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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.07.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189607050
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18960705
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18960705
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-07
- Tag1896-07-05
- Monat1896-07
- Jahr1896
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.07.1896
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Großer» Schriften taut unserem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer und Zisfernsotz nach höherem Tarif. Extra-Beilage» (gesalzt), nur mit der viorarn» Ausgabe, ohne Postbrförderun- SO.—, mit Postbrförderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Art den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig U7, Tonntag den 5. Juli 1896. W. Jahrgang. Aus der Woche. Noch eine oder zwei BundesrathSsitzungen und wir werden, vorausgesetzt daß die auswärtige Politik, für die „kein früh und spat" gilt, keine sonderlichen Emotionen her- voiruft, voraussichtlich bis zum November „todte Saison" haben. Vom Zeitungsschreiber, der als Epiker bekanntlich hinter seinen Stoff zurücktritt, darf kunstgemäß nicht die Rede sein, aber dem Zeitungsleser, wenn er sich als solcher gewissenhaft geführt bat, ist die politische Sommerruhe auf richtig zu gönnen. Auch ganz abgesehen von dem Bürgerlichen Gesetzbuch, das in seinem größeren Theil für den thätigen wie den leidenden Theil im Zeitungswesen Caviar ist, war eS ein paragraphengesegnetes Jahr, und wer die juristische Gottesgabe nicht gleich garbenweise auf dem Felde hat liegen lassen, der wird auf eine Weile „genug" haben. ES sei darum der gestern gegebenen Aufzählung der Arbeiten der Session, zu denen jedoch die Verbesserung der Organisation der Schutz trupp en nachgetragen werden muß, nichts mehr über den Inhalt der vom Reichstage beschlossenen Gesetze hinzugefügt. Daß der 1893er Jahrgang des deutschen Parlaments weinberges auch in diesem Tagungsabschnitt seinen — schlechten — Charakter nickt verleugnet hat, ist gleichfalls schon gesagt worden. Herr Ahlwardt hat dem Reichstage, indem er sich ganz und gar absentirte, eine unverdiente Ehre angethan. Er hätte für ihn die passende Etikette abgegeben, vor Allem hinsichtlich der „Frequenz". Von den letzten Wochen abgesehen, hat der Reichstagssaal fast immer weniger als den dritten Theil der zur Beschlußfähigkeit nöthigen Zahl von Abgeordneten gesehen. Die schmalen deutschen Flüsse, Spree und Havel mit inbegriffen, waren für die Meisten ebenso unüberbrückbares Wasser, wie das Weltmeer, das der nunmehrige Rector aller Amerikaner zwischen sich und das Reichstagshaus gelegt hat. In Ansehung der Würde des Hauses, der Beobachtung deS guten Tones, hätte der einst unter Aufwendung eines großen Apparates als Ver leumder Gebrandmarkte auch nicht zu fehlen brauchen. Er hat Schule gemacht und seine Adepten verdienen keineswegs, nur Epigonen genannt zu werden. Mit dem Aergsten, was kürzlich an Beschimpfungen in dem hohen Hause geleistet worden ist, haben wir unsere Leser nicht weiter be helligt, aber diese kennen genug Proben der unparla mentarischen Sprechweise, um mit uns in der Meinung übereinzustimmen, daß der Franzose, der in den siebziger Jahren den Reichstag mit dem römischen Senat in dessen bester Zeit verglich, wenn er heute dieses Urtheil wiederholen wollte, selbst unvergleichlich befunden werden würde. Nicht das alte Rom, Paris, Pest, Washington sind die Vorbilder, denen der deutsche Reichstag nacheifert; die Revolver werden zwar noch nicht in die Sitzung mitgenommen, aber man hat es bereits erlebt, daß ein Abgeordneter dem anderen im Saale den decenten Wunsch zu erkennen gab, sich mit ihm mittels eines solchen Instrumentes zu verständigen. Und das ist für ein Parlament, das noch vor wenigen Jahren einen Buhl, einen Kleist-Retzow, einen Schorlemer besaß und noch heute einen Bennigsen sein eigen nennt, vorläufig genug. Das Centrum ist nichtsdestoweniger stolz auf diesen Reichstag, der seinen Stempel trägt, und hüllt ihn und sich selbst ob des Abschlusses des Bürgerlichen Gesetzbuches in Wolken von Weihrauch. Das geschah auch schon während ter Berathung des Werkes. Der Unterfranke Fürst Hohenlohe kennt vielleicht die in seiner Heimath im Schwange stehende Bauernregel: „Wenn ein Knecht während der Arbeit sagt: „Schaut, Bauer, wie wir schaffen", dann taugt er nicktS." Indessen der Reichskanzler und ehemalige bayerische Ministerpräsident braucht die benachbarten Bauern nicht, um sich ein Licht über das Centrum aufstccken zu lassen. Er hat getban, was er thun mußte und was die Natioualliberalen auch thaten, weil sie eS mußten : er hat das Bürgerliche Gesetzbuch mit dem Centrum zu Stande gebracht, weil ohne dieses eine Mehrheit nicht vorhanden gewesen wäre. Ueber die Motive, die die ultramontane Partei bei diesen ersten Verzicht auf die Störung der Reichöentwickelung geleitet haben, wird sich der Kanzler so wenig einer Täuschung hingeben, als dies die „Mittelparteien" thun. An anderer Stelle mag das anders sein, und eben weil das Centrum Derartiges hofft, ist das Bürgerliche Gesetzbuch nicht gescheitert. Diese Erkenntniß durste aber die nationalen Parteien schon deshalb nicht von derMitwirkung abziehen, weil der Ultramontanismus bisher ohne nennenswerthe Gegenleistungen jede mögliche Förderung erfahren hat und kein Grund zu der Annahme vorhanden war, daß hierin so bald ein Wandel eintreten könnte. Die Frage lautete: „Cenlrum Trumpf mit oder ohne Bürgerliches Gesetzbuch?" Man könnte einwenden, daß die gut orientirte klerikale Partei bei dieser Lage der Dinge ihre Mitwirkung getrost hätte verweigern können. Dem ist entgegenzuhalten, daß sie, die für das nächste Jahr in der Flottenfrage eine große Negationsaction in Aussicht genommen hat, die Ge legenheit ergreifen wollte, sich — ohne jedes Opfer — ein Object zu schassen, auf das sie Hinweisen kann, wie man ihr parla mentarisches Pflichtbewnßtsein anzweifelt. Daher dasGegacker über das von ihr gelegte Ei; die Eitelkeit, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Die Situation des Centrums wird noch günstiger durch das Verhalten der C on servativen, die beim Bürgerlichen Gesetzbuch tatsächlich nicht mitgcwirkt haben und sich anschicken, aus dem von ihnen herbeigesührten Scheitern des Margarineges etzes sich eine neue Oppositionsbasis zu- recktzulegen. Man erkennt zwar die dieser Tactik zu Grunde liegende Weisheit nicht, da aber Herr «.Manteuffel dirigirt, so wird sie wohl eine profunde sein. Deutsches Reich. Berlin, 4. Juli. Die letzten Berichte deS Majors Leutwein aus Deutsch-Südwestafrika lasten erkennen, daß der beste Beurtbeiler der dortigen Sachlage, der an Ort und Stelle befindliche Führer der deutschen Schutztruppe, keineswegs ohne Sorge der weiteren Entwickelung der Dinge entgegensiebt. Aus den Mittheilungen deS Majors Leutwein geht vor Allem hervor, daß wir unter den Herero-Häuptlingen nur sehr wenige Freunde zählen. Der einzige, auf den wir uns wirklich verlassen! önnen, ist Samuel Maharero von Oka- bandya. Leider scheint man aber — auch in den amtlichen Berichten — den Einfluß gerade dieses Herero-HäuvtlinzS, so wohl waS die Herero imAllgemeinen, als was den in Okahandya ansässigen Stamm derselben anlangt, bislang sehr überschätzt zu haben. Nach den Mitthrilungen des MajorS Leutwein halten nur die wenigen Christen in dem Stamme deS Samuel Maharero zu diesem, und die Geringfügigkeit seines Ein flusses läßt sich daraus ermessen, daß er trotz dringendster Aufforderung des Majors Lrutwein diesem zu dem letzten Kriege nur eine Unterstützungstruppe von 35 Mann zuführen konnte. Steht es so um Samuel Maharero, so wird man annehmen müssen, daß die Bethätigung der Deutschfreundlichkeit der übrigen Herero-Häuptlinge, namentlich derjenigen der meist noch heidnischen Stämme am Othimbingwe und Omaruru noch weit mehr zu wünschen übrig lassen wird. Der naheliegende Schluß aus diesen Verhältnissen geht dahin, daß unsere Position in Deutsch- Südwestafrika nur dann al« gesichert zu betrachten ist, wenn wir uns auf eine für alle Fälle ausreichende, selbstständige Streitmacht stützen können. * Berlin, 4. Juli. Voraussichtlich heute verläßt der Vicekönig Li-Hung-Tschang den deutschen Boden, um seine europäische Studien- und Geschäftsreise fortzusetzen. Damit findet eine Episode ihren Abschluß, auf die, wie die „Voss. Ztg." mit Recht betont, jeder selbstbewußte Deutsche nur mit sehr gemischten Gefühlen zurückblicken kann. Gewiß — so führt daS genannte Blatt aus — war eS ein Gebot po litischer und geschäftlicher Klugheit, dem einflußreichen Ver trauensmann deS Kaisers von China einen höflichen, ja auSzeichnenden Empfang zu bereiten. Aber man hat dann denn doch beträchtlich zuviel des Guten gethan, vielleicht mehr, als der Würde eines so mächtigen Culturvolkes, als es Deutschland ist, angemessen, jedenfalls mehr, als dem überaus gewitzten Vertreter des hochmüthigsten Volkes der gelben Raffe gegenüber klug war. Man hat Li-Hung-Tschang in der Reichs hauptstadt Ehren geboten, als wäre er der allmächtige Herrscher, nicht bloS ein Beamter deS „Reiches der Mitte", der von heute auf morgen zum zweiten Male seine gelbe Jacke und alle Macht verlieren kann, und draußen in der Provinz hat man sich bemüht, das Berliner Beispiel womöglich noch zu überbieten. Fürst Bismarck hätte in den Tagen seines höchsten Glanzes in Stettin, Essen, Köln und anderen Centren des deutschen Gewerbefleißes nicht glänzender ausgenommen werden können, als Li-Hung-Tsckang, für den in Deutschland, nicht etwa in China, die Schmeichelbenennung „der Bismarck Chinas" erfunden worden ist. Gar seltsame, für die deutsche Nation nicht eben schmeichelhafte Gedanken müssen dem schlauen Menschenverächter aus dem Reiche des Zopfs gekommen sein, wenn er die Träger der stolzesten Namen der deutschen Industrie sich um ihn bemühen sah, wie um einen Wunder- thäter, der nur zu winken braucht, auf daß ein gewaltiger Goldstrom sich in ihre Taschen ergieße. Man behauptet, Li-Hung-Tschang beschäftige sich viel mit europäischen Dingen und lasse sich über den Inhalt der wichtigsten euro päischen Blätter auf dem Laufenden erhalten. Dann mußte er auch wissen, welche Stimmung noch vor wenigen Wochen überall in Deutschland in Bezug auf China geherrscht hat. Da mag es ihm denn nun gar verwunderlich erschienen sein, wie sein bloßes Erscheinen und die Vermuthung, er komme „mit einem großen Portemonnaie", ausgereicht hatten, an manchen Orten und bei manchen Leuten eine förmliche Be geisterung für China zu erzeugen, die sich in den über- jchwänglichsten Formen kundgab. Von dem Stolz und der Ueberzcugungsfestigkeit der Deutschen kann er keine sonderlich günstige Vorstellung gewonnen haben. Man hat nicht viel von praktischen Erfolgen der Chrenüberhäufung vernommen, die man dem chinesischen Staatsmanne angedeihen ließ, der erwartete Goldregen ist vorläufig auSgeblieben, nur spärliche Gewinner, dagegen eine sehr große Zahl Enttäuschter blicken ihm nach, da er die deutsche Grenze überschreitet. Der Li- Hung-Tschang-EnthusiaSmus dürfte einen Katzenjammer hinter lassen, der kaum irgendwo wirklichem Mitgefühl begegnen wird; die ihn haben, haben ihn redlich verdient. * Berlin, 4. Juli. Leider vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über einen Beweis polnischer Anmaßung und über schwächliches Verhalten einer Provinzialbehörde solcher Anmaßung gegenüber berichtet würde. Auch heute wieder liegt den „Berl. N. N." eine solche Meldung vor, die auf den vielbesprochenen Fall deS Propstes SzadzynSki sich bezieht. Bekanntlich hatte die Regierung zu Posen die Mit theilung, daß der Lehrer Wenzel in Folge des Vorfalles versetzt worden sei, beanstandet und behauptet, dem Lehrer sei auf seinen eigenen Wunsch «ine bessere Stelle übertragen worden, noch bevor die Regierung von seiner Begegnung mit dem Propst Kenntniß gehabt habe. Zu dieser Bekannt machung der Posener Regierung bemerkte da« genannte Blatt, daß der Lehrer erst dann um seine Versetzung eingekommen sei, nachdem er eine bezügliche Anregung von dem ihm wohl gesinnten Kreisschulinspecior erhalten. Jetzt erfahren nun die „B, N. N", daß dem Lehrer Wenzel thatsächlich bei seiner Versetzung nach Jaratschewo die zweite Lehrerstelle mit einem um 30 Mark höheren Gehalt zugetheilt war — aber die königliche Regierung zu Posen hat in ihrer Berichtigung vergessen, hinzu zufügen, daß sie dem Lehrer am l. Mai die bessere Stelle bereits wieder genommen und ihm die um 75 bis 80 ^4 schlechtere dritte Lehrerstelle übertragen bat, so daß die Versetzung des Lehrers mindestens einer Disciplinirung recht ähnlich sieht. Dieses Zurückweicken vor dem aggressiven Gebühren deS polnischen Propstes wirst auf die Auffassung, die die Regierung von ihrer staatlichen Pflicht gegenüber dem feindlich gesinnten Polenthum hat, ein recht bedenk liches Licht und ruft daS lebhafteste Bedauern darüber hervor, daß das bedrängte Deutschthum von der Regierung in Posen so wenig Schutz genießt. Nachdem der Patron der Wita- schützcr Pfründe, Herr v. Dulong, dem Herrn Reichskanzler bei der letzten parlamentarischen Soirö über die dortigen Zu stände ausfübrlichen Bericht erstattet hat, ist die Erwartung eines energischen regierungsseitigen VorgebenS noch mehr als bisher gerechtfertigt, und eS muß die unliebsamsten Deutungen Hervorrufen, wenn immer noch nicht« in dieser Hinsicht geschieht. Sache de« Herrn CultusministerS wäre es unseres Erachtens schon längst gewesen, aus eigener Initiative die zur Wahrung der deutschen Interessen erforderlichen Schritte zu thun. Je länger ein behördliches Vorgehen in dieser Angelegenheit auf sich warten läßt, desto mehr muß die Polenpartei in ihrem trotzigen Widerstande gegen die Deutschen sich ermuthiat fühlen, desto stärker ist die Einbuße an staatlichem Ansehen und desto kleinmüthiger werden die Deutschen gestimmt werden. Der nationale Schaden ist mithin ein ganz unberechen barer. Welche üblen Folgen in dieser Beziehung eingetreten sind, beweist unter Anderm der Umstand, daß die polnisch-klerikalen Zeitungen Zustimmungserklä rungen zu dem Verhalten des Witaschützer Propstes ver öffentlichen, in denen die Geistlichkeit aufgesordert wird, die Aufsicht über den Religionsunterricht in den Schulen nieder zulegen, bis ihnen das Schulaufsichtsrecht von Gesetzes wegen zuerkannt wird. Man darf wohl hoffen, daß bei späterer Ausarbeitung und Berathung des zukünftigen Schulgesetzes die Regierung und die staatserhaltenden Parteien den skandalösen Witaschützer Vorfall nicht vergessen und aus ihm eine kräftige Lehre ziehen werden. Die „B. N. N." erfahren übrigens, daß der Propst, der sich so sehr auf den polnischen Fanatiker hinausspielte, der Sohn eines deutschen Handwerkers aus Pleschen ist, der bis zu seiner Verheirathung mit einer Polin Schade hieß und dann erst den Namen SzadzynSki angenommen hat. V. Berlin, 4. Juli. (Telegramm.) Der österreichisch ungarische Botschafter Herr von Szögtzcny wird sich morgen über Wien zu einem längeren Aufenthalt auf seine Güter in Ungarn begeben. D Berlin, 4. Juli. (Telegramnu) Die „Nordd. Allg. Ztg." erklärt die Nachricht, daß der Reichskanzler mit der Prinzessin Hohenlohe nach der Bretagne zur Ordnung einer Erbschaft reisen werde, für falsch. Der Reichskanzler br- giebt sich nach Alt-Aussee. >-Berlin, 4.Juli. (Telegramm.) Der russische Bot schaft Ssecr et air Baron v. Knorring wurde gestern bei einer Spazierfahrt in Folge Scheuwerdens des Pferdes gegen eine vorübersahrende Droschke geschleudert und erlitt bedeutende Verletzungen an der linken Kopfseite, sowie mehrere links seitige Rippenbrüche und eine Verletzung deS Brustfelles bei starkem Blutverlust. Der Verletzt« wurde nach der Klinik übergeführt. Der Zustand ist nickt ungefährlich, jedock ist Aussicht auf völlige Wiederherstellung ohne bleibende Nach theile vorhanden. (Wiederh.) L. Berlin, 4. Juli. (Privattelegramm.) Dem soeben erschienenen Berichte der RetchSschulben-Vommtssion über das Elatsjahr 1894/95 entnimmt die „Nat.-Ztg." folgende Einzelheiten. Die in Schuldobligationen verbriefte Schuld deS Reiches umfaßte Ende März 1895 2 081 219 800 .4 Die Summe der 4procentigen Schuldverschreibungen beläuft sich auf 450 Millionen Mark, der Zr/zpro- centigen auf 780 Millionen Mark, der 3procentigen auf 851,22 Millionen Mark. Es sind überhaupt, und zwar eingeschlossen die Credite vom Etatsjahr 1894/95, bisher an Crediten bewilligt worden 2110 Millionen Mark, davon wurden, wie schon erwähnt, 2 081 219 800 flüssig gemacht. Diese ergaben aber einen Erlös von nur 1 961 986 250 -4, so daß also noch Schuldverschreibungen im Betrage von 148 013 715-4 zur Ausgabe kommen können. Der Schuldbetrag an Schatz anweisungen betrug am Schluffe deS Jahres 1894/95 30 Millionen Mark, an Reichsbankscheinen 120 Millionen Mark. Als Rückstand der Schuld deS vormaligen Nord deutschen Bundes werden 18 000 .4 aufaeführt. Demnach beträgt die gesammte Schuld deS Reich« Ende März 1895 2 231 237 000 .4, deren Verzinsung 71 919 302 .4 er fordert. Im Reichsschuldbuch waren Ende April 1895 2084 Conten über 180 900 000 -4 eingetragen. Der Reich S- kriegSschatz, im Juliusthurm ausbewahrt, beträgt 120 Mil lionen Mark. Der Reichsinvalidenfond hatte am 31. März 1895 einen Bestand an Werthpapieren im Betrage von 441 535 200 -4 in deutschen Anleihen und Bahnpriori» täten, ferner einen Geldbestand von 6 173 693 .4 ID Berlin, 4. Juli. (Privattelegramm.) Eine An zahl bovcottirter Brauereien der Schweiz dringt auf als baldige En tlassung sämmtlicherorganisirterBrauer. In Basel werden beute laut einem Beschluß der Principale sämmtliche organisirten Brauer entlassen. Der Brauereibesitzer Haas in Zürich hat den engeren Vorstand des Bundescomitös deS schweizerischen Gewerkschaftsbundes wegen deS -her ihn verhängten Boykotts auf 10 000 Franken Schadenersatz verklagt. (Wiederholt.) — DaS Organisations-Comitö deS am 27. d. MtS. be ginnenden internationalen Arbeitercongresses hat den von den Berliner Anarchisten gewählten Delegirten, Schriftsteller Landauer und Schlosser Pawlowrtsch, mitgetheilt, daß es beschlossen habe, Anarchisten als Delegirte auf den Congreß nicht zuzulassen. Die Genannten werden aber doch nach London gehen, um eventuell ihre Zulassung durchzusetzen. Die Arbeiten für einen Sondercongreß der Anarchisten sind schon im Gange; bereits vor einigen Wochen war ein deutscher Emissär in London, wobei auch die Con- greßfrage geregelt sei» soll. — Mit Major v. Wissmann sind, wie den „M. N. N." versichert wirv, während seines dreitägigen Aufenthalte« hier an amtlicher Stelle keinerlei Berathungen über laufend« Fragen gepflogen worden, da er sich auf ärztlichen Rath möglichst noch aller Arbeiten enthalten soll. Wissmann kehrt nach dieser Quelle am 25. Juli von Lauterberg hierher zurück, .um im Auswärtigen Amte Verschiedenes zu be sprechen. — Die Bäckereiarbeitrr haben mit Bezug auf die ab lehnend» Haltung der Innungen zum Maximalarbeit-tag in einer öffentlichen Versammlung folgende Resolution angenommen: Die Bäckergesellen Berlin« erachten es al« ihre heiligste Pflicht, für dir Durchführung der Verordnung de« BunLesrath« Sorge zu tragen. Dir Versammlung verurtheilt rinmüthig da« Treiben der Innungen gegen dir gesetzliche Regelung der Arbeitszeit. Sir beauftragt die Vertrauen«lrute und die Vorstände der Organisation der Bäcker Berlin«, rin wachsame« Auge aus die Gegenagitation der Meister zu richten, sowie vorbereitende Schritte zu einer allgemeinen Lohnbewegung einzuleiten, um zu geeigneter Zeit, wenn durch die Machinationen der Meister das Gesetz über den Maximalarbeitstag zu Falle gebracht werden sollte, schlagfertig dazustehen, um aus eigener Kraft die Verkürzung der Arbeitszeit zu erzwingen. * Halle, 4. Juli. Amtlich ermitteltes Wahlresultat brr Reichstagsersatzwahl im Wahlkreise Halle a/S. Stabt. Von 30 935 abgegebenen Stimmen erhielt Fritz Kuriert, Redacteur in Schöneberg bei Berlin, (Soc.) 15 687, Dr. )u>. Alexander Meyer-Berlin (fr. Bg.) 7239, Werkzeugmeisier Kühme-Halle (deutsch-cons.) 4268, Geh. Bergrath Professor der Rechte Arndt-Halle (freicons.) 3734. Kunert ist somit gewählt. * Köln, 4. Juli. Der Vicekönig Li-Hung-Tschang, welcher gestern Nachmittag noch verschiedene Sehenswürdig keiten und die Festungswerke besichtigte, trat heute früh 9 Ubr die Weiterreise an. (Wiederh.) * Bom Rhein, 2. Juli. Zu einem bemerkenswerthen Zugeständniß an die freiconservativen Vereine des Wupperthales hat sich der Verbandsvorsitzende der rheinischen Conservativen, Freiherr v. Plettenberg-Mehrum, ver stehen müssen. Der Verband, der alle Schattirungen rer Conservativen umfaßt, hat seit dem Tage vom „Tivoli" mancherlei Anfechtungen seitens der extremen Conservativen erfahren. Von Letzteren ist auch, wie man wriß, ein Sonder verein gegründet worden, der aber im Wesentlichen nur aus Christlich-Socialen bestand und von diesen nach dem Aus scheiden Stöcker's aus der Partei einfach seinem Schicksale überlassen wurde. Beiden Bestrebungen gegenüber, sowohl dem Andrängen der Tivolifreunde als auch den christlich socialen Quertreibereien gegenüber, hat sich der Verband mit ruhiger Entschlossenheit abwehrend verhallen und sein Vor sitzender ist darum, obschon selbst Mitglied der deutsch- conservative» Partei und entschiedener Agrarier, vielen An griffen von extremer Seite ausgesetzt gewesen. Anderseits hat aber auch wieder sein etwas einseitig landwirthschaftlicher Standpunct Anstoß erregt und es ist natürlich, daß dies ins besondere in dem industriellen Wupperthal der Fall war. Die Mißstimmung hierüber war soweit gediehen, daß die freiconservativen Vereine von Elberfeld und Barmen bereits in eine Erwägung der Frage eingetreten waren, ob sie sich nicht gänzlich von dem Verbände zurückziehen sollten. Statt dessen ist jetzt der Ausweg ge wählt worden, die Leitung des Verbandes alle zwei Jabre zwischen einem Vertreter der landwirthschaftlichen und der industriellen Interessengruppen abwechseln zu lassen, womit alle Theile, um einer Zersplitterung vorzubcugen, sick einverstanden erklärt haben. Ob anderswo diese etwas künsl liche Lösung auf die Dauer würde Stand hallen können, mag fraglich erscheinen; die eigenartige Lage der Conservativen am Rhein läßt es immerhin nicht unmöglich erscheinen, daß der Zusammenhalt auf diese Weise gewahrt bleiben wird. -L- Aachen, 4. Juli. (Privattelegramm.) Die heutige Versammlung des Vereins zur Beförderung der Arbeitsamkeit bewilligte auf Antrag des Webeschulvereins 100 000-4 für den Ausbau und die Erweiterung der hiesigen königlichen höheren Webeschule. * Darmstadt, 2. Juli. Durch ein an die Justizbehörden gerichtetes Ausschreiben hat, der „Franks. Ztg." zufolge, das Ministerium angeordnet, daß, wie von dem Erlaß einer erkannten Strafe, auch von dem bedingten Erlaß, sowie von der bedingten Aussetzung der Strafvollstreckung der Militairbehörde Mittheclung zu machen ist. Diese Mit theilung hat auch dann zu geschehen, wenn der Verurtbeilte das militairpflichtige Alter noch nicht erreicht hat, aber die bei der bedingten Begnadigung oder Strafaussetzung fest gesetzte Zeit des Wohlverhaltens erst nach Eintritt des militairpflichtigen Alters abiäuft. Wird einer Person des Beurlaubten standes bedingte Begnadigung oder Straf auSsetzung gewährt, so ist entsprechende Mittheclung hiervon dem vandwehrbezirksconimando zu machen. * TarmstaVt, 4. Juli. (Telegramm.) Ter Kaiser und die Kaiserin von Rußland werden gegen Ende September zum Besuche deS Großherzogs hier erwartet. * Würzburg, 3. Juli. In der Ladenschlußfrage sprach sich die Handelskammer für eine den Angestellten im Handelsbetriebe zu gewährende, in die Nachtzeit fallende ununterbrochene Ruhe von mindestens zebn Stunden aus. (M. N. N.) * München, 4. Juli. Prof. vr. Ouidde hat, wie wir der „Allg. Ztg." rninehmen, die ihm wegen MajeslätSbeleidiqnng zu- erkannte dreimonatige Gesängnißsirafe nunmehr im Gefängnis) Ttadelheim angetreten. * Lt. Blasien, 3. Juli. Ter Großherzog und die Groß. Herzogin von Baden sind zu mehrwöchigem Aufenthalte hier eingctroffen. Oesterreich-Ungarn. * Wien, 3. Juli. Im Gemeinderathe beantragten die Antisemiten die Errichtung einer Wiener Stadtbank und Abschaffung sämmtlicher Consumvereiue. Frankreich. Die Hinkommenftcner; Abtrumpfung eines sorialistischen Bürgermeisters. * Paris, 4. Juli. (Telegramm.) Montag wird voraussichtlich die allgemeine Berathung über Cochöry's Steuervorlagen geschlossen. Cabinet und Parteigruppen pflegen häufige Berathungen darüber, wie man sich zu den möglichen Kammerbeschlüssen stellen solle. Die Radi- calen lassen durch den Finanzmister deS Eabinets Bour geois Doumer, einen Gegenantrag einbringen, der di« all gemeine Einkommensteuer empfiehlt. Geschieht die« wirklich, so wollen die Gemäßigten Doumer'S Antrag mit einer Tagesordnung ablehnen, die dem Cabinet Möline Ver trauen au«drückt, und dann auch die Rentensteuer verwerfen. Bringt Doumer seinen Antrag nicht ein, so wollen die Gemäßigten die LoSlösung der Rentensteuer von Cochsry's Finanzplan verlangen, den Finanzplan annehmen, die Renten steuer ablrhnen oder vertagen. Die zu lösende Aufgabe besteht darin, die Rentensteuer zu verwerfen, ohne das
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