Joachim Jung 49 Von Basel nach Sils-Maria Friedrich Nietzsche in der Schweiz Das Große Nietzsche-Wo?! [in schnauzbärtiger Stimmung zu deklamieren] A: Nietzsche! B: Wo? A: Niiiiietzscheü B: Woooo? A: Da! B: Wo? A: Nada!! B: Wo da? A: Na Davos nach Sankt Moritz geht! Silst Du ihn? B: Nietzsche? Wo? A: Na da! Silst Du ihn denn nicht?!?! — B: Jaaa, jetzt jetzt Sils ich ihn!! Niiiiietzscheü! Endlich Sils ich ihn auch Mal—o-jaü JJ- Gamsjagd I Am 19.4.1869 betritt Friedrich Nietzsche erstmals die Schweiz. Aber seine wohl früheste litera rische Annäherung an dieses Land erfolgte bereits 10 Jahre zuvor, in einem Schulaufsatz zum Thema: »Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er zerbricht«. Für das dramatische Geschehen, mittels dessen Nietzsche diese Volksweisheit auszulegen gedenkt, hat er auch gleich Ort und Akteure gefunden: »Da, wo die Alpen ihre schneebedeckten Gipfel in die Wolken heben, wohnen die Schweizer, ein Volksstamm, der sich durch viele vorzügliche Eigenschaften auszeichnet. Ihre treue Anhäng lichkeit zu ihren Fürsten, ihre Vaterlandsliebe sind weit und breit berühmt, und die großartige Umgebung hat deutliche Spuren in ihren Charakter eingeprägt. Aber ihre Kühnheit und Muth gehen oft in Verwegenheit über, die sich besonders bei der so gefahrvollen Gemsjagd zeigt. Um so größer die Gefahr, um so größer wird die Lust, und so finden wir, daß viele Gemsjäger ein trau riges Ende in ihrer Lieblingsbeschäftigung finden. Wenn man den geringen Nutzen einer Gems jagd mit der unendlichen Gefahr vergleicht, so muß man dieses Geschäft nur eine Vermessenheit gegen natürliche Gesetze nennen, die auch gewöhnlich ihre Strafe nach sich zieht.« 1 Die auf diese Exposition folgende Erzählung steht in erfrischendem Gegensatz zu der hi^r halb lustlos, halb mit unfreiwilliger Komik vorweggenommenen Moral samt leicht philiströser Kosten-Nutzen-Rechnung. Sie situiert ihre Akteure — zwei Gämsjäger, die schließlich auf der Jagd in steilem Gelände tödlich verunglücken - in einem alpinen Panorama, das in Nietzsches Schil-