, und dort hinter ließ sie auch den feineren Theil ihrer Familie, die in köstlichen und mannigfaltigen Farbcnvariationen prangende Gartentulpe, die den Wanderzug der bescheideneren Verwandten nicht mit machte. Dennoch war r» eine eigenthümliche Fügung, daß auch die vornehme Gartentulp« später den „Zug nach dem Westen" antreten sollt«, und di« Umstände, die diese Wanderung be gleiteten, haben sie ja zu einer kulturgeschichtlich besonders merk würdigen Blume gemacht und ihr einen gewissen Nimbus ver liehen. Denn an dies« Blume hat sich «ine leidenschaftliche Toll heit, ein Rausch, ein großartiger Schwindel und schließlich eine Katastrophe geknüpft, — ein ganzes Drama um ein zartes Kind FloraS. Bevor wir auf diese» Drama eingehen, werfen wir erst einen Blick auf die Verhältnisse d«r Tulpe in ihrer orientalischen Heimath. Die Türken waren keineswegs «in blos zerstörendes Volk, sondern haben uns auch mancherlei Neues gebracht, und ganz be sonder« müssen sie al« große Freund« von Bäumen und Blumen gelten. Ihre herrlich gepflegten FriedhofShainr sind bis zum heutigenTage mit Recht berühmt; und wer die griechisch-türkischen Grenzlandschaften bereist, der unterscheidet da« türkische Dorf vom griechischen leicht durch seine fromm geschonten und sorglich gepflegten schönen Bäum«. Ihrer Blumenzucht aber verdanken wir u. A. den Flieder, die Hyazinth«, die Kaiserkrone, die Gartenranunkel und vor Allem die Tulpe. Die Tulpe (von den Türken Isis, von den Persern aber äulbeuä genannt, woher dann unser Wort stammt) darf so recht al» die Liebling»blume der Türken bezeichnet werden; in den kurzen, heftigen Sommern Turkestan« sind auf trockenen, fast ununterbrochen vom Lichte der Sonne g«trosfenen Haiden diese farbigen stolzen Blumen wohl zuerst erblüht; und als die Türken siegreich in neue westliche Länder vordranqen, wollten sie diese, ihre HeimathSblume, nicht entbehren und führten sie überall in ihre Gärten «in. Wie hoch die Tulpenzucht bei ihnen sich entwickelt hat, beweist u. A. der Umstand, daß eine dieser Blume gewidmete türkische Schrift nicht weniger al» 1223 Sorten auffuhrt. Ein großer Tulpen s. den Dieben durch Aussaat vervielfältigt und so waren binnen verhältnißmäßig kurzer Zeit alle 17 Provinzen der Republik mit Tulpen versorgt. Mit dem 17. Jahrhundert brach dann die große Blüthezeit der holländischen Tulpencultur an; bis in die abgelegensten Winkel von Holland und Flandern verbreitete sich die Tulpenliebhaberei, die Sorten vermehrten sich rasch, zahlreiche Kataloge und Bilderwerke zeugen von dem unglaublich schnell steigenden und Alle ergreifenden Eifer für die Zucht der Modeblume. Ein holländischer Garten ohne Tulpen wurde zu einer Rarität, einem Undinge; die hauptsächlichen Liebhaber aber waren natürlich reiche Leute, wie z. B. der Pensionär der Stadt Amsterdam, Or. Adrian Paauw, der auf seinem Herrensitze Heemstedr bei Hartem einen Hof voll verschiedener Tulpen hatte, in dessen Mitte ein ringsum mit Spiegeln versehenes Cabinet war, in welchem alle diese Blumen ihr Bild reflectirten. Das war dann für die Zeitgenossen das wahre Bild eines „königlichen Sitze«". Die ganze Tulpenleidenschaft kennzeichnete sich von vorn herein dadurch als eine Art Sammlermanie, daß sie sich auf das Seltene, nicht aber auf das Schöne warf. Da die aus der Türkei gezogenen Blumen gewöhnlich spitzblätterig, roth oder gelb ge flammt waren, so wurden die Tulpen mit anderen Farbennüancen und stumpfen, gerundeten Blättern der Gegenstand eifrigster Pfleg« und fanatischen Verlangens. Den ersten Rang räumte man den Tulpen mit weißem Grund« und mit lackrother oder violetter, scharf gezeichneter Streifung zu; unter ihnen war wiederum die 8emper ^uzrustu« der König, der Gegenstand des Neide» aller Blumisten. Ihr Ideal jedoch war eine rein blaue Tulpe, und di« vermochte man aller Anstrengungen unerachtet nicht zu erzeugen. Mit Eifersucht forschten die verschiedenen Züchter und Gesellschaften nach dem Besitze ihrer Nebenbuhler, und di« Freund« von 8smper ^uzrrmtus erklärten, als sie er fuhren, daß eS in Köln eine Tulpe „Hoogh Orangle", schön weiß geflammt mit blauem Grunde gebe, empört, daß dies ein Schwindel sei; nur ein Blatt davon wolle man sehen und dann dies« Sorte gern al- den Monarchen aller Blumen anerkennen. Die Tulpenpreise erreichten schon im ersten Viertel der sieb zehnten Jahrhundert» eine enorme Höhe. Es wurden da für ein« 8empor ^ri^rmtus 1000 Gulden gezahlt, für zwei Zwiebeln ein mal 3000, für zehn 12 000 Gulden geboten, ohne daß da« Gebot angenommen worden wäre. Damals soll es geschehen sein, daß ein Matrose zu einem ihm vorgesetzten Hering eine kostbare Tulpenzwiebel verspeiste und sein Frühstück daher ihrem Besitzer so kheuer kam, als hätte er den Prinzen von Oranlen bewirthet. Und noch war di« Modenarrheit fortwährend im Steigen. Die reichen Herren beschenkten ihre Geliebten mit den theurrsten Tulpen und in Pari» kam die Sitte -mf, diese Blumen mit aus geschnittenen Kleidern an der Brust zu trag«». Kein Wunder, daß zahlreich« Leute den Gedanken faßten, sich an dieser Mode zu bereichern. Leicht genug war ja die Tulpenzucht und di« Erzielung neuer Sorten, ein große» Capital war nicht nöthig, ein Gärtchen und ein paar einfarbige Tulpen, die gar nicht so viel kosteten, — da» war Alle», dessen man benöthigte, um die Chance eines großen und schnellen Gewinnes zu haben. Und so verließen Diele ihr Handwerk und ihren Beruf, wandten sich dem Blumenhandel und der Blumenzucht zu und scheuten sich nicht, Bezugs-Preis k der Hauptexpedition oder den im Stadt- bezirk und den Vororten errichteten AuS- oabestellen adgeholt: vierteljährliche»4.Ü0, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Haus b.üO. Durch dir Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertellährlich 6.—. Direct» tägliche Kreuzbandsendung in« Au-land: monatlich ^ll 7.H0. xstlaueu. ,7S S. o .7S Ü. 7S 6. ,60 S. SO 6 so v. 2S 6. so S. 60 6- — 6. — S. 2S S. US S. « U. SS <1. lioo^os — ü iS ei. w s. — o. to a » tri.r i» o — o... o L 5 s. o o 82 » 8 Die Samoakrise. -- In der gestrigen Reich«tag«sihung ist die ange kündigte von nationalliberaler Seite angeregte Samoa-Inter pellation pünctlich eingebrachl und von dem Staatssekretär de- Auswärtigen von Bülow beantwortet worden. Wir geben den ausführlichen Bericht an anderer Stelle. Derselbe läßt erkennen, daß Herr v. Bülow, wie wir uns dessen stet« von ihm versehen haben, die Angelegenheit in sehr ruhiger, klarer Weise erörtert bat, aber eSanFestigkeit und nationalem Selb st bewußt sein nicht hat mangeln lassen. Der angeb liche Conflict zwischen dem amerikanischen SchiffScomman- danten Kautz und dem des deutschen Kreuzers „Falke" scheidet für ihn vollständig auS, da keinerlei amtliche Nachrichten darüber eingelaufen sind und die Sache offenbar erlogen ist. Im Uebrigen sind die Vorstellungen, die deutscherseits nach London und Washington gerichtet worden sind, sehr bestimmte und nicht mißzuverstehende gewesen, und man hat mit ihnen schon unmittelbar nach dem Eintreten der Vertreter England« und Amerikas für den Thron prätendenten Tanu begonnen. Den verhafteten deutschen P l a n t a g en v e r w a l t e r, den v. Bülow mit uns für unschuldig hält, anlangend, ist von England gefordert worden, daß ihm nichts geschehe, wenn seine Unschuld erwiesen sei. Das correcte, auf sicherem Rechtsgrund fußende, von Schwächlichkeit weit entfernte Auftreten Deutschlands hat, wie v. Bülow mittheilte, den Erfolg gehabt, daß England schließlich doch noch die deutschen Vorschläge, welche in der Einstimmigkeit aller die Verhältnisse auf Samoa be treffenden Beschlüsse gipfeln, acceptirt bat. Die Ober commission wird also schleunigst zusammentreten und sich ohne Verzug an Ort und Stelle begeben. Ihre Beratbungen werden sich ja selbstverständlich nicht so glatt abwickeln und eS wird noch manches Hinderniß zu überwinden geben. So viel steht aber nach von Bülow'S Er klärungen jetzt schon fest: Deutschland nimmt nur eine Lösung an, die die Rechte Deutschlands un geschmälert läßt und empfindet die unverkürzte Aufrechterhaltung der coutractmäßigen Rechte als Nation ale Ehrensache. Deutlicher konnte der Staatssekretair nicht auS der Seele des deutschen Volkes sprechen. Wenn die nationalen Angst meier, welche während der letzten Wochen dem patriotischen Empfinden nicht genug Dämpfer aufietzen und Zügel anlegen konnten, gehofft hatten, v. Bülow werde die „chauvinistischen Fanfarenbläser" deSavouiren und eine Chamade intoniren, so sehen sie sich gründlichst enttäuscht. Wie übrigens die „Franks. Ztg." von besonderer, gut unterrichteter Seite erfahren haben will, wird alle Schuld, daß die Dinge auf Samoa soweit gekommen, in London Salisbury zugeschrieben, der, ohne in London I liegt vielmehr der Erwägung. Die Meldung, Salisbury habe einen Bevollmächtigten zu hinterlassen, nach Beaulieu gereist I daS Princip der Einstimmigkeit ohne jeden Vorbehalt an ist und dort die Sache ganz dilatorisch behandelt i genommen, kann deshalb nicht als richtig angenommen werden. ! US d.0. 2S U» »vl 6. V.Ü6L K I - -L I o. 7V K.0. 7S S. SS t»S. »ol .40 v. »ül 7S 6. «».Le« LI 2» S. 80 6. 2S tl. SO 6. so a. »Ü I — g. »lll 7V S. SO 6». — L -
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