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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.06.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960630012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896063001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896063001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-06
- Tag1896-06-30
- Monat1896-06
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Die Morgen»Au«gabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-AuSgabe Wochentags um ü Uhr. Nedaction «nd Erpe-itton: Johannesgaffe 8. DieExpevition ist Wochentags unnnterbroche« geöffnet »ou früh 8 bis Abend» 7 Uhr. Filialen: vtt» Klemm'» Lortim. (Alfred Hahn). Uviversitätsstraße 3 (PauUnum). Louis Lösche, Knihartnenstr. 14, Part, und König-Platz 7. Bezugs-Preis so der Hauptexpedition oder den im Stadt» bezirk und den Vororten errichteten Aus» aabesteüen ab geholt: vierteljährlich bei zweimaliger täglicher Zustellung ins L-uS 5.50. Durch dir Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel>äbrUch > 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandienduug stch Ausland: monatlich 7.50. 327. Morgen-Ausgabe. Nip.rigcrTlMthlM Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile SO Psg. Reklamen unter dem RrdactiollSstrtch (4ge- spalten) LO-iZ, vor den Familiennachrichten (6gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Prris- verzrichniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höheren! Taris. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen»Ausgabe, ohne Postbesördernng 60.—, mit Postbesördernng ^l 70.—. Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes im- Malizei-Amtes -er Ltadt Leipzig. Dienstag den 30. Juni 1896. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend»AnSgabe: vormittag» 10 Uhr. Margen-AuSgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eiue halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Derlcn von E. Pol» kn Leipzig SV. Jahrgang. Anger-Crottendorf Herr Lodert Oreiner, Zweinaundorfer Straße 18, Connewitz Frau Reeder, Hermannstraße 23, I. Eutritzsch Herr Lodert Htner, Buchhandlung, Delitzscher Straße 6, Gohlis Herr Rodert Altner, Buchhandlung, Lindenthaler Straße 6, Lindenau Lindner dielst, Wettiner Straße 51, Ecke Waldstraße, Buchbinderei, Neustadt 8edeit's 4nuoneen-LxpedMon, Eisenbahnstraße 1, Im Interesse rechtzeitiger und vollständiger Lieferung des Leipziger Tageblattes wollen die geehrten Leser die Bestellung für das III. Vierteljahr 1896 baldgefälligst veranlassen. Der Bezugspreis beträgt wie bisher vierteljährlich für Leipzig 4 SO mit Bringerlohn für zweimaliges tägliches Zutragen S SO durch die Post bezogen für das Deutsche Reich und Oesterreich-Ungarn G In Leipzig nehmen Bestellungen entgegen sämmtliche Zeitungsspediteure, die Hauptexpedition: Johannesgasse 8, die Filialen: Katharinenstratze 14, Königsplatz 7 und Universitiitsstratze 3, Peterskirchhof L Herr Aax Xiertd, Buchbinderei, Ranftsche Gasse 6 Herr Lriedr. Liseder, Colonialwaarenhandlung, Ranstädter Steinweg K Herr 0. Lntzetmann, Colonialwaarenhandlung, Schützenstraste S Herr «kni. 8edülnieden, Colonialwaarenhandlung, Westplatz 32 Hcrr'ü. vittried, Cigarrenhandlung, Borkstraste 32 (Ecke Berliner Straße) Herr 0. vedus, Colonialwaarenhandlung, Zeitzer Straste 35 Herr V. Lüster, Cigarrenhandlung, in Plagwitz Herr U. Lrütrmann, Zschochersche Straße 7 a, - Reudnitz Herr W. LuKinonn, Marschallstraße 1, - - Herr Lernst. Wester, Mützengeschäft, Leipziger Straße 6, - Thonberg Herr L. üüntsest, Reitzenhainer Straße 58, - Volkmarsdorf Herr 6. 4. Baumann, Couradstr. 55 (Ecke Elisabethstr.). sowie nachfolgende Ausgabestellen: Arndtstraste 35 Herr L. 0. Littet, Colonialwaarenhandlung, Beethovenstraste 1 Herr ^steoü. keter, Colonialwaarenhandlung, Brühl 80 (Ecke Goethestraße) Herr Lerni. Aesske, Colonialwaarenhandlung, Frankfurter Straste (Thomasiusstraßen-Ecke) Herr Vtto Lrnn/,, Colonialwaarenhandlung, Löhrstraste LS Herr Lduard Letter, Colonialwaarenhandlung, Marschnerftraste 9 Herr küui 8estreister, Drogengeschäft, Nürnberger Straste 45 Herr Ll. L. Alstreedt, Colonialwaarenhandlung, in Vas Gesetz zur Lekämpfung des unlauteren Wettbewerbes. Am 1. Juli tritt das Gesetz zur Bekämpfung des un lauteren Wettbewerbes in Kraft. Auf seine Mängel hin zuweisen, hat keinen Zweck mehr; bei der großen Bedeutung aber, welcbe die Bestimmungen dcS Gesetzes für Handel nnd Wandel haben, ist es Wohl am Platze, auf seine Einzelheiten näher einzugehen und sie nochmals ausführlich vor Augen zu führen. Das Gesetz zur Bekämpfung deS unlauteren Wettbewerbes will fünf Formen dieses Bewerbes treffen: die schwindelhafte Reklame, die Quantitätsverschleierung, die üble Nachrede, den Eingriff in das Firmenrecht und den Berratb von Geheim nissen. Es sucht zu erreichen, daß der redliche Wettbewerber gegen den Schaden geschützt wird, der ihm aus verwerf lichen Operationen seines unlauteren Concurrenten erwachsen könnte. In der Verfolgung dieser Absichten kommt es zugleich dem Publicum zu gute, indem es den Käufer oder Con- sumenlen vor betrügerischen Maßnahmen bewahrt. Mit der schwindelhaften Reclame und ihren civil- rechtlichen Folgen beschäftigt sich 8 t veS Gesetzes. Er be stimmt, daß Derjenige, der in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mittheilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, über geschäftliche Verhältnisse, ins besondere über die Beschaffenheit, die Herstellungsart oder die Preisbemessung von Waaren einschließlich tandwirtb- schaftlicher Erzeugnisse oder gewerblicher und landwirthschaft- licher Leistungen, über die Art deS Bezugs oder die Bezugs quelle von Waaren, über den Besitz von Auszeichnungen, über den Anlaß oder den Zweck des Verkaufs unrichtige Angaben tbatsächlichcr Art macht, die geeignet sind, den Anjchein eines besonders günstigen Angebots bervorzurufen, auf Unter lassung der unrichtigen Angaben in Anspruch genommen werden kann. Dieser Anspruch kann von jedem Gewerbe treibenden, der Waaren oder Leistungen gleicher oder ver wandter Art berstellt oder in den geschäftlichen Verkehr bringt, oder von Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen geltend gemacht werden, soweit die Verbände als solche in bürger lichen RechlSslreitigkeiten klagen können. Neben dem Anspruch auf Unterlassung der unrichtigen Angaben haben die Gewerbe treibenden auch Anspruch auf Ersatz des durch die unrichtigen Angaben verursachten Schadens gegen Den, der die Angaben gemacht hat, falls er ihre Unrichtigkeiten kannte oder kennen mußte. Gegen Nedacteurc, Verleger, Drucker oder Verbreiter von periodischen Druckschriften kann dagegen der Anspruch auf Schadenersatz nur dann geltend gemacht werden, wenn sie die Unrichtigkeiten der Angaben kannten. Nicht als schwindelhafte Reclame ist die Verwendung von Namen auf zufassen, die nach dem Handelsgebrauche zur Benennung ge wisser Waaren dienen, ohne deren Herkunft bezeichnen zu sollen. Den Angaben thatsächlicher An sieben wiederum aber im Sinne des tz 1 gleich: bildliche Darstellungen und sonstige Veranstaltungen, die darauf berechnet und geeignet sind, solche Angaben zu ersetzen. H 2 regelt den Gerichtsstand dahin, daß bei dem hier vorliegenden Thatbestand eine Verfolgung nur zulässig sein soll an dem Orte, wo der Beklagte seine gewerbliche Nieder lassung hat. Für Ausländer dagegen soll das Gericht deS inländischen Aufenthaltsortes oder, wenn ein solcher nicht be kannt ist, daS Gericht, in dessen Bezirke die Handlung be gangen ist, zuständig sein. 8 3 erleichtert die Zulassung einstweiliger Verfügungen, die statthaft sind, auch wenn die in den KK 814 und 819 der Civil-Proceßordnung bezeichneten Voraussetzungen nicht zu treffen. § 4 setzt die strafrechtlichen Folgen (Geldstrafe bis 1500 Mark, im Wiederholungsfälle Haft oder Gesängniß bis zu 6 Monaten) für ebendieselben Fälle fest, für die der tz 1 die civilrechtlichen Folgen ordnet. Die Anwendbarkeit des tz 4 ist jedoch enger begrenzt, als die des tz 1. Es wird nämlich al- Voraussetzung der Strafbarkeit die Absicht erfordert, den Anschein eines besonders günstigen Angebot» Hervorzurusen, während eS in 8 1 genügt, wenn objektiv rin solcher Anschein vorliegt; eS wird verlangt, daß die unwahren oder zur Irreführung geeigneten Angaben thatsächlicher Art wissentlich gemacht werden, und e» ist die allgemeine Clause von den „geschäftlichen Verhältnissen", die der tz 1 enthält (s. o.), nicht ausgenommen worden. Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag ein. Wird auf Strafe erkannt, so kann angeordnet werden, daß die Verurtheilung des Schuldigen öffentlich bekannt zu machen ist; andererseits kann auch auf! Antrag deS freigesprochenen Angeschulbigten die Derösfent- ichung dec Freisprechung angeordnet worden. Die Quantität SV ersch lei er ung bildet den Inhalt des ß 5. Nach § 5 ist der BundeSrath befugt, anzuordnen, daß bestimmte Waaren im Einzelverkehre nur in vor geschriebenen Einheiten der Zahl, der Länge und deS Gewichts oder mit einer auf der Waare oder ihrer Ausmachung an zubringenden Angabe über Zahl, Länge oder Gewicht gewerbs mäßig'verkauft oder feilgehalten werden; ebenso kann er für den Einzelverkehr mit Bier in Flaschen oder Krügen die Angabe des InbaltS unter Festsetzung angemessener Fehler grenzen vorschreiben. Zuwiderhandlungen gegen die — im Reichsgesetzblatt zu veröffentlichenden und dem Reichstage vorzulegenden — Bestimmungen des Bundesraths werden, ohne daß es eines Antrags bedarf, mit Geldstrafe bis zu 150 X oder mit Haft geahndet. Die tztz 6 und 7 regeln die Verantwortlichkeit für die ible Nachrede. Diese Verantwortlichkeit ist theils civil-, tbeilö strafrechtlicher Natur. Zum Schadenersatz verpflichtet ist nach tz 6 Derjenige, der zu Zwecken des Wettbewerbs über das Erwerbsgeschäft eines Anderen, über die Person des Inhabers oder Leiter» de» Geschäfts, über die Waaren oder ewerblichen Leistungen eines Anderen nicht erweislich wahre Behauptungen thatsächlicher Art ausstellt oder verbreitet, die .eeignet sind, den Betrieb deS Geschäfts oder den Credit dcS Inhabers zu schädigen. Der Verletzte kann überdies den An spruch auf Unterlassung der Wiederholung oder Verbreitung der Behauptungen geltend machen. Die Bestimmungen des § 6 finden keine Anwendung, wenn der Mittheilende oder Empfänger der Mittbeilung an ihr ein berechtigtes Interesse hat. Auf Antrag bestraft wird die üble Nachrede im Sinne des § 6, wenn sie wider besseres Wissen erfolgt ist. tz 7 setzt für diesen Fall eine Geldstrafe bis zu 1500 oder Gefängniß bis zu einem Jahre fest. Wird auf Strafe erkannt, so ist zugleich dem Verletzten die Befugniß zuzusprechen, die Ver- urtheilung auf Kosten deS Verurteilten öffentlich bekannt zu machen. Andererseits wieder kann das Gericht auf Antrag des freigesprochenen Angeschuldigten die öffentliche Bekannt machung der Freisprechung anordnen; in dem Falle trägt Vie Staatskasse die Kosten, sofern sie nicht dem Denuncianten oder dem Privatkläger auferlegt sind. 8 8 abndet die Eingriffe in das Firmenrecht uud bildet gewissermaßen eine Ergänzung zu dem Gesetze über den Schutz der Warenzeichen. Er verpflichtet Denjenigen zum Schadenersätze, der im geschäftlichen Verkehre einen Namen, eine Firma oder die besondere Bezeichnung eines Erwerbsgeschäfts, eines gewerblichen Unternehmen- oder einer Druckschrift in einer Weise benutzt, die darauf berechnet und geeignet ist, Verwechselungen in dem Namen, der Firma oder der besonderen Bezeichnung hervorznrusen, deren sich ein Anderer befugter Weise bedient. Auch kann der Anspruch auf Unterlassung der mißbräuchlichen Art der Benutzung geltend gemacht werden. Bon dem Schutze der Geschäfts- nnd Betriebs geheimnisse handelt ß. 9. Danach werden sowohl schaden- rrsatzflichtig als auch strafrechtlich (mit Geldstrafe bis zu 3000 oder mit Gefängniß bis zu einem Jahr«) Diejenigen bestraft, die als Angestellte, Arbeiter oder Lehrlinge eine- Geschäftsbetriebes Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, die ihnen vermöge d«S Dienstverhältnisses oder sonstwie zugänglich geworden sind, während der Geltungsdauer deS Dienstver hältnisses*) unbefugt an Andere zu Zwecken de« Wettbewerbe« oder in der Absicht, dem Inhaber des Geschäftsbetriebe« Schaden zuznsügen, mittheilen. Die gleiche Strafe trifft Den, der Geschäft«- oder Betriebsgeheimnisse, deren Kenntniß er auf die vorher erwähnte Weise oder durch eine gegen da« Gesetz oder die guten Sitten verstoßende Handlung erlangt hat, zu Zwecken dcS Wettbewerbes unbefugt verwerthet oder an Andere mittheilt. Die Anstifter werden mit Geldstrafe bis zu 2000 oder mit Gefängniß bis zu neun Monaten bestraft. Hinsichtlich der Verjährung der Schadenersatz ansprüche und der Strafverfolgung ist noch Folgende- zu bemerken: Tie Ansprüche auf Unterlassung der schädigenden Handlung und Schadenersatz verjähren in 6 Monaten von dem Zeitpuncte an, in dein der AnspruchS- *) Die Bestimmung, wonach auch nach Auslösung des Dienst verhältnisses der Berratb von Geschäftsgeheimnissen strafbar sein sollte, ist bei der definitiven Annahme de« Gesetzes wieder beseitigt worden. berechtigte von der Handlung und von der Person der Verpflichteten Kenntniß erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntniß in drei Jahren von der Begebung der Hand lung. Die Strafverfolgung tritt, soweit es sich um schwindelhafte Reclame, üble Nachrede, Eingriff in das Zirmenrecht und Verrath von Geheimnissen handelt, nur auf Antrag ein nnd kann in diesen Fällen von den zur Strafanzeige Berechtigten im Wege der Privatklage ver folgt werden, ohne daß eS einer vorgängigen Anrufung der Staatsanwaltschaft bedarf. Die öffentliche Klage wird vom Staatsanwalte nur dann erboben, wenn ein öffentliches In teresse vorliegt. Ist in den Fällen der schwindelhaften Reclame, der üblen Nachrede und deS Eingriffs in daS Firmenrecht auf Unterlassung der schädigenden Handlung Klage erhoben, so kann der obsiegenden Partei die Befugniß der Veröffentlichung des Urtheils aus Kosten der unterliegen den Partei zugesprochen werden. Neben der gesetzlichen Strafe kann auf Verlangen des Verletzten auch auf eine an ihn zu erlegende Buße ini Betrage bis zu 10 000 -E erkannt werden. Eine Buße schließt jedoch die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruchs auS. Deutsches Reich. Berlin, 29. Juni. Auf die eigenthümliche bevorzugte Stellung, welche die Berliner Berichterstatter der größeren eng lisch enZeilungen an demBerlinerHaupttelegraphen- amte zu genießen scheinen, hat der vielbesprochene Fall Basbford ein bezeichnendes Streiflicht geworfen. In einer Zuschrift, welche der „Deutschen Tageszeitung" zugegangen ist, wird auf weitere Nebergriffe der englischen Correspondenten vom Schlage Aasbford'ü aufmerksam gemacht: „Den deutschen Lesern englischer Blätter mußte schon seit Jahren der, gelinde gesagt, freie Ton auffatlen, der die Berliner Telegramme der Londoner Blätter fast stets kennzeichnet. Man fragte sich, wie es wohl möglich sei, daß kaiserliche Tclegraphenämter der deutschen Reichshaupistadt Telegramme annehmen, deren Inhalt oft geradezu beleidigend und herausfordernd für daS deutsche Reich im Allgemeinen und für die Personen des Hofes, der Regierung und der politischen Parteien im Besondern ist. So wurden anläßlich des Falles Kotze nach London Mit theilungen telegraphirt,die hier die berufsmäßigen Klatschblätter zu veröffentlichen Bedenken tragen würden, und in der Sprache, die diese Telegramme bezüglich der Person des Kaisers seit Jahresfrist zu führen belieben, würde ein leidlich geschickter Staatsanwalt auch ohne Benutzung des ckolu8 eveutualis täglich Grund zum Einschreiten finden." — Nach den neulichen Erklärungen des Herrn von Stephan wird nun aber die ganze Sache verständlich: die Bericht erstatter der englischen Blätter wissen, daß ihre Telegramme in Berlin keinerlei Censur unterliegen, und so dürfen sie sich hier etwas herausnehmen, was ihnen in keinem anderen Lande gestattet sein würde. Ein einziger Special fall aus der jüngsten Zeit dürfte die Bedenklichkeit dieser von Herrn v. Stephan geübten Rücksicht besonders grell beleuchten. Vor etwa zwei Wochen brachten die Athener Oppositionsblätter unter der ueberschrist: „Wie der Bruder unserer zukünftigen Königin über die Christen des Orients denkt" die wörtliche Uebersetzung eines Berliner Telegramms der „Daily New«", dessen Hauptsätze folgendermaßen lauteten: „Ich batte soeben eine Besprechung mit hochstehenden Regierungs beamten über dir Stellung Deutschland« zu den orientalischen Fragen. An« den mir gegebenen Darlegungen gewann ich die Ueberzeugnng, daß das Auswärtige Amt in Berlin eine Politik des craffesten Materialismus vertritt. Man erklärte mir offen, daß die hiesige Regierung und besonders auch Kaiser Wil helm die unbedingte Aufrechterhaltung des europäischen Friedens wünsche, und solle derselbe auch durch Heka tomben von Opfern deS türkischen Fanatismus erkauft werden. Von Berlin au» wird man für die Christen des Orient» nicht einen Finger rühren. Die Zeiten sind vorüber, in denen eS das deutsche Volk als eine Pflicht ao- sab, die christliche Cultur gegen asiatische Barbarei zu ver- tbeidigen, und heute kennt man in Berlin keinen größeren Nubm, als in der auswärtigen Politik der willenlose Trabant Rußland» zu sein." — In diesem Tone geht eS noch eine Weile fort, und zwar sollte diese Hetzerei eine ebenfalls von englischer Seite aufgebrachte Perfidie gegen Kaiser Wilhelm verstärken, wonach dieser dem Sultan Abdul Hamid bei seinem Besuch in Konstantinopel im November 1889 wörtlich erklärt habe; „Ew. kaiserliche Majestät haben durch aus recht, die aufständischen Kretenser mit allen Mitteln, nöthigenfalls mit Feuer und Schwert, zur Unterwerfung zu bringen." Diese Lügen nnd Entstellungen baben natürlich den Zweck, den deutschen Kaiser für daS klägliche Fiasco der britischen Orientpolitik verantwortlich zu machen. Hier aber interessirt vor Allem die Frage: „Wie kann ein kaiserlich deutsches Telegrapbenamt ein Telegramm an die „Daily News" befördern, das eine so grobe Schmähung des deutschen Nationalcharakters, eine so freche Beleidigung der deutschen Neichsregierung und eine so niedrige Verdächtigung des deutschen Kaisers enthält?" — Wer während dcS deutsch - ranzösischen Krieges Gelegenheit batte, die Rücksicht kennen zu lernen, mit der die englischen Kriegsberichterstatter im deutschen Heereslager, auch wenn sie sich Dinge erlaubten, die ihre deutschen College» sich nicht gestatte» durften,- vcu allen Seiten behandelt wurden, wird erkennen, daß das von der „Deutschen Tageszeitung" Gerügte nur Folge einer alten Gewohnheit ist. Znm Theil mag diese auf die frühere Be deutung der „Times" für die europäische Diplomatie zurück zuführen sein, znm weitaus größeren Theile ist sie Folge des AnsebenS, das die Vertreter englischer Blätter durch ibre bedeutenden Bezüge sich zu geben wissen und das in Deutsch land von jeher imponirt hat. So tief eingewurzelte Gewohn heiten verschwinden nicht mit einem Male. Hoffentlich tragen die Erörterungen, die der Fall Basbford in der deutschen Presse bervorgcrufen hat, dazu bei, daß wenigstens allmählich jene alte, aber deshalb nicht minder dcmüthigende Gewöhn heil abgelegt wird. Berlin, 29. Juni. Was soll die „Verstärkung der Schlitztruppe jetzt noch in Dentsch-Süd Westafrika?" fragte unmittelbar nach dem Bekanntwerden des für uns glücklichen Ausganges des Gefechts bei Gobabis die „Frei sinnige Zeitung." Wem die Antwort darauf, die sich aus den Berichten des Majors Leutwein und des Hauptmanns Estorf ergab, nicht genügte, der konnte sich über die Aufgabe, welche der deutschen Schutztruppe in unserem südwcst- afrikanischen Schutzgebiete auch nach der „vorläufigen" Beendigung des Krieges gegen die Herero-Häuptlinge Nicodemus und Kahimema noch zu erfüllen bleibt, leicht aus den be unruhigenden Meldungen unterrichten, welche über das Ver halten der Eingeborenenstämme näher zur Küste hin, speciell in der Nachbarschaft der Swakop-Mündung, einliefen. Aus diesen Meldungen geht das Eine mit unzweifelhafter Gewiß heit hervor, daß der Sieg bei GobabiS noch gerade zur rechten Zeit gekommen ist, um ein rasches Umsichgreifen des Aufstandes und einen allgemeinen Krieg der Hereros gegen uns hintanzuhalten. Der Umstand, daß das in Swakopmund vor Anker liegende deutsche Kriegsschiff eine starke Abtheilung seiner Bemannung auSschiffte, um den Platz zu besetzen, läßt sich keineswegs, wie eS versucht wurde, allein mit der Rück kehr der zur Ablösung bereits in Swakopmund befindlichen Mannschaft der Sckmtztrnppe in daS Innere des Landes er klären. Swakopmund hat gewöhnlich nur eine Besatzung von 2 Unterofsicieren und 8 Mann. Wenn jetzt eine Abtheilung von 40 Mann nach dem Ortt gelegt wurde, so hat das ohne Zweifel seine besonderen Gründe, und welcher Art dieselben sind, daS läßt sich un schwer ans dem Versuche der benachbarten eingeborenen Stämme ersehen, von den Engländern in Walsischban Munition zu erlangen. Alles weist darauf hin, daß wir noch weit davon entfernt sind, in Deutsch-Südwestafrika den Eingeborenen gegenüber eine Autorität zu besitzen, welche auch über schwierige Situationen ohne besondere Kraftaus wendung binweghilft. Die Bemerkung deS Majors Leutwcin, daß der Krieg gegen die aufständischen Herero-Häuptlinge „vorläufig" zu Ende sei, kann nur den Sinn haben, baß es sich nunmehr darum bandeln werde, Vorkehrungen gegen die Wiederholung von Ereignissen zu treffen, welche Deutschland Opfer an Gelo und Blut auferlegen. Für diese Aufgabe kommt die nach Deutsch-Südwestafrika gesandte Verstärkung der Schutztruppe gerade recht. (-) Berlin, 29. Juni. (Telegramm.) Wie der „Reichs anzeiger" meldet, hatderKaiser den Söhnen des im Jahre 1880 verstorbenen Generalarztes Wilm», Premier-Lieutenant Ernst und Regierungsassessor Robert WilmS, den erblichen Adel verliehen. Berlin,29. Juni. (Telegramm.) Verschiedene Blätter bezeichnen bereit» den Tag, an welchem da» russische Kaiser paar in Berlin eintreffen werde. Der „Nat.-Ztg." zufolge ist jedoch an wohl unterrichteter Stelle hierüber bisher ^nichts bekannt.
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