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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.07.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960707020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896070702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896070702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
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Neclamen unter dem R«daction»strich (4 a«. spalten) vor den Jamiliennachrichten (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis- verzrichniß. Tabellarischer und Ziffern!»? nach höhrrrnl Daris. Extra »Beilagen lgefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Posrbesvrderung ^l SO.—, mit Postbeförderung ^ll 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen»Ausgabr: Nachmittag» »Uhr. Vei den Filialen und Annahmestelle» je «ine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au hie Gxps-tttan zu richten. Druck nnd Ver'ag von E. Polj in Leipzig Dienstag den 7. Juli 1896. so. Jahrgang. 34l. Politische Tagesschau. * Leipzig, 7. Juli. In der im heutigen Morgenblatte mitgetheilten Antwort des Prinzen zu Hohenlohe auf ein ihm für seine im Reichstage über die (Aewcrhe-Lrdnungsnovcllc gehaltene Rede «us Mühlhausen i. Th. zugegangenes Dankschreiben muß be sonders der Passus auffallen: „Was die vom Reichstage beschlossene Novelle betrifft, so wird es an den Interessenten selbst sein, vom Bundesrathe durch ein gehende Darlegung ihrer Lage für diejenigen Branchen, welche Lurch die beschlossenen Beschränkungen geschädigt werden, wenigstens durch Ausnahmen Erleichterungen zu erlangen, für den Fall, daß der Bundesrath den beschlossenen Bestimmungen sjeine Zustimmung ertheilen sollte." Aus diesem Passus muß man schließen, daß die Zu stimmung des Bundesrathes zu der Gewerbenovelle für den Prinzen von Hohenlohe nicht außer allem Zweifel steht. Da jedoch die Bestimmungen über das Detailreisen — um diese handelt es sich hier — nach der Bundesrathsvorlage schärfer waren, als sie es nach den Reichstagsbeschlüssen dritter Lesung sind, so ist es Wohl ausgeschlossen, daß die Reichs- oder die preußische Regierung diese Borschriften jetzt mit dem Gesichtspuncte der wirthschaftlichen Bewegungsfreiheit bekämpft. Es wäre auch nicht gerade ein erfreuliches Symptom der Zustände, wenn der Bundesrath fände, der Reichstag, der hinter den Bundesrathsvorschlägen zurückgeblieben ist, sei zu weit gegangen. Kommt nun der auf die Verabschiedung der Gewerbeordnungsnovelle bezüglichen Stelle in dem Briefe des Prinzen zu Hohenlohe allem Anschein nach keine praktische Be deutung zu, so ist um so beachtenswerther die Aufforderung an die Interessenten, dem Bundesrathe Unterlagen für eine Begrenzung des Geltungsbereiches der Bestimmung über das Detailreiscn zu bieten. Die Reichstagsmehrheit wird sich über diesen Wink nicht beklagen dürfen, denn sie ist es gewesen, die die Zahl der Gesichtspuncte, unter denen Ausnahmen von dem Verbot des Detailreisens gemacht werden können, vermehrt hat. Während die Regierungsvorlage nur für „Waaren" Ausnahmen lassen wollte, gestattet die Neichstagsfassung des Art. 8 der Gewerbenovelle auch die Berücksichtigung von „Gegenden" und „Gruppen von Gewerbetreibenden". Schließlich beanspruchen auch die allgemeinen Bemerkungen in dem vom 2. Juli, dem Tage der dritten Lesung des Margarine gesetzes, datirten Schreiben des Prinzen Beachtung. Die extrem-agrarischen Blätter wollen glauben machen, die Herren v. Boetticher und v. Hammerstein hätten sich bei ihrer ent schiedenen Ablehnung des Färbeverbots und der Vor schrift des Verkaufes von Butter und Margarine in getrennten Räumen „vergaloppirt". Die Auslassung des Prinzen Hohen lohe über die Pflicht, die Gesammtheit ins Auge zu fassen, rechtfertigt diese auch sonst nicht weiter gestützte Vermuthung keineswegs. AuS Lachsen läßt sich die „Deutsche Volkspartei* attestiren, daß sie in der Gestaltung ihres Verhältnisses zur Freisinnigen Volkspartei auf dem rechten Wege sei. Der Stuttgarter „Beobachter" giebt unter Ausdrücken der Billigung Bemerkungen wieder, die am 21. Juni in Dresden in derGeneralversammlung der Freisinnigen Volkspartei Sachsens über das Thema gemacht worden sind. Das ist eigentlich sehr bescheiden von dem demokratischen Blatte. Die im klebrigen herzlich unbedeutende Dresdner Rede läuft darauf hinaus, daß die Volkspartei in Württemberg ihre Erfolge im Grunde nur der dortigen Regierung zu verdanken habe, während das weniger großmüthige sächsische Regiment dem „entschiedenen Liberalismus" nur Schaden zu gefügt habe. Eine Demokratie, die von einer gemäßigt-liberalen oder richtiger von einer gemäßigt-conservativen monarchischen Regierung —wohlgemerkt, nicht nach dem Gesetze der „Neaction", sondern direct — hochgebracht worden ist, das ist gerade kein Gegenstand des Stolzes für die Führer bemeldeter Demo kraten und noch weniger ein Zeichen von elementarer Kraft des demokratischen Gedankens. Indessen die Stuttgarter Ge- nugthuung über daS mäßige Dresdner Lob ist weniger inter essant, als die Frage nach dem Eindruck, den es auf den Führer der Freisinnigen Volkspartei gemacht hat. Der Dresdner Redner ist aus dem sächsischen Vogtlande, und in dem anstoßenden fränkischen Theile des Vogtlandes war es, wo Herr Quid de im Auftrage der süddeutschen Volks partei Herrn Richter durch Weltbewerbsversuche vielen Ver druß bereitet hat, und wenn von jener Gegend her versichert wird, süddeutsche und freisinnige Volkspartei seien „Hose wie Jacke", so ist es doch recht zweifelhaft, ob daS in Berlin als Empfehlung Payer'scher Politik, die Herrn Richter Herrn über sein Fähnlein bleiben lassen will, aufgefaßt wird, oder als Billigung der Sonnemann'schen Taktik, die über die Mainlinie hinüber trachtet. In Sachsen ist eS ja ganz gleichgiltig, ob hier die „Volkspartei" als „deutsche" oder als „freisinnige" — nicht exislirt, aber bei dem leb haften Interesse, das Herr Ouidde beanspruchen darf, ist es nicht gleichgiltig, ob in Dresden diesem vielgenannten Politiker oder Herrn Richter zu Liebe geredet werden sollte. Der Umstand, daß der den Sonnemann'schen Eroberungs plänen abgeneigte „Beobachter" jetzt, nach mehr als zwei Wochen, auf die Sache zu sprechen kommt und dabei das „Getrennt marsckiren" stark betont, legt die Vermuthung nahe, daß man in Berlin die sächsisch-vogtländischen Sympathien auf der Seite des Herrn Quidde sehen zu müssen glaubt. Noch einmal Rudint und der Dreibund! Wir sprachen letzter Tage unsere Verwunderung darüber aus, daß der italienische Ministerpräsident nicht den Wortlaut der be kannten aussehenerregenden Stelle seiner Rede durch die „Agenzia Stefani" in die Welt hat hinaustelegraphiren lassen, nm jeder Mißdeutung seiner Worte Einhalt zu thun, statt sich hinter eine der vollen Beweiskraft ermangelnde Paraphrase des wirklichen Textes zu verschanzen. Wie thöricht dieser Vertuschungsversuch war, hätte Rudini sich selber sagen können, denn bereits am 2. Juni, also am Tage nach seiner „denkwürdigen" Drei bundrede, als die abwehrenden Artikel der deutschen und österreichischen Presse den „niemals eine Zeitung lesenden" Staatsmanne zu einer — Richtigstellung des Kammerberichls noch nicht uöthigten, hatte die „Opinione" unter der Ueber- schrift: „Officieller Text der Rede des Marchese di Rudini" folgenden stenographischen Wortlaut der be treffenden Sätze veröffentlicht: „Der Abgeordnete Fortis sagt: „Ihr könnt, ja, Ihr müßt die Vertrüge verändern, die Euch an den Dreibund binden." Und der Abge ordnete Fortis hat recht, und es ist unsere Absicht, sie immer mehr zu vervollkommnen im gegenseitigen Interesse der Verbündeten und Freunde. Ein wahres Bündniß würde das nicht sein, das die progressive Verbesserung der vereinbarten Verträge verböte. Ja, ich sage sogar — und damit ver- rathe ich kein Berufsgeheimniß — daß die Dreibund verträge jedesmal verbessert werden können, wenn sich dazu Gelegenheit bietet." Dieser Wortlaut steht in flagrantem Widerspruch zu der Erklärung Rudini'S: „Jede Auslegung, die glauben machen will, daß man beabsichtige, den Dreibundvertrag zu ändern, ist durchaus unbegründet." Niemand wird bezweifeln, daß die thatsächlich von dem Marchese gesprochenen Worte die wahren Ab sichten der gegenwärtigen italienischen Regierung enthüllen, das heißt, daß sie gesonnen ist, Veränderungen im Dreibund verträge herbeizuführen: und daß diese direct darauf ab zielen, den speciellen Interessen Italiens im Mittelmeer und im Orient zu dienen, geht daraus hervor, daß die Aeußerung Rudini'S die Antwort auf Anfragen der Abgeord neten Fortis und Nasi war. welche die Forderung aufstellten, daß die italienischen Interessen in den genannten Gegenden unter die Garantie des Dreibundes gestellt werden sollten. Hiermit ist für uns die peinlicheAngelegenheit ebenso wie Herr Rudini abgetban und wir citiren nur noch den an scheinend officiösen Commentar zu dem verunglückten Dementi versuch des italienischen Ministers von radicalen Gnaden im „Hamb. Corr". Derselbe schreibt: Wenn der Ministerpräsident durch eine amtliche Erklärung den Sinn von Worten feststellt, die allerdings nach Sprachgebrauch und Zusammenhang eine andere Ausfassung nicht nur zuließen, sondern sogar forderten, so mag amtlich auf deutscher und österreichischer Seite damit der Zwischenfall erledigt sein. Für die nächsten 6 Jahre ist der Dreibund in Kraft und er ist am 6. Mai d. I. verlängert worden, ohne daß in seinen Stipulationen die geringste Aenderung eingetreten ist. Ob im Jahre 1902, wo seine Erneuerung wieder in Frage kommt, das Ministerium Rudini noch am Ruder ist oder welches Cabinet dann in Italien besteht, hierüber Er wägungen anzustellen, kann man sich sparen. Immerhin ist es nützlich, sich keine Illusionen darüber zu machen, daß in Italien eine starke politische Strömung herrscht, die das Bündniß mit Deutschland und Oesterreich über die Wahrung gemeinsamer Interessen hinaus erweitern und besonderen italienischen Forde rungen dienstbar machen will. Hoffen wir, daß die Tage des Ministeriums der Un geschicklichkeiten gezählt sind, und daß ihm wieder ein solches im Sinne und Geiste Crispi's folge, der es nicht nöthig hatte, irgendwelcher Partei zu Liebe die wahren Interessen seines Landes auss Spiel zu setzen. Immer mehr spitzen sich die Dinge auf Kreta zu und schon die nächsten Tage müssen die Entscheidung bringen, ob die Insurgenten auf ihrer Absicht beharren, unerfüllbare Forderungen aufrecht zu erhalten und damit voraussichtlich ein furchtbares Verhängniß über die schöne Minosinsel herauf- zubefchwören. Dieim heutigen Morgenblatt mitgetheiltenStipu lationen der Mehrzahl der Deputirten bedeuten nichts anderes als die völlige A u t o n o m i e Kretas, für deren Gewäh rung die Mächte sich bei der Pforte nicht verwenden werden. Wir haben schon wiederholt hervorgehoben, daß die periodisch wiederkehrenden Aufstände der Kre- tenser hauptsächlich die Folgen der immer schlechter wer denden wirthschaftlichenZustände sind und daß daher eine Reform der finanziellen Bestimmungen LeS Halcppa-VertragS nothwendig in den Vordergrund tritt. Nach diesem von der Pforte wieder aufgehobenen Vertrag floß ein guter Theil der Einnahmen der Insel nach Konstantinopel und eS ist klar, daß, wenn das Land finanziell gesunden und Ruhe einkehren soll, ein neuer Vertheilungsmodus geschaffen werden muß, welcher den größten Theil der Einkünfte dem Budget der Insel sichert. Allein die Kretenser schießen weit über das Ziel, wenn sie der Pforte zumuthen, auf die Forderung: „Verwendung sämmt- licherEinnahmenderJnselfürdieAusgaben derselben" einzugeben. Gerade in diesem Punct wird man — und mit Recht — am Goldnen Horn unnahbar sein, denn sobald die Insel finanziell von der Türkei unabhängig ist, ist sie es auch politisch. Wir hoffen übrigens, daß die kretensischen Scharfmacher doch schließlich auf einen VermittelungSantrag, der etwa alle Steuereinkünfte ungekürzt der Insel und die Zolleinkünste zur Hälfte der Pforte zuweist, eingeheu werden, denn eS muß ihnen doch nachgerade zum Bewußtsein kommen, daß die Mächte gegebenenfalls auch gegen die Insurgenten Stellung zu nehmen entschlossen sind. Das geht wieder aus dem Schluß der folgenden uns heule vorliegenden Meldung hervor: * Athen, 6. Juli. (Meldung der „Agence Havas"). Nach einer Depesche aus Santorin sind die Türken immer noch in Candano eingeschlossen. Ueber die Zusammenkunft der revo lutionären Nationalversammlung fehlen authentische Nach richten, e» verlautet indessen, die Vertreter von 9 Provinzen seien Sonnabend in Kamboi bei Phre angekommen. Ferner verlautet, der bekannte Führer der Kretenser, Haajimichalis, der sich noch in Athen befindet, werde zum Präsidenten der provisorischen Regierung ernannt werden. Unter den Kretensern herrsche Einverstäudniß darüber, die Autonomie zu verlangen: wenn dieses Verlangen von der Pforte abgewiesen werde, werde der Ausstand allgemein werden. Die christ lichen Deputirten haben sich zu dem griechischen Consul begeben und demselben erklärt, sie könnten, da sie die Ausrufung der provisorischen Regierung erwarteten, an den Arbeiten der Nationalversammlung nicht theilnehmen. — Die Plünderung christlicher Dörfer dauert fort; Tausende von Frauen und Kindern warten aus Dampfer, um nach Griechenland abzureisen, und beeinträchtigen durch ihre Anwesenheit die Bewegungsfreiheit der Aufständischen. — Nach der vorgestrigen Berathung richteten die Botschafter gemein schaftlich freundschaftliche Rathschläge an die griechische Regierung, welche sie aufsorderten, ihren Einstuß aufzubieten, damit die Aus- ständischen die Zugeständnisse der Pforte annehmen und weitere Munition- und Flintensendungen nach Kreta zu ver hindern. Die Antwort der griechischen Regierung ist noch un bekannt. Das ist ein deutlicher Wink an die Machthaber in Athen, den sie nicht unbeachtet lassen können, wenn sie sich nicht schlim men Eventualitäten auSsetzen wollen. Eine Absperrung ter Insel und eine Blokade der griechischen Küste wäre durchaus nicht unmöglich: 1886 ist ja das letztere schon einmal ge schehen. Auch schreitet die Ansammlung türkischer Truppen an der griechischen Grenze und Makedonien fort und erregt in Athen bereits Unruhe. Dort, glauben wir, wird man am ersten zur Nachgiebigkeit geneigt sein, da der finanzielle Resonanzboden Griechenlands bekanntlich ein sehr großes Loch hat, und so wird schließlich auch den Kretensern, wenn sie nicht vu duuquo spielen wollen, nichts Anderes übrig bleiben, als alle jene Forderungen fallen zu lassen, welche wie z. B. die budgetäre und legislative Autonomie die Ober hoheit der Pforte ausheben würden. Ein Japan bereisender Engländer schickt der „Daily News" einen Bericht über eine Unterredung zu, welche er kürzlich mit dem Marquis Ito, dem Manne, der vor allen Andern das moderne Japan geschaffen, gepflogen hat. Die folgenden bemerkenswerthen Sätze spiegeln die Ansichten des japanischen Staatsmannes wieder: „Man glaube nicht, daß wir Japan ganz verweltlichen wollen. Wir schreiten hoffentlich vor, aber nur aus den Grundlagen unserer uralten Gesittung. Wir sind viel zu patriotisch, als daß wir uns entnationalisiren wollen. Wir sind durchaus keine Bewunderer der westlichen Gesittung «ans pkrass. Hätte uns Europa seine Gesittung abstract und nicht zugleich eine Menge Vertreter derselben geschickt, so wäre die Wirkung vielleicht anders gewesen. Jetzt sendet man uns Missionare, welche unS erklären, wir seien sehr unsittlich. Man schaue sich aber einmal Las Leben FeuiHstsn. Jim Pinkerton und ich. Roman von R. L. Stevenson und Lloyd Osbourne. 8s Autorisirte Bearbeitung von B. Kätscher. Nachdruck verboten. „DaS glaube ich Dir gern, Aadam", entgegnete der Alte trocken, „die Sache ist snur die, daß ich gar nichts darnach frage. Bin ich Tein Großvater, oder bin ich's nicht?" wandte er sich an mich. „Mach' Dir nichts daraus, mein Junge, waS Aadam sagt .... Ich werde schon dazu sehen, daß Dir Dein Recht wird. Ich bin reich." „Vater, ich möchte ein Wort unter vier Augen mit Dir sprechen", sagte Onkel Adam. Ich erhob mich, um das Zimmer zu verlassen. „Dageblieben!" herrschte mich Großvater fast wild an. „Wenn Adam mir etwa-zu sagen hat, so soll er reden. Zum Teufel hinein, hier im Hause werde ich mir wohl noch Ge horsam zu verschaffen wissen. Ich bin der Herr, denn ich habe das Geld!" polterte er. Auf diese grobe Rede blieb mein Onkel die Antwort schuldig und noch zwei Mal aufgefordert, endlich mit der Sprache herauSzurücken, lehnte er beide Male finster ab. Mich dauerte der Arme. „Sohn meiner Jeannie, Kopf hoch, ich werde Dir aus der Patsche helfen", tröstete mich mein Großvater freundlich. „Deine Mutter war immer mein Liebling, denn mit Adam konnte ich mich nie vertragen. Auch Du gefällst mir, Du hast keinen Unsinn an Dir, verstehst etwas von der Baukunst, warst in Frankreich, wo man, wie ich mir habe erzählen lassen, in Stuck Großartiges leistet. Für Plafonds eine un bezahlbare Sache, der Stuck! Ich glaube kaum, daß cs in ganz Schottland einen Baumeister giebt, der mehr in Stuck gearbeitet hat als ich! Mit dem Gelde, daö ich Dir geben will, kannst Du, wenn Du bei dem Handwerk bleibst, ebenso reich werden wie Dein Großvater, ja noch viel reicher. Weißt Dn, wann ich einmal die Angen für immer schließe, hättest Du ja so wie so Deinen Antbeil geerbt. Da Du Dich jetzt in Geldverlegenheiten befindest, will ich Dir helfen, nur ist es recht und billig, daß dann weniger auf Dich kommt." „DaS ist sehr schön von Dir gehandelt, Vater", nahm Onkel Adam das Wort, „und ich bin überzeugt, daß auch Loudon dies empfindet. Sehr schön und, wie Du sagst, sehr gerecht. Ich möchte mir aber den Vorschlag erlauben, dies schwarz auf weiß niederzuschreiben. Glaubst Du nicht auch, daß eS gut wäre?" Die Feindseligkeit, die im Stillen stets zwischen Vater und Sohn glimmte, brach nach diesem Vorschlag in belle Flammen aus. Der Steinmetz warf einen stummen, giftigen Blick auf seinen Sprößling, die Zornader auf seiner Stirn schwoll bedenklich, seine aufgeworfene Oberlippe hing herunter wie bei einem Affen. „Schaffe Gregg herbei!" donnerte er. Die Wirkung dieser Worte war unbeschreiblich. Mein Onkel stammelte: „Er wird bereits in sein Bureau gegangen sein." „Schaffe sofort Gregg zur Stelle!" wiederholte Großvater. „Ich sage Dir, daß er sich bereits in sein Bureau begeben haben wirb", entgegnete Adam zitternd. „Und ich sage Dir, daß er jetzt daheim seine Pfeife raucht", brummte der Alte. „Nun gut", rief mein Onkel, mit ungewöhnlicher Leb haftigkeit aufspringend, als ob ihm plötzlich ein guter Ge danke gekommen wäre, „ich will ihn selbst holen." „DaS wirst Du nicht", fuhr ihn mein Großvater an. „Bleib' auf Deinem Hintertheil sitzen!" „Wie zum Teufel soll ich denn Grega heröeischaffen?" Mein Großvater grinste ihn, die Glocke ziehend, bos haft an. „Nehmen Sie den Gartenschlüssel", befahl Onkel Adam dem eintretenden Diener und sehen Sie nach, ob Herr Gregg, der Advocat, in seinem Garten ist; wenn ja, so sagen Sie ihm, der alte Herr Loudon ließe ihn schön grüßen und bitten, sich herüber zu bemühen." „Herr Gregg, der Advocat!" Nun ging mir ein Licht auf, und ich begriff, waö meinen Obeim so beunruhigt hatte: eS handelte sich nm das Testament deS reichen Steinmetz. „Großvater, es lag nickt in meiner Absicht, diese Scene hervorzurufen", begann ick zögernd. „Worauf ich e» eigent lich absah, daS war ein Darlehen von bnndert Pfund. Ich werde mich dann schon allein fortbringen, denn ich habe drüben Aussichten und gute Freunde —" Ter alte Mann unterbrach mich: „Hier hab nur ich zu reden", sagte er kurz, uud wir erwarteten nunmehr schweigend die Ankunft des Advocaten. Endlich meldete ihn daS Stubenmädchen an, und ein bebrillter dürrer Herr trat ein. „Gregg, ich habe eine Frage an Sie!" rief ihm mein Großvater zu, noch ehe er recht ins Zimmer getreten. „Was hat Aadam mit meinem Testament zu thun?" „Ich verstehe Sie nicht recht", entgegnete der Advocat. „Was hat er mit meinem Testament zu thun?" frage ich noch einmal. Dabei scklug er heftig mit der geballten Faust auf die Armlehne. „Gehört mein Geld mir oder gehört es Aadam? Darf Aadam mir dreinreden?" „O, jetzt begreife ich", sagte Gregg. „Gewiß nicht. Bei der Hochzeit Ihrer beiden Kinder wurde von Ihnen eine ge wiss« Summe hinterlegt, von den Parteien angenommen und gesetzlich beglaubigt. Sie können dock unmöglich diesen Um stand vergessen haben, Herr Loudon?" „Ich kann also, wenn eS mir gefällt, jeden Heller, den ich besitze, dem Groß-Magun vermachen?" (er wollte wahr scheinlich „Großmogul" sagen) — stieß mein Großvater er regt hervor. „Zweifellos", entgegnete der Advocat, mit Mühe sein Lächeln verbeißend. „Hörst Du's, Aadam? " fragte der Alte bissig. „Ja Wohl; aber Du wirst mir schon erlauben, Dir zu sagen, daß dies Alles nicht nöthig war." „Schon gut", entgegnete Großvater in unnachahmlichem Tone. „Du kannst jetzt mit Jeannie's Sohn ein wenig spazieren gehen. Ich habe mit Gregg ein Geschäft zu er ledigen." Als ich mit Onkel Adam in die Vorballe trat, wandte ich mich sofort an ibn. Mir warS recht schwer umS Herz. „Onkel, Du wirst Wohl begreifen, wie peinlich mir all dies ist." „ES thnt mir sehr leid, daß Du Deinen Großvater auch von der unliebenswürdigen Seite bast kennen lernen müssen", entgegnete dieser merkwürdige Mensch mit größter Seelen ruhe. „Du brauchst Dir das nicht zu sehr zu Herzen zu nehmen, er ist im Ganzen und Großen doch ein vortrefflicher Charakter, und ich bin überzeugt, daß erS mit Dir gut meint, nnd sich gegen Dich großmüthig benehmen wird." Ich blieb starr vor Erstaunen nnd vermochte die Fassung meines OheimS nicht nackzuahmen. Doch hatte ich daS Ge fühl, daß ich in diesem Hause keinen Augenblick länger ver weilen durfte, auch konnte ich eS nicht über mich bringen, ein Wiederkommen zu versprechen; so vereinbarte ich denn niit meinem Onkel, daß ich nach Ablauf einer Stunde den Advocaten in seiner Kanzlei aufsuchen werde. Ich glaube, daß noch niemals eine so umgekehrte Situation dagewesen ist. Wer uns beide beobachtet hätte, mußte sicherlich den Eindruck empfangen, daß ich der Geschlagene und daß der unverfrorene Adam der Sieger sei, der Großmuth an mir übte. Es unterlag keinem Zweifel, daß ich beschenkt werden sollte — in welchem Maße und unter welchen Bedingungen, darüber nachzudenken, blieb mir eine ganze Stunde Zeit. Ick schlenderte in den breiten, einsamen Straßen der neuen Stadttheile umher, ich suchte des Räthsels Lösung bei den Statuen Georg's IV. und William Pitt's zu finden, aber auck sie blieben stumm. Ich erneuerte auch meine Bekanntschaft mit dem Edinburgher Ostwind, diesem unangenehmen Ge sellen. Als die Stunde um war, begab ick mich in die Kanzlei Gregg'S, wo mir dieser mit einigen passenden Worlcn einen Check auf zweitausend Pfund und ein kleines Päckchen mit architektonischen Büchern einbändigte. „Herr Loudon trug mir noch auf. Ihnen zn sagen, daß Liese Dinge für einen praktischen Baumeister von großem Werthe seien, daß Sie aber vorsichtig sein müssen, um Ihre Originalität nicht zu verlieren. Auch meint er," fuhr der Advocat, in sein Notizbuch blickend, fort, „daß tüchtig mit Sand vermengter Cement für den Baumeister sehr wichtig sei . . . Ich habe ein einziges Mal in einem von meinem vortrefflichen Clienten erbauten Hause gewohnt, aber ick werde bis an mein Leben-ende daran zurückdenken. Der mit Sand gemischte Cement mag für den Baumeister des HauseS sehr nützlich sein, für den Bewohner ist er e» gewiß nicht!" „Unter solchen Umständen wird eS Sie Wohl beruhigen, zu hören, daß ich durchaus nicht die Absicht habe, Baumeister zu werden." Auf diese Bemerkung hin lachte er herzlich, und da das EiS einmal gebrochen war, erlaubte ich mir, ihn in Betreff meines weiteren Benehmens gegen meinen Großvater um Rath zu fragen. Gregg bestand darauf, daß ich sofort den Alten wieder aufsuche, um mit ihm zu gabelfrühstücken und spazieren zn geben. „Für den Abend will ich Sie frei machen, indem ich mir erlaube, Sie zu einem Junggesellendiner einzuladeu. Aber das Gabelfrühstück und den Spaziergang kann ich Ihnen nicht erlassen. Ihr Großvater liebt Sie aufrichtig nnd eS würde ibn kränken, wenn e» den Anschein hätte, al» ob Sie ihm auSweicken wollten. Waö Herrn Adam betrifft, so ist
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