14 Harald Marx Die Schweizer Künstler Anton Graff und Adrian Zingg in Dresden Wird die Frage nach den künstlerischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Dresden gestellt, so denkt man wohl immer und ganz zu Recht an die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, an An ton Graff und auch an Adrian Zingg, die beide jahrzehntelang in Sachsen gelebt und gearbeitet haben. Man erinnert sich kaum, daß schon früher Maler aus der Schweiz den Weg in die Elbe stadt gefunden hatten. Jeremias Glaser wird in alten Inventaren genannt, Maler und Kupferste cher von Basel, geboren 1633, von dem 1674 »ein lang schmal Brettlein [...] darauf I. Churf. Durchl. Contrafect« Aufnahme in die Dresdener Kunstkammer fand. 1 Glaser soll Hofmaler in Dresden gewesen sein, wurde aber schon 1675 als Bildnismaler Mitglied der Basler Malerzunft. Spuren hat sein Wirken in Dresden nicht hinterlassen. Wenn nicht nur von Schweizer Künstlern, sondern wenn auch von Schweizer Kunst in Dres den die Rede ist, dann müssen wir an die Werke berühmter Maler erinnern, die vor allem im 18. Jahrhundert für die Gemäldegalerie erworben wurden; wir denken an die Werke von Hans Hol bein dem Jüngeren, an die Pastelle von Jean Etienne Liotard (von dessen Schokoladenmädchen Graf Francesco Algarotti sagte, es sei ein »Holbein in Pastell« 2 ), an Gemälde von Joseph Heintz dem Älteren, von Johann Heinrich Füssli und von Angelica Kauffmann. Schließlich sei noch er wähnt, daß die Dresdener Gemäldegalerie Neue Meister eine Landschaft von Alexandre Calame, drei Gemälde von Arnold Böcklin sowie ein Werk von Ferdinand Hodler besitzt (ein zweites ge hört zu den Kriegsverlusten 5 ). Konzentrieren wir uns auf die Epoche, in der Schweizer Maler wesentliche Impulse und wich tige Beiträge zur Dresdener Kunst gegeben haben, eben auf die Jahrzehnte nach der Mitte des 18. Jahrhunderts, dann sind die Pastelle von Liotard und die Gemälde von Angelica Kauffmann und von Johann Heinrich Füssli besonders hervorzuheben: Realismus ganz eigener Spielart, mit klassizistischer, auf Jean Auguste Dominique Ingres vorausweisender Tendenz bei Liotard, genia lischer »Sturm und Drang« bei Füssli und empfindsamer Klassizismus bei Angelica Kauffmann - drei Künstler und drei Richtungen der Malerei im späten 18. Jahrhundert, von denen zwei, Realismus und Klassizismus, in Dresden bedeutende Vertreter hatten. 4 »Das lebendigste deutsche Kunstzentrum war in dieser Zeit [in der zweiten Häfte des 18. Jahr hunderts] unzweifelhaft Dresden, obgleich die Stadt durch den Siebenjährigen Krieg, vor allem durch das Bombardement von 1760, schwer gelitten hatte.« 5 Dabei war in der Residenzstadt an der Elbe gerade die glanzvolle barocke Blütezeit zu Ende gegangen, eine Epoche, in der Dres den zur Stadt von europäischem Rang aufgestiegen war. August der Starke und sein Sohn Au-