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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.07.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960704016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896070401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896070401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-07
- Tag1896-07-04
- Monat1896-07
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Es ist aber nach der Erklärung des Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe und nach der Aeußerung Dr. Licber's anläßlich der neuen Jesuiteninterpellation im Reichstag Höchstwahrscheinlich, daß die Frauen des heiligen Herzens (vielleicht auch beide Congregationen) ähnlich wie die Redemptoristen ihren baldigen Einzug in die deutschen Lande halten dürfen. Wer sind nun diese Frauen? Wir müssen — so beantwortet der „Schwäb. Merk." diese Frage — ziemlich weit zurückgehen, nämlich auf einen ganz eigenthümlichen Cultus, dem dieser Ordensverein seine Entstehung verdankt. Er ist „die Andacht zum geheiligten Herzen Jesu". Diese führt ihre Entstehung zurück auf eine kränkliche Jungfrau Maria Alacoque aus Paray in Burgund, geb. 1644, ff 1690. Von Kindheit an ein Bild des Jammers, wuchs daS gelähmte Mädchen in einer melancholischen, religiös erregten Gemüths- stimmung auf, welche sie frühe dem Kloster zuführte. Dort hatte sie angebliche Erscheinungen der Maria, dann Christi selbst, den sie leibhaftig zu sehen glaubte. Bald lebte sie sich ganz in die Rolle einer Verlobten des Herrn" ein. Ihre Klosterschwestern behandelten sie zuerst als Betrügerin, später als eine Gestörte. Um diese Zeit kam der Jesuit la Colom- biöre, der Beichtvater der Herzogin von Jork, ins Kloster Paray, lernte dort die Alacoque kennen und suchte sie zum Werkzeug eines neuen Cultus zu benutzen. Die Visionen traten in gesteigertem Grade auf. Bei der ersten sah die Alacoque das Herz Christi wie einen feurigen Ofen, in welchen ihr Herz bineingetaucht wurde, bei der zweiten, wie das Herz des PaterS Colombiöre sich mit dem Herzen Christi verband, und sie ver nahm die Worte: „So wird meine heilige Liebe die Herzen auf immer vereinigen"; bei der dritten verordnete Jesus die Andacht zu seinem geheiligten Herzen für die ganze Christen heit; er setzte die Feier auf den Freitag nach dem Fron leichnamsfest, sowie auf den ersten Freitag jeden Monats an. Nachdem die Alacoque auf Veranlassung der Jesuiten am 31. December 1688 die darüber ausgestellte Urkunde mit ihrem eigenen Blut unterzeichnet batte, lebte sie noch kurze Zeit in völliger Bedeutungslosigkeit und starb im Rufe der Heiligkeit. 1864 ist sie selig gesprochen worden. — Nun gab sich Colombiöre alle Mühe, den neuen Cultus zu verbreiten und dadurch eine intensivere Bevormundung und Be herrschung des Volks durch den Jesuitenorden zu erreichen. Aber er fand wenig Anklang. Die Jesuiten ließen sich durch diesen anfänglichen Widerstand keineswegs irre machen. Sie fuhren in ihrer Propaganda heimlich fort, beförderten den neuen Cultus bei Anlaß einer großen Pest in Marseille, und namentlich war es Longuez de Gergy, Bischof von Soissons, der durch die Herausgabe der Lebensgeschichte der Maria Alacoque der Andacht zum ge heiligten Herzen einen namhaften Aufschwung gab. Als ein Versuch, beim römischen Hofe die Heiligsprechung der Seherin von Paray zu erlangen, mißlang, gründeten die Jesuiten in aller Stille überall Brüderschaften des geheiligten Herzens Jesu. Bis 1726 waren es bereits 310 solcher Brüder schaften unter dem Titel: „des göttlichen, in dem hochheiligen Sacramente äußerst liebenden und aus innigster Liebe ver wundeten Herzens Jesu". Als dann beispielsweise in Schlesien allein 4707 Mitglieder dieser Bruderschaft an- gebörten, konnte auch der Papst nicht mehr länger mit seinem Segen zurückhalten und so gestattete im Jahre 1765 Clemens XIII., die Andacht zum geheiligten Herzen Jesu durch besondere Tageszeiten und eine eigene Meßformel zu feiern. Nun kam der schwerste Schlag für die Jesuiten: ibr Orden wurde am 21. Juli 1773 durch Papst Clemens XIV. in der Bulle Dominus so rsckomptor uoster aufgelöst, nachdem zuvor schon Portugal (1758), Frankreich (1762), Spanien, Neapel, Parma, Piacenza (1769) die verhaßten Störenfriede verjagt batten. Unter den Stürmen der französichen Revo lution flüchteten sich die Exjesuitcn de Broglie und de Tournelly nach Belgien und stellten dort den Jesuiten orden wieder her. Da sie aber ihm den alten Namen nicht geben durften, nannten sie sich „die Gesellschaft des h. Herzens". Bald mußten sie auch Belgien wegen der nachrückenden französischen Heere verlassen. Sie flohen nach Augsburg, dann nach Passau, zuletzt nach Wien. Hier vereinigten sie sich mit den Baccanaristen zu der „Gesell schaft des Glaubens Jesu". Als Papst Pius VII. in der Bulle Lollicituclo omnium eeclesisi-um am 7. August 1814 den Jesuitenorden wieder herstellte, löste sich von selbst jene jetzt überflüssig gewordene Gesellschaft auf. Sie fand jedoch ibre Fortsetzung in einer Frauen-Congregation, in „den Frauen des hl. Herzens oder des Glaubens Jesu", deren Doppelname an die Wurzel erinnert, aus der sie entstanden waren, und die nach dem Unheil des Katholiken Fehr „als eine Vervollkommnung der von Urban VIII. (1631) aufgehobenen Jesuitinnen angesehen werden können". Das ging also zu. Bei seinem Aufenthalt in Augsburg erkannte der Jesuit de Tournelly als ein dringendes Bedürfniß, daß ein Frauenorden der besonderen Verehrung des hl. Herzens Jesu und der Erziehung und Bildung der Jugend sich widmen sollte. Für seine Idee zeigte sich eine vornehme Frau zu gänglich. Sie gewann mehrere Genossinnen zu der Stiftung, als Tournelly und seine Brüder plötzlich durch die franzö sischen Heere zur Flucht genöthigt wurden. In Passau trafen sie zusammen und kamen miteinander nach Wien, wo der Kaiser den Männern ein Augustinerkloster, den Frauen das Kloster der Salesianerinnen zum Aufenthalt anwies. Tournelly wollte nun die neue Gesellschaft organisiren. Aber er fand an der erwähnten hohen Gönnerin unerwarteten Widerstand, da dieselbe mehr zu einem beschaulichen Leben hinneigte. Ihr Rücktritt und sein Tod (1797) vereitelten den Plan. Die französischen Priester kehrten nach Paris zurück. Hier fanden sie in der Jungfrau Barat, der Schwester eines Jesuiten, ein willkommenes Werkzeug zur Gründung des beabsichtigten Vereins, welche denn auch im Jahre 1800 erfolgte. Mit jedem Jahr wuchs die neue Congregation zu einer mächtigen Genossenschaft heran. Papst Lev XII. gab ihr durch ein Breve vom 22. December 1826 die Bestätigung. 1850 zählte sie bereits über 60 Häuser in Frankreich, Belgien, Italien, in der Schweiz. Selbst in Amerika und in Afrika hat sie Nieder lassungen. Im Jahr 1860 wurde sie auf 100 000 Mitglieder berechnet. Die Congregation har folgende Verfassung: sie besteht I) aus Frauen (Dames). Diese widmen sich dem Unterricht und der Erziehung. Ihre Pädagogik geht auf unbedingten kirchlichen Gehorsam. Die Candidatinnen, Postulantinnen genannt, haben eine Probe von drei Monaten. Hierauf folgt die Einkleidung. Das Ordenskleib besteht in einem schwarzen Gewände, einer schwarzen Haube mit weißer Krause darunter und einem schwarzen Schleier. Nach der Einkleidung folgt ein zweijähriges Noviziat, dann die Ablegung des einfachen Ge lübdes, hierauf eine fünfjährige Aspirantenzeit, eine dreimonatige Vorbereitung auf oie Gelübdeablegung und endlich daS Gelübde zur Stabilität und zum Unterricht; 2) aus Hilfsschwestern (ooLäsutrices), welche die häuslichen Geschäfte besorgen. Auch diese haben eine Probezeit von sechs Monaten, ein Noviziat von zwei Jahren und eine weitere Vorbereitungszeit von fünf Jahren zu absolviren; 3) aus weltlichen Schwestern (soeru-s commissiovairos), die solche Geschäfte besorgen, welche ohne Uebertretung der Klausur von den eigentlichen Mitgliedern nicht besorgt werden können. Eine auf Lebens zeit gewählte Generaloberin ernennt für jedes Haus eine Oberin auf drei Jahre. Dieser sind eine Assistentin und zwei Näthinnen beigegcben. Die einzelnen Häuser stehen unter ver Jurisdiction des DiöcesanbischosS. Erziehung und Unterricht werden in Pensionen- und Freischulen ertbeilt. Zu den von ihnen veranstalteten Rekraiten dürfen auch weibliche Individuen aus der Welt zugelassen werden. Nach dieser ganzen Darlegung dürfte cs keinerlei Zweifel unterliegen, daß die Gesellschaft der „Frauen des h. Herzens" eine sehr nahe verwandte Congregation der Gesellschaft Jesu ist, daß sie gar nichts Anderes ist, als der weibliche Ableger des mächtigen Jesuitenordens. Daran ändert der Umstand nichts, daß der Stifter des letzteren, Ignatius von Loyola, nachdem er mit seiner geistlichen Pflegetochter Isabella von Rosella wenig Glück hatte, zunächst nichts von Jesuitinnen wissen wollte. Aber dieselben sind doch zu Anfang des 17. Jahrhunderts aufgekommen und waren ganz wie die Jesuiten organisirt. Allerdings mußte Urban VIII., wie schon oben erwähnt, sie wegen verschiedener Mißbräuche auflösen. Ihre Auferstehung feierten sie in den „Frauen des h. Herzens". Deutsches Reich. Berlin, 3. Juli. Der Ausgang der Wahl in Halle verdient eine viel höhere Beachtung, als ihm augenblicklich — wohl mit Rücksicht auf die wichtigen Ereignisse der letzten Tage — zu Theil wird. Nicht darin, daß die Social demokratie gesiegt bat, ist, um mit Ibsen zu sprechen, das „Wunderbare" zu sehen, denn die Socialdemokratie hatte den Sitz bereits im Jahre 1890 erobert; zudem halte sie gerade in Halle stetig an Boden gewonnen, so daß eö höchstens eine Frage der Zeit sein konnte, wann sie den Wahlkreis im ersten Wahlgange gegen alle anderen Parteien erringen würde. Das Bedeutungsvolle liegt vielmehr an der enormen moralischen Niederlage der Freisinnigen. Der Verlust des Wahlkreises, die faktische Niederlage, ist zu verschmerzen; aber die moralische Niederlage, die Disciplinlosigkeit der Freisinnigen, die bei dieser Gelegen heit beschämend hervorgetreten ist, wiegt ungeheuer. Die „Lib. Corr." giebt zu, daß einige Tausend freisinniger Stimmen auf die Socialdemokraten übergegangen sind. Wir acceptiren dieses Zugestänvniß, aber nicht die beigefügte Motivirung, daß der Abfall aus Entrüstung darüber, daß der social- demokratiscke Candidat im Gefängniß saß und nicht selbst agitiren konnte, erfolgt sei. Deun wenn wir auch die polnische Einsicht der freisinnigen Wähler nicht eben hoch einschätzen, für so beschränkt halten wir denn doch die freisinnigen Wähler nicht, daß sie aus einem solchen äußer lichen Grunde die Parteifahne verlassen könnten. Wären sie so bornirt, so thäte die freisinnige Presse gut, die biederen Friedeberg-ArnSwalder, die dereinst aus ähnlichen Motiven für Ahlwardt stimmten, um Verzeihung wegen des Hohnes, mit dem sic damals überschüttet wurden, zu bitten. Die Gründe für den Abfall liegen vielmehr tiefer. Sie liegen nämlich erstens in der Persönlichkeit des Herrn Dr. Meyer, der, seit er einen Orden erhalten hat und in der Börscnfrage nicht für die Jobber eingetreten ist, bei den „strammen" Berliner Fortschriltsmännern für einen Reactionair gilt. Und der Einfluß des Berliner Ringes ist bei der frei sinnigen Volkspartei im ganzen Lande ein sehr gewichtiger. Der zweite Grunde besteht in dem immer rascheren Hinüber gleiten des freisinnigen Nachwuchses in das socialdemokratische Lager. Auch hier ist Berlin vorbildlich gewesen, und wie ihm jetzt Halle gefolgt ist, so wird auch die freisinnige Jugend in Königsberg, Stettin, BreSlau, kurz in den Städten, wo nicht nur die Industrie, sondern auch der Handel und das Gewerbe von großer Bedeutung sind, zu den Socialdemokraten abschwenken. Die Zeiten sind eben vorbei, in denen die kaufmännischen Jünglinge deS V. Berliner Wahlkreises am Wahltage Herrn Engen Richter s Wagen nicht weiter fahren ließen und dem Volikstribunen huldigten, wie in 'rüderen Zeiten begeisterte Kunstfreunde einer Primadonna oder der tragischen Heldin. Die geistige Sterilität der freisinnigen Partei ist die Ursache der physischen: der Nachwuchs bleibt aus. Das bat die Wahl in Halle wieder einmal deutlich vor Augen geführt. V. Berlin, 3. Juli. (Telegramm.) Der Kaiser ist heute Vormittag an Bord der Aacht „Hohenzollern" von Christiansand nach dem Hardanger Fjord in See gegangen. Das Wetter hatte sich, nach einem Telegramm aus Christian sand von heule früh, aufgeklärt. (-) Berlin, 3. Juli. (Telegramm.) Der „Reichs- Anzeiger" veröffentlicht in seiner heutigen Ausgabe das folgende, vom Kaiser an den Reichskanzler Fürsten Hohenlohe gerichtete Telegramm: bliristiansand, 3. Juli. Ew. Durchlaucht spreche Ich Meine hohe Befriedigung über die rndgiltige Schaffung des großen Werkes, daS Deutschland ein einheitliche» bürgerliche» Recht sichert, aus. Mit dem Ausdruck Meiner Anerkennung darüber, verbinde Ich gerne Meinen besonderen Dank für Ihre angestrengte Mitwirkung und Leitung bei der Schaffung dieses Gesetzes. Wilhelm. I. II. D Berlin, 3. Juli. (Telegramm.) Der „Reichs anzeiger" veröffentlicht das Gesetz, betr. die Abänderung des Gesetzes über die Friedenspräsenzstärke (Um formung der 4. Bataillone). Berlin, 3. Juli. (Telegramm.) Der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe reist morgen früh über Nürnberg nach A u s s e e. Berlin, 3. Juli. (Telegramm.) Das Ltaats- ministerinm trat heute Nachmittag 2 Uhr in seinem Dienst gebäude am Leipziger Platz unter dem Vorsitz des Fürsten Hohenlohe zu einer Sitzung zusammen. Handelsminister Brefeld wurde durch den Ministerpräsidenten in das Staats ministerium eingeführt und nahm darauf an der Sitzung Theil. 6. Berlin, 3. Juli. (Privattelegramm.) Bezüglich der Meldung einiger Blätter, daß im Kriegsminisleriun: eine Denkschrift über die Dncllfrage ausgearbeitet wurde, kann die „Post" auf Grund zuverlässiger Informationen mittbeilen, daß die Ausarbeitung einer Denkschrift zwar nicht beabsichtigt sei, daß aber tatsächlich Verhand lungen schweben, die den Zweck verfolgen, Duelle inner halb der Armee nach Möglichkeit zu verhindern. Man werde dies vor Allem durch Verschärfung der Be stimmungen über die Ehrengerichte zu erreichen suchen. Ob eS zweckmäßig sei, die Ehrengerichte zu förmlichen Schiedsgerichten auszugestalten, würde sich im Laufe der Beratbungen ergeben. Jedenfalls wird beabsichtigt, die Umgebung des Ehrenrathes oder die Nichtbefolgung seiner Entscheidung auf das Strengste zu ahnden. L. Berlin, 3. Jnli. (Privattelegramm.) Wie der „Berl. Börs.-Ztg." mitgetbeilt wird, hat der neue Handels minister Brefeld in seiner früheren Thätigkeit in Düssel dorf doch nicht gerade vollständige politische Zurückhaltung geübt, sondern sich zu gemäßigt mittelparteilichen Anschauungen bekannt und u. A. auch einmal als nationalliberaler Wahl mann bei einer Landtagswabl fungirt. Socialpolitisch aller dings ist Herr Brefeld gar nicht engagirt. — Den „Münch. N. N." wird telegraphisch aus Berlin gemeldet: „lieber die viel besprochene Moskauer Rede des Prinzen Ludwig wird demnächst im „Reichsanzeiger" eine Kundgebung veröffentlicht werden. Welcher Art diese Kundgebung sein wird, läßt fick vorläufig nicht erkennen." Die Meldung klingt nickt gerade wahrscheinlich; jedenfalls käme die Kundgebung jetzt sehr spät. — Die gestrige absichtliche Provokation der Social demokraten beim Hoch auf den Kaiser bat selbstverständ lich allgemein tiefste Entrüstung hervorgerufen. Der Tbat bestand war folgender: Während die Sdcialdemokraten sämmtlich den Saal verließen, kehrte der Abgeordnete Schmidt wieder in denselben zurück, als Präsident v. Buol seine Dankesworte sprach, die mit einem Hoch auf den Kaiser endigten. Die Rückkehr Schmidt'S war also eine ganz absichtliche Provokation. Die allerdings sehr unpar lamentarischen Rufe, welche dem Abgeordneten Schmidt ent gegenschallten: „Raus mit dem Kerl", nahm dieser mit einem höhnischen Lächeln entgegen. Die Abgg. Dr. Conrad und FeiriHetoir. Em Gesuch im wendischen Bautzen. Bon Theodor Hermann Lange. Nachdruck verboten. An der ziemlich langen Eisenbahnlinie von Reichenbach im Bogtlande bis nach Görlitz in Schlesien bietet, wenn man die Gegend vom Coupsfenster aus mustert, Bautzen eines der schönsten Städtebilder dar. Kurz vor der Einfahrt in den Bautzener Bahnhof, sobald der Zug über den langen Viaduct dabinrollt, präsentirt sich das alte Budissin mit seinen statt lichen Kirchen und schönen öffentlichen Gebäuden, seinen schlanken, spitzen und hohen, dicken, runden und kurzen Thürmen — die sich malerisch neben modernen Neubauten, wie über alten Thoren, Ruinen und den Ueberbleibseln der früheren Stadt- und FestungSmauer erbeben — fast noch wie ein mittelalterlicher Platz. Es berührt das um so angenehmer, weil die meisten größeren Städte auf der erwähnten Eisen bahnstrecke, wie Zwickau, Glauchau, Chemnitz u. s. w., durch weg in Rauchwolken eingehüllt sind, welche den zahlreichen Fabrikschloten dieser Jndustrieorte entsteigen. Bor mehreren Wochen traf ich an einem frischen, klaren Vormittag wieder einmal in Bautzen ein, da» ich schon öfters ausgesucht hatte, sobald ich in der sächsischen Lausitz Land und Leute und vor Allem das Wendenthum kennen lernen wollte. Diesmal galt mein Besuch nur dem wendischen Bautzen oder Budissin, wie eS die Wenden in ihrer Sprache nennen und daS unter seinen rund 23 000 Einwohnern etwa 4000 bis 5000 Wenden zählt. Ich begab mick vom Babnbof direct zu einem der hervorragendsten Mitglieder des wendisch. literarischen Vereins „Dovs.i^trvo Llacioy serbskoz'e", zum Seminar-Oberlehrer Fiedler. Der genannte wendische Verein, dessen Vorsitzender der (katholische) Domherr Georg Wnschanski ist, bezweckt die Herausgabe guter wendischer Volksschriften. Ich traf Herrn Oberlehrer Fiedler im evangelischen Lehrer seminar, daS sich nur einige hundert Schritte vom Bahnhof entfernt, an einer schönen, breiten und mit Bäumen besetzten Straße erhebt. Herr Fiedler unterrichtete gerade in wendischer Grammatik nahezu ein Dutzend Seminaristen. Die Lection hatte soeben begonnen; ich wohnte derselben von Anfang bis zum Schluffe und vor Allem auch mit großem Interesse bei, da ich selbst verschiedener slawischer Sprachen mächtig bin. Nach Beendigung des Unterrichts begann ich Herrn Ober lehrer Fiedler, der sich mir in der liebenswürdigsten Weise als Cicerone durch daS wendische Bautzen zur Verfügung stellte, zu interviewen. An den beiden Lehrerseminaren in Bautzen, dem evange lischen wie dem katholischen, werden wöchentlich zwei Stunden Wendisch obligatorisch ertheilt, am Gymnasium facultativ eine Stunde. An der sogenannten wendischen Schule, die man in einem alten Gebäude untergebracht hat, das un mittelbar an dem Abhange steht, wo die Oberstadt Bautzen nach der Wendenvorstadt Seidau sehr steil absällt, ist der Unterricht auf der Unterstufe durchweg wendisch. Im ersten, oft noch im zweiten Schuljahre verstehen die kleinen sechs- und siebenjährigen Wenden und Wendinnen fast gar keiu Deutsch. Für die evangelischen Wenden wird in der Michaeliskirche, und für die katholischen in der Kirche zu unseren lieben Frauen regelmäßig wendisch gepredigt, klebrigen« hörte ich in der Oberstadt wenig wendisch sprechen. Nur auf dem Marktplatze und den angrrnzrndeu Straßen vernahm ick häufig dieses slawische Idiom und zwar au» dem Munde von Bauern und Bäuerinnen, welche dort Butter, Eier, Weichkäse, Milch, Gemüse, Feldfrllchlr u. s. w. feill'vten, wobei ich auch die Beobachtung machte, daß die wendischen Bauern viel redefeliger als die deutschen waren und alle ihre Worte mit sehr lebhaften Geberden begleiteten. Dahingegen hörte ich in der Vorstadt Seidau, die sich tief unten an der rauschenden Spree hinziebt, überwiegend wendisch svrechen. Die meisten Bautzener Wenden wohnen in der Vorstadt Seidau als Fischer, Handwerker, Arbeiter n. s. w. und bilden somit gewissermaßen eine vollständig geschlossene Colonie innerhalb BautzenS. In den Kaufläden verstehen die meisten Verkäufer und Verkäuferinnen wendisch, um die wendischen Kunden in deren Muttersprache bedienen zu können. In den Straßen zunächst dem Bahnhofe erblickte ich keine wendischen Inschriften an den Ladenthüren der Kaufleute, auch nicht an verschiedenen wendischen Geschäften. Diese wendischen Kaufleute firniirten nur deutsch. Die erste zweisprachige GeschäftStafel — wendisch und deutsch — bemerkte ich auf dem Lauengrabcn am Hause der Druckerei des Herrn Schmaler, des Herausgebers ver schiedener wendischer Zeitschriften. In der Nähe des Domes, deS katholischen Lehrerseminars und unweit deS Einganges rum katholischen Friedhöfe und dann vor Allem in der Vor stadt Seidau fand ich eine Reihe Firmentafeln mit wendischem und deutschem Teste. Aufschriften ausschließlich in wendischer Sprache habe ich nicht zu Gesicht bekommen. Auf dem evangelischen Friedhöfe auf dem Proitschenberge tragen Steine und Kreuze über wendischen Gräbern meist deutsche Inschriften. Auf dem katholischen Kirchhofe fand ich, daß wohl nahezu die Hälfte aller Denkmäler Inschriften in wendischer Sprache oder in beiden Sprachen aufwieS. Wie man bei den jungen unverheiratheten Wendinnen in der preußischen Lausitz an den Hutbändern oder an sonstigen Abzeichen der Kleider genau erkennen kann, wie viel Tausend Mark das Mädchen al» Mitgift erhält — übrigens ein» reckt praktische Einrichtung — so ersieht man in Bauyen an der Tracht der wendischen Frauen und Mädchen, ob die betreffenden Wendinnen katholisch oder evangelisch sind. Im Herbst, Winter und bis in das Frühjahr hinein tragen die katholischen Wendinnen ein großes, dunkles, meist schwarzes Kopftuch, im Sommer Hauben mit schwarzen Bändern, welch letztere bei Festlichkeiten durch bunte ersetzt werden. Beim Kirchgänge tragen die katholischen Wendinnen noch heute auffallend hohe Hüte, die protestantischen Wendinnen mehr breite Hüte. Gegen Abend führte mich mein liebenswürdiger Begleiter in die Schmaler'sche Buchdruckerei am Lauengraben. Als wir vor daS Schmaler'sche Geschäft kamen, sagte mir Herr Fiedler, indem er auf ein Grundstück zeigte, das unmittelbar an die Schmaler'sche Buchdruckerei anstößt: „Hier, dieses Grundstück haben wir für das neue wendische VereinShanS gekauft. 60 000 sind bereits zu diesem Zwecke gesammelt worden. Aber es fehlt noch viel, ehe wir mit dem Bau anfangen können." In der Schmaler'schen Buchdruckerei herrschte gerade reger Verkehr. Es war ErpeditionStag und aus Bautzen und den umliegenden Dörfern kamen Wenden und Wendinnen, Kinder, Jünglinge und Mädchen, Männer, Greise und alle Mütterchen m die Druckers, um sich die neueste Nummer der schon im 55. Jahrgange erscheinenden „8erbske Xovinz^ abzubolen. Für mich war die Stunde, welche ich in dieser wendischen ZeitungSexvedition zubrachte, eine außerordentlich interessante. Die Manner zeigten weniger den slawischen Typus, man konnte sie, sobald ne nicht sprachen, für deutsche Bauern halten. Die jungen Mädchen hatten aber unver kennbar slawische GesichtSbildung und einige erinnerten mick mit ihren hübschen, aber etwa» melancholischen Gesichtern unwillkürlich an die schönen, jungen Kleinrussinnen, die ich vor Jabren im südwestlichen Rußland gesehen hatte. „Die Redaktion meiner wendischen Zeitung macht mir
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