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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.04.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990406023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899040602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899040602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-04
- Tag1899-04-06
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Theobald Ziegler, zur Zeit Rector der Universität Straßburg, in ver Kölner Halbmonatsschrift „Deutsche Stimmen* folgendermaßen au»: So sehr un» Schell per sönlich und menschlich interessirt und unsere Theilnabme wachruft, so ist doch zweierlei an seinem Falle weit über da» Persönliche hinaus von Wichtigkeit: einmal die Wahr Politische Tagesschau. * Leipzig,'6. April. Der Begründer der „Freis. Ztg.', Herr Eugen Richter, hat anscheinend die Osterruhe dazu benutzt, sich an dem Klatsch zu erbauen, den Moritz vusch schon im vorigen Jahre nach Euglaud verkauft und den er jetzt an einen Leipziger Verlag abgesetzt hat. Da- Entzücken der „Freis. Zeitung", die Buschiaden jetzt bequem in deutscher Sprache genießen zu köonnen, äußert sich in den Lob- sprüchru, mit denen sie da» Machwerk Busch'» überschüttet. Nicht nur erscheinen Busch'» Klatschereien der „Freis. Ztg." „durchaus wahrheitsgemäß", souvern die „Freis. Zig." ver steigt sich sogar zu der Behauptung, wa» Busch mittheile, sei in noch höherem Grade wahrheitsgemäß, als dasjenige, was Fürst BiSmarck selbst in seinen „Gedanken und Erinnerungen" hat veröffentlichen lass«n! E» widerstrebt uns, diese» groteske Urtheil, da- auf an gebliche AeußerungenLotharBucher'S sich stützt, durch Verweisung auf die Beurtheilung, die ein Schmoller, ein Kohl und viele andere berufene Gelehrte den Mrmoiren BiSmarck'S haben zu Theil werden lasten, in da- rechte Licht zu setzen. Aber daran wollen wir doch erinnern, daß die klerikale „Köln. BolkSztg." in ihrer Nr. 903 vom 15. October 1898 über Busch u. a. wörtlich geschrieben hat: „Als lautere Geschichts quelle wird Niemand das Werk von Moritz Busch be trachten. Niemand nimmt eS überhaupt in erster Linie deshalb in die Hand, um Geschichte daraus zu lernen." — Und noch eine tbatsächliche Berichtigung wollen wir nicht Unterlasten. Die „Freis. Zrg." sucht die Minderwerthigkeit der „Gedanken und Erinnerungen" im Hinblick auf ein angebliches Gespräch, daS Busch mit dem Fürsten Bismarck am 21. März 1891 geführt haben will, durch die Behauptung zu erweisen: offenbar habe Fürst BiSmarck damals die Veröffentlichung seiner Memoiren noch gar nicht beabsichtigt. Wir stellen dem gegenüber au» Horst Kohl's „Wegweiser durch BiS- marck'S Gedanken und Erinnerungen" fest, daß bereits am 6. Juli 1890 der Verlagsvertrag zwischen dem Fürsten BiSmarck und dem Vertreter der Cottastcheu Buchhandlung abgeschlossen war. — Fragt man nach den Motiven, welche die „Freis. Ztg." zur Herabsetzung de» BiSmarckstchen Werkes und zur Lobpreisung des Werkes Busch'S bewogen, so wird man sie wahrscheinlich in der Erkenntniß der „Freis. Ztg." zu suchen haben, daß Schmoller vollkommen Recht hatte, al» er von BiSmarck'S „Gedanken" schrieb: „Es ist ein Werk, besten Wirkung man kaum überschätzen kann. Es wird noch nach Jahrhunderten und Jahrtausenden gelesen und studirt werden." Der Haß, welcher die Macher der „Freis. Zeitung" gegen den Fürsten BiSmarck erfüllt, kann diese Wirkung Bismarck'schen Geistes nicht ertragen. Zugleich aber ist auch die Expedition der „Freis. Ztg." finanziell an dem Erfolge der Busch'schen Bücher betheiligt: dem fraglichen Artikel der „Freis. Ztg." ist zu entnehmen, daß Busch'S „Tage- bücher" auch durch die Expedition der „Freis. Ztg." bezogen werden können! nehmung, daß der Widerstand de« deutschen Geistes gegen das Römische in der katholischen Kirche immer kurzathmiaer, immer schwächer und aus sichtsloser wird. Auf der ganzen Linie ist im Laufe des 19. Jahrhunderts der JesuitiSmus und UltramontaniSmus Sieger geblieben, der berechtigte Anspruch der Deutschen, ihre freier« und feinern, mehr aufs Innere und Tiefere gerichteten Anschauungen innerhalb des Katholicismus geltend zu machen, sind zurückgewiesen und — man denke an HermeS, an Günther, an den AltkatholiciSmuS — zum Theil mit Gewalt niedergeschlagen worden. DaS ist für die katholische Religion und Kirche selbst ein schwerer Ausfall und eine empfindliche Einbuße; es ist aber auch politisch gefährlich für uns in Deutschland, wo da« Katholische immer mehr Trumpf wird, wenn diese« Katholische aufhört, ein Deutsche« zu sein. Da« andere, was un« der Fall Schell naheiegt, ist ein Speciellere«. Schell ist deutscher Universitätsprofessor. In Deutschland gilt, wenn auch nicht überall in derselben verfassungsmäßig bestätigten Weise wie in Preußen, daß die Wissenschaft und ihre Lehre frei sei; darauf beruht der Werth und die Geltung der deutschen Wissenschaft und der deutschen Universitäten nach innen wie nach außen. Und nun kommt eine auswärtige, undeutsche Macht, die für unS nicht faßbare und gänzlich unverantwortliche Jndexcongregation und vergewaltigt einen deutschen Hochschullehrer und zwingt ihn, das von ihm als richtig Erkannte und offen Bekannte feierlich zurückzunehmen. Daraus ergiebt sich, daß in den katholisch-theologischen Facultäten die Wissenschaft und ihreLehre nicht frei ist, und damit scheiden diese aus der auf Freiheit gestellten und auf Freiheit sich aufbauenden umversitus literarum auS, wenn sie ihr auch äußerlich noch eine Zeit lang angehören wie absterbende Glieder einem kräftig weiter lebenden Organismus. Auch das ist in erster Linie wieder ein Schaden für die Kirche selber. Für die Regierungen aber, die etwa die Neigung haben sollten, dem Drängen der katholischen Kirche nachzugebrn und auch in die philosophischen Facultäten Vertreter einer specifisch katholischen Geschichtswissenschaft oder Philosophie zu berufen, bedeutet der Fall Schell ein ernsthaftes Memento: es würden damit in einer und derselben Facultät Vertreter ganz ver schiedener Art, freie und unfreie, vereinigt, zwischen denen eS gerade daS nicht geben könnte, wa« die Universitäten zusammen hält, die Gemeinsamkeit wissenschaftlicher Arbeit und wissen schaftlichen Geistes. Und in welches Meer von Verlegenheiten Schell die bayerische Regierung gestürzt hätte, wenn er fest ge blieben wäre, daö kann man sich nach Vorgängen der neuesten Kirchengeschichte lebhaft vorstellen. Nun scheint man sich in London doch noch von der Zweck mäßigkeit des deutschen Vorschlages in der Samoafrage überzeugt zu haben. OfsiciöS wird nämlich gemeldet: Die diplomatischen Verhandlungen über die Samoaangelegenheit haben jetzt eine gemeinsame Grundlage ergeben, aus der eine weitere Verständigung zwischen den drei Mächten leichter erhofft werden kann. Alle drei Mächte halten daran fest, daß die Samoa-Acte noch in Kraft ist und nur durch einstimmige Beschlußfassung geändert werden kann. Ebenso sind sie sämmtlich der Ansicht, daß es für eine unbefangene Beurtheilung der jetzigen Lage sich empfiehlt, drei neue Vertreter nach Apia hinauszusenden, die eine schleunige Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung auf den Inseln herbeiführen und nach eingehender Prüfung der bisherigen Ereignisse den drei Regierungen Vorschläge unterbreiten sollen, um der Erneuerung ähnlicher Wirren vorzubeugen. Auf dieser Grund lage werden jetzt die weitern Verhandlungen zwischen Berlin, London und Washington gesührt werden. Auch von anderer Seite hören wir, e« sei nun zu er warten, daß die von den drei Mächten nach Samoa zu ent sendende Commission mit den Vollmachten ausgerüstet werde, die dem Geiste der Samoaacte entsprechen, daß sie also ein- m üt hig vorgehen und als geschloffene« Collegium die Sachlage und die Verhältnisse, die zu den Wirren geführt haben, prüfen kann. Auch aus praktischen Gründen werde eS nicht räthlich sein, die Commission nach dem MehrheitSprincip ent scheiden zu lasten. Wenn drei per wajoru entscheiden sollen, werde der dritte leicht majorisirt, und eS werde sicherlich Lord Salisbury nicht angenehm und der schiedlich-friedlichen Lösung nicht förderlich sein, wenn, was doch nicht unmöglich wäre, auf solche Weise der englische Vertreter in die Minderheit käme und auf diese Weise ins Unrecht ge setzt würde. Wir halten das Letztere nicht gerade für wahrscheinlich, glauben vielmehr, daß da« Auftreten des deutschen Staatssekretärs in seinen Unterredungen mit dem englichen Botschafter LaScelle« dem entschiedenen Tone ent sprochen hat, auf den die deutsche Presse in den letzten Tagen gestimmt war, und daß beide zusammen es der englischen Diplomatie doch haben räthlich erscheinen lasten, einzulenken. ES ist den Herren an der Themse sehr deutlich zu verstehen gegeben worden, daß Deutschland auch andere Wege gehen könnte, auf denen es sich sicher nicht allein finden würde, und da» dürfte gezogen haben. Was nun die Aufgaben der hohen Commission auf Samoa betrifft, so sind eS wohl vorwiegend zwei. Sie müßte, so schreibt der ofsiciöse „Hamb. Corr.", einmal prompt und rnerglich dafür sorgen, daß die öffentliche Ruhe und Sicherheit auf den Inseln wiederhergestellt würde. Die Funktionäre der Mächte, die gegenwärtig das Regiment führen, haben sich dazu außer Stande erwiesen. AuS den Streitigkeiten sind Vertragsbruch, Blutvergießen, Bombardement entstanden, und e« ist nicht übertrieben, wenn man behauptet, daß auf dem Wege der Gewalt, wie ihn die Engländer und Amerikaner beschritten haben, nicht zum Frieden zu gelangen ist. Die hohe Commission .würde also die den jetzigen Beamten nach dem Vertrage ver liehenen Gewalten aus sich übernehmen müssen, um die Wirren zu schlichten. Da sie selbstverständlich nur im Rahmen der Samoa-Acte, die von allen drei Regierungen al« rechtS- giltiger Boden ihrer Action angesehen wird, handeln kann, ist es ausgeschloffen, daß die Commission per mujora ent scheidet; ihre Beschlüsse müssen — und wir sahen, baß man darüber auch einig geworden ist — einstimmig gefaßt werden, wie daS dem Wesen eines Vertrages zwischen drei Contrahenten mit gleichen Rechten und Pflichten entspricht. Um ihren Hauptzweck zn erfüllen, wäre schon an sich eine unparteiische und gründliche Prüfung der Verhältnisse erforderlich, denn nur vavurch könnte sie auS dem jetzigen Labyrinth, das Eigenmächtig keit, Häuptlingspolitik, Starrsinn, Jntrigue und Gewaltthat geschaffen haben, den Weg zum Licht finden. Sodann aber wäre eine derartige Prüfung auch daS wirksamste Mittel, um für die Zukunft Richtpfähle aufzustecken, die den Weg zu einer dereinstigen Neuordnung der Dinge in Samoa bezeichnen könnten. Für den Augenblick freilich ist ein solches Werk nicht in Angriff zu nehmen, man wird froh sein müssen, wenn die leidige Angelegenheit auf dem Boden des gegen wärtigen Vertrages geschachtet wird. In Italien ist man noch immer sehr verschnupst über die englisch-französische Afrikaeonventio», die Frankreich außer anderen ungeheuren Gebieten auch da« Hinterland von Tripolis zuweist. Man sieht darin, wohl mit Recht, nichts Anderes als die erste Etappe auf einem Marsche, der Frankreich früher oder später von dem Hinterland an di« Küste führen, ihm langsam und sicher die ganze für Italien so überaus begebrenswerthe Provinz in die Hände spielen soll. Diese Aussicht ist für Italien um so fataler, als man stets insgeheim mit der Eventualität gerechnet hat, den tripolitanischen Brocken seiner Zeit von England für treue Dienste geschenkt zu bekommen. Und nun muß man es erleben, daß dasselbe Albion, dem man stets aufs Selbstloseste Vorspann geleistet, sich hinterrücks mit Frank reich abfindet und den Franzosen etwas überläßt, worauf die Italiener seit Jahrzehnten gehofft. Man ist wüthend auf Frankreich, dem man noch vor 14 Tagen den Hof machte, wie einer schönen Geliebten; man ist wüthend auf England, kleidet aber auS guten Gründen seinen Zorn in die vorsichtigsten Aeuße rungen. Endlich ist man wüthend auf den General-Sündenbock, den Dreibund, und zwar besonder« auf Deutschland. „Wir haben euch eure Landesgrenzen gegen Frankreich geschützt, haben euch den Besitz Elsaß-LothringenS garantiren helfen und zum Danke dafür laßt ihr un» unsere heiligsten Rechte im Mittelmeer verkümmern, gerade wie ihr . . . un« von Menelik hauen ließet." So etwa lautet da« Lamento des Mailänder „Corriere della Sera", der, wie viele seiner Genoffen, heute an dem Bunde mit Deutschland kein gutes Haar läßt. Kurz, die Italiener sind aus der Suche nach dem Sündenbock, der ihnen zu ihrer neuesten Enttäuschung verholfen. Mittlerweile haben sie sich dem platonischen Protest deS Sultans angeschloffen, der aber nicht verhindert, daß Frankreich im Besitz de- tripolitanischen Hinterlandes bleibt. Wie unS aus Rom, 5. Avril, gemeldet wird, wird die Angelegenheit auch noch da» Parlament be schäftigen. Die Senatoren vr. Camporeale und VitelleSchi- Nobili richteten an den Präsidenten de» Senat- die An meldung einer Anfrage an den Minister de- Aeußern Cane- varo, in welcher eS heißt, sie wünschten zu wissen, ob die Regierung Kenntniß von einem englisch-französischen Ab kommen habe, durch da- Frankreich eia eventueller Besitz im Hinterlande von Tripoli» zugesichert wird, und welche Schritte die Regirrung demgegenüber gethaa habe, oder zu thun gedenke. r ' — Ueber die englisch-russischen Verhandlungen wegen Ehina» hört der Peter-burger Vertreter der „Time-", man hoffe auf eine Einigung auf Grundlage der gegenseitigen Nichteinmischung in die Handelsoperationen und Interessen der andern Partei, doch scheinen sehr gut unterrichtete Personen zu der Ansicht zu neigen, daß der Grundsatz der Einflußgebiete oder Interessensphären nicht al- durch führbar oder ratbsam anzunehmen sei. Rußland halte daran fest, China sei noch kein zweite» Afrika, da- politisch oder kommerziell oder sonst wie in Interessensphären aufzutheil," sei. Die „Integrität und Unverletzttchkeit deS chinesischen Reiches", ob zwar scheinbar durch neuerliche Thatsachen angefochten, bleibe eine Thatsache, dir Rußland seiner selbst willen aufrechterhalten müsse, denn al- nächster Nachbar China« zu Lande sei e» mehr al- je an der Erhaltung de« heutigen Zustande« interessirt. In ihrem Leitartikel legen die „Time-" den inzwischen durch englische Truppen unterdrückten Ruhestörungen in Hongkong und Kaulun nur symptomatische Bedeutung bei. E« handle sich augen scheinlich nur um Wirren, die von den Mandarinen an gefacht wurden, weil sie sich durch die neue Likin-Erhebung in ihren Interessen geschädigt sahen. Sie würden gut thun, ihren Widerstand einzustellen, da sie anderen Falle« sicher viel mehr embüßen würden. — Hin sichtlich des deutschen Einschreiten- in FeniHeton. ISI Senzi. Roman von M. Immisch. Naitdnr» »erboten. Nach kaum zwei Stunden Schlaf erhob sie sich wieder. Leise und behutsam kleidete sie sich an und ging zur Kirche. In der Gnadencapelle und an verschiedenen Altären wurden Meffen ge lesen, und in der Brichtcapelle waren, trotz der frühen Stunde — es war kaum fünf Uhr — bereits eine große Zahl von Pilgern. Auch Bertha drängte sich hinzu. Sie kniete hart am Gitter, und ihr Herz pochte in fieberhaften Schlägen. In den Schläfen fühlte sie «inen stechenden Schmerz, und manchmal legte es sich wie ein Nebel vor ihre Augen. Als die Messe beendet war, erhob sich Bertha und verließ die Kirche. Bor dem Portale begegnete ihr Senzi. Sie sah ängstlich und aufgeregt aus. Sie und der Hofrath waren aufs Höchste erschrocken gewesen, als sie Bertha früh vermißt hatten. Der Hofrath kam jetzt ebenfalls über den Platz geschritten. Er hatte die Beiden gesehen, gleichzeitig aber durchfuhr ihn ein heftiger Schreck. Bon der Seite her, wo der prächtige Märien- Brunnen steht, kam eine hohe Männergestalt in langem, schwarzem Priesterrocke, und die eigenartig imponirende Haltung, der elastische Bang und der stolz getragene Kopf waren ihm nur zu gut bekannt, trotz der Jahre, die vergangen, seit er ihn nicht gesehen. ES war in der That Stephan Bruck; «r kam von einem Spaziergange zurück. Mit gesenktem Blick, in Nachdenken ver sunken, betrat er die Stufen zur selben Zeit, al» Bertha im Begriff« war, herunterzusteiaen. Wie ein elektrischer Schlag durchfuhr «S sie. Starr, wie gebannt hing ihr Blick an seinem Antlitz, das noch ebenso fchön, stolz und ruhig war, wie immer, etwas fester und männlicher, aber sonst unverändert in selbstbewußter Würde. Und so mächtig und brennend war dieser Blick ihr«r weitgeöffneten Augen, daß Stephan wie magnetisch bezwungen auch den seinen erhob, und erst mit Verwunderung, dann mit Schreck und Bestürzung zu ihr hinauf sah. Blaß wie der Tod stand sie da; es war, als ringe sie nach Athem; dann fuhr plötzlich «ine matte Blutwellt über ihr Antlitz, ihre Hand fuhr mit einer krampfhaften Be- weaung zum Herzen, und mit einem dumpfen Laut stürzte sie auf die breiten, nebelfeuchten Stufen. Senzi war es nicht gelungen, sie zu halten. Jetzt bemühte sie sich, die Freundin aufgurichten, aber schwer und regungslos lag diefe da. Der Hofrath kam herbeigestürzt, und auch Stephan stand blaß und wie erstarrt neben ihr. Mit einem Blicke der Verzweiflung betrachtete der Hofrath sein junges Weib, dessen Kopf jetzt in Senzi's Arm ruhte. Er fühlte nach Puls und Herz, und seine Lippen zitterten dabei in tiefstem Schmerze. „Welches Begegnen — welches Wiedersehen!" sagte Stephan tief erschüttert, aber der Hofrath war trotz der stärksten Selbst beherrschung kaum im Stande, seinen emporflammendrn Haß gegen diesen Mann zu unterdrücken. Bewußtlos noch wurde Bertha ins Hotel geschafft. Sie hatte sich äußerlich nicht beschädigt, und doch war sie rettungslos ver loren. Das Rückgrat war schwer verletzt durch den harten Schlag auf di« scharfe Steinkante. Schwach und weinend wir ein Kind saß der Hofrath vor ihrem Bette, und die selbst fassungslose Senzi mußte alle äußeren Anforderungen erfüllen. Der Hofrath hatte sofort nach einem Arzt geschickt, obschon er nur zu gut wußte, daß keine Macht der Welt ihr mehr zu helfen vermochte. Auf den zugezogenen Gardinen spielte die Mittagssonne in flimmernden Streifen, und Bertha's Augen betrachteten dieses Spiel mit einem müden, nachdenklichen Blick. Dann heftete er sich auf den Mann an ihrer Seite, der in seiner trostlosen Nieder geschlagenheit plötzlich verfallen und greisenhaft aussah. Dank barkeit für seine Güte, Kummer und Mitleid mit seinem Schmerze erfüllten sie. Ihr ganzes Leben zog noch einmal an ihr vorüber. Sie hatte so verschwindend wenig inneres Glück gehabt, es war nicht schwer, davon zu scheiden; aber «S that ihr weh, den Mann, der ihr so endlose Liebe erwiesen, und den sie längst schätzen und lieben gelernt hatte wie einen Bater, dadurch tief zu betrüben. Dann sah sie Senzi, und ein beinah' frohes Lächeln um spielte ihren blassen Mund. Sie wenigstens würde glücklich sein. Bernhard war sofort telegraphisch hergerufen worden, sie wollte ihn noch einmal sehen; hoffentlich blieb ihr so viel Zeit. Plötzlich spannte sich ihr Blick, schier athemlo« schien sie zu horchen. „Stephan ist da", sagte sie, und ihr Auge hing bittend an dem thränenverschleierten Blick ihres Gatten, während ihre Hand die seine leise drückte. „Würde es Dich kränken, wenn ich Abschied von ihm nähme?" „Nein, nein, mein liebes, theurr» Kind, mach« Alles, wie Du es willst", sagte der Hofrath, sich gewaltsam fassend. Er ging hinaus, um Stephan selbst zu holen, der in der That soeben ge kommen war. Er war schon einmal hier gewesen, doch hatte ihn der Hofrath abgewiesen, damit Bertha nicht beunruhigt wurde. Auch der Abt, der von Stephan selbst über Alles unterrichtet war, hatte sich nach ihr erkundigen lassen, eine Theilnahme, die den Wirth für die unliebsame Störung, die ein solcher Fall seinem Hotel bereitete, einigermaßen tröstete. In der Kirche hatte man auf Veranlassung Stephan's für Bertha gebetet, und Hun derte von Pilgern hatten sich diesem Gebete für die ihnen un bekannte Sterbende angeschlossen. Der Hofrath führte Stephan selbst an ihr Bett; dann zog er sich leise zurück, und auch Senzi verließ da» Zimmer. Bei aller Kraft der Selbstbeherrschung fiel es Stephan doch schwer, ruhig und gefaßt zu bleiben. Blaß wie eine Lilie, aber mir dem Lächeln eines Engels lag Bertha in ihrem reichen, mil kostbaren Spitzen besetzten Nachtkleide auf den weißen Kissen. Die golvrothen Haare fielen gelöst wie eine schimmernde Fluth über Arme und Schultern, und die schmalen, zarten Hände waren gefaltet wie bei einem betenden Kinde. In diesem Augenblick war Stephan nicht mehr der ehrgeizige Priester, sondern nur noch der Mann, der der Gespielin seiner Kindheit, dem Mädchen, dem seine ersten Jünglingsträume ge golten, dem Weib, das ihn, wenn auch unbegehrt, doch mit jeder Faser ihres Herzens geliebt hatte, zum letzten Male auf Erden gegenüber stand. So rein und schön sah sie aus, so himmlisch gut und sanft war der Blick ihrer großen Augen, daß die Worte, die er ihr im Hinblick auf jene unbekannte Ferne, in die sie so bald schon kom men sollte, auf ein seliges Jenseits und die Vergebung eines barmherzigen Gottes sagen wollte, nur gebrochen und wir erstickt von seinen Lippen kamen. Er hätte vor ihr niederknien und sagen mögen: „Bitte Du für mich, Du Arme, Reine, Du Märtyrerin Deines großen. Dir ja auch von Gott gegebenen Herzens." Ziemlich eine halbe Stunde verging, «he er da» Zimmer wieder verließ. Er sah sehr blaß aus, und seine Augen waren merklich geröthet. Stumm drückte er dem Hofrath die Hand, stumm und ernst schritt er zur Kirche, und zum ersten Male lag auch er in schmerzlicher Inbrunst vor dem Gnadenbilde auf den Knien; zum ersten Male fühlt« er sich nicht „über" dem Volke stehend, war auch er nur ein zagender, tief erschütterter Mensch. Noch denselben Abend starb Bertha. Sanft und ruhig, ein Lächeln auf den Lippen zurücklassend, war ihre Seele entflohen, hatte sie Ruhe, Frieden, Erlösung gefunden, freilich auf ihre eigene und besondere Art, von der man nur sagen kann: „Des Menschen Wille ist nicht GotteS Wille." Der Hofrath nahm ihr« Leich« mit sich nach Zürich. Da» war «ine traurige und bittere Heimkehr, und auch auf Senzi's junges Glück war dadurch ein schwerer, schier undurchdringlicher Schatten gefallen. Sechszehntes Capitel. An einem trüben, verdrießlich ausschauenden Februartag schritt «in eintsamrr Wandersmann vom Bodensee her auf der Landstraße nach demStädtchen M... Müde und langsam kam er daher,alshabe er scho.r «inen weiten Weg gemacht. Aber es waren mähr dieErregungen drrSeele, dir seine Glieder bcjwwerten, als körperliche Erschöpfung. Mit der fieberhaften Ruhelosigkeit eine brennenden Wunsches war er seit Wochen bestrebt gewesen, seinem Ziele näher zu rücken, und nun er es beinahe erreicht, war, täg lich wachsend und zunehmend, eine lähmende Furcht, eine angst volle Beklemmung über ihn gekommen. Zuversicht und Ver trauen hatten ihn immer mehr verlassen, und nur die bange Sorge vor möglichem Unheil war seine Genossin geblieben. Ein eisiger Wind strich über die graugrünen Felder her. Er hatte den Schnee, der noch vor ein paar Tagen gelegen, zu sammengefegt und ihn nur in Gräben und einzelnen Ecken uns Vertiefungen liegen lassen. Die Strahlen der Mittagssonne hatten seine Arbeit vollendet und Alles sauber aufgesogen, so daß di bräunlichen Ueberreste der Wiesengräser in ihrer ganzen welken Nacktheit sichtbar waren. Ein paar Krähen hupften darüber hin, um dann plötzlich wie erschreckt mit schrillem Geschrei davon zu fliegen. Nun galt es noch, ein Dorf zu passiren, dann einen Berg hinab und wieder einen hinauf, an Eichen- und Buchenwald vor über, und dann lag das Städtchen M. in dem grauen Schein deS Spätnachmittags vor ihm. Rechts der spitze, schlanke Kirch thurm, etwas weiter links da» «raue, viereckige, thurmartige Schloß mit seinen verhöltnißmäßig kleinen, alterthümlichen Fenstern und seinem rothbraunen, vielfach ausgebessertrn Ziegeldache. Schwer athmend blickte der Wanderer hinüber, und vor Auf regung zog sich sein Herz wie im Krampfe zusammen, daß er, nach Luft ringend, sich erst «in paar Minuten an den Stamm eines am Wegrand« stehenden Baumes lehnen mußte. Dann aber ermannte er sich, und seine ganz« Kraft zusammennehmend, schritt er in hastender Eile vorwärts. Aufsteigende Nebel führten die Dämmerung rascher herbei und al» er ins Städtchen hineinschritt, war es schon ziemlich dunkel. In der Laterne, beim Gasthof zum Ochsen, wurde eben das Lämpchen angebrannt; die trübe Oelflamme flackerte unruhig hin und her, und ihr matter Schein beleuchtet« dltrfttg de» frei«»
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