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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.07.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960702023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896070202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896070202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-07
- Tag1896-07-02
- Monat1896-07
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Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentags um s Uhr. Ne-action und Erpeditio«: JohanneSgaffe 8. Tie Ezpeoition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: ktt» Klcmm'S Tortim. (Alfred Hahn). Uviversitätsstraße 3 (Paulinum), LonlS LSsche, Kathaniienstr. l4, Part, und Königsplatz 7. Bezugs-Preis In der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgrholt: vierteljährlich^4.50, bei -weimaltarr täglicher Zustellung in« Haus b.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Dirrcte tägliche Kreuzbandsrndun- ins Ausland: monatlich 7.S0. Abend-Ausgabe. UchMr JaMalt Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Sirclamen unter deinSiedactionsstrich («ge spalten) SO^j, vor den Familieoaochrichtea (ügespalten) 40^. Broßerr Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilage« (gefalzt), nur mit de, Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 80.—, mit Postbesörderung 70.—. Anzeiger. Ämtsölatt des königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Natljes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Donnerstag den 2. Juli 1896. Zlanahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« - Uhr. Vei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au di« Expedition zu richten. Druck nnd Berlaq von L. Bolz in Leipzig 9V. Jahrgang. Die Annahme -es bürgerlichen Gesetzbuches. Während Kleinmuth auf der einen und Mißgunst auf der anderen Seite die Festigkeit unsere« Nationalstaates schwinden zu sehen glauben, hat sich um die deutschen Stämme ein neuer Reif geschlagen, so stark und fest umklammernd, wie irgend eine der vor fünfundzwanzig Jahren geschaffenen gemeinsamen Einrichtungen. Mit dem gestrigen Beschlüsse de« Reichstag« ist die deutsche RechtSeinheit Thatsache geworden. Vom ersten Tage des kommenden Jahrhunderts an wird das deutsche Volk in einem gemeindeutschen Bürgerlichen Gesetzbuch die Grundlage für die einheitliche Ordnung und Entwickelung seines Rechts- und Wirtschaftslebens und damit ein bei anderen Nationen er probtes Mittel zur Ausgestaltung der geistigen und sittlichen nationalen Physiognomie besitzen. Der Werth dieser Errungenschaft mag daran gemessen werden, daß Deutschland auch im alten Reiche niemals ein gemeinsames Recht gekannt hat. Und die Geschichte der ein zigen Rechtsinstitution, welche für daS ganze alte Reich bestand, die des obersten Gerichtshofes, giebt zugleich die Geschichte der Zersplitterung. Die Fürsten trachteten, ihr Gebiet der Recht sprechung deS obersten Gerichts zu Gunsten eigener Gerichte zu entziehen, die Kaiser selbst schädigten seine Bedeutung durch Errichtung einer zweiten, gleichgestellten Behörde. Um gekehrt hat der Kaiser des neuen Reichs und haben mit ihm die meisten Bundesfürsten auf ihre bestehenden obersten Landesgerichte verzichtet und ist daS Reichsgericht zu Leipzig, das künftig auch die letzten Entscheidungen in bürger lichen Rechtssachen fällen wird, unbestritten die Spitze des deutschen Gerichtswesens. Auch in der Geschichte deS Bürgerlichen Gesetzbuches und ganz besonders in ihr ist die Gewalt des EinigungSgedankens im Gegensatz zu den daS alte Reick» beherrschenden Auf- lösungSbestiebungen zu erkennen. Der Urheber des ersten bürgerlichen NechtsbucbeS für Alldeutschland war das deutsche Volk, das sich in der nationalliberalen Partei das Organ geschaffen hatte, seine lang verhaltenen Wünsche und Forderungen an die Regierungen zu bringen. Wie die Partei gegenüber dem Werke der Rechtseinheit ihrer Aufgabe sich entledigt bat, daS gehört seit gestern der Geschickte an. Sie ist unermüdlich, anfänglich sogar gegen den Willen der Negierung, in dem Verlangen nach der Inangriff nahme des Bürgerlichen Gesetzbuches gewesen, war durch ihre besten Männer an der Ausführung betheiligt und hat, nach dem die große Angelegenheit wieder der parlamentarischen Entscheidung znrückgegeben war, obwohl verlassen von der Partei, mit der sie früher am Ausbau des Reichs zu wirken gewohnt war, daö Zustandekommen gesichert. Aber alle ihre Mühen wären vergebens gewesen, wenn die Einzelregierungen sich nicht mit dem nationalen Geiste, der der Vater deS Bürgerlichen Gesetzbuches ist, hätten Feuilleton» Lim pinkerton nnd ich. Roman von R. L. Stevenson und Lloyd Lsbourne. 4s Autorisirte Bearbeitung von B. Kätscher. Nacktruck »krboten. Er bewohnte ein bescheidenes Dackstübchen in einem bohen Hause. Die Einrichtung bestand hauptsächlich aus seinenKoffern, während die Wände mit seinen Bildern und Entwürfen tapeziert waren. Keinem Menschen kann es so peinlich sein wie mir, Jemandem etwas Unangenehmes sagen zu müssen. Wenn eS sich jedoch um ein Kunstnrthcil handelt, vermag ick, wenn ich nicht erröthen soll, mit meiner wahren Meinung nicht hinter dem Berg zu halten. Bei Allein, waS an Kunst streift, wird meine Ehrlichkeit nnd Aufrichtigkeit wahrhaft römisch. Ich unternahm einen ersten Rundgang durch daS Stübchen in tiefstem Schweigen, dabei in jedem Winkel nach etwas Be- merkenSwerthem spähend. Pinkerton folgte mir, mit ver stohlenen Blicken sein Unheil von meiner Stirne lesend. Er legte mir immer wieder neue Studien mit unverhüllter Aengst- lickkeit zur Prüfung vor, und schob sie, als sie von meinem künstlerischen Unheil unvollkommen befunden wurden, mit verzweifelter Miene zur Seite. Nachdem wir einen zweiten Rundgang beendet hatten, sahen wir Beide sehr nieder geschlagen ans. „O, eS ist ganz unnötbig, daß Sie mir Ihre Meinung sagen!" seufzte er, unser Schweigen brechend. „Soll ich aufrichtig sein? Ich glaube, Sie vergeuden Ihre Zeit", entgegnete ick. „Haben Sie denn gar nicht- Versprechende- gefunden?" fragte er, seine klaren Augen forschend auf mich richtend, was mich IN nicht geringe Verlegenheit versetzte. „Nicht einmal in diesem Stillleben? Was sagen Sie zu dieser Melone? Ein College fand sie gut." Ich unterzog die besagte Melone einer besonder« auf merksamen Prüfung, leider veranlaßte auch sie mich zu rinem Kopssckütteln. „ES thut mir wirklich leid, lieber Pinkerton, aber ich kann Ihnen beim besten Willen nicht rathen, die Malerei sortzusetzen." „Mit der Beweglichkeit eine- Gummimännchens erbolte er sich sofort von seiner Enttäuschung und sagte tapfer: „Tbut nicht«! Ich bin nicht überrascht. Ich werde erfüllen kaffen. Die Reichsverfafsung vom Jahre 1871 er streckte die Befugniß des Reiches nur auf einen kleinen und social weniger wichtigen Theil der Gesetzgebung über das bürgerliche Recht. Die Regierungen konnten in voller GesetzeS- treue sich weigern, der Rechtszersplitterung ein Ziel zu setzen. Sie haben sich jedoch nicht auf ihre Verpflichtungen zurückgezogen, sondern den Rechtsbau zugelassen und sich ohne Sinnesänderung bis zuletzt um seine Vollendung redlich bemüht. So ist nicht nur das Bürgerliche Gesetzbuch an sich, sondern auch die Art, wie es erlangt worden ist, ein nationaler Gewinn und eine Gewähr für die Zukunft des Reiches. Zu dem Danke für die Regierungen gesellt sich der an die Männer, die in dem Entwurf zum Gesetz in langer, unermüdlicher Arbeit ein Denkmal deutscher Tüchtigkeit und Hingebung geschaffen. Daß nicht alle politischen Mithelfer Anspruch auf das Zeugniß selbstlos, um der Sache und um deS Reiches willen geleisteter Dienste haben, ist eine mehr wegen der Reichspolitik überhaupt be dauerliche als die Genugthuung über den großen Fortschritt mindernde Thatsache. Noch weniger ver mag eS den Erfolg zu verkleinern, wenn die Vertreter des gewohnheitsmäßigen parlamentarischen Müßiggang- nicht genug Fleiß auf die Arbeit verwandt finde». Was endlich den Vorwurf deS Mangels an „Würde" bei der Anlegung der letzten Hand angeht, so ist er auS jenem Winkel des Parlaments erklungen, wo der Abgeordnete Ahlwardt gesessen haben würde, wenn er es nicht für würdiger erachtet hätte, anstatt sein Mandat anszuüben, in Amerika zu wirken. Mit dieser Feststellung erledigt sich jener Tadel. Politische Tagesschau. * Leip,la, r. Juli. Die Minderheit, die gestern im Reichstage gegen das Bürgerliche Gesetzbuch stimmte oder der Abstimmung sich enthielt, war noch geringer, als man vorgestern nach den Er klärungen der Redner der einzelnen Fraktionen und Gruppen annehmen mußte. Nur 48 verneinende Stimmen standen den 222 bejahenden gegenüber nnd nur 18 konnten weder zu Ja noch zu Nein sich entschließen. Und dieses hocherfreuliche Ge- sammtresultat ist nicht ohne ein hocherwünschtes Einzelresultat erzielt worden. Die unheilbare Geisteskrankheit ist unter Aufhebung des Beschlusses zweiter Lesung nach warmer Befürwortung des dahin abzielenden Antrags durch den Minister Schönstedt und die Vertreter der sächsi schen und der badischen Regierung mit 161 gegen 133 Stimmen wieder in die Zahl der Ehescheidungs gründe ausgenommen worden. Sonst ist au« der Be- rathung noch Folgendes hervorzuheben. Zum dritten Buch (Familienrecht) lag zunächst ein Antrag des Abg. Frhrn. v. Stumm (Reichsp.) vor, die Ehemündigkeit mit dem 25. Lebensjahre beginnen zu lassen. In der zweiten Lesung war eine Herabsetzung auf daö 2l. Lebensjahr beschlossen worden. Ein Antrag deS Abg. Rintelcn (Eentr.) bezweckte das Gleiche, während ein Antrag des Abg. Enneccerus(nat.-lib.) dahin ging, die Ehemündigkeit nur für männlich« Personen mit dem 25. Lebensjahre beginnen zu lassen, bei weiblichen Personen es dagegen beim 21. Lebensjahre zu belassen. Da das Centrum dennoch ausharren und meine ganze Seele in der Kunst anfgehen lassen, denn schließlich bildet sie ja dock den Geist. Auch kann sie mir dazu verhelfen, meine Beziehungen auszudehnen, wenn ich einmal nach Hause zurückkehre. Sie wird mich vielleicht zu einer Anstellung bei einem unserer illustrirten Blätter befähigen und dann kann ich zur Noth auch Kunsthändler werden." Diese ungeheuerliche Idee, welche geeignet war, das Quartier Latin in seinen Grundvesten zu erschüttern, äußerte er mit köstlicher Naivität. „Ueberdies hilftS mir Erfahrungen sammeln", fuhr er fort; „man pflegt ungerechterweise den praktischen Nutzen, den die Erfahrung bietet, zu unterschätzen. Mit dem Gegen stand haben wir abgeschlossen. Aber alle Achtung vor Ihrer Aufrichtigkeit! Ich werde eS Ihnen nie vergessen, meine Hand darauf, Herr Dodd! Ich bin Ihnen weder an Talent noch an Bildung ebenbürtig." „Das können Sie ja nicht wissen", entgegnete ich; „ich habe ivohl schon Ihre Arbeiten gesehen, aber Sie noch nicht di« Meinigen." „Wie wär's, wenn wir sofort in Ihr Atelier gingen?" rief er lebhaft. Ich muß offen gestehen, daß ich mich fast schämte, ihn in meine Kunstwerkstatt zu führen, denn ich empfand, daß meine Leistungen — ob sie nun an sich gut oder schleckt waren — die srinigen bei Weitem übertrafen. Seine gute Laune war bald wieder hergestellt und er verblüffte mich auf dem Wege geradezu durch sein lustige« Geplauder und seine neuen Pläne, so daß ich schließlich zu verstehen begann, wie di« Dinge bei ihm standen. Er war kein Künstler, dem meine Aufrichtigkeit die Ausübung seiner einzigen Kunst verleiden konnte, sondern ein Geschäft-mann mit sehr ausgedehnten Interessen, der von mir einfach vernommen hatte, daß eine seiner Capitalsanlagen unersprießlich sei. Er stickte denn auch, wie ich bald erfahren sollte, bereits damals bei einer anderen Muse Trost. Einige Male war es mir bereits aufgefallen, daß er, wenn ich von mir sprach, ein Notizbuch auS der Tasche zog und eifrig darin scribbelte. Al« wir in mein Atelier traten, bemerkte ich eS wieder in seiner Hand. Er führte den Blei stift zum Munde und sah sich prüfend in dem unbehaglichen Räume um. „Wollen Sie vielleicht eine Skizze aufnehmen?" konnte ick nicht nmbin, zu fragen, während ich den Genius von MuSkegon enthüllte. und die Socialdemokraten sich gegen die Anträge erklärten, wurden dieselben, obwohl vom Regierungstische auS der An trag des Abg. EnnecceruS befürwortet wurde, sämmtlich ab gelehnt. Die vorgestern angenommene Milderung der Be stimmungen über die Schadensersatzpflicht für Ver letzungen durch Hansthiere mußte gestern nochmals zur Abstimmung gebracht werden, da der betr. Antrag vorgestern nicht schriftlich vorgelegen hatte. Gestern wurde der Antrag gegen die Stimmen der Rechten abgelehnt. Ein Versuch deS Antisemiten Vielhaben, durch Anfechtung der auf die Trennung von Tisch und Bett bezüglichen Paragraphen noch im letzten Augenblick das Gesetzgebungswerk zu gefährden, wurde nach kurzer, aber scharfer Kritik von Seiten des Abg. Enneccerus (nat.-lib.) durch Ablehnung der betr. Anträge abgewiesen. Der Rest des Gesetzbuches wurde ohne weitere erhebliche Debatte genehmigt. Beim Einführungsgesetz wurde nur eine Aenderung auf einen Antrag von polnischer Seite hin angenommen, indem die landesgesetzlichen Vor schriften über Ansiedelungsstellen den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches unterworfen wurden. Bei der Be- rathung der Ueberschrift des Gesetzbuchs nahm der Abg. Lieber nochmals die Gelegenheit wahr, die Stellung des Centrums zu dem ganzen Werke darzulegen. Auch die Polen und Welfen folgten diesem Beispiele, wobei sich die ersteren für das Gesetzbuch erklärten, während die letzteren Stimm enthaltung proclamirten. Schließlich gelangten noch die von der Commission beantragten Resolutionen zur An nahme, während eine von den Socialdemokraten beantragte Resolution, betreffend die Frage der Berufsvereine, zurückgestellt wurde. Die Gesainnitabstiminung wurde zunäckst ausgesetzt und die Frage erledigt, ob das Mandat des Abg. Köhler (Reformp.) wegen Uebertragung einer Postagentur als erledigt zu betrachten sei. Die Frage wurde mit großer Mehrheit bejaht. Alsdann fand die Gesammtabstimmung über das Bürgerliche Gesetzbuch statt. Gegen dasselbe stimmten geschlossen nur die Socialdemokraten, ferner die Conservativen v. Ploetz und v. Werdeck, sowie die bayrischen Bauernbündler unter Führung Sigl'S. Die Antisemiten, die Welfen und die Elsässer enthielten sich der Abstimmung. Von den zu keiner Fraction Gehörigen stimmte u. A. auch Abg. Graf Bismarck für das Gesetz; er kann also im Gegensatz zu den „Hamb. Nachr." nicht der Meinung sein, daß das große Werk die Merkmale einer „würdelosen Durchpeitschung" an sich trage. Das Margarinegeset; wird die letzte That sein, mit welcher der Reichstag sich noch vor seiner gestern beschlossenen Ver tagung beschäftigt. Die dritte Berathung wird nicht glatt verlaufen. Abermals wird ein heftiger Streit entbrennen um das Färbeverbot und die Trennung des Feilhaltens von Margarine und Butter; beide sind bekanntlich in zweiter Lesung beschlossen worben. Sollten die Beschlüsse in dritter Lesung anders ansfallen, so sind die Agrarier ge willt, gegen das ganze Gesetz zu stimmen, in der Hoff nung, dann durch rege Agitation die Bahn für ein noch schärferes Margarinegesetz frei zu machen. Außer jenen beiden Vorschriften werden aber noch einige Anträge zur Erörterung kommen: man will die latente Färbung mit Phenolphthalein doch durchsetzen, ebenso die Anzeige der Verwendung von Margarine in Restaurants und Bäckereien; ferner eine Strafbestimmung gegen Arbeitgeber, die entgegen eingegangenen Verpflichtungen Margarine und Margarine käse statt Butter und Milckkäse an ihre Arbeiter liefern. Diese letztere Vorschrift hat etwas für sich und man kann ihre Annahme wünschen. Die beiden anderen Anträge sind schon im Laufe der Berathungen als unthunlich nachgewiesen; „Das ist mein Geheimniß", entgegnete er. „Es ist Ihnen doch bekannt, daß sich zuweilen sogar eine Maus einem Löwen nützlich erweisen kann." Er schritt um die Statue herum und ließ sich von mir den Vorwurf ganz genau erklären. Ich hatte nämlich den Staat MuSkegon als eine junge Mutter mit indianischem Typus darzestellt und das Kind in ihrem Schooße mit Flügeln versehen, um die hochfligende Zukunft unseres Staates anzudeuten. Ihr Sitz war ein Chaos von bild hauerischen Fragmenten im griechischen, römischen und gothischen Stile; er sollte allegorisch an die alte Welt er innern, von der wir abstammen. „Sind Sie mit Ihrem Werk zufrieden, Herr Dodd?" fragte er. „Ich halte es nicht für ganz schlecht. Es scheint mir manche Vorzüge zu haben, aber ich gedenke noch Besseres zu leisten." „Das ist ein Wort! DaS ist ein Wort, das mir gefällt!" kam es begeistert aus seinem Munde; dann kritzelte er wieder eine Weile in seinem Notizbuch. „Was ficht Sie an? DaS ist doch der gewöhnlichste Aus druck von der Welt!" rief ich ärgerlich. „Immer besser!" kicherte Pinkerton. „Die Unbewußt- beit der Genies." Und abermals kam das Notizbuch zum Vorschein. „Wenn Sie übertreiben und schmeicheln, werde ich sofort die Schaubude schließen", entgegnete ich und machte Miene meinen Genius wieder zu verjchleiern. „Nein, nein, nicht so eilig! Erklären Sie mir doch noch di« einzelnen Vorzüge des Werkes." „Es wäre mir schon lieber, wenn Sie dieselben heraus fänden." „Die Sache ist die, daß ich von der Bildhauerei leider nicktS verstehe, wenngleich ich sie bewundere wie Jeder, der eine Seele im Leibe hat. Seien Sie also brav und erklären Sie mir, was Eie daran gut finden und WaS Ihnen Schwierig keiten bereitet. Da- würde mich wirklich sehr interessircn und gleichzeitig belehren." „Ja, sehen Sie, Sculpturen sind eigentlich nur eine Ab art von Architektur; man muß vor Allem die Maßverbält- nisse in Betracht ziehen", begann ich und hielt einen förm lichen Vortrag, den ich an meinem eigenen Werk illustrirtr, Pinkerton lauschte meinen Worten mit sichtlichem Interesse, stellte einige laienhafte, aber verständige Fragen an mich und kritzelte zwischen durch in seinem Notizbuch. Ich sand e- wir glauben nicht, daß der Reichstag sie noch in letzter Stunde in das Gesetz einfügen wird. Da« Schicksal des Entwurfs hängt vom Färbeverbot und der Ladentrennung ab. Wie es heißt, ist die Mehrheit im Bundesrath nickt geneigt, auf diese die Tendenz der ursprünglichen Vorlage völlig verändernden Bestimmungen einzugchen. In der päpstlichen Enrhcltca „Srrtig oogultumvom 29. Juli erbebt Leo XIII., dessen Bestrebungen um die Wiedervereinigung aller Kirchen unter dem „Stellvertreter Christi" in Rom ja bekannt sind, ebenso wie alle seine Vor gänger den Anspruch, daß es nur eine einzige Kirche, nämlick die römische Papstkirche gebe, und daß ihr Alle außerhalb derselben stehenden, namentlich die Protestanten, cke furo an gehören. Diese unerhörte Prätension ist vor 23 Jahren von Kaiser Wilhelm in ebenso würdiger wie entschiedener Weise zurückgewiesen worden. Damals hatte Papst Pins IX. unterm 7. August 1873 einen Brief an den deutschen Kaiser gerichtet, worin es n. A. hieß: „Denn Jeder, welcher die Lause empsaiigen Hai, gehört in irgend einer Beziehung oder aus irgend eine Weije, welche hier näher darzulegen nicht der Ort ist, gehört, sage ich, dein Papste an." Darauf antwortete der Kaiser in einem Schreiben vom 3. September 1873 , das mit folgenden historischen Worten schloß: „Noch eine Aeußerung in dem Schreiben Eurer Heiligkeit kann Ich nicht ohne Widerspruch übergehen, wenn sie auch nicht ans irrigen Berichterstattungen, sondern auf Eurer Heiligkeit Glauben beruht, die Aenßerung nämlich, dass Jeder, der die Taufe empfangen hat, dem Papste angehöre. Der evangelische Glaube, zu dem Ich mich, wie Eurer Heiligkeit bekannt jein muß, gleich Meinen Vorfahren und mit der Mehrheit Meiner Unter- thanen bekenne, gestattet uns nicht, in dem Verhältniß zu Gott einen anderen Vermittler als unseren Herrn Jesum Christum an zu nehmen. Diese Verschiedenheit des Glaubens hält Mich nicht ab, mit Denen, welche den unseren nickt theilen, in Frieden zu leben und Euerer Heiligkeit den Ausdruck Meiner persönlichen Ergebenheit und Verehrung darzubringen." Es ist gut, sich an dieses echt protestantische Kaiserwort, sowie daran zu erinnern, daß eS s. Z. in der gesainmten protestantischen Welt, nicht nur in Deutschland, einen mächtigen Widerhall gefunden hat. Auch heute würde ein gleiches Wort den gleichen Erfolg haben und wir sind überzeugt, daß es auch, wenn es Noth thäte, gesprochen werden würde. Jin klebrigen ver lohnt es sich nicht, auf die weiteren unbewiesenen und unbeweis baren Behauptungen des Papstes einrugehen. Nur eins wollen wir nicht unwidersprochen lassen. Leo XlII. sucht die Papstkirche gegen den Vorwurf zu vertbeidigen, daß sie weltliche Ziele erstrebe und in weltliche Dinge eingreifen oder Rechte der Herrscher an sich reißen wolle. Die ganze tausendjährige Geschichte deS römischen Papstthnms, vor Allem aber die Ge schichte des deutschen Mittelalters, ist Zeuge dafür, daß das letzte Ziel der curialen Politik, die Vereinigung der höchsten geistlichen und weltlichen Macht, in der Hand des Papstes ist. Der Anspruch auf höchste und alleinige Autorität auf Erden, welchen die Päpste erbeben, deutet ja schon unverkennbar darauf hin. Sie beschränken allerdings ihre unfehlbare Autorität auf Glaubenssachen, aber was subsuinmirt die katholische Kirche nicht alles unter diesen Begriff! In der gestrigen Sitzung der italienischen Deputirten- kanimer hat Ministerpräsident di Rutini sich abermals über den Trcibnnd und Italiens Stellung in demselben aus gesprochen. Der der äußersten Linken angehörende Deputirte Fortis hatte die einfache Tagesordnung beantragt mit der Begründung: Die Erfahrung lehre, daß die Verbündeten Jtalien« sich um viele Sachen nicht kümmerten, welche für Jta- sehr anfeuernd und hübsch, daß er meine Belehrungen wie den Vortrag eines Professors zu Papier brachte. Daran, daß sie die Bestimmung batten, den Lesern eines Sonntags- Blatte- als Reportergeschwätz aufgetischt zu werden, dachte ich nicht ini Entferntesten. Die Nacht brach über meinen Genins von MuSkegon herein und machte meiner theoretischen Beredsamkeit ein Ende. Ehe mein neuer Freund sich ver abschiedete, vereinbarten wir eine Zusammenkunft für den nächsten Tag. Pinkerton gefiel mir sehr gut und er intercssirte, amüsirte und fesselte mich bei näherer Bekanntschaft immer mehr durch seine Eigenart. Ich kann nicht sagen, daß er Fehler besaß, aber nicht etwa, weil Dankbarkeit meine Lippen verschließt, sondern weil jene, die ihm anbafteten, von seiner Erziehung oder vielmehr Nichterziebung berrührlen und er sich überdies bemühte, sie in Tugenden zu verwandeln. Trotz alledem will ich nicht leugnen, daß er mir ein gefährlicher Freund wurde; der Verdruß sing sehr bald an. Beiläufig vierzehn Tage nach unserer ersten Begegnung kam ich hinter daS Notizbuch-Geheimniß. Mein Scheusal von einem Freund war nämlich Correspondent einer Zeitung im „fernen Westen" und hatte einen seiner Sonntags- Briese mit der Beschreibung meiner Wenigkeit ausgefiillt. Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß er kein Recht batte, die- zu thun ohne meine Erlaubniß. „Auf diese rechnete ich ja!" entgegnete er. „Es schien mir zwar, als wären Sie nicht hinter meine Absicht gekommen, aber das dünkte mir zu gut, um wahr zu sein!" „Mein lieber Pinkerton, Sie waren verpflichtet, mich im Voraus von Ihrem Vorhaben in Kenntniß zu setzen!" proteslirle ich. „Tie Etiquetle hätte es wohl erfordert," gab er zu; „aber ich dachte, ich brauchte e« nicht so genau zu nehmen, da ich nur den Zweck hatte. Ihnen zu dienen. Und dann wollte ich Sie damit überraschen. Sie sollten eines Morgens erwachen nno wie Lord Byron finden, daß die Zeitungen von Ihnen voll seien. Sie müssen dock zugeben, daß da- rin ganz vernünftiger Gedanke war und daß Niemand gerne im Vorau« von einem Dienst spricht, den er einem Freunde zu leisten gedenkt!" „Aber, Himmel und Erde! Woher wissen Sie denn, daß ich es al- einen Dienst betrachte?" rief ick erbost. „O, ich febe. Sie betrachten e« al« eine Frechheit von mir", stotterte er bekrübt. „Ich möchte mir am liebsten gleich di« Hand abhacken! Wenn ich nur wüßte, wie ick da« Er-
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