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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.07.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960708021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896070802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896070802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-07
- Tag1896-07-08
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Reclamen unter demRedactionsstrich '4ge- spalten) 50/<j, vor den Jamtliennachrichien (6 gespalten) 40^- Größere Schriften laut unserem Preis- Verzeichniß. Tabellarischer und Zisfernjas nach höherem Tarif. Urtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluk für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhe. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. Druck und Derlag von E. Polz in Leivziz ^°343. Mittwoch dcn 8. Juli 1896. so. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 8. Juli. Nachdem das vom Reichstag beschlossene Gesetz, betreffend die Abänderung des Gesetzes vom l. Mai 1889 über die Erwerbs- und Wirthschaftsgeuosscnschaftcn die Zustimmung des Bundesraths erhalten hat und bereits publicirt ist, wird eS von nicht geringem Interesse sein, die Wirkungen fest;» stellen, welche die Bestimmungen dieses Gesetzes auf den Geschäftsbetrieb jener Anstalten ausüben werden, die unter dem Titel Beamten- und Officier- vereine sich mehr und mehr zu großkapitalistischen Unter nehmungen entwickelt haben. Mit Rücksicht darauf gewinnt auch der jetzt veröffentlichte Geschäftsabschluß für das Jahr 1895/96 des unter der Bezeichnung Maaren Haus für Armee und Marine bekannten Unternehmens des Ofsiciervereins, mit dessen Lieferungen für die Armee wir uns wiederholt zu beschäftigen hatten, eine besondere Bedeutung. Aus den Angaben dieses Geschäftsabschlusses geht hervor, daß der Betrieb des Unternehmens in dem ver flossenen Geschäftsjahre wiederum an Umfang gewonnen hat, daß also die Concurrenz, welche durch dasselbe den einzelnen Gewerbetreibenden erwächst, eine gesteigerte gewesen ist. Merkwürdigerweise unterläßt es die Gesckäftsleitung, die Höhe des erzielten Umsatzes mitzutheilcn. Daß dieses Verfahren nicht von dem Bestreben, unliebsame Ueber- raschungen für die Geschäftstbeilhaber zu vermeiden, dictirt wird, sondern von dem Bemühen, den Betrachtungen über die von dieser Seite dem Kleingewerbebetrieb verursachte Concur renz keine zu ausgedehnte Unterlage zu bieten, geht schon aus dem Umstande hervor, daß den Geschäftstheilhabern nach Verzinsung der Obligationen im Betrage von 1 700 000 nach Zahlung der Zinsen für 1 235 000 Hypothekengelder, nach Amorti sationen, Reservestellungen u. s. w. immer noch eine Ver zinsung der Antbeilscheine mit 5 Procent gewährt werden kann. Das Gesammtcapital, mit dem das Unternehmen be trieben wird, beläuft sich nach den Angaben res Geschäfts abschlusses auf 5 736 000 In welchem Maße Umsatz und Gewinn aus der Waarenabgabe an Nichtmitglieber resultiren, würde sich auch bei eingehenderen Mittbeilungen über den Geschäftsbetrieb, als sie in dem Abschluß für 1895/96 gemacht sind, Wohl schwerlich genau feststellcn laßen. Die Angabe, daß der Officierverein jetzt 42 787 stimmberechtigte und 2332 außerordentliche Mitglieder zählt, gestattet indeß den Rückschluß, daß der Verkauf an Nichtmitglieder in starkem Umfange geübt wird. Die Novelle zu dem Gesetz vom 1. Mai 1889 setzt im berechtigten Interesse der Kleingewerbe treibenden wenigstens der Waarenabgabe an Nichtmitglieder ein Ziel und schafft zugleich eine gesetzliche Garantie gegen die Lieferungen des Ofsiciervereins an die Armee. Die Nothwendigkeit einer solchen Maßnahme ist vom Reichstag mit großer Mehrheit anerkannt worden; der Geschästs- abschschluß des Waarenhauses für Armee und Marine für 1895/96 spricht ebenso für die Nichtigkeit, wie für die Dring lichkeit deS gefaßten Beschlusses. Wenn der Reichstag im Herbste wieder zusammentritt, wird es voraussichtlich zu allerhand scharfen Auseinander setzungen zwischen den Fraktionen kommen, deren Be ziehungen zu einander während der Berathung des Bürger lichen Gesetzbuches nicht unwesentlich sich verschoben haben. Und nicht nur die Fraktionen unter einander werden manches Hühnchen zu pflücken haben, sondern auch innerhalb FsrriHetsir Jim Pinkerton und ich. Roman von R. L. Stevenson und Lloyd Osbourne. Sj Autorlsirte Bearbeitung von B. Kätscher. Nachdruck verboten. „Du brauchst gar nichts vorzubereiten, mein Sohn!" rief er triumphirend. „Das Manuskript der Vorlesung liegt für Dick bereit, Du kannst Dich darauf verlaßen, daß ich mein Geschäft verstehe! Was ich einmal unternehme, das führe ich auch durch. Den talentirtesten Menschen der Stadt, unfern geschicktesten Journalisten — Harry Miller — habe ich mit der Abfaßung desselben betraut. Sei ganz un besorgt!" So schwatzte er weiter, ohne sich durch meine Ein wendungen im Geringsten beirren zu lassen, da und dort auf dem Wege Bekannte ansprechend und vor Begierde brennend, mich irgend einem „großdenkenden, grandiosen, schneidigen Kerl" vorzustellen, vor dessen Bekanntschaft ich instinktiv zurückschreckte. Obwohl mir unbeschreiblich zu Muthe war, gab ich klein bei. Aber ein Versprechen entrang ich meinem Freunde denn doch: mich nie wieder derartig zu überrumpeln. Und selbst das bereute ich, als ich bemerkte, wie sehr es meinen unverbesserlichen „Unvermeidlichen" betrübte. Im klebrigen ließ ich mich geduldig wie ein Opferlamm von ihm ins Schlepptau nehmen. Ten Unvermeidlichen nannte ich ihn? Der „Unwiderstehliche" wäre wohl rin noch passenderes Epitheton für ihn gewesen. AlSbald machte ich mich über Harry Miller'S Vortrag. Er war ein geschickter Hund, dieser Harry Miller, und verstand e« ausgezeichnet, bedenkliche Stellen zu umschreiben. Welch' sentimentale, ja melodrama tische Tone wußte er anzuscklaaen, wenn er von Grisetten und hungernden Genies sprach! Ich kam dahinter, daß er meine Correspondenz mit Pinkerton auSgebeutet hatte, um meine eigenen Abenteuer in schauderhafter Entstellung wieder- zuerzählen und meine Aussprüche übertrieben wiederzugeben. Ich muß anerkenne», daß er ein ganz eigenartiges Talent besaß. Alle Versuche, die ich machte, seine» Ton etwa« zu dämpfen, blieben fruchtlos. — Der Millerisinus war unaus rottbar. Das Ungeheuer besaß einen Stil oder vielmehr der Fraktionen selbst wird es an Reibungen nicht fehlen. Am meisten wird vies — von den Antisemiten abgesehen, die ja selten einig gewesen sind — die parlamentarische Vertretung des Bundes Ser LanSmirthc zu spüren haben. Allerhand Symptome deuten darauf hin, daß wenigstens ein Theil der deutsch-konservativ en Fraclion der Nolle müde ist, weiche sie unter der Führung des Bundes gespielt hat, und wieder Anschluß an die Regierung sucht. Und im Centrum, in dem so viele Freunde und Anhänger des Bundes sitzen, regt sich der Widerspruch gegen die An maßung, mit der die Führung des Bundes und seiu Organ, die „Deutsche Tageszeitung", die ausschließliche Unterstützung ihrer Forderungen und die völlige Unterwerfung unter ihre Gebote verlangen, laut und lebhaft. Am meisten hat es in Centrumskreisen verletzt, daß die „Deutsche Tageszeitung" vom Beginn der zweiten Berathung deS Bürgerlichen Gesetzbuches bis zum Schluffe der dritten nicht nur fast täglich gegen die „Durchpeitschung" des Gesetzes eiferte, sondern auch die Geschästsleitung des Präsidenten v. Buol heftig angriff. Wie stark der Groll über diese Angriffe geworden ist, geht aus folgender Auslassung der ultramontanen „Köln. Volkszlg." hervor: „Die Unverschämtheiten der „Deutsch. Tagesztg." werden all mählich immer großartiger. Dem Reichstage fehlt in ihren Augen der „große nationale Zug", diesen hat dagegen Herr v. Plötz, der als „patriotisch" bezeichnet wird, weil ec gegen daS Bürgerliche Gesetzbuch gestimmt har. Man sieht, Last sich m diesem Kops die Welt ganz anders malt als sonst in Menjchenköpfen. Im Gegen satz zu dem Jammer über „diesen Reichstag" und „diese Regierung" steht Las Prahlen mit dein, was der Bund der Landwirthe „erreicht" haben soll, wie es so gerne von BundesreLnern betrieben wird. Man vergegenwärtige sich nur, Last das, was im Reichstag durchgekommen ist: das Verbot des Gctreideterminhandels und das Margarin-gesetz, nicht der Kraft des Bundes, sondern lediglich der Stimmenzahl des Centrums zu danken ist. Und so wird es auch in Zukunst sein. Der Bund kann für die Landwirthe nichts erreichen, amwenigstengegendenWillendes Centrums, denn eine Mehrheit ohne und gegen das Centrum giebt es im Reichs tag nicht. Tas Centruin fällt also ganz bedeutend ins Gewicht; im Vergleich zu ihm ist der Bund der Landwirthe ein Zwerg. Mögen also die katholischen Bauern sich nicht vorjchwindeln lassen, daß der Bund im Stande sei, große Dinge aus- zurichten, und es sich deshalb empfehle, ihm beizutreten. Was Las Centrum nicht kann, kann der Bund erst recht nicht, und wer für die Landwirthschaft wirken will, thul daher besser, mit dem Centruin zu gehen als mit dem macht- und einflußlosen Bunde, der nach Art chinesischer Soldaten der Welt durch lautes Schreien und Lärmen zu imponiren jucht." Jevcnfalls werden dem Bunde und seinem Organe im ultramonlaneu Lager Vertheidiger erstehen und die Vermitte- lungspolitiker, die schon ost die zwischen dem agrarischen und dem antiagrarischen Flügel des Centrums ausgebrochenen Streitigkeiten haben schlichten müssen, werden auch diesmal sich bemühen, einen Bruch zu vermeiden, der nicht allein dem Bunde der Landwirthe verhänguißvoll werden könnte. Vor dem Wiederzusammentritte des Reichstags werden aber die Beschwichtigungsversuche nicht viel nützen; im ReichStagssaale selbst wird also zum Ausbruche kommen, was an Spannung vor der Vertagung sich angesammelt hat. Seit geraumer Zeit ist Belgien das klassische Land für die Erprobung der Richtigkeit der von klerikaler Seite so ost aufgestellten Behauptung, das „festeste Bollwerk" gegen den Socialismus sei die katholische Kirche, oder ins Politische übertragen, der KlerikaliSmus und die Gesetz gebung im klerikalen Sinne. Nachdem ein durch und durch doktrinärer Liberalismus in Belgien so ziemlich abgewirth- einen Mangel an Stil, der es unmöglich machte, mildere Sätze einzufügen — sie verschlimmerten die Sache nur noch und verkümmerten den Gesammteindruck bedenklich. Zu einer frühen Stunde des anberaumten Abends konnte man mich in Gesellschaft meines Agenten, wie Pinkerton sich mit Stolz zu nennen beliebte — im Hotel zum „Pudelhund" diniren sehen. Von dort führte er mich, wie man einen Ochsen zur Schlachtbank führt, in den Vortragssaal. Mit Grauen stand ich dem versammelten San Francisco gegenüber und halte keine andern Verbündeten als einen Tisch, ein Glas Wasser und das Manuskript. Ich hielt den Vortrag oder las ihn vielmehr, denn ich hatte weder Zeit noch Lust gehabt, den Schund auswendig zu lernen; ich las ihn schnell, schlecht und mit sichtlicher Beschämung. Hier und da sie! mein Blick im Auditorium auf ein verständnißvolles Antlitz, was mich noch mehr verwirrte. Stieß ich im Manuscripl auf eine Stelle, an der die Ader des Millerismus ruhiger strömte, da leierte ich sie möglichst rasch herunter. Die Zuhörer gähnten, brummlen und zürnten. Es entstand Unruhe und bald er tönten Rufe wie: „Lauter sprechen!" „Man versteht ja nichts." Ich übersprang ganze Seiten und kam unvermittelt von einem Thema aufs andere. Was mich mit Verwunderung erfüllte, war, daß ich ob all dieser Unzukömmlichkeiten weder auSgelacht noch zurechtgewiesen wurde. Ich begann das Schlimmste zu befürchten — persönliche Beschimpfung. Aber plötzlich erschien mir die ganze Geschichte in so komischem Lichte, daß ich am liebsten laut aufgelacht hätte. Noch einmal ausgesordert, lauter zu sprechen, that ich dies mit den Worten: „Ich will es versuchen, ob zwar ich mir nicht vorstellen kann, daß Einer der verehrten Anwesenden mich wirklich zu hören wünscht. Ich wüßte wahrlich auch nicht, wes halb er es wollte." Die Zuhörer und der Verlesende lachten nun gemeinsam, bis ihnen die Thränen über die Wangen liefen! Lauter wiederholter Beifall brach nach dieser meiner Steareifrede los. Die Bemerkung: „Sie sehen, ich lasse weg, soviel ich nur kann!", die ich etwas später machte, NErend ich wieder drei Seilen auf einmal umblätterte —erhöhte noch die Achtung, mit der mich meine Zuhörer jetzt zu betrachten schienen, und als ich die Tribüne verließ, erfolgte Händeklatschen, ein Lacken, Schreien, Stampfen und Hutschwenken. Pinkerton befand sich im Wartesaal und skriböelte fieberisch in seinem Notizbuch. Al« ick eintrat, sprang er auf und ich sah wirkliche Thränen in seine» Augen schimmern. schäftet bat, stehen dort als Hauptgegner die Klerikalen und die Socialistcu einander gegenüber, nnd jede politische Wahl beweist, daß die Letzteren gerade in den bisherigen Domänen der Ersteren mehr und mehr an Terrain gewinnen. Auch die letzten belgischen Wahlen liefern den Beweis dafür. Die Socialisten habe», obwohl nur Erneuerungswahlen für die Hälfte der Dcpntirteukammer slatlfanden, einen Zuwachs v o n übe r 100 000 Stirn m cn zu verzeichnen, und mit Aus nahme eines verschwindenden Bruchlheils entfällt dieser Zu wachs auf Wahlkreise, in welchen die Klerikalen bislang im sicheren Besitz der Mandate waren. Mil erschreckender Deutlichkeit zeigen die eben vollzogenen Wahlen, wie gewaltig die socialistischcn Wühlereien Anklang gesunden haben, wie immer breitere Schichten der rotheu Fahne sich an- ichließen. Aller Orten sind die socialistischen Stimmen gewaltig angeschwollen und selbst im frommen Westflandern haben sie Wurzeln gefaßt. In Nivelles ist die Stimmcnzahl der Socialdemokraten von 6000 auf 19 000 gestiegen; ein ganz enormer Erfolg. So sind die Socialisten, auch wenn bei den am Sonntag stattfindcnden zahlreichen Stich wahlen — die Stimmenthaltung der Liberalen vorausgesetzt — noch eine ganze Reihe von Sitzen den Klerikalen zufallen wird, eine Macht in Belgien geworden, mit der die herrschende Partei rechnen muß. Zwischen Klerikalen und Socialisten wird dec Kampf um die Regierung ausgefochten werden müssen, da die gemäßigten Elemente immer mehr aus der Volksvertretung verschwinden. Nur die radikalen Fortschrittler haben ihre Sitze behauptet und kommen mit den ihnen verbündeten Socialisten in Brüssel zur Stichwahl, die Gemäßigt-Liberalen dagegen haben wieder neue Verluste erlitten, so daß sie keine Vertretung mehr in der Kammer besitzen. Wenn man be denkt, daß in diesem Jahre diejenigen Provinzen zu wählen hatten, die noch als Stützpunkte für die Ordnungsparteien gelten, und daß 1898 diejenigen Gaue an die Reihe kommen werden, die, wie Lüttich, Hennegau und die Fabrik städte Ostflanderns, als die eigentlichen Domänen der Socialdemokratie betrachtet werden müssen, so sind die Aussichten für Belgiens nächste Zukunft wahrhaft trübe. Wir begrüßen bezüglich Kretas mit Genugthuung, daß unsere gestern ausgesprochene Hoffnung, die Insurgenten werden zur reckten Zeit sich zu weiser Nachgiebigkeit ent schließen, in Erfüllung zu gehen scheint. Wie wir im Morgcn- blatt mittheilte», babcu zahlreiche in Pbre versammelte christ liche Delegirte, unter ihnen auch die Mitglieder deö Re form aus schusses, beschlossen, die christlichen Deputieren bringend aufzusordern, andenArbeitendeskretcusischen Landtages theil zunehmen, um über die an dem Vertrag von Haleppa vorzunehmenden Verbesserungen zu berathen. Aus Athen wird uns durch den Drahl ge meldet, daß, der „Asty" zufolge, der Beschluß der Delegieren durch nachstehende Depesche, welche die Botschafter der Mächte in Konstantinopel nach Kreta gesandt haben, ver anlaßt worben sei: „Wir ratben den Aufständischen, die Feind seligkeiten einzustellen und in Friedensverhandlungen auf Grund des Vertrages von Haleppa einzutreten, welchen die Pforte mit einigen berechtigten Abänderungen den Kretensern zugesteht; doch müssen die Kretenser wissen, daß sie mit Forderungen, die über diese Abände rungen hinausgehen, die wohlerworbenen Rechte auf das Wohlwollen Europas verlieren würden. Die christlichen Deputirten der ausständischen Provinzen werden unverweilt in Haleppa bei Canea er wartet, wo sie mit den christlichen Vertretern der östlichen „Mein lieber, lieber Junge, ich werde es mir nie ver zeihen, Dich in eine so peinliche Lage gebracht zu haben, und auch Du kannst mir nicht vergeben", rief er erregt. „Aber thut nichts, ick habe nur das Beste gewollt! Wie tapfer Du Dich gehalten hast! Ick fürchtete schon, daß wir das Geld würden zurückzcben müssen." „Es wäre redlicher gewesen, wenn wir daS gethan hätten", entgegnete ich. Die Journalisten, Harry Miller an der Spitze, suchten mich im Wartesaal auf, und ich war überrascht, in ihnen angenehme, liebenswürdige Burschen zu finden, an denen mehr gesündigt wird, als sie selbst sündigen. Nament lich Harry Miller entpuppte sich als ein wahrer Gentleman. Mein Empfang war ein großartiger. Ich wurde mit Austern und Champagner bewirtbet und da sich meine Nerven schon ohnedies in höchster Spannung befanden, hielt ich die Gesellschaft im steten Gelächter. Ich kann mich wirklich nicht erinnern, in meinem Leben je in so angeregter Stimmung gewesen zu sein wie damals, als ich der Tafelrunde meine Nachtwache über Harry Miller'S litera rischem Erzeugniß und meine Gefühle während deS denk würdigen Vortrages schilderte. Die jungen Leute schworen, ich sei „die Seele einer lustigen Gesellschaft" und der König unter dem Vorlesern. Wenn Sie, verebrter Leser, am nächsten Morgen all die Zeitungsberichte über meinen Vortrag gelesen hätten, Sie wären von der Ansicht durchdrungen worden, daß derselbe wirklich einen noch nicht dagewesrnen Erfolg erzielt Habel! In der denkbar besten Stimmung kam ich in jener Nacht beim, aber der unglückliche Pinkerton trauerte für uns Beide. „O Loudon", klagte er, „ich werde eS mir nie verzeihen, daß ich nicht selbst den Vortrag hielt, als ich bemerkte, daß Dir Vie Idee nicht gefiel. Siebentes Kapitel. In demselben Geiste, in welchem in einer Mayne Neid' scheu Erzählung der Schulknabe eine Kinderflinte bandbabt oder in eingebildeten Urwäldern herumkrieckt, ging Pinkerton seinen täglichen Geschäften nach, die er sich als einen lebhaft bewegten Act in der Komödie deS Lebens vorstellte. Er war selig, wenn er das Glück hatte, im Vorübergehen an einen Millionär zu streisen. Dritte Romantik war die Wirklichkeit, in dieser ging er vollständig auf. Jeden Dollar, den er verdiente, betrachtete er, a!S ob er ihn auS einer mysteriösen Tiefe hervorgeholt hätte, Provinzen in Berathung zu treten und ein Programm der kretensischen Forderungen aufzustellen haben, welches folgende Punkte umfassen wird: Erstens die wirthschaf: liche Unabhängigkeit der Insel; sodann sollen die Zoll einnahmen dem Staatsschätze Kretas verbleiben. Für den dem Sultan zu entrichtenden Tribut soll eine besondere Steuer cingeführt werden. Der Gon vcrncur soll ei» Cl> rist sein, er soll d urch diePfortcei u an n l werden und ihm cinVet o gegenüber den vom kretensischen Landtage angenommenen Gesetzen zustehen. Die Pforte bat, um einen Beweis ihrer guten Absichten zu geben, Abdullah Pascha angewiesen, die Truppen aus den Städten zu ent fernen." — So ist die Angelegenheit wenigstens in das Gleis gütlicher Verhandlungen gebracht und die obigen Stipulationen sind derart, daß ihnen der Landtag zustimnicn kann. Offen bleibt nur noch die Frage der Unabsetzbarkeit deS Bice-GonverneurS oder doch der Ernennung auf eine bestimmte Reihe von Jahren, sowie die Regelung seiner Competenzcn dem Militairgouverneur gegenüber, der am besten Hanz wegfiele oder doch dem Ersteren untergeordnet würde. Hierüber dürften noch beftigeErörlerungen und dabei vielleicht ein weiteres Nachgebcn der Pforte, resp. der Mächte zu erwarten sein, falls die Kretenser nicht doch vorziehen, fick mit der großen Errungenschaft der wirthsckaftlichen Unabhängigkeit zu be gnügen. Um diese handelt eS sich für die Insel in aller erster Linie, alles Andere tritt dagegen zurück. Auch zur Zahlung eines Tributes dürfte man sich voraussichtlich ver stehen und dem legislatorischen Veto des Gouverneurs, sowie der Ernennung desselben durch die Pforte keine allzu große Opposition machen, denn die kategorische Forderung der „Autonomie mit Anschluß an Griechenland" war doch wohl lediglich Pose, in welcher der Kretenser, wie der Grieche ja Meister ist. Die Gründung eines Bundes der slawische» Balkan staaten spielt seit dem Bestick des Fürsten von Montenegro in Belgrad in der Balkanpresse eine große Nolle und die ter bulgarischen Regierung nahe stehende, in Sofia erscheinende „Dnewni Nowini" verkündet schon die im Princip bereits beschlossene Etablirung. Die Union, der nur Serbien, Bulgarien und Montenegro angehören würden, soll unter dem Sckntze Rußlands sieben und von dem Fürsten Nikolaus von Montenegro, als dem Doyen der Balkanfürsten, geleitet werden. Der formelle Abschluß deS Bündnisses soll ans einer Fürstenbegegnung in Sofia erfolgen. Als Zweck der Union wird die „friedliche Vertbeidigung" der gegenwärtigen Grenzen und der gemein samen Interessen der Mitglieder des Bundes bezeichnet. Die makedonische Frage, dieser Erisapfel der Balkanstaaten, soll vorläufig außer Spiel bleiben nnd mit Recht, denn in dem Augenblicke, wo Serben nnd Bulgaren über diese An gelegenheit zu tiScntiren begännen, wäre es mit der Enigkcit und mit der Verbrüderung zu Ende. In Oesterreich ist man natürlich über dieses Buntesproject sehr wenig erfreut. Vor läufig giebt man fick aber den Anschein, als ob man kein großes Gewickt auf die Sache lege. So schreibt die „N. Fr. Pr.": „Der ganze Balkan-Bund ist überhaupt ein todtgeborenes Kind, denn Vie Ziele und Interessen der Mitglieder sind gründ verschieden. Gegen wen will man übrigens Vie „friedliche Vertbeidigung" der gegenwärtigen Grenzen zur Geltung bringen'? Wer bat bisher die Grenzen der Balkanstaaten bedroht'? Der zunächst in Frage kommende Nachbarstaat, die östcrrei'ckisch-ungarische Monarchie, gewiß nickt, denn das Königreich Serbien verdankt seine erweiterten Grenzen zunächst jede Speculation, an die er sich wagte, erschien ihm w> das Unternehmen eines Tauchers, und so ost er seine kühne Hand in das Gewirr des Geldmarktes versenkte, empfand er das selige Bewußtsein, an den Säulen des Daseins zu rütteln, und Leute in entfernte Länder zu senden, damit sie mit ihrer Hände Arbeit das Golv in den Cassen der Millionäre in Bewegung setzten. Den vollen Umfang seiner Tbätigkeit vermochte ich nie mals zu ergründen, aber zu fünf verschiedenartigen Ge schäftszweigen bekannte er sich freiwillig. Der „Tllirteou 8tar Oolckkir 8t»to Uranckv, >Vsrrkmteck Lutiro" (ein abscheuliches Gesöff) erfüllte einen großen Theil seiner Gedanken und wurde von ihm dem Publicum in beredten, phrasenreichen Abhandlungen angepriesen. „Ein Wort an die Weisen!" „Warum den thcuren französischen Cognac trinken?" In dieser Art ging eS weiter. Er war auch Besitzer einer Anzeigenagentur uno stets bemüht, den In serenten mit gutem Rath beizusteben, Zeichnungen für sic an- zusertigen und als Vermittler zwischen Druckern und Zettel klebern zu dienen. Der einfältige Krämer holte sich snr Jnscratcnzwecke bei ihm Rath, der schneidige Theatcragcni seine Localkenntnisse und Jedermann bekam ein Exemplar der Flugschrift: „Wie, Warum, Wo? oder da» Vade-Mccu.n des Inserenten" mit auf den Heimweg. Jeden Sonnabend Nachmittag miethete er einen Schlepper, führte Liebhaber deS Angelsportes weit außerhalb der HeadS, versah sie mit Angcl- ruthen und Köder und ließ sich für Alle« einschließlich sechs stündiger Sportdauer fünf Dollars pro Kopf bezahlen. Ick hörte, daß dieser hohe Betrag für manche Angler — freilich müssen eS besonders geschickte gewesen sein — noch lohnte. Mein Freund kaufte gelegentlich auch Wrack« nnd seeuntüch tige Schiffe. Diese letzteren fanden unter falschen Namen wieder ihren Weg zur See und fuhren unter der Flagge Boliviens oder Nicaragua- fort, die Wellen zu schneiden. Schließlich und endlich hatte er den Vertrieb einer bochrotb und blauangestrichenen landwirthschaftlichen Maschine, die einem „dringenden Bedürfniß" abhclfen sollte und an welcher er mit einem Zehntel betheiligt war. Kein Dollar ruhte in seiner Tasche, er hielt daS Geld fortwährend in Bewegung wie ein Jongleur sein« Kugeln. Als ich ansing, mich an seinen Unternehmungen zu bethei ligen, pflegte er mir hier und da den aus mich entfallenden Verdienst zu zeigen, nm ihn sogleich wieder verschwinden zu lassen, etwa wie man einem Kinde ein Silberstück unter die Augen hält, um eS dann sofort in die Sparbüchse gleiten zu
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