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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.04.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990417026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899041702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899041702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-04
- Tag1899-04-17
- Monat1899-04
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Ue Morgen-AaSgabr erscheint v» '/»7 Uhr. di» Abend-Nll-gabr Wochentag» ma b Uhr. Vr-artto« »d LneLitio«: A»tzan»i»«aß< 8. Die Expedition ist Wochentag« unnnterbroche» geöffnet von früh ö bi» »beods 7 Uhr, Fittale«: Vit« Sle»m's Lorttm. (Alfred Hahnt, UniverfitÜtSstraße 3 (Paulinumz. Laut« Lösche, Katharinenstr. 14, Part, »nd Küntgsplatz 7. BezugS'PreiS ch d« hauptexpedition oder de« km Vtadt- dezirt und den Vororten errichteten AuS- ßabesteven obgeholt: vierteljährlich ^1 ».SO, bei zweimaliger täglicher Znstellnng in« Hau« ^l b-bO. Durch dt« Post bezöge« für Dentschla^ und Oesterreich: viert« tiadrlich ^l S.—. Dtrrcte tägliche Kreuzbandsenbung tu« Uusland: monatlich 7.LO. Abend-Ausgabe. KpMcr.TagMM Anzeiger. Ämlsblatt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamrn unter dem Redaction-strich («ge spalten) bO^tz, vor den Familiennachrichtea (Kgespalteat 40 »z. Größere Schriften laut unserem Preis- vrrzeichniß. Tabellarischer und Zifferasatz uach höherem Daris. Extra-Beilage« (gefalzt), «,r mit de» Morgen-Ausgabe, ohne Poftbefürderuag SL—, mit Postbefürderung 70.—. Ännahmeschlvß für Anzeige«: Abend-Ausgab«: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» «Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je »ine halb« Stund« frutzer. Anzeigru stad stets an di« Gxpedtttan zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» kn Leipzig. 193. Montag den 17. April 1899. 83. Jahrgang, Ver Eindruck der Lede Worv's. -»-Nach zwei Seite» hin ist der Erfolg der Red« Bülow'S und der Haltung der deutschen Presse un verkennbar und in die Augen springend. Einmal hat Eng land sich grnvthigt gesehen, nachzugeben und den deutschen Standpunkt als den richtigen anzuerkennen, was uns nicht nur zu unserem Rechte aus Samoa verhelfen wird, sondern auch das bedrohte Prestige Deutschlands erheblich zu stärken geergnet ist. Dana aber — und da» erscheint uns fast noch wichtiger — dürfen wir «inen entschiedenen Umschwung der Stimmung in den Vereinigten Staaten zu Gunsten Deut chland» als Folge unsere» ruhigen, sicheren Auftretens begrüßen. Zum Beweise hierfür nur einige New Aorker Preßstimmen: * New York, 16. April. Di« Blätter sprech,» sich befriedigt über hi« Vereinbarung in der Samoafrage au». All« geben die Rede LeS Staatssekretärs v. Bülow wieder. Die „Evening Post" sagt, die Red« z«ug« von Klarheit, Frrimüthigkeit und Selbstachtung. Wenn solcher Seist in Berlin herrsch«, so seien keine ernsten Wirren zu befürchten. Senator Davi», der Borsitzende de» SenatS-Au-schusse- für auswärtige An gelegenheiten, erklärt« in einem Interview, die Wohlfahrt der Welt erheische die Einigkeit Deutschlands, England» (?) und der Vereinigten Staate«; die gegenwärtige Reibung möge zur Knüpfung dieser mächtigen Dreiheit im Interesse de» Frieden» und der Cultur führen. * New Vork, 16. April. Der Red« de» Staatssekretärs v. Bülow über Samoa wird durch die „Associated Preß" hohe Anerkennung gezollt. Di« „New Korker Staatszeitung" führt in einem Leitartikel au», die Rede zeig« den wohlthuenden Gegensatz der Offenheit und Geradheit der deutschen Politik gegenüber der unklaren Haltung Englands. Weiter rühmt di» „Staatszettung" die Einmüthigkeit, mit der sich im Reichstage alle Parteien in der Samoafrage hinter die Regierung stellten. Sehr zu beachten ist dabei „das Mißtrauen, vaS in der angesehenen „New Korker Staat-zritung" gegen Eng land zu Tage tritt, dessen Hinterhältigkeiten und Quer treibereien gegen Deutschland schon während des spanisch amerikanischen Krieges in Washington verstimmt haben. Ganz anders ist der Eindruck der Rede unsere» Staats sekretär» in Englanv. Nur der „Standard" erklärt die Rede für ein parlamentarisch-oratorischeS Meisterstück und die „Times" erklären, sie gebe keinen Anlaß zu irgend welchem Groll, sonst aber sind der Aerger und die Verblüffung über die energische und doch gemäßigte Sprache des deut schen Regierung-Vertreters unverkennbar. Die aus führlichen, den ganzen Inhalt der Rede, wiedergebenden „Reuter"-Telegramme lassen keinen Zweifel darüber, daß sie hauptsächlich bezweckte, gewissen in der letzten Zeit hervor getretenen auswärtigen Tendenzen gegenüber öffentlich zum ossiciellen Ausdruck zu bringen, daß Deutschland nicht ge sonnen sei, sich etwas gefallen zu lassen. Die Privatberichte der Londoner Blätter dagegen suchen durch unehrliche Weglassungen den Eindruck zu erwecken, als habe Herr von Bülow vornehmlich übertriebene Aussprüche der Kreise zurück weisen wollen, die die englische Presse mit naiver Selbst- Persiflage deutsche IingoeS nennt. Trotzdem wird un kluger Weise der Eindruck der Rede auf den Reichstag nach Möglichkeit todtgeschwiegen, nur der „Standard" hebt her vor, daß sie vom ganzen Hause mit großem Beifall aus ¬ genommen wurde. Die „Morninz Post", welche meint, der Nachdruck hätte wohl mehr auf das „loyale Entgegenkommen Englands" und Amerikas und weniger auf das starre Festhalten an der eigenen Auffassung gelegt werden sollen, treibt die Ver- logenheit so weit, zu behaupten, der Reichstag habe nur passive Befriedigung gezeigt. Andererseits insinuirt das zuerst genannte Blatt dem Staatssekretär, der Tenor seiner Rede sei wesent lich durch die Nothwendigkeit bestimmt worden, dem Parla ment zu Gefallen zu sprechen. Am unangenehmsten berührt, wie den „Berl. N. N." berichtet wird, in London offenbar, daß die Rede bei aller Festigkeit durchaus maßvoll ist und keinerlei politische Angriffspuncte bietet. Nur «ine ganz vereinzelte Stimme wirft ihr stellenweise zu kriegerischen Ton vor. Nun, hoffentlich lernen jetzt immer weitere Kreise in Deutschland einsehen, daß aufrichtige Freundschaft für unS in England nie zu holen ist und daß die „Petersburger Zeitung" die Lage vollkommen richtig beurtheilt, wenn sie schreibt, eS handle sich nicht um ein zufälliges Mißverständ- niß, sondern um einen von England mit Absicht her bei- geführten Conflict, der von langer Hand vorbereitet und nach einem festen Plan ausgeführt sei. Es sei nur ein recht geringfügiger, aber ein uni so charakteristischerer Anlaß gewesen, der die deutsche Politik überzeugen mußte, wa» die Engländer unter Freundschaft und gegenseitigem Vertrauen verstehen. Ueber die Aussichten auf eine Verständigung zwischen den Mitgliedern der nach Samoa zu entsendenden Ober commission sowohl wie zwischen den drei Regierungen giebt ein Interview eines Specialcorrespondenten de» „New Kork Herald" mit dem Staatssekretär v. Bülow Ausschuß. Dem „Berl. Tagebl." zufolge hat daS New Korker Blatt folgenden Bericht darüber erhalten: „In der kurzen Unterhaltung» die ich mit dem Staatssekretär über die Samoa-Frage hatte, sagte dieser: „Ich bin überzeugt, daß wir jetzt auf den besten Weg zu einer vollständigen friedlichen Verständigung gelangt sind. Sie dürfen ruhig sagen, daß die allgemeine Meinung in Berlin dahin geht, daß die amerikanische Regierung durch ihr weises und, staatS- mänuisches Verhalten viel dazu beigetragen hat, di« Dinge zu jener befriedigenden Erledigung zu bringen, zu der sie jetzt gelangt sind." „Haben Sie etwas über den Co ns ul Rose zu bemerken?" fragte ich. „Nein", antwortete Herr v. Bülow, „das ist eine Sache wie viele andere, über die sich die Mitglieder der Commission auS- einanderzusetzen haben." „Halten Sie es für wahrscheinlich, daß diese Commissionsmit glieder zu einer Verständigung gelangen werden?" Hierauf antwortete Herr v. Bülow mit vielem Nachdruck emphatisch: „Aber natürlich, denn ihre Instructionen sind so ab gefaßt, daß sie in versöhnlichster Weise mit einander ver handeln und Alle» thun sollen, um zu einer freundschaftlichen Ver- ständigung zu gelangen, und bei diesem Bestrebe« können sie ja gar nicht fehlgehen." Das beißt: vorausgesetzt, daß England nicht wieder mit doppelten Karten spielt. Wie uns aus New Kork unterm 15. April gemeldet wird, ist der Commissar der Vereinigten Staaten für Samoa, Bartlett-Tripp, zur Entgegennahme von Instructionen nach Washington berufen worden. Wie berichtet wird, haben die Regierungen die Bestimmung getroffen, daß die Eommissare schon vor ihrer Abreise nach Samoa in Washington gemeinsame Besprechungen haben sollen. Inzwischen wird aus Washington gemeldet: Die Lage auf Samoa beschäftigte am Freitag die Aufmerksamkeit deSCabinets. Hay unterbreitete den vollständigen Bericht über die Vorgänge auf Samoa, der in einem wichtigen Puncte von de» Zeitungs berichten abwricht, indem er die Haltung Deutschland» als gerechtfertigt darstellt. Es scheint, daß die drei Consuln an fänglich übereingekommen sind, die Anerkennung der Ent- scheidung von Chamber- abzulehnen und Mataafa alS König an zuerkennen. Al» Kautz ankam, erklärte er, der Berliner Bei trag sei verletzt. Nach einer Besprechung mit allen Bewilligten wurde zwischen dem amerikanischen und dem britischen Consul ver einbart, da» mit dem deutschen Consul getroffene Abkommen aufzuheben und Mataafa'S Regierung ouszulüsen mit dem Be merken, daß der erste Beschluß lediglich bezweckt habe, anarchische Zustände zu verhindern. Bestätigt sich, wie vorauSzusehen, diese die Vertreter Eng lands und der Bereinigten Staaten ins Unrecht setzende Meldung, dann dürften unter dem obigen Vorbehalt die Besprechungen der Eommissare schon in Europa einen wesent lichen Theil der Samoafrage erledigen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 17. April. Die Regelung der Thronfolge, di« für die vereinigten Herzogthümer Coburg-Gotha in Folge des Ablebens des Sohnes des regierenden Herzogs nothwendig geworden, hat staatsrechtlich inzwischen ihre Erledigung gefunden, und zwar durch Las von dem Staatsminister von Strenge im gemeinschaft lichen Landtag der Herzogthümer verlesene Schreiben, worin der jüngere Bruder des regierenden Herzogs, als der nach den Haus gesetzen des herzoglichen Hauses nächstberechtigte Agnat, erklärt, daß er als zur Thronfolge berufen, für sich und sein Haus bereit sei, „unsere Pflichten gegen die uns angestammten Herzogthümer Coburg und Gotha zu erfüllen", unterzeichnet „Arthur, Herzog von Connaught. Rom, den 6. April." Damit ist diese» An gelegenheit formal-staatsrechtlich vor der Hand erledigt, aber, wie die „Nat.-Lib. Corr." mit Recht betont, nicht in national- politischer Beziehung. Und zwar darum nicht, weil, genau wie bei der Thronbesteigung des jetzigen Herzogs Alfred, früheren Herzogs von Edinburg, im Jahre 1893, die englische Presse sich mit dieser Thronfolgefrage wieder in einer Weise beschäftigt, die das deutsche Nationalempfinden aufs Tiefste verletzen mutz. Man hätte meinen sollen, daß man aus den Vorkommnissen von 1893 in England etwas gelernt und daß man begriffen hätte, wie groß die Zumuthung an das deutsche Volk ist, sich ohne Weiteres damit abzufinden, daß ein Ausländer einen deutschen Thron lediglich kraft Hausgesetzrs besteigen kann, und wie unklug und wie wenig im Interesse des künftigen deutschen Bundesmitgliedes die hohle und dünkelhafte Ueberhebung ist, unter der gut bezahlte, aber recht wesenlose englische Staatsämter des betreffenden Prinzen mir deutschen Fürstenvorrechten und -Pflichten in Vergleich ge stellt werden. Statt dessen erneuert sich jetzt das alte Spiel, und zwar in einer für «inen künftigen deutschen Bundesfürsten, der niemand Anderem verpflichtet ist und Treue schuldet, als eben dem deutschen Reiche, sehr peinlichen Weise. So heißt es z. B. in englischen Blättern, der Herzog habe die Aussicht, Höchst- commandirender der Armee zu werden; man sei überrascht, daß er diese Aussicht mit dem Anspruch auf den Thron eines kleinen deutschen Herzogtums vertauschen tonnte. Dann wird folgende Verdächtigung laut: „Wären wir argwöhnisch hinsichtlich der Geheimnisse von Heer und Flotte, so dürften wir es als eine ernste Thatsache betrachten, daß der Herzog und sein Bruder weit gehende Kenntniß unserer Arrangements in beiden Departements, die sie schlechterdigs besitzen müssen, und di« sie zur Verfügung des deutschen Kriegsherrn zu stellen gezwungen werden dürften, mit sich nehmen!" Mit noch größerem Rechte hätte daS deutsche Reich Anlaß, argwöhnisch zu sein, beispielsweise darüber, daß der Herzog von Connaught in seinem Schreiben zwar der „Pflichten gegen die angestammten Herzogthümer", nicht aber der Pflichten gegen das deutsche Reich Erwähnung thut, was vielleicht „hausgesetzlich" nicht unbedingt geboten war, aber doch wohl einem künftigen deutschen Bundesfürsten sehr wohl angestanden hätte. „Wären wir argwöhnisch", dann dürften wir es weiter als rine sehr ernste Thatsache betrachten, daß in einem deutschen Bundes staate rin fürstlicher Hofhalt dauernd« Einrichtung wird, an dem man nicht deutsch, sondern englisch spricht, und der in dauernden Beziehungen zu England steht, obwohl der betreffende Bundes fürst nicht nur über die „Arrangements" und „Departements" der deutschen Armee und Flotte sich auf das Beste zu informiren im Stande ist, sondern auch, wie die übrigen Bundesfürsten, über die Absichten der deutschen Politik unterrichtet wird. Darum nehmen wir an, daß der künftig« Herzog von Coburg-Gotha so bald als möglich aus dem großbritannischen „Geheimen Staats rath" ausscheidet, wie es der Herzog von Edinburg allerdings erst gethan, als er den Thron bestiegen hatte. Denn da» unterliegt keinem Zweifel, daß die Pflichten der Zugehörigkeit -um englischen „Geheimen Staats rath" mit den Pflichten gegen die Herzogthümer, die durch die Pflichten gegen das Reich bedingt sind, in bedenklichen Gegensatz kommen können. Man denke nur daran, daß die Samoa-Angelegenheit sich in gefahrvoller Weise zu gespitzt hätte. Wenn um die nationale Wohlfahrt besorgte Or gane aus diesem Anlaß weiter gehen und in Erwägung ziehen, reichsgesetzlich einen Riegel vorzuschieben, daß fremdländische Unterthanrn jemals einen deutschen Thron besteigen können, so ist dies wohl zu begreifen. Ist es schon ein starke Zumuthung für deutsche Fürsten, sich aus solchem Anlaß im betheiligten Aus lande höhnischen Erörterungen ihrer Stellung als Souveräne uno Bundesmitglieder ausgesetzt zu sehen, so ist es nicht minder un erträglich für das deutsche Volk, sich jetzt nach seiner Einigung zu einem Staatswesen noch Dingen auszusetzen, die man früher allein mit der bundesstaatlichen Misör« zu entschuldigen ver mochte. ,, Das LiScipkinarverfahren gegen den „Genossen" vr. Leo Arons giebt natürlich der socialdemokratischen Presse Veranlassung, dem preußischen CultuSminister l)r. Bosse die gröbsten Vorwürfe zu machen. Auch einige bürgerliche Blätter schließen sich diesen Vor würfen an, wobei sie von der falschen Voraussetzung aus geben, das Verfahren sei eingeleitet worden, weil Or. Aron» Socialdemokrat sei. Diese Voraussetzung ist, wie gesagt, falsch. Wäre vr. AronS nicht socialdemokratischer Agitator und griffe nicht als solcher die bestehenden StaatSeinrichtuugen in öffentlichen Versammlungen in der gehässigsten Weise an^ so würde man ihn unbehelligt gelassen haben. Eine öffentliche Verhetzung kann die Regierung von einem Lehrer der Jugend um so weniger dulden, je weniger I der Betreffende sich scheut, Einrichtungen de» Staate- (Lehr- I saal, Licht, physikalische.Apparate rc.) gratis zu benutzen. Daß I eine vornehme Natur so nicht handeln würde, liegt auf der Hand. WSSSSSASSSSS———— FerriHetsir. Errungen. 6j Roman von M. Buchholtz. Nachdruck »rrbolm. Greta übersah sie gleichfalls vollkommen. Zu jeder der ver kaufenden Damen trat sie ab und zu heran, hier ließ sie einer eine kleine Erfrischung reichen, dort richtete sie an eine andere eine liebenswürdige Frage, nur Greta existirte anscheinend für sie nicht, obgleich e» ihren scharfen Blicken nicht entging, daß da» junge Mädchen augenscheinlich gefiel und trotz ihres Fremd seins gute Geschäfte mit ihren einfachen Sachen zu machen schien. Freilich sah sie niedlich aus, das gestand sich die Gräfin ein, aber ein hübsches Gesicht kann Geburt und Herkommen eines Menschen nicht vergessen lassen. Aber wer fragt bei einem flüchtigen Sechen nach Taufschein und Eltern, und besonders die Herren, die, das kennt man ja, sich am liebsten mit sogenannten Damen zweiter Güte, zu denen Greta in ihren Augen entschieden gehört«, sich gern amüsiren. Greta ahnte natürlich nichts von diesem Gefühl und den Ge danken, di« di« Gräfin über sie und ihre Eltern hegt«. Sie hatte ihrem Vater, der zu ihrem Erstaunen wirklich nach einiger Zeit an sie herangetreten war, versichert, sie amüsire sich schön und könnt« sich selber jetzt nicht begreifen, daß sie vor diesem Ver gnügen solche Scheu empfunden habe. Leo von Tarden hatte zu dieser Antwort seiner Tochter zer streut genickt und war dann gegangen, im Innern tief verstimmt, daß er sich hatte emfallen lassen, diese Gesellschaft, die ihm «inst nahe gestanden und in der er sich jetzt fremd fühlt«, wieder ausgesucht zu Hoden. Freilich traf er auch Menschen, mit denen er jetzt noch freundschaftlich verkehrte, zwar nur am dritten Ort, auf politischen Versammlungen, landwirthschaftlichen Vereinen und in den verschiedenen Club», denen er in B. angehört«. Aber alle diese Männer, di« ihn jetzt mit freundlichem Händedruck be grüßten, die hätte er «inst vor Jahren nicht ali seines Gleichen angesehen, al» Diejenigen, di« ihn jetzt mit förmlichem Gruß und einigen kühlen Worten abspeisten, ihn noch mit Freuden zu den Ihren zählten. Die Behandlung, di« er nach seiner Heirath erfahren, hatte ihn naturgemäß erbittern müssen. Seine politisch radicale Richtung hatte sich in dieser Zeit immer mehr entwickelt, und durch s«in« bedeutend« geistige Beanlagung hatte er sich bald zu einem Führer der radikalen Partei aufgeschwungen. Die An erkennung und Bewunderung, die die Männer aus dem Volke seinen Ansichten, seiner oft hinreißenden Redegabe zollten, hatten dazu beigetragen, ihn mit wilder Freude bei jeder Gelegenheit an den heiligsten Rechten seiner Standesgenossen rütteln zu lassen und ihre Ideen und Ansichten mit schonungslosem Spott zu geißeln. Es hatte denn auch nicht ausbleiben können, daß man bald mit einer gewissen Erbitterung diesen unbequemen politischen Gegner betrachtete, und sein zügelloses Leben, das ihn viel von Haus und Hof abwesend sein und seine Wirihschaft vernachlässigen ließ, zum Gegenstand abfälliger und stark ver urteilender Ausdrücke zu machen. Man lauerte ordentlich auf eine Gelegenheit, den unbequemen Gegner aus den gutsherrlichen politischen Aemtern, in denen er durch seine Partei überall Sitz und Stimme hatte, zu entfernen, und 'beschwor schließlich über das Handeln und Treiben Leo von Tarden's eine Dis- ciplinaruntersuchung herauf, die damit endigte, daß man ihm keine der ihm zur Last gelegten unehrenwerthen Handlungen beweisen konnte, und di« nur dazu beitrug, di« gegenseittge Er bitterung wo möglich noch zu steigern. Jahre waren seit jener Zeit vergangen, Jahre, in denen Leo von Tarden sich «ingeredet hatte, daß er nur zu wollen brauche, um alte Beziehungen wieder anzuknüpfen, und nun wurde er mit bitterer Enttäuschung gewahr, daß er diesen Menschen fremd geworden war und Keiner danach geizte, die halbvergessenen Beziehungen mit ihm zu erneuern. Der Landrath und Ritt meister von Raben waren die Einzigen, die ihm liebenswürdig begegneten; Letzterer hatte sich ihm vorstellen lassen, um ihm Elogen über Greta zu sagen. Nun, er war heute ebenso wenig wie einst der Mann dazu, sich hochmüthig behandeln zu lassen; er war lieber in der zweiten Gesellschaft der Erste, als in der ersten der Letzte. Er schalt sich selbst dumm, irgend Einem, und nun gar der hochmüthigen Gräfin, «in freundliches Wort gegönnt zu haben, er brauchte sie ebenso wenig, wie sie ihn. Gewaltsam bezwang er da» bittere Gefühl, das trotzdem in seiner Brust mit erneuter Gewalt Platz gegriffen hatte, setzte sich mit einigen bekannten Herren an einem der kleinen Tische nieder und führte bald bei einem guten Trunk und einer guten Cigarre das große Wort. Dir Kauflust hatte allmählich nachgelassen, und Hella, die sich bi» jetzt nicht von ihrem Platze gerührt hatte, bat nun «in ihr bekannte» junges Mädchen, sie für eine Weil« vertreten zu wollen, damit sie «inen kleinen Rundgang durch den Tarten machen könne. Der junge Fürst, der bis jetzt mit staunens- werther Beharrlichkeit nicht von ihrer Seite gewichen war, wurde huldvollst aufgefordert, sie zu begleiten. Prahl und einige andere ihrer Verehrer schlossen sich dem jungen Paar ohne besondere Aufforderung an und ließen sich glücklich an den wenigen Sonnenstrahlen genügen, die ihnen aus Hella's Huldsonne zu Theil wurden, mit der sie heute sonst nur voll und ganz Fürst Dietrich anstrahltc. „Ich bin stolz darauf", sagte der Fürst, indem er dicht an Hella's Seite einher schritt, „daß ich durch meine Beharrlichkeit nun auch an der Seite der gnädigen Comtesse mir die Wunder dieses Festes anschauen darf. Mit Geduld und Beharrlichkeit kommt man immer am weitesten." „Sicher, sch bin überzeugt, daß jeder Mensch Das erreicht, was er will; darum ist es weise, sein Ziel sich so hoch wie möglich zu stecken." „Aber nicht zu hoch, gnädige Comtesse", lachte der Fürst, „Ikarus fiel auch ins Meer, als er durchaus zur Sonne wollte!" „Ja, weil er es dumm anfing", entgegnete Hella und schürzte verächtlich die feinen Lippen, „weich muß man nicht werden, wenn man dem Glücke oder seinem Ziele zustrcbt." „Danach müßten ja di« härtesten und rücksichtslosen Menschen stets die glücklichsten werden", sagte Fürst Dietrich, „und doch sind die warmherzigen und sich mit Wenig begnügenden Menschen meist Li« glücklichsten." „So?" fragte Hella und sah etwas spöttisch Fürst Rahden an, „nun, ich muß gestehen, Durchlaucht, ich habe darauf nicht geachtet; ich glaube nur, daß Jeder seines Glückes Schmied ist und Jeder klug daran thut, vor Allem auf sein eigenes Wohl und Wehe bedacht zu sein. Ob da» nun sehr hübsch und weiblich ist, lass« ich Lochin gestellt, und nach Ihrem Gcsichtscrusldruck zu urtheilen, Durchlaucht, muß ich annehmrn, daß Sie meine Ansichten schauderhaft finden, aber —" Hella machte ein schmol lendes Mündchen, während ihre dunklen Augen den jungen Mann wie abbittend awschauten — „ich kann mich einmal nicht anders gebrn, wie ich bin, untd nicht ander» redett, wie ich fühle, selbst auf die Gefahr hin, von den Herren für ein ganz schrecklich egoistisches, unweibliches Mädchen gehalten zu werden." Diese Worte Hella'» riefen allgemeinen Widerspruch und «rneute Schmeicheleien d«r sie umgebenden Herren hervor, die sie mit silberhellem Lachen entgegennahm und beantwortet«. Ach nein, sie war im Grund« sehr weit entfernt, daran zu glauben, Jemattd könnt« Das, was sie sagte, nicht reizeikd firtden, und nun gar die kleine Durchlaucht, die mit förmlich anbetenden Blicken an ihr hing! Während di« klein« Gesellschaft sich plaudernd durch den Garten bewegte, scherzend und lachrnd, witzig moquant« Be ¬ merkungen über Diesen und Jenen, Dies und Das austauschend, mußte Fürst Dietrich daran denken, wie gut er sich heute amüsire, und wie empört er noch vor wenigen Wochen gewesen war, als sein Vater, der allerdings viel, sehr viel Geld für ihn schon bezahlt, bei einem erneuten bedeutenden Angriff auf seine Börse erklärt hatte, nun wäre damit genug. Er, Dietrich, müsse jetzt den Abschied nehmen, dem flotten Leben der Residenz Valet sagen und sich auf die Güter nach Preußen zurückzirhen, denn sein unsinnig vieles GelLausgrben hielte selbst der fürstliche Rrichthum nicht aus. Mit schwerem Herzen hatte er, als kein Bitten half, den bunten Rock ausgezogen, die Brücken, wie er sagte, hinter sich abgebrochen und auf seines Vaters Wunsch sich nach Schloß Rahdenau begeben, um dort in möglichst schlechter Stimmung als angehender Krautjunker sittsam und langweilig ein neues Leben zu beginnen. Vater und Mutter hatten ihn.daran erinnert, wie idyllisch Las alte Stammschloß der Familie am bewaldeten See läge uno was für glückliche Jahre sie selbst einst dort 'verlebt hätten. Fürst Dietrich hatte Lazu ungeduldig mit Len Schultern gezuckt und ge meint, er hege gar keine besondere Sympathie für alte Schlösser, noch weniger für das Landleben, und wenn nicht die Jagd wäre, die Vergnügen und Abwechselung verspräche, dann wüßte er schon heute, daß er nicht aushalten würde. Für di« Eltern, die damals jung verheirathet gewesen, wäre die Oed« eines winterlichen Landaufenthaltes auch nicht halb so schlimm, als für ihn, den unverheiratheten, an Vergnügungen aller Art gewöhnten jungen Mann. Nun, er könne ja heirathen, hatten darauf die Eltern ge meint, ihnenkönntcer nicht» Lioberes awthun, als ihnen ein« junge, schöne, vornehme Schwiegertochter zuzuführen; auf Reichthum brauche er nicht zu sehen, nur auf Familie. Zu dieser Bemerkung der Eltern hatte er laut gelacht und sarkastisch gemeint, daß er denn doch zu verwöhnt sei, um irgend ein Landgänschen, wenn es auch ein Dutzend oder mehr Ahnen hätte, zu heirathen. Nein, dafür danke er, e» überlaufe ihn jetzt schon eine Gänsehaut, wenn er sich «ine der ländlichen Schönheiten, unter denen er dort die Auswahl hätte, als seine zukünftige Gattin vorstellen sollte. Als seine Abreise dann herangekommen war, hatten ihm die Eltern Grüße an viele Familien aufgetragen, mit denen sie vor Jahren auf Schloß Rahdenau verkehrt hatten, besonders an Gräfin Zittberg, von der sein Vater heute noch mit Entzücken sprach, und ihm erzählte, die damalige Comtesse Walden wäre das liebreizendste Mädchen gewesen, da» er je gesehen. „Und sie hat eine Tochter", hatte die Mutter bedeutungsvoll hinzugefllgt, „die auch sehr schön sein soll, schreib» un» recht ge-
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