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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.04.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990420015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899042001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899042001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-04
- Tag1899-04-20
- Monat1899-04
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit bei Morgen-Ausgabe, ohne Postbcföroerung 60.—, mit Posrbesörderung 70.—. - Annahmeschluß für Anzeigen: Ab eud-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein» halb« Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Lcip-ig- 188. Donnerstag den 20. April 1899. 93. Jahrgang. Der unlautere Wettbewerb vor -en Gerichten. Dr. L. Bor Erlaß des Gesetzes zur Bekämpfung des un lauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896 erhoben sich viele an gesehen« Stimmen aus den Kreisen, besonders des Handels, welche befürchteten, daß dasselbe in wohlmeinender, aber unverständiger Handhabung auch das reelle Geschäft schädigen würde. Jetzt, nach- bem das Gesetz etwa drei Jahre, nämlich seit 1. Juli 1896, in Kraft ist, kann man sagen, daß Liese Befürchtungen nicht in Erfüllung gegangen sind. Völlig entgegengesetzte Klagen werden laut. Man behauptet, das Gesetz nütze nichts, der un lauter« Wettbewerb sei nicht oder nur unerheblich zurückgedrängt. Man fordert weitergehenden Schutz. Unser Gesetz gewährt be kanntlich nicht Len Gerichten di« Befugnih, nach ihrem freien Ermessen darüber zu befinden, ob eine Handlung des Wett bewerbs eine unlautere sei, oder nicht, im Gegensatz zu der fran zösischen Rechtsprechung, welche sich diese Freiheit selber geschaffen hat, ohne «rst auf ein ausdrückliches Gesetz zu warten. Das deutsche Gesetz zählt vielmehr nur einzelne, und zwar die damals bekanntesten Fälle des unlauteren Wettbewerbs auf. Es ergiebt sich aus dieser Beschränkung von selbst, daß die unlauteren Eon currenten andere Wege aufsuchen, an denen die Tafel „Ver botener Weg" einstweilen noch nicht aufgerichtet ist. Unsere Ge richte haben sich, wie zu erwarten war, str« ng in dem Sinne an Las Gesetz gehalten, daß sie dieses mehr in einschränkendem als in ausdehnendem Sinne angewendet Haden. Es ist dies wohl zum Theil eine Folge davon, daß unser Gesetz für besonders ver werfliche Fälle des unlauteren Wettbewerbs Geld- event, Ge- fängniß -Strafen androht, also nicht nur die Schadensersatz pflicht und die Pflicht zur Unterlassung. Ehe man bei uns die Gerichte um ihren Schutz anruft, muß man sich klar machen, daß es nur vier Gruppen des unlauteren Wettbewerbs sind, welche das Gesetz trifft, nämlich: die unwahre Reclame, die Verleumdung der Konkurrenz, die Aneignung einer fremden Geschäftsbezeichnung, den Barath von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen. Im Einzelnen set-hierzu aus den ergan genen Urtheilen Folgendes mitgetheilt: 1)UnwahreReelame. Die unwahren Angaben müssen „thatsächlicher" Art sein. Nichtssagende Anpreisungen fallen nicht unter das Gesetz, z. B.: Größte Auswahl, Billigste Preise, Beste Waare. In einem Falle aber, wo diesen Reklamen die beiden Worte „am Orte" hinzugefügt waren, ist in Folge der Klage einer Innung vom Amtsgericht auf Unterlassung dieser als un wahr nachgewiesenen Reclame bei Festsetzung «iner Strafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung erkannt worden. Der klagenden Innung gehörten die durch die Reclame getroffenen Handwerker überhaupt nicht an; das ist nach dem Gesetze aber auch nicht nöthig, sondern jeder, auch «in unbetheiligter Handwerkerverband, kann solche Klage anstrengen. Eine zweifellos „thatsächliche" An gabe enthielt z. B. die Reclame für das Fleckenreinigungsmittel „Opal". In den Bekanntmachungen wurde behauptet, daß Opal alle möglichen Flecke, insbesondere Fettflecke, entferne und keine Ränder, wie Benzin, hinterlasse. Beide Behauptungen erwiesen sich als unwahr, bei dem neuen Opal allerdings weniger als bei dem älteren. Das Gericht nahm auch an, daß der Fabrikant in Folge der vielen Beschwerden die Unwahrheit der Reclame kannte. Auf eine Klage mehrerer großen Firmin der Kleiderfärberei ist er deßhalb jetzt endgiltig zu 100 Geldstrafe und in die beträcht lichen Kosten verurtheilt. Bei Zumessung der Strafe hat das Gericht berücksichtigt, daß der Angeklagte wegen gleichen Vergehens nicht vorbestraft ist. Eine Schadensersatzklage steht den Färbern noch offen, wenn sie «inen Schaden durch das Opal irgendwie nachweisen können. Im engen Sinn« ist das Gesetz gegenüber dem Aus verkaufsschwindel angewendet worden. Hier ist nämlich von den Gerichten der zweifellos richtige Grundsatz angenommen, daß nur derjenige Ausverkauf unter das Gesetz falle, welcher zur Täuschung des Publikums benutzt werd«. Ein solcher liege vor, wenn Las ganze Waarenlager durch Nachschiebung von neu beschaffter Waare wieder ergänzt werde. Zulässig soll es aber sein, wenn Jemand, der einen Ausverkauf ankündigt, einzelne der auszuverkaufrnden Waarenposten nachschiebt, und zwar gangbare Artikel, di« nicht ausgehen dürfen, wenn nicht der Aus verkauf im Ganzen geschädigt werden solle. — Ob cs nicht im Interesse der klaren Unterscheidung der reellen von den unreellen Ausverkäufen hier geboten ist, die reellen Ausverkäuf« den etwai gen kleinen Nachtheil erleiden zu lassen, die gangbaren Artikel nicht mehr verkaufen zu können, ist eine Frag«, welch« der Er örterung in kaufmännischen Kreisen zu empfehlen wäre. Wenn man «inen Nachbezug zuläßt, so kann, zumal wenn man die außerdem stets vorhandene Möglichkeit «iner Sinnesänderung des AusvcrkäuferS berücksichtigt, der sein angeblich ernstliches Vor haben, daS Geschäft aufzulösen oder zu verlegen, jetzt aufgcgeben hat, der AuSverkaufsschwindel doch zu leicht fortgesetzt werden. — Mehrer« Entscheidungen liegen vor, wodurch Jemand, welcher „WaareneigenerAnfrrtigung" ankündigt, während er nur Händler ist, nicht nur zum Schadenersatz an die betheiligte Concurrenz, sondern auch zur Strafe verurtth«ilt ist. Eine Be strafung tritt bekanntlich überall dann ein, wenn die unwahre Reclame wider besseres Wissen erfolgt ist. — Schwankend ist die Rechtsprechung bei der Entlehnung von O r t S n a m e n zur Be zeichnung von Maaren. Ein Destillateur, welcher aus Aalborg in Dänemark eine Essenz bezog, die er mit Wasser und deutschem Sprit ganz nach dem Recept und unter Controle der dänischen Fabrik verarbeitete und als Aalborg-Tafel-Aquavit u. s. w. in den Handel brachte, ist des unlauteren Wettbewerbs schuldig be funden, weil, wenn auch die Qualität ganz dieselbe sei, doch das Publicum, welches dem echten Getränk den Vorzug giebt, ge täuscht w«rde. Betreffs der Bezeichnung „Pilsener Bier" stehen unsere Gerichte auf dem Standpunkte, daß es auf den Sprach gebrauch der betreffenden Gegend ankomme. Bezeichnet man dort so jedes nach Pilsener Art gebraute Bier — wie z. B. das Wort „Bayrisch Bier" nur ein nach bayrischer Art, nicht ein in Bayern gebrautes Bier bezeichnet — so sei die Bezeichnung auch für eine Brauerei außerhalb Pilsens statthaft, andernfalls nicht. Als „echtes" Pilsener dürfe aber nur ein in Pilsen selbst hergestelltes Bier bezeichnet werden. Das Oberlandesgericht Karlsruhe meint, die Bezeichnung „Wörishofener" sei zur Gattungsbezeichnung der jenigen Maaren geworden, die wirklich oder anscheinend im Sinne der Vorschriften Kneipp's hergestellt sind. Ohne Weiteres zustimmen kann man diesem Gericht darin, daß jeder seine Heilmittel als „nach Kneipp's System hergestellt" bezeichnen darf, wenn dies wirklich zutrifft, nicht nur solche Personen, welchen Kneipp das ausschließliche Recht hierzu eingeräumt habe, denn ein solches ausschließliches Recht hat Kneipp selbst nicht gehabt. Berleumdungdes Concurrenten. Die Behaup tung, Jemand habe schon einmal Bankrott gemacht, enthält nach Ansicht des Reichsgerichts stets eine Schädigung desselben, da der Bankrott, auch wenn er unverschuldet sei, doch im gewissen Grade einen sittlichen Makel zur Folge habe. — Nachtheilige Aeuße- rungen über den Concurenten machen nach dem Gesetz dann nicht haftpflichtig, wenn der Fragesteller oder Derjenige, welcher die falsche Auskunft ertheilt hat, ein berechtigtes Interesse daran hat. Dadurch sollte die Auskunftsertheilung geschützt wer den. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die unwahre Mitthei lung eines Reisenden an einen von ihm ausgesuchten Handwerks meister, daß dessen bisheriger Lieferant pleite sei, als berechtigt aufgefaßt worden, weil der Reisende im guten Glauben gewesen und der Kaufmann ein Interesse daran gehabt habe, zu wissen, ob er den Vertreter des bisherigen Lieferanten noch erwarten könne oder nicht. — Die gewerblichen Verbände sind wegen Verleumdung, vielleicht sämmtlicher Geschäftsleute einer Stadt, sie lieferten schlechtere Maaren als das annoncirende Ge schäft, nicht tlagberechtigt, wenn die Reclame des Geschäftsin habers, daß z. B. seine Schuhe Lederkappen und -Sohlen hätten, wahr ist. Gegen die erhobene Beschuldigung, daß ihre Sohlen und Kappen von Pappe wären, müssen die Betheiligten selber klag bar werden. Aneignung einer fremden Geschäftsbezeich nung. An einer Geschäftsbezeichnung hat Derjenige, der sie an genommen hat, keineswegs ein ausschließliches Benutzungsrecht. Das Gesetz schützt ihn nur dann, wenn ein Anderer die gleiche Be zeichnung zu dem Zwecke annimmt, Verwechselungen hervorzu rufen. In dieser Erwägung ist in dem Falle, wo eine Gastwirth- schaft vor der Stadt sich die gleiche Bezeichnung beilegte, wie eine alte in der Mitte der Stadt belegene Wirthschaft, die Klage auf Unterlassung der Fortführung der Bezeichnung abgewiesen. Ebenso ist es geschehen, als ein monatlich nur zweimal erscheinen des, an die Mitglieder eines geschlossenen Personenkreises ver sandtes Anzeigen- und Unterhaltungsblatt sich den Titel einer politischen Tageszeitung beilegt«, aber beide Blätter in Umfang, Druck und Ausstattung verschieden waren. Hingegen ist A b- sicht der Verwechselung anerkannt, als neben dem Buche „Brehm's Thierloben" von «iner fremden Firma ein Buch „Der kleine Brehm" h«rausgegeben wurde, und ebenso, als der Titel „Die Modenwelt" von den Blättern: „Die kleine Modenwelt" und „Die groß« Modenwclt" nachgeahmt wurde. In diesen Fäl len war schon vor Inkrafttreten des Gesetzes die Nach ahmung erfolgt, wurde aber während der Geltung des Gesetzes fortgesetzt. Der „Kleine Brehm" wurde verboten, hingegen die kleine und die große Modenwelt nicht, weil das Gericht annahm, der Unterschied dieser beiden Nachahmungen von der „Moden welt" sei inzwischen dem Publicum bekannt geworden, so daß nach Jnkrafltre:«» des Gesetzes keine Verwechselungsgefahr mehr vorliege. Die ersten buchhändlerischen Vereine haben sich im ent gegengesetzten Sinne ausgesprochen. Die Gerichte entschieden aber nach ihrem eignen Wissen, was in einer rein thatsächliche», ihrem Berufskreise fernliegenden Frage höchst bedauerlich ist, da es die Entfremdung zwischen dem Rechtsgefühl der Bevölkerung und der Rechtsprechung vergrößert. D«r Verrathvon Geschäfts- oderBetriebs» g e h e i m n i s s e n. Es ist nicht erforderlich, daß es sich um rin völlig neues Verfahren handelt, auch «in vereinzelt bekannte» Verfahren wird geschützt, wenn es in dem betreffenden Betriebe als Geheimniß behandelt wird. Die Mittheilung muß zu Zwecken des Wettbewerbes geschehen; eine Strafbarkeit liegt also nicht vor, wenn ein Angestellter die Mittheilung Jemand macht, der das Geheimniß schon von dem Geschäftsinhaber selbst erfah ren hat. Ein Geschäftsgeheimniß verrathen kann auch, wer die- selber nicht kennt, z. B. ein Cassenbote, der einem Concurrenten die Kundenliste Abends nach Geschäftsschluß für eine Nacht über bringt. Der Concurrent und der Cassenbote sind verurtheilt worden. Deutsches Reich. * Leipzig, 19. April. Die Generalversammlung deö nationalliberalen Vereins für daS König reich Sachsen wird voraussichtlich Sonntag, den 4. Juni, stattfinden. Die Tagesordnung wird die durch daS ab- aeänterte Vereinsgesetz bedingte Neuorganisation der Partei bilden. L. Leipzig, 19. April. (Weiße Raben unter den „Genossen".) Die Praxis der socialdemokratischen Agi tatoren, für die L a g e d e r Arbeiter ausschließlich die capi- talistische Wirthschaftsordnung verantwortlich zu machen, jeden Nothfall auf letzter« allein zurückzusiühren, die Frage nach der persönlichen Schuld des Einzelnen aber gar nicht aufzuwerfen, ist in sehr wirksamer Weise von den „Genossen" inCotta bei Dresden beleuchtet worden. Sie hielten jüngst eine Ver sammlung ab, über welche die „Sachs. Arbeiterztg." wörtlich wie folgt berichtet: „Eine lebhafte Discufsion entspann sich über den Beschluß des Gemeinderathes, welchem auchunsere Ver treter zugestimmt hatten, nämlich die nachweislich böswilligen Steuerrestanten — «S sind 179 m ci st junge unverheirathete Leut« von 17 bis 30 Jahren —, bei welchen mehrmalige Pfändung erfolglos war, zu ver öffentlichten und diese Listen den Gemeindevertretern, Restaura teuren und Schutzleuten zuzustellen. Bemerkt sei noch, daß diese Restanten zum Theil besseren Verdien st haben, als mancher Familienvater, welcher ge zwungen ist, die ausfallenden Stouerbeträge mit decken zu helfen Es sind gegenwärtig in Cotta gegen 300 Einwohner, bei wel chen die Pfändung erfolglos war, die Familienväter mit drei und mehr Kindern sind von der Veröffentlichung ausgenommen worden. Die Gemeindevertreter erklärten, daß man ja über diese Angelegenheit getheilter Meinung sein könnte und bei reif licher Ueberlegung man vielleicht anders gestimmt haben würde. Die Mehrzahl der Versammelten war jedoch nicht sonder lich erbaut von dem Gedanken, für diese Leute, welche meist ein recht nobles Auftreten zur Schau tragen, die Steuern mit zu zahlen." — Es wird Niemand behaupten wollen, daß nur in Cotta unter den erfolglos Gepfändeten beinahe zwei Drittel böswilliger Steuerrestanten sind: die Cottaer Verhältnisse sind für ein«n großen Theil Deutschlands mehr oder weniger typisch. Ganz umd gar nicht typisch dagegen ist das Verhalten der Cottaer So cialdemokraten. Wo immer Klagen über die Vergnügungs- und Verschwendungssucht der Arbeiter laut werden, da halten die socialdemokratische Presse und die focialdemokratkschen Agita tor«» den Liederlichen die Stange. Deshalb dürfen die Cottaer „Genoss«n"«ssich als Verdienst anrechnen, daß sic — freilich unter dem Druck harter Thatsachcn und zum Vorcheil d«s eigenen Geldbeutels — der Wahrheit die Ehre gaben. -2- Berlin, 19. April. (Wiedereinführung der Erb pacht.) Nach einer Meldung der „Deutschen TaaeSztg." beabsichtigen die Herrenhausmitglieder von Below-SaleSke, Frbr. von Manteuffel und Graf Mirbach zunächst der con- servativen Fraclion einen Antrag auf Wiedereinführung der Erbpacht (ErbzinSleihe) unter Berücksichtigung zeitgemäßer Formen zu unterbreiten. Da der Antrag seinem Wort laute nach nicht vorliegt, so ist eine kritische Stellung nahme zu demselben nicht möglich. Insoweit durch denselben ein Versuch gemacht werden soll, dem notorischen Arbeiterinangel im Bereiche der Landwirthschaft abzuhelfeu, wird man den Antrag, wenn er sich sonst den gegebenen Verhältnissen anpaßt, nur wohlwollend gegenübertreten können. Jedenfalls möchten wir jetzt schon daran erinnern, daß der Reichskanzler Fürst BiSmarck in dei Wiedereinführung der Erbpacht eines jener Mittel zu» Stärkung der Landwirthschaft und der wirthschaftlich besseren Vertheilung deS Grundbesitzes erblickte. In seiner großen Rede, die er am 14. Februar 1885 im Reichstage über den Osiseehandel und die Entwickelung Königsbergs, Danzigs, Memels und LiebauS hielt und die in den Worten auS- klang: „Gott erhalte den Grundbesitz", führte er unter An derem Folgendes auS: „Ich theil« den vorhin geäußerten Wunsch, daß di« Zahl der Grundbesitzer bei uns wesentlich vermehrt werde. (Sehr richtig! recht-.) Daß man Domänen verkauft, das ist ein Palliativmittel, welches in Pommern versucht ist; da» Hilst aber nicht. Wenn Sir die Erbpochtnicht ausgehoben hätten, wenn die gestattet wäre (sehr richtig!), so würden Sie sehr viele kleine erbliche Besitzer noch entstehen sehen. Aber das war ja damals eine von diesen demokratischen Befürchtungen; sie knüpfte sich an die Neigung, die leider in unseren Landsleuten steckt, — wenn es auch nur eia kleiner Procentsatz ist, der über haupt dieser geistigen Verirrung verfällt, — an die Neigung zum Bersolgungswahusinn, welche allerdings bei un» viel häufiger ist, alS bei anderen Nationen. So hat auch die Angst vor der Aristokratie, die da» mißbrauchen würde, den geradezu thörichten Beschluß veranlaßt, die Erbpacht auszuheben und die vor handenen mit solchen Sätzen abzulösen, daß eS sehr schwer sein wird,heutzutage einenErbverpächter zu rrmuthigen, daß er sich darauf ein läßt, gegenüber der Möglichkeit, daß die Gesetzgebung ihm mal wieder das, wa- er damit im Dienste der wirthschaftlich besseren Vertheilung des Grundbesitzes sich gesichert zu haben glaubte, für eine unzulängliche Entschädigung entzieht. Indessen dirRichtung glaube ich, sollte man doch begünstigen; namentlich bin ich Gegner aller Hindernisse der Parcellirung (Bravo I link«), dir unsere Gesetzgebung leider immer noch ausrecht erhält. Ich freue mich, wenn große Besitzungen zusammenbleiben. Aber di» Zahl der Grundbesitzer ist bei uns nicht genügend . . So weit Fürst BiSmarck, dessen Ausführungen sich in erster Linie gegen die Abgeordneten Rickert, Möller und Bebel richteten. Außer dieser gewichtigen Stellungnahme deS ersten Kanzlers spricht für den richtigen Grundgevanken des Antrages auf Wiedereinführung der Erbpacht die bissige Kritik, die der „Vorwärts" in Nr. 80 an demselben übt. Die planmäßige Schaffung lebenskräftiger Kleinbesitzer gehl den „Genossen" wider den Strich. Um so ernsthafter werden di« bürgerlichen Parteien der Prüfung dieser Frage näher treten müssen, sobald sie ihnen vorgelegt wird. (D Berlin, 19. April. (Telegramm.) Zur gestrigen Frübstücketafel bei dem Kaiscr-aar waren geladen Fürst und Fürstin Anton Radziwill und Oberst von Sckwartz- koppen. — Gestern Nachmittag besichtigte der Kaiser in Gegenwart des Geh. BaurathS Ihne die Marmorgrotlen im Weißen Saal des königl. Schlosses und unternahm darnach einen Spazierritt. — Heute Morgen nach 10 Uhr fuhr der Kaiser nach dem Potsdamer Bahnhof, um sich nach der Wart burg zur Jagd zu begeben. (-) Berlin, 19. April. (Telegramm.) Die Kaiserin Friedrich ist heute Vormittag von Venedig nach Verona abgereist. (-) Berlin, 19. April. (Telegramm.) Die „Nordd. Allg. Zlg." meldet: lieber die in der Baumann'schcn Schmäh schrift „Afrikanische Galgenskizzen" enthaltenen An schuldigungen gegen deutsche Colonialbeamte und Ossiciere wurden durch daS Gouvernement von Dar-eS-Salaam Er hebungen angestcllt, die ergaben, daß nicht der geringste Anlaß zu derartigen Verdächtigungen deutscher Beamten in Ostafrika vorliegt. Das Blatt führt verschiedene von Bau- FrrriHeton. Schaufenfterftudien eines Leipziger Naturforschers. Die Schaufenster der Droguen- und Delikatessenhandlungen, der Goldschmiede, Schreib- und Galanteriewaavenhändler, zu schweigen von denen jener Geschäfte, die Wild, Geflügel, Fische, Pelzverk, Schmuckfedern oder gar lebende Thiere und zubereibete Naturalien feilhalben, sie all« bilden zusammen «in großes Museum,daS Jedermann zugänglich ist, das aber nur von Wenigen genügend beachtet wird. Natürlich — denn nur sehr, sehr Wenig« wissen, was sie eigentlich sehen, di« meisten Beschauer sind froh, wenn sie den Namen der Dinge, die ihnen da ausgestellt sind, kennen und scheeren sich den f- f- -f darum, zu erfahren, was diese von Hau» au» sind, oder auS war für Stoffen sie bereitet wurden, wo man diese Stoff« findet, wie man sie gewinnt und wie man sie herricht«t, ehe sie da« wurden, als was sie vor uns liegen. Und doch ist es interessant und wohl der Müh« werth, das Alle» kennen zu lernen, und das Bewußtsein, daß dem so ist, und die Hoffnung, daß diel« Leipiger Mitbürg«rinnen und Mitbürger diese Meinung theilen werden, rrmuthigtrn mich zur Veröffentlich»« «iner Reih« von Aufsätzen, in denen Theil« des Inhalt» der Schaufenster unserer Stadt in naturwissenschaftlicher Hinsicht gewürdigt werden solle«. 1. Garnrelen. In den Auslagen unserer Delicateßhandlungen sieht man gar oft, besonders in der kühleren Jahreszeit, Schüsseln mit kleinen, meist hrllrothen KrcbSthierchen, die man hier in Leipzig und anderwärts ganz unverfroren aber ebenso falsch „Krabben" nennt. Es sind aber in der That Garnrelen und Garnat auch Granat, Krustenthier«, die dem Humm«r und unserem Flußkrebs weit näher, als gerade den Krabben verwandt sind, mit denen sie nur drei Haupteigenschaften theilen, nämlich, daß sie fünf Paar wirklicher Beine, einschließlich der Scheeren, ein Paar gestielter Augen und ein mit dem Kopf verwachsenes und mit ihm von einem gemeinsamen Panzer bedecktes Bruststück haben. Aber in dem Puncte, wegen dessen man sie feil bietet, Verhalten sie sich gerade umgekehrt wie die Krabben. Dieser Punct liegt aber in dem stark muskulösen Hinterleib, gemeinlich Schwanz genannt, den man allein von ihnen ißt, und der bei den Krabben zu einem ganz kleinen Anhang, an dem «S nichts zu beißen und zu schmausen giebt, herabgesunken ist. Auch beim Krebs und beim Hummer ist besagter Schwanz der beste und ergiebigste Happen, und darin stimmen sie mit Garnrelen und Garnat überein, sie Alle gehören zu den langschwänzigen, die wirklichen Krabben aber zu den kurzschwänzigen, zehnfüßigen Krustenthieren. Es sind verschiedene Arten von unsere Nord- und Osts«« be wohnenden Langschwänzern, di« den Namen Garneekn und Gar nat führen. Die Fischer und daS große Publicum unterscheiden sie nicht so genau, es kommt für sie auch herzlich wenig darauf an. Diese Arten sind: die echt« Garneel« (Oravxon vuignrt«), di« in der Nordsee größer und dunkler al» in der Osts«ist,drrkl«ineGarnat l?nl»smon ,<zutu») der sich auch in beiden Meeren findet, und dergroßeGarnat (La- laemoL 8srrutu8), der in der Ostsee fehlt. Die Unterschiede zwischen Garnrelen und Garnaten sind mehr für den Natur forscher als für den Feinschmecker berechnet: beide Gattung«» haben nämlich zwei Fühler jederseits, einen inneren und einen äußeren, bei den Garnrelen entspringen beide nebeneinander, bet den Garnaten der innere etwas höher als der äußere, bei jenen ist auch der „Schwanz" mehr walzig, bei diesen mehr zusammen gedrückt. Die echte Garneel«, auch Porr«, von den Franzosen In ore- vette, von den Engländern 8l>rimps genannt, ist an unseren Küsten die gemeinste Art, aber meiner Meinung nach die feinste und wohlschmeckendste, die im günstigen Falle nur 7,6 Centimeter lang wird. Di« Färbung ist im Leben sehr verschieden und ent spricht immer der der Umgebung, in der das Thierchen lebt und wird nach dem Kochen nicht roth, sondern, was bei Krustenthieren selten ist, hellgrau. Di« Garneele capricirt sich nicht auf sehr salziges Wasser, sie fühlt sich auch im brackischen ganz wohl, geht ohne Nachtheil selbst in süßes und ist daher in der Ostsee weit verbreitet. Die Nordseegarneele rst im ausgewachsenen Zustande etwas größer und etwas dunkler als die Form aus der Ostsee, was nicht an dem geringerenSalzgehalt dieser liegen kann, denn dir Exemplare, die bei Hamburg in ganz süßem Wasser leben, sind nicht kleiner, wi« die von den Küsten der friesischen Inseln, aber immer um «in Drittel größer als die auS der Ostsee. Wahr- scheinlich werden in den Verhältnissen der Ernährung, vielleicht anck> dir Temperatur oder der Bewegung de» Wasser» die Ur sachen dieser Verschiedenheit zu suchen sein. Die Garnerlen sind träge und stumpfsinnige Thiere, wie denn Trägheit und gering« Intelligenz im Thierrrich« und schließlich auch beim Obergeschöpf, dem Menschen, Hand in Hand zu gehen pflegen. Sie lieben einen pflanzcnarmen Untergrund von Sand und Schlamm, in den sie sich bei drohender Gefahr sofort ver scharren, anstatt sich auf ihre zweifrlhafte Schnelligkeit zu ver lassen und ihr Heil in der Flucht zu suchen, zum Verscharren aber sind sie immer schlau genug, dies verstehen die zum Obskurantismus neigenden Reaktionäre — sie können auch rückwärts schwimmen — meisterhaft. Zunächst graben sie sich, unterstützt durch ihre eigene Schwere, mit ihren Füßen in den im Wasser halb flottirenden Sand ein und decken dann mit ihren Fühlerenden weiter Sand über sich, chließlich lassen sie nur ihre gestielten Augen und ihre Fühler un bedeckt. Nichts ist für den scharfsichtigsten Menschen von der Gar neel« zu entdecken, sie selber aber lauert, bis die Gefahr sich ver zogen hat und di« Luft wieder rein ist, und arbeitet mit allen ihren Sinnen, nicht nur mit dem Gesicht, sondern auch mit Ge ruch und Gehör, deren Organe in den langen Fühlern ihren Sitz haben. Im Beginn des Frühjahr» erscheinen di« Garnrelen an den Küsten der Nordsee auf verschiedenen Altersstufen und oft in un glaublichen Mengen, und je weiter die Jahreszeit vorrückt, desto weiter begeben sie sich in das flache Wasser, oft genug zu ihrem Unheil, denn wenn bei Ebbe das Meer sich zurückzieht, bleiben sie bei Tausenden und Abertausende» hilflos auf dem Strande liegen, den sicheren Tod vor Auy«n. Ihre Nahrung besteht im Wattenmeer, das sie in ungeheuren Schaaren bevölkern, au» allerlei kleinen Thieren und Pflanzen,und aus den Abfällen grö- ßerer, durchaus nicht selten sogar au» dem an organischen Stoffen reichen Wattenschlick. Dann sieht man den von Schlamm erfüllten Darm dunkel durch den zarten Panzer schimmern,
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