63 Natalia Kardinar Rußland und Russen im Werk von Robert Sterl «... da schlug die Glocke aufdem dwan Welikif so gewaltig und groß, daß ich glaubte, das Herz des Landes schlagen zu hören, das auf seine Zukunft wartet von Tag zu Tag.« Rainer Maria Rilke an Alexej S. Suworin, 5. März 1902 Die einzige umfassende Ausstellung seiner Werke, die der Maler Robert Sterl erlebte, fand 1928 in Chemnitz unter der Regie von Wolfgang Schreiber-Weigand statt. Zu dieser Zeit gehörte Sterl, der »den Dresdner Impressionismus auf einen einsamen Höhepunkt« 1 geführt hatte, schon lange zu den bekanntesten Künstlern des Landes. Der angesehene Lehrer der Dresdner Akade mie, Mitbegründer der Goppelner Gruppe, Mitglied des Akademischen Rates und der Galerie kommission, Prof. Dr. h.c. Robert Sterl, war zu einer angesehenen künstlerischen Institution geworden. So ist es nicht verwunderlich, daß der Direktor der Kunsthütte zu Chemnitz auf den Gedan ken kam, dem zurückhaltenden Meister, der ein Leben lang große öffentliche Auftritte scheute, eine besonders gediegene Ehrung vorzubereiten. Den Vorschlag Schreiber-Weigands, den Kata log mit einigen empfehlenden Worten von mit Sterl befreundeten namhaften Künstlern zu ver sehen, fand Robert Sterl zwar »sehr ideal gedacht, ... aber letzten Endes ... nicht zu mir« 2 pas send. In seinem Freundeskreis wären nicht Rang und Name von Bedeutung, »mir lag eben an dem herzlich gleichstehenden Verhältnis« 2 antwortete der Maler nach Chemnitz. Erinnerungen wurden geweckt, auch an einige Große der Kunst, denen Sterl begegnet war; so an den hoch ver ehrten Max Liebermann, das große Vorbild seiner Jugend, an den einige Jahre zuvor verstorbe nen Max Klinger oder an Leopold Graf Kalkreuth, den treuen Mitarbeiter im Künstlerbund. Auch an den seinerzeit berühmten Kunstkritiker und Schriftsteller Oskar Bie, den Rußland mitreisenden von 1914, dachte Sterl, verwarf den Gedanken jedoch sogleich: »das wird Litera tur ... Und meine Dresdner Kollegen? Nein das geht alles nicht — überhaupt ich möchte bitte die ganze Angelegenheit aus dem Gewerbe heraus lassen.« 2 In klaren, eine Enttäuschung kaum verbergenden Worten bat er Schreiber-Weigand von den Dresdnern »grundsätzlich abzusehen«, einer anderen Einstellung zur Kunst wegen. Sehr gern hätte Sterl den Direktor der Chemnitzer Kunsthütte mit seinem Anliegen an die befreundeten russischen Künstler verwiesen. Diesen Wunsch konnte er sich aus einem profanen Grund nicht erfüllen, wie er Schreiber-Weigand mitteilte, denn »die Russen, an die ich anfäng lich dachte, scheiden aus, weil ich die genauen Adressen ... nicht auftreiben kann, weil beide auf