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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.04.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990426026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899042602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899042602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-04
- Tag1899-04-26
- Monat1899-04
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Die Tagesordnung war allerdings auch kaum geeignet, die Bänke deS Hauses zu füllen, eine so große Zugkraft sie andererseits auf das Tribünenpublicum auSgeüdt batte. Es handelte sich um das von den Anti semiten beantragte reichsgesetzliche Sch ächt verbot, sür das sich außer den Antragstellern nur ein kleiner Tbeil der Conservativeu erwärmen konnte. Das Bemerkenswertbeste an der Debatte war die Unkrnntniß, in der sich augenschein lich alle anwesenden Mitglieder des Hauses darüber be fanden, daß am Freitag und Sonnabend voriger Woche eine von dem Heidelberger Thierschutzverein auSgegangcne, ein Schächtverbot verlangende Eingabe die beiden badischen Kammern beschäftigt hatte. Die Commission der zweiten Kammer batte Uebergang zur Tagesordnung beantragt, die denn auch im Plenum mit allen gegen drei Stimmen be schlossen wurde, nachdem der Vertreter der Regierung er klärt hatte: So sympathisch die Regierung sonst dru Bestrebungen der Thier- schutzvrreine gegenüberstehe, so wenig könne sie dieses Mal entgegen kommen. Schon bei früheren Verhandlungen sei festgestellt worden, daß das Schächten selbst nicht grausam sei. Soweit bei den Bor- bereitungen Rohheiten Vorkommen können, sei durch die Ministerin!« Verordnung vom 29. März 1889 Abhilfe geschaffen, und es stehe nichts im Wege, Verstöße dagegen zur Anzeige zu bringen. Die 254 Gutachten zu Gunsten des SchächtenS seien nicht durch glrichwerthige widerlegt. Die Regierung halte es nicht für uöthig, neue Gutachten einzufordern, zumal da diese bei der israelitischen Bevölkerung die Furcht vor einem bevorstehenden GewifsenSzwang Hervorrufen könnten. Am anderen Tage kam die Eingabe in der ersten Kammer, dir gleichfalls eine CommissionSberathung hatte voraufgeben lasten, zur Plenarverbandlung. Die Commission hatte zuerst mit 3 gegen 2 Stimmen Neberweisung der Eingabe an die Regierung zu beantragen beschlossen, ihr Berichterstatter Pralat Schmidt wandelte aber unter dem Eindrücke der Berathung der zweiten Kammer in Uebereiustimmung mit seinen beiden Genosten diesep Antrag in den Antrag auf Uebergang zur Tagesordnung um. Und dieser Antrag wurde einstimmig angenommen. Auch in diesem Hause erklärte die Regierung, sie habe schon Gutachten der obersten Medicinalreferenten und des angesehenen früheren Vor standes des badischen BeterinärwesenS, vr. A. Lydtin, in gleicher Richtung wie die 254 schon bekannten Gut achten; weitere Erhebungen seien völlig zwecklos. Sehr scharf kritisirte Hofrath I)r. Rümelin-Freiburg die gegen die Gutachten hervorragendster Männer der Wissenschaft ge richteten Verdächtigungen, als seien sie gegen besseres Wissen, oder gar erkauft abgegeben. Noch mehr aber tadelte er das Verhalten zweier Heidelberger Unterzeichner, die selbst dem wissenschaftlichen Beruf angehörten und gleichwohl keinen Anstand nähmen, ein Bittgesuch zu unterzeichnen, das sich in so bedenklichen Wendungen ergehe, obwohl sie sich gerade an den beiden badischen Hochschulen ohne große Mühe bei Autoritäten ersten Ranges auf physiologischem Ge biet, um die Baden von der wissenschaftlichen Welt beneidet Mittwoch den werde, ganz leicht besseren Rath Kälten holen können. Darüber waren alle Redner einig, daß die Humanität vor einer jüdischen Ritualvorschrift nicht Halt zu machen bätte, wenn bestimmt erwiesen wäre, daß in der ritualen SchächtungSart in Wirklichkeit eine dem neuzeitigen Empfinden widersprechende Thierquälerei enthalten wäre. Dazu aber hätten die Bitt steller dock mindestens den Versuch der autoritativen Wider legung der von ersten Gelehrten abgegebenen gegentheiligen Gutachten machen müssen. — Es kann daö Ansehen des deutschen Reichstags nicht erhöhen, wenn seine Mitglieder bei der Berathung eines die Tribünen füllenden Antrags ver- rathen, daß sie gar nickt wissen, wie die Berathung eines denselben Gegenstand betreffenden Antrags in den Parla menten eines EinzelstaateS ganz kurz vorher verlaufen ist. Wahrscheinlich aus Groll über daS vorläufige Ergebniß der Reichstagsersatzwahl in Melle - Diepholz gewährt das Organ der deutschen Adelsgenossenschaft, das „Deutsche AdelSblatt", einem Schmäbartikel gastliche Aufnahme, der von böswilligen Verleumdungen der nationalliberalcn Partei förmlich strotzt. Es wäre Unrecht, wenn man diesen Beitrag zur Charakteristik des „Deutschen Adelsblattes" und des Welfenthums in seinem wesentlichen Theile weiteren Kreisen vorenthalten wollte. Man höre: „Der Nationalliberalismus vertritt, entsprechend seinem Namen, rin nationales und ein liberales Programm. In beiden Be ziehungen sieht er im Welfenthum fein vollkommenes Gegentheil und daher seinen Hauptfeind. Er bekämpft in ihm nicht nur das politisch-nationale, sondern auch das monarchisch.aristokratische Element. Graf Caprivi hat . . . mit Recht betont, daß heutzutage alle Parteien national seien (I), mit Ausnahme der internationalen Socialdemokratie. Der Nationalliberalismus aber versteht unter national noch etwas wesentlich Anderes. Er verbindet damit einen viel weitergehenden, einen expansiven, onnexionssüchtigeo Begriff. Und zwar nach außen wie nach innen. Sein Nationalismus ist in Chauvinismus ausgeartet. In der inneren Politik erstrebt er Unificiruog und Centralisirung. Er will nicht den Staatenbund (I), sondern den Einheitsstaat. Nach Erfüllung diese- „nationalen" Zieles hofft er desto leichter auch den anderen liberalen Theil seines Programmes zu erreichen, durch Einheit zur „Freiheit" zu gelangen. Ist es ihm erst gelungen, alle kleinen deutschen Fürsten zu beseitigen, dann ist es ver- hältnißmäßig leicht, auch dos letzte Werk zu vollbringen und das liberale Ideal, die Volkssouveränität, die Republik zu verwirklichen." Es schlägt den Thatsachen ins Gesickt, wenn der schmäh süchtige Schreiber des Vorstehenden behauptet, daß die Nationalliberalen das monarchische Element im WelsentbniP bekämpfen; auch das aristokratische Element in ihm bekämpfen die Nationalliberalen nnr insoweit, als eS auf Kosten der Gesammtheit Privilegien verlangt und reactionäre Politik treibt. Es schlägt ferner den Thalsachen ins Gesickt, wenn der schmähsüchtige Welfe behauptet, daß die Nationalliberalen nach außen annexionssüchtige Chauvinisten seien. Wohl haben die Nationalliberalen von jeher das Heer mächtig und die Flotte schlagfertig sehen wollen; aber niemals sind sie als politische Partei für eine kraftvolle Wahrung deutscher Interessen eingetreten, die nickt zugleich eine besonnene war. Hierin sowohl wie in der Abweisung einer centralistischen inneren Politik dürfen sich die National- ltberalen auf das Vorbild, deS Fürsten Bismarck berufen. Und als jüngst der konservative „RcichSbote" ini Hinblick 26. April 18SS. auf die Militärvorlage den Fehlgriff beging, zu fordern, daß Preußen in Fragen der Wehrkraft an die Stimmen der Mittel- und Kleinstaaten im BundeSrathe sich nicht kehren solle —, da war cs gerade die nationalliberale Presse, die gegen solche verfassungswidrigen Forderungen energisch Front machte. Auf den letzten Vorwurf deS schmäbsüchtigcn Welfen, daß die Nationalliberalen die kleinen deutschen Fürsten be seitigen und dann die Republik errichten wollten, braucht keine Silbe erwidert zu werden: Niemand weiß besser als jene Fürsten, daß nicht di« Nationalliberalen sich mit umstürzlerischen Plänen in Deutschland tragen, sondern vielmehr da- Welfenthum, zu dessen Mundstück das „Deutsche Adelsblatt" sich macht. Der belgische Uergarbeiterftretk ist vom Brüsseler General ratt im Gegensatz zu den bergmännischen Localverbänden proclamirt worden. Diese wollten erst nach dem ersten Mai in den Ausstand treten, jener war, und nicht ohne Grund, der Ueberzcugung, daß jetzt der geeignetste Augenblick sei, denn die belgische Kobleninrustrie steht in vollster Blüthe, die Kohlenvorrätbe sind überall sehr gering, vomAuSland,das milAuf- trägen überhäuft ist, ist keinerlei Zufuhr zu erwarten. Damit ist die Gefahr einer industriellen Katastrophe über Belgien heraufbeschworen. Allerdings ist man zur Stunde von einem Generalstreik in sämmtlichen belgischen Kohlen revieren noch ziemlich weit entfernt, da die Zahl der Berg arbeiter 130 000 übersteigt, dl- der Streikenden aber wohl nur etwas über die Hälfte beträgt. Aber abgesehen davon, daß diese Zahl schon al« eine sehr beträchtliche anzusehen ist, erweist sich erfahrungsgemäß jede Ausstandsbewegung in den belgischen Kohlengruben als eine Art ansteckender Krankheit. Wenn die Bewegung heute noch nicht allgemein ist, so kann sic es morgen werden und die belgische Industrie befindet sich nach dem einwöchigen Kohleuausstande schon in einer solchen schweren Bedrängniß, Paß „Etoile Belge" bereit- die BetriebSeinstellunz von drei großen Walzwerken mit 1250 Arbeitern meldet. Weitere Betriebseinstellungen fiud zu befürchte», falls die Au-sia-dSbewegung, selbst ohne allgemein zu werden, eine zweite Woche andauert. Eine Interven tion der Regierung zur Herbeiführung eines Ausgleichs ist also unvermeidlich, sollen wir nicht etwa wieder die blutigen Ereig nisse von 1886 in zweiter Auslage erleben. Leicht wird die Aufgabe der Regierung sicherlich nicht sein. Deou die Berg arbeiter benützen die herrschende Bedrängniß der Industriellen, um ihre Forderungen immer höher hinaufzuschrauben. An der ursprünglichen bescheidenen 5prvcentigen Lohnerhöhungs forderung ist eine solche von 25 Procent geworden. UeberdieS gewinnt die Bewegung durch die Ein mischung der Socialdemokratie einen politischen Beigeschmack, der sich in derHaltung derBergarbeiter kund giebt. Dieselben lehnen jede directe Verhandlung mit ihren Brod- berrcu wegen Regelung der Lohnfrage ab und verweisen dieselben auf den Generalrath der belgiscken Arbeiterpartei, welcher ihrer Ansicht nach die für derlei Fragen kompetente „Behörde" darstelle. Die BergwerkSleitungen wollen aber die socialdemokratische Parteileitung durchaus nicht als die gesetzliche Vertretung ihrer Angestellten gelten lassen und werben darin von der Regierung unterstützt. Verharren daher die Bergleute bei dieser Anschauung, die natürlich von dem Brüsseler Generalrath angegeben worden ist, so wird die gegenwärtige Arbeiterbewegung zwar der belgischen Industrie eine schwere, in ihren Folgen kaum absehbare Schävigung zusügen, aber den Arbeitern selbst verbängnißvoll werden. Eher werden in Belgien Bergwerke und Werkstätten 93. Jahrgang. Monate lang ruhen, als daß die Staatsgewalt sich herbei lassen wird, mit dem Generalrath der belgischen Arbeiter- Partei über die Lohnsrage in den Kohlenbergwerken zu unterhandeln. ——_ Die KarUften haben sich durch die in letzter Zeit in Um lauf gesevten Gerückte, daß sie auf Englands Unterstützung rechnen konnte, selbst am meisten geschädct. Auf allen Seiten ist ein Entrüstungssturm losgebrochen, und die Hauptblätter der Partei geben sich nun viele Mühe, um wieder den Ver dacht dieser Bundesgenossenschaft von sich abzuschütteln. Das Madrider Organ des Don Carlos „ElCorreo Espaüol" hatte der Polizeibehörde die Anzeige gemacht, daß der Besitz des Blattes in die Hände eines „englischen Unterthanen" übergegapgen sei. Man erfuhr auch bald, raß dieser edle Freund der Lord Asbburnham sein müsse, dessen überspannte legi- timistische Gesinnungen und Sympathien für die karlistische Sache bekannt sind. Zunächst rühmte sich noch der „Correo" seiner englischen Gönnerschaft und ließ weiter durchblicken, daß nicht nur in England, sondern auch in anderen Ländern, so in Deutschland (?), Frankreich, Oesterreich sich einflußreiche und opferwillige Gönner seiner Sache be fänden, und daß es nur von der Bestimmung des Präten denten abbinge, wann diese fremden Hilfsquellen sich er schließen sollten. Dann aber, al- die spanischen Behörden die Besitzübertragung deS „Correo" an einen Fremden für ungesetzlich erklärten, und gleichzeitig in der gejammten Tages presse ohne Parteiunterschicd über die Carlisten als LandeS- vcrräthcr hergefallen wurde, ist der Ton ein anderer geworden und von der großen bevorstehenden Action nicht mehr die Rede. Telegramme aus Pari- besagen, eS sei von den Häuptern der Partei eine abermalige „Vertagung" der Er hebung beschlossen. Mittlerweile aber wird der „Nat.-Ztg." gemeldet: * Pari-, 25. April. Hiesige Finanzkreise betätigen, baß Lord Ashburnham in London ein Syndikat zur Beschaffung von Geld für die karlistische Sache gebildet hat. Die Theil- nehmer sind weniger Speculanteu, als politische Fanatiker, darum ober desto eifriger. Fest steht, daß Don Carlo- bereits KO 000 Lprt. von ihnen erholten hat. Diese Summe soll zur Gewinnung ei»es StützpuncteS an der ba-kischen Küste dienen, von wo aus die Kaclisten besser arbeite» zu können glauben. Ashburnham hofft, sobald man sich eines Küsteiipunctes bemächtigt habe, mehr eng lisches Capital für das Unternehmen interessiren zu können. Danach hat es den Anschein, daß die englische Hand noch weiter im Spiele bleiben will. Darüber, wie sich die Leiter der Bewegung diesem erneuten Angebot gegenüber verhalten werden, verlautet noch nichts. Es heißt nur, wie uu- heute aus Madrid berichtet wird, die Karlisten hätten ein neue- Mani fest Don Carlos', dessen Text unbekannt sei, empfangen. Durch die engltsch - französische Afrika - Convention ist Italiens Hoffnung auf das vtntcrlaud van Tripalt- zu Wasser geworden. Z>n Senat hat, wie gemeldet, der Minister de« Aeußeren Canevaro in langer Rede die Afrikapolitik des CabinetS zu rechtfertigen gesucht und Ministerpräsident Pellovx bat ihm „voll und ganz" zugestimmt. Canevaro sagte, der Vorwurf einer unzureichenden Vertheidigung der italienischen Interessen könne sich nicht sowohl gegen die jetzige Regierung als gegen die früheren richten, welche die Verhält nisse im Sudan und am Tschadsee widerspruchslos so weit hätten kommen lassen, daß sich ein Einspruch bei der jüngsten englisch-französischen Convention al« „zu spät" erwiesen habe. Darin hat er ganz Recht. Forrillotsn. Errungen. 14j Romau von M. Buch Holtz. Nachdruck «ertöten. „Wirst Du mir auch tveu blecken, mein Lieb?" fragte Stanislaus plötzlich, sich vorbeugend und sah ihr ernst in die Augen. „Wir werden uns jetzt viele Wochen nicht sehen, darf ich wenigstens ab und zu schreiben?" „Um Gottes willen, nein, wie leicht könnte ein Brief Alles verrathen! Witte, bitte, Stany, sei nicht so ernst, wir wollen heute noch so recht von Herzen vergnügt sein!" „Ich weiß nicht, ist es das Abschiedsweh oder die Borahnung eines drohenden Unheils, was mich bedrückt und mich nicht froh fein läßt? Kennst Du solche Stimmungen?" „Gott sei Dank, nein! Ich kann auch traurige Menschen Nicht leiden, sie sind langweilig!" „H-lla!" „Ach, Stany, Dich meine ich natürlich nicht, obgleich ich Dich auch lieber froh sehe. Bitt«, sei mein lieber, lustiger Schatz, oder hat Dich Dein« ernste Schwester schon mit ihrem traurigen Wesen angesteckt?" „So mußt Du nicht reden, Hella. Greta, di« Du hoffentlich sehr bald lieb gewinnen wirst, ist ein in jeder Beziehung edler Mensch, zu der ich in liebender Verehrung aufschaue und die trotz ihre- ruhigen, ernsten Wesens von einer sonnigen Liebenswürdig keit ist." Hella nagte ungeduldig an ihrer Unterlippe. „So liebst Du sie wohl mehr als mich?" „Wie kann man die Liebe zu einer Schwester mit derjenigen zu einer geliebten Braut vergleichen; dazu sind die beiden Gefühle zu verschieden. Du bist ohne Geschwister ausgewachsen und ver stehst deshalb vielleicht auch nicht, was es mich kostet, unser Ge- heimniß selbst Greta nicht anvertrauen zu dürfem Wollen wir nicht mit ihr eine Ausnahme machen und es ihr sagen?" Ueber Hella's Züge flog ein häßlicher, böser Ausdruck, indem sie ungeduldig antwortete: „Quäle mich doch nicht immer wieder mit derselben Frage. Stanislaus. Ich denke, ich hab« Dich schon oft darum gebeten, es Niemand, Niemand ohne Ausnahme zu sagen, und nun en avant, wir sind ein ganzes Stück zurückgeblieben und dürfen nicht verspätet eint reffen! Dann Hab ihrem Pferd einen heftigen Hieb mit ihrer Gerte und sagte dahin, ohne Stanislaus weiter anzusehen, der bei ihren heftig unfreundlichen Worten sie erstaunt angeblickt hatte. Ohne ein Wort weiter mit einander gewechselt zu haben, langten sie bald darauf in dem zur Rast bestimmten Forsthause an, das in den herrlichen Wäldern, die zu Rahdenau gehörten, lag. Der Fürst hatte seinem Förster am Vormittag von dem be absichtigten kurzen Aufenthalt Nachricht zukommen lassen, den die kleine Gesellschaft hier nehmen wollte, und so fanden sie Alles zu ihrem Empfange vorbereitet. Stanislaus, der seine Braut vom Pferde gehoben, hielt einen Augenblick ihre Han-d fest und fragte ernst und ruhig: „Möchtest Du mir Deine unmotivirte Heftigkeit schnell mit einem Worte erklären?" Hella, die einen Augenblick versucht war, ihrer unfreundlichen Laune nachzugeben und ihre Hände heftig aus denen des jungen Officiers zu ziehen, die sie mit fast schmerzhaftem Drucke fest hielten, besann sich noch schnell eines Besseren und sagte lachend: „Weil ich mal wieder ein bissel unnütz war! Es wär« schon das Bests, Du gäbest mir den Laufpaß!" Ohne weitere Antwort zog Stanislaus die Hand seiner Ge liebten an seine Lippen und drückte einen heißen Kuß auf dieselbe. Niemand hatte es bemerkt, nur Greta's scharfen Augen war es nicht entgangen, und was sie bisher nur goahnt hatte, daS wußte sie jetzt, nämlich, daß Stanislaus an Hella von Zittberg sein Herz verloren hatte. Der Fürst machte in liebenswürdigster Weise den Wirth und die klein« Gesellschaft, die sich den Kaffee und den frisch gebackenen Kuchen der Frau Försterin prächtig schmecken ließ, gerieth bald in eine ausgelassene Fröhlichkeit. Hella, die mit Stanislaus dem Fürsten und Greta gegenüber saß, hatte ihre liebenswürdige Laune vollständig wicdergewonnen und versuchte es mehrmals, auch Greta in das lustige Wortgeplänkel hineinzuzirhen, das sie mit Fürst Dietrich und Stanislaus begonnen hatte, aber es ge lang ihr nicht. Greta, der die ganze Art und Weife der Unter haltung fremd war und mißfiel, gab zwar freundliche Antworten, doch wandte sie sich immer wieder ihrem Nachbar zur Linken, Rittmeister von Raben, zu, dessen jovial schlichte Unterhaltung sie weit mehr ansprach, als das witzelnde, fade Geplauder, dessen sie Stanislaus eigentlich nicht für fähig gehalten hatte. Ihre Augen beobachteten dabei scharf die kleine Comteffe und bemerkten gar wohl di« sich ost im zärtlichen Einvernehmen treffenden Blicke zwischen ihr und Stanislaus, ebenso wie ihnen nicht der kokett berechnend« Augenausschlag entging, mit dem sie häufig den Fürsten anschaui« Das Kaffeegeschirr war abgeräumt und hatte einer großen Bowle Platz gemacht, nach deren Erscheinen Rittmeister Raben sich erhob, nm in einer lustigen Ansprache den Fürsten als Spen der des köstlichen Nasses leben zu lassen und am Schluß seiner Rede sagte: „Außerdem müssen wir die Liebenswürdigkeit unseres Wirthes, der so vorzüglich für uns All« sorgt, noch besonders anerkennen, wenn wir bodenken, daß er erst ein halbes Ganzes ist; die eine Hälfte einer Kugel, di« sich noch nicht mit der ihm von Gott bestimmten anderen Hälfte vereinigt hat. Bedenken Sie, meine Damen und Herren, wenn eine Hälfte schon so viel Liebens würdigkeit entwickelt, der so zu sagen di« besser« Hälfte mangelt, wie unwiderstehlich wird erst das vollendete Ganze sein. Auf daß wir bald das Vergnügen haben, dies harmonisch^tanze zu sehen, bitt« ich Sie, Ihre Gläser zu erheben und das erste Glas auf die zweite, bessere Hälfte unseres liebenswürdigen Wirthes, wer und wo dies« auch sei, zu leeren und den frommen Wunsch noch hinzuzufügen, daß er sich Haid mit ihr vereinen möchte! Hipp, hipp, hurrah! Hoch, hoch, hoch!" Lachend und jubelnd erhob man die Gläser, und der Fürst neigte sein Glas nicht, wie Hella vermuthet hatte, zuerst dem ihrigen zu, sondern er hielt es mit einem aufleuchtenden Blick Greta hin. Doch ehe diese, die mit einer ruhigen Lässigkeit ihr Glas ergriff, es an d-as ihr entgegengereicht« anklingen ließ, klirrte das Glas Stanislaus', an das Hella wohl in ihrem Unmuth zu heftig angestoßen hatte, in Scherben aus den Boden, und Greta, die darüber, ganz gegen ihre sonstige Art, nervös zusammen schrak, entglitt das ihrige, gleichfalls in tausend Stücke zer schellend. Einen Augenblick allgemeines Schweigen, dann Lachen und Rittmeister Raben's Stimme, di« meinte, die Geschwister hätten Gott Bacchus ein Opfer Vorbringen wollen, indem sie nach alter Sitte Glas und Inhalt zugleich opferten. „Nun, 'den Inhalt pflegte man doch zu trinken, um dann höchstens dos Glas zu zerschellen", lachte Stanislaus gezwungen, „nein, das Geschwister paar ist einfach grenzenlos ungeschickt ge wesen, nicht wahr, Greta?" Greta nickt«; obgleich ibr beim Zerspring«« der Gläser ein eisiger Schrecken durch -den Körper rann, beherrscht« sie sich tapfer und vevsicbert« dem Fürsten, der sich bemühte, ihr mit seinem Taschentuch den vergossenen Wein von ihrem Kleide abzuwaschen, das hätte nichts zu bedeuten und würde auck bald wieder trocken sein. Ehe man für die Geschwister neue Gläser brachte, verging eine kleine Mil«, in der Hella nun doch die Genuqthuung hätte, mit dem Fürsten zuerst anstoßen zu können. Gegen Greta aber stieg «in Gefühl des Hasses in ihrem Herzen aus, das wenig zu dem StaniÄauS gegebenen Versprechen paßte, recht liebenswürdig zu seiner Schwester sein zu wollen. Der kleine Zwischenfall war bald vergessen, und des Fürsten Vorschlag, einen kleinen dal dinrnpetrs zu arrangiren, fand all gemeinen Anklang. Nur Greta trat an Stanislaus heran und sagte: „Ich docke, wir wollen lieber heim reiten. Mama könnte sich sorgen, wenn wir so lang« auSbleiben." Aber Stanislaus, der -dazu gar keine Lust verspürte, erwiderte ablehnend: „Ich bitte Dich, Greta, das geht nicht, wir können uns nicht auf einmal auf und davon machen. Warum sollt.- Mama sich ängstigen, dazu ist doch gar kein Grund vorhanscn Uebrigems brechen wir in einer Stunde auch auf. Sei nicht so ernst, Schwesterchen, und amüsire Dich wie die Anderen!" Stanislaus hatte gut reden. Sie konnte doch einmal nicht gegen ihr« Natur. Sie hätte beim besten Willen nicht zu sagen vermocht, was ihr denn eigentlich fehle; sie fühlte nur, sie paßte nicht unter Liese Menschen, deren Heiterkeit sie nicht verstand; sie fühlte nur, daß die Huldigungen, die ihr der Fürst und Stanis laus Hella von Zittberg darbrachten, sie nicht beängstigten und ihr Hella's anscheinend liebenswürdiges Entgegenkommen mit den fortwährenden Bemerkungen im höchsten Grade unsympathisch war. — Auch Hella war im Grunde ihres Herzens nicht froh. Der Gcdank, heut« zum letzten Male mit Stanislaus zusammen zu sein, schmerzt« sie. Das Gefühl, ihn, den sie so sehr liebte, un^i oem «vie gelobte Treue nicht zu holten sie dennoch entschlossen war, den sie durch ihre heimlich geslüsterten Liebesworte betrog — das Gefühl erniedrigte sie vor sich selber. Dazu war sie klug genug, zu bemerken, -daß der Fürst trotz der auch ihr gewidmeten Aufmerksamkeit Greta entschieden den Vorzug gab, und daS er regt« sie noch weit mehr und ließ sie allmählich in ein« lustige Ueberreiztheit hm-.ingerathen, die ihrem Herzen fremd war. Ein alter Vers ging ihr durch den Sinn, ven sie einst irgendwo ge hört hatte und der ihr aus den schrillen Klängen der Fiedel, die zum Tanze wufspielte, immer wieder h-rauszutönen schien: „Ja rS lacht oft der Mund, und ist oft heiter das Gesicht, Während das Herz dazu lveini und vor Kummer fast bricht!" Just wie bei ihr — bei ihr! Und sie lachte gell auf, als Stanis laus sie eben fragt«, ob ihr Kopfweh ganz vorüber sei. „Ja, ganz vorüber", und sie sah zu Greta hin, die schon wieder mit dem Fürsten sprach, und eine Art wilder Eifersucht stieg in ihr gegen dos schöne Mädchen auf, das es verstanden, des jungen Fürsten Interesse hauptsächlich an sich zu fesseln. Ein Interesse,
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