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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.07.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960711023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896071102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896071102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-07
- Tag1896-07-11
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nach dem letzten Krieg« zwischen China und Japan aufgedrängt, al» nämlich Japan durch feine Siege zu einer Harten Macht in Ostasiro Wurde. England habe bekanntlich mit dem siegreiche» Japan die besten Beziehungen gepflogen, und da habe sich der leitenden Kreise in Petersburg der (tzedanke bemächtigt, daß diese beiden maritimen Mächte, falls sie sich früher oder später gegen Rußland allein, oder selbst gegen Rußland uud Frankreich vereinigen sollten, zu einer großen Gefahr für die russischen und französischen Interessen im Stillen Ocean werden könnten. Diese Gesahr müßte nothwendigerweise an Bedeutung zunehmrn, wenn in dem erwähnten Falle England noch Herr über Egypten wäre und dadurch die russischen und französischen Kriegsschisse an der Durchfahrt durch de» Suez, canal verhindern, somit die Verstärkung der vstasiatischen Ge- schwader der beiden Mächte unmöglich machen konnte. Nur die weitgehende Vorsicht des verstorbenen Ministers des Aeußern Herrn v. Giers einerseits, sowie die Befürchtung, bei einem Versuch der Regelung der egyptischen Frage bei keiner der anderen europäischen Mächte Unterstützung zu finden, habe die russische Regierung bisher abgehaltcn, der Angelegenheit nahe zu treten. Daria sei nun eine Aenderung eingetreten. Zunächst sei der gegenwärtige Leiter der auswärtigen Politik Rußlands, Fürst Lobanow, nicht von solcher Aengstlichkeit, wie eS jein Vorgänger war, und dann gebe man sich in Petersburg angesichts der Haltung Deutschlands aus Anlaß der letzten Ereignisse in Ostasien der Hoffnung hin, daß Rußland und Frankreich bei dem Versuch« einer Regelung der egyptischen Frage nicht alleinstchen werden, da hierbei auch wichtige deutsche Interessen ins Spiel kämen. Schließlich hätten die durch den Ausgang des chinesisch, japanesischen Krieges hervorgerufenen und weiter oben gekenn« zeichneten Erwägungen ein entscheidendes Wort mitgesprochen, uni die frühere passive Haltung der russischen Regierung gegenüber der egyptischen Frage als inopportun erscheinen zu lassen. Trotzdem könne es als unwahrscheinlich bezeichnet werden, daß schon in der nächsten Zeit von der russischen Regierung ein Schritt unternommen werden dürste, der geeignet wäre, die Regelung der mehrgenannten Frage zu beschleunigen Der Sommer sei hierfür nicht die richtige Zeit. Fürst Lobanow dürste schon demnächst, wenn ihm der Zar, wie dies wahrscheinlich fei, den ge» wünschten Urlaub gewähre, Petersburg verlassen, und er habe den Vorsatz, diese Ruhepause ausschließlich seiner Erholung und der Kräftigung seiner Gesundheit zu widmen. Zu diesem Behuje will er den Aufenthalt au allen Orten, wo er durch Begegnungen mit fremden Staatsmännern und sonstige osficielle Empsänge in seiner Ruhe gestört werden würde, vermeiden, und er soll die Absicht haben, sich nach einem stillen Orte der Schweiz zu begeben. Be. fttnmrtr Entschlüsse lägen hierüber jedoch noch nicht vor, und es sei chunerhin möglich, daß der Fürst feine gegenwärtigen Reisepläne «bändere. ünS scheint die Mittheiiung des Petersburger Correspon- deuten thatsächlich aus zuverlässigen Informationen zu be ruhen, denn es ist schon lange kein Geheimniß mehr, daß die eayptische Frage höchst wahrscheinlich eher acut werden wird als die orientalische und zwar aus den in der Petersburger Miltheilung angegebenen sehr plausiblen Gründen, welche sich aus der Verlegung des Schwerpunktes der russischen Politik nach dem fernen Osten ergeben. Augenscheinlich bezweckt di« Zuschrift zugleich, Aeußerungen von deutscher Seite zu veranlassen und Deutschlands Auf fassung der Frage zu ergründen. Unsere Stellung zu dem Problem ist eine ziemlich verwickelte. Mit Recht beherrscht auf der einen Seite unsere Politik das Bestreben, uns Rußland so viel irgend möglich gefällig zu erweisen, auf der anderen Seite aber kann cS für uns nur vortheilhaft sein, wenn der Antagonismus zwischen England und Frankreich wegen Egyptens weiter besteht. Dieses Dortheils könnten wir uns nur dann begeben, wenn Frankreich als Aequivalent für den mit deutscher Hilfe erlangten Besitz des Nillandes absolut sichere Garantien dafür böte, daß es auf seine Revanchegelüste endgiltig verzichtet. Deutsches Reich. 6. L. Berlin, 10. Juli. ES hat höchlich überrascht, daß für die Anarchistin Agnes Reinhold, der nach Verbüßung einer sechsjährigen Zuchthausstrafe jetzt die Freiheit wieder gegeben ist, rm»d 13 00 für ein Ehrengeschenk eingegangen find. Genosse Winkler quittirt über 1223 außerdem aber ist bei der Expedition des anarchistischen Blattes noch eine Anzahl kleinerer Posten eingelaufen. Die Durchsicht der Quittung ergiebt, daß auch eine ganze Anzahl Socialdemo kraten an den Sammlungen sich betheiligt haben; ja sogar aus bürgerlichcnKreisen sollen 50 gekommen sein. Natürlich fehlen auch die ausländischen Anarchisten mit Beiträgen nicht; solche sind aus der Schweiz, aus Dänemark und aus Ungarn gekommen. Die Sammelliste liefert den sprechenden Beweis, wie fest di« Anarchisten überall Zusammenhängen und wie stark die anarchistische Bewegung ist. 1300 in wenigen Wochen für eine Anarchistin zusammengebracht, bilden jedenfalls ein bemerkenswerthes Zeichen der Zeit, das hoffent lich gebührend gewürdigt wird. Man möge ferner bedenken, daß außer den Sammlungen für AgneS Reinhold auch solche für den Fonds zur Unterstützung der Inhaftirten, für den PreßfondS und de» Hilfsfonds für die Entsendung der Anarchisten nach London stattfanden. Für den Unterstützungs fonds der Inhaftirten gingen insgesammt 162 ein; da runter befindet sich auch ein Posten aus Lausanne. * Berlin, 10. Juli. Ein recht scharfer Ton herrscht jetzt in den Organen des Centrums gegen den Bund der Landwirthe; so bemerkt die „Germania" zu einer aus der Provinz Posen stammenden DertrauenSkundgebung für Herr» v. Ploetz: „Wir halten das Vorgehen des Bunde- der Land wirthe mit „Ehrenerklärungen" für Herrn v. Ploetz für ein sehr gewagtes Spiel. Die Freunde des Herrn von Ploetz er weisen demselben unseres Erachtens keinen guten Dienst, wenn sie mit ihren „Ehrenertläruugen" die Erinnerung an ver gangene Dinge wieder aufsrischcn, welche im eigenen Interesse besser der Nacht mitleidiger Vergessenheit überantwortet ge blieben wären, und wenn sie dazu noch in neuen überschwäng lichen Lobeserhebungen neue Entgegnungen und neue Angriffe provocircn. Zn der Erklärung wird Herr v. Ploetz gerühmt als „ehrenhafter, selbstloser Mann, der im allgemeinen Interesse sein Alles einsctzt für die Hebung der Landwirth- fchafl und des Bauernstandes, für die Erhaltung von Thron und Vaterland". Die Ehrenhaftigkeit des Herrn v. Ploetz wollen wir nicht in Zweifel stellen; aber wenn die Selbst losigkeit desselben öffentlich so übermäßig gepriesen wird, wenn gesagt wird, daß er „sein Alles cinsetzl", dann darf man dieser „Selbstlosigkeit" des Herrn v. Ploetz doch wohl auch näher nachgehen und an den Herrn v. Ploetz oder an sein Organ die öffentliche Frage richten: Wie vielGebalt,Repräsentativnökvstcn, Reiscspesen rc. bezieht Herr v. Ploetz aus der Easse des Bundes der Landwirthe für seine „selbstlose" Tbätigkeit im Interesse desselben? Herr v. Ploetz bat früher einmal auf eine solche Frage eine ausweichende, einer Verneinung ähn liche Antwort gegeben, die Leuten, welche niit den Verhält nissen im Bunde der Landwirthe näher bekannt sind, ein sehr berechtigtes Erstaunen abzenöthigt hat. Uns ist schon damals von einem „Wissenden" und neuerdings wieder von einer anderen zuverlässigen Seite eine ganz bestimmte und sehr beträchtliche Summe Geldes genannt worden, die Herr v. Ploetz als Vorsitzender des Bundes der Landwirthe aus der Easse desselben „selbstlos" für seine Tbätigteil bezieht. Wer sich seine Arbeit, wenn auch nicht gerade fürstlich belohnen, so doch wie ein Minister oder Staatssecretair bezahlen läßt, bat unseres Erachtens keinen Anspruch darauf, seine Selbstlosigkeit so himmelhoch rühmen zu lassen. Männer, wie Freiherr v. Schorl einer- Alst, Freiherr Felix v. Loö, Freiherr v. Hnene u. A., haben dagegen in ihren Bauernvereinen für das Interesse der Land- wirthschaft und für Hebung des Bauernstandes wirklich selbst los, ohne ein finanzielles Aequivalent dafür zu fordern oder zu erwarten, gewirkt, sie haben wirklich ihr Alles eingesetzt und große Opfer gebracht — aber sie haben auch wirkliche Erfolge auszuwcisen, während der Bund der Landwirthe bis her nur auf dem Gebiete der Agitation und sonst nirgendwo positive „Erfolge" errungen hat." — Aus Wilhelmshaven wird den „Berl. Neuesten Nachr." gemeldet: Nach den hier bekannten Bestimmungen findet die Rückkehr des Kaisers von der NordlandSreise direct hierher statt; uns ist von einer englischen Reise nichts bekannt. — Heute hielten der Ausschuß des Bundesrat Hs für Handel und Verkehr und die vereinigten Ausschüsse für das Laudheer und die Festungen und für Handel und Verkehr Sitzungen. In der gestrigen Plenarsitzung des Bundesraths sind, wie verlautet, die Mittbeilungen des ReichstagSvor- standes über die Beschlüsse des Reichstages zum Margarine gesetz und zum Bürgerlichen Gesetzbuch amtlich zur Kenntniß gebracht worden; der Bundesrath hat jedoch noch keine Beschlüsse darüber gefaßt. — Der Verstärkungstransport der Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika ist ani 25. Juni an der Swakopmündung glücklich gelandet. — Der Pariser „Temps" batte sich aus Berlin melden lassen, die preußische Regierung habe „zahlreichen Dänen und Schwede», die sich in Schleswig-Holstein niedergelassen batten, des Landes verwiesen und sogar andere, die Bürger der Hansestädte Hamburg und Bremen geworden waren". Dazu bemerkt der „Hamb. C": Das Pariser Blatt, das als Organ des französischen Ministeriums deö Aus wärtigen gilt, ist wegen seiner feindseligen Haltung gegen Deutschland bekannt. Im vorliegenden Falle ist sein Ungeschick aber noch größer als sein Deutschenhaß. Denn einmal ist nichts davon bekannt, daß die preußische Regierung zahl reiche dänische und schwedische Bewohner Schleswig Holsteins ausgewiesen hat, dann aber zeugt es von einer bemitleidens- werthen Ignoranz der Verhältnisse, zu behaupten, daß Preußen Bürger der Städte Hamburg und Bremen auSweise. Wer als eiugewanderter Ausländer das Bürgerrecht einer Stadt erlangt, muß zuvor Reichöangehöriger geworden sein; Reichs angehörige kann die preußische Regierung überhaupt nickt auSweisen, am allerwenigsten aber in Hamburg und Bremen, die selbstständige Staaten mit eigener Regierung sind. Diese Anfangsgründe des deutschen Staatsrechtes sollte die Redactiou des „TempS", die so gern sich mit ihrer politischen Weisheit brüstet, doch wissen! — Ein neuer evangelisch-socialer Congreß soll, wie berichtet wird, unter der Führung Stöcker'S zum Herbst in Berlin einberufen werden. Die Absicht soll sein, der Naumann'schen Richtung die Spitze zu bieten. Die tief gehenden Gegensätze über die Bodenbesitzrekorm zwischen älteren und jüngeren Christlich-Socialen, wobei Stöcker, Wagner u. A. den gegenwärtigen Zustand vertheidigen, Naumann, Goehke and Aikhaftg bin Großgrundbrsitz Le« festigt sehen möchten, machten rin längeres Zusammenbleiben rn demselben Congreß nicht denkbar und die friedlichr Trennung sei das Natürlichste. — Der Minister des königlichen Hauses von Wedel hat sich mit Urlaub nach Piesdors in der Provinz Sachsen begeben. — Unter dem Titel „Socialdemokratischer Verein für den fünften Berliner Rrichstagswahlkreis" hat sich auch an Stelle des letzten der geschlossenen Wahlvereine eine neue Organi- sation gebildet. — Der Schiedsspruch des Einignngsaintes des hiesige» Gewerbegerichts in Sachen d«s Ausstandes der HerreN'Coufectionsarbeiter wird dein , Koni." zufolge in Kürze erfolge». Das Einigungsamt werde, wie das Blatt initlheilt, den Parteien einen Miudefl-Lohutaris für alle Artikel vorlegen, au dessen Aufstellung i» letzter Zeit das im Februar zur Schlichtung der Streitigkeiten zusammengetretene tEinigungsamt eifrigst ge arbeitet hat. Die Löhne einzelner Sorten der Knc.ben-Confcction, die in obigem Lohntaris noch fehlten, werden zur Zeit noch durch Erhebungen bei den Eonsectionairen, Zwischeniiteistern und Arbeitern festgestelll. Nack Abschluß dieser Erhebungen werde sofort der Schiedsspruch gefällt werden. — Daß der Dnellnnfug auch in Studentenkreisen zu denken giebt, beweist ein Antrag, den in der letzten allgemeinen Etudenten-Verjammlung der Technischen Hochschule in Char- lottenburg rin „älteres Semester" einbrachte. Dieier Antrag ging dahin, es sollte eine aus drei Vertretern jämmtlichcr Corporation«» bestehende Commission eingesetzt werden, die über die Errichtung akademischer Ehrengerichte, deren Anordnungen im Falle von Pistolen- und Säbelduellen unbedingt Folge zu leisten sei, zn berathen habe. Ausgehend von dem Nachspiele, das den Wahlen für die Lesehalle an der Universität gefolgt war, stellte es der Antragsteller als wahrscheinlich hin, daß über kurz oder lang die Behörden sich gezwungen sehen würden, zur Tuellfrage Stellung zu nehmen; er bezeichnete es daher als die Pflicht der Studentenschaft, schon vor dieser Zeit sich über Liese einschneidende Frage klar zu werde» und die akademischen Freiheiten durch Errichtung eigener Gerichte zu sichern. Eine Discufsion über den Antrag kam in Folge Annahme eines Antrags auf Ucbergang zur Tagesordnung nicht zu Stande. — Die Ueberführung des Freib. v. Hammerstein vom Unter suchungsgefängnisse nach der Strafanstalt in der Lchrterstraße ist heute früh erfolgt. — Gegen verschiedene Buchmacher von den Berliner Renn- Plätzen schweben zur Zeit (wie die „Germania" berichtet) nicht weniger als 18 Strasprocrsse. In einzelnen dieser Strafsachen handelt es sich um tt bis 18 Angeklagte. Tie Anklage in einzelnen Anklagesällen ist schon im Vorjahre erhoben worden, die Termine zur Hauptverhandlung sind aber so lauge hinausgeschoben worden, bis das Reichsgericht sich in einem Anklagefalle darüber schlüssig gemacht hatte, daß nicht nur wegen unerlaubten Wettens, sondern auch wegen Steuerhinterziehung gegen die Angeklagten vor» gegangen werden kann. — Zur Grenze besördert wurde nach erfolgter Sistirung eine Anzahl Ausländer, welche sich trotz Ausweisung aus dem vrenßischen Staatsgebiete nach Ablauf des ihnen ertbeiltcn Er- laudnißicheins in Berlin aufhieltcn. Außer Personen, die sich sonst lästig gemacht, werden namentlich Kaufleute, die weder ein offenes Geschäft, noch eine feste Stellung besitzen, wie Agenten, Hausirer und dergleichen, von Len Ausweisungen betroffen. * Lübeck, 10. Juli. Heute Nachmittag traf der König von Dänemark über Hamburg hier ein und reiste an Bord des StaatSdainpfers „Danebrog" nach Kopenhagen weiter. Posen, 11. Juli. (Privattelegramm.) Der lang jährige Chefredakteur des „Dzieniiik Poznanski", Franz Dobrowolski, ist beute nack längerem Krankenlager gestorben. Derselbe war 1863 Mitglied der geheimen polnischen Revolutionsregierung. * Gotha, 10. Juli. Das Verfahren gegen den Verlags buchhändler Perthes wegen Beleidigung des Ersten Staats anwalts Jmniler hier wurde infolge von Verjährung ein gestellt. * Koblenz, 9. Juli. Die Handelskammer hat sich gegen den 8-Uhr-Ladenschluß und gegen die Einsührung der kaufmännischen Schiedsgerichte ausgesprochen. * Mainz, 10. Juli. Das Gerücht von der AmtSmüdig- keit des großherzoglichen Staatöministers Finger erkält sich beharrlich. Heute schreibt das „Mainzer Tagebl.": „Herr StaatSministcr Finger wird wahrscheinlich nach Verabschiedung des Landtages seinen Abschied nehmen. Wer sein Nachfolger Wird, ist noch ungewiß." * Karlsruhe, 10. Juli. Ein von dem hiesigen Gewerbe gericht als Einigungsamt angesctzter Termin zur Beilegung des Brau erstreik- verlies nack dem „Badischen Landes boten" resultatlos, da nur der Vertreter der Arbeiter erschienen war, die Arbeitgeber aber schriftlich erklärt hatten, daß sie eine neue Arbeitsordnung eingeführl hätten, die den Beifall der treu gebliebenen Arbeiter gefunden habe und an der sie nichts ändern würden. Außerdem seien die Stellen der streikenden Brauer nahezu wieder besetzt. * München, 10. Juli. Die Kaiserin von Oesterreich traf heute Abend 7 Ukr hierein. Prinz Ludwig von Bayern passirte, von Ungarn kommend, den hiesigen Eentralbahnhof und reiste olme Aufenthalt weiter nach Schloß Leutstetten. — Der neue Chefredakteur der „Allgemeinen Zeitung", Herr Geh. RegierungSrath vr. Julius Jolly, hat sein Amt angetreten; sein Vorgänger, Herr Christian Petzet, der um Enthebllffg vd» diesem Post«, «achgesacht HLtbe, »Kd auch ferner seine Thätigkeit der „Allgemeinen Zeitung" widmen und zeichnet vorläufig noch als verantwortlicher Redacteur deS politischen und deS tagesgeschichtlichen Thkiles des Blattes. Oesterreich-Ungar«. Ausgleich; Tchnlverftaatlichung. * * Pest, 10. Juli. In der liberalen Partei entwickelt sich eine starke Agitation gegen die vermuthele Nachgiebigkeit de« BaronS Banffy in der Quotenfrage. — Durch die Abhaltung eines katholischen Lehrer-Con gresses und durch die Eonstituirung eines evangelischen LekrerbundeS wird die Paralysirung der VolkSfchul-VerstaatlichungS-Tendenzen der allgemeinen Lehrer-Versammlung beabsichtigt. (Kr. Ztg.") Frankreich. Weltausstellung; Arton, Steuer- «ntz Zollresorm; Lchifssuufall; * Paris, lO. Juli. Wie verlautet, wird bereits morgen ein Vertreter der deutschen Regierung hier einlreffen, nm mit der französischen Regierung vorbereitende Verhand lungen über die Betheiligung Deutschlands an der Pariser Weltausstellung, betreffend die Platzfrage und andere Fragen, zu führen. — Arton ist wegen Bannbruchs zu 2 Tagen Gefängniß verurtheilt worden. * Paris, 10. Juli. Tie Kammer berieth die Vorlage der bisherigen vier direkten Steuern. Das Amendement Pelletan, wonach die Regierung ans die Erhebung der Personal- und Mv- biliarsteuer» verzichtet, wurde mit 311 gegen 241 Stimmen ab gelehnt, ebenso init 310 gegen 281 Stimmen ein weiteres Amende ment Pelletan. Schließlich wurde die ganze Vorlage der vier directen Steuern mit 424 gegen 66 Stimmen angenommen. (Wdrhli' * Paris, 10 Juli. Es verlautet, daß die Regierung nock vor der Abstimmung über die Zuckerprämien-Vorlage den Zoll auf den aus europäischen Ländern eingeführten Zucker durch Dccret um 10 Francs erhöhen würde. Die Ausfuhrprämien würden ans 4 Francs für raffinirten und 3,50 Francs für Rohzucker festgesetzt werden. Es sei aber möglich, daß die Regierung die Vorlage über die Prämien noch vor der Verhandlung, die nicht vor den Ferien statt finden könne, abändert. * Ajaccio, 10. Juli. Das Torpedoboot „Chevalier" bohrte das Torpedoboot „Andacieux" in den Grund. ES ist Niemand verunglückt. „Chevalier" kehrte mit leichter Havarie in den Hafen zurück. Italien. Sicilien; Die Militairvorlaac; Krisengerüchte; England und der Dreibund. * Rom, 10. Juli. (Deputirtenkammer.) Das Haus fuhr in der Bcrathung der Tagesordnungen fort, welche zu der Vorlage betreffend das Civilcommissariat in Steilten eingebracht sind. Turati brachte Namens der Socialisten eine ausführliche Tages ordnung ein, welche die Forderungen dieser Partei für Sicilien enthält, namentlich die der Freiheit der Organisation und der Pro- pagcuida in jeglicher Form. * Rom, 10. Juli. i(Kammer.) Die Entwickelung der Tages ordnungen über das Commisfarial Sicilien wurde geschloffen. Rudini acceptirt folgende Tagesordnung Gallo's: Die Kainmer ver traut der Regierung und gehl zur Berathung der Artikel der Vor lage über. Tie Tagesordnung Gallo wurde mit 232 gegen 139 Stimmen angenommen. (Wiederholt.) * Rom, 10. Juli. Man erwartete beim Schluffe der Kammer eine Erklärung der Regierung über die Berathung der Militairvorlage; eine solche ist aber nicht erfolgt. Die „Italic" meint, daß noch Schwierigkeiten zu besiegen bleiben und man nicht weiß, ob man sie wird vou heute zu morgen überwinden können. * Rom, 10. Juli. Trotz der überwiegenden Mehrheit, welche in der Kammer bei der Abstimmung die Stellung Rudini « bestätigte und festigte, erwähnen die „Tribuna" und „Pvpolo Rvmano" die Gerüchte über eine partielle Minist erkri sie infolge der Meinungsverschiedenheiten be treffend die Militairvorlage. * Rom, II. Juli. (Telegramm.) Alle Morgenblätter sprechen von einer thrilweisen Ministerkrisis, welche dadurch hervorgerusen worden sei, Laß der Ministerrath nicht beschlossen habe, das Militairgesetz auf die Tagesordnung der Deputirtrn- kammer zu setzen. Nach dem „Messagers" wird auch der Minister der öffentlichen Arbeiten Lemijsioniren. Als Keiegsminister für Ricotti wird General Pelloux genannt. Heute Vormittag wird ein Ministerrath abgehalten. «Nach einem römischen Telegramm der „Nat.-Ztg." hätte Ricotti seine Entlassung bereits eingereicht; wahrscheinlich würden auch der Schatzminister Colombo und der Postminisier Carmina austreten. D. Red.) * In einer Berliner Zuschrift an die Wiener „Polit. Corr." wird bezweifelt, daß Rudini den Anschluß des Drei bundes an England als vollendete Thalsache bezeichnet habe: es könne sich wohl nur darum bandeln, daß Italien zur Wahrung seiner Interessen am Mittelmeer für seinen Theil einen Anschluß an England gefunden babe. In dieser Form könnte dann auch den Tripolitanischen Interessen Italiens Rechnung getragen worden sein, aber auch da könne Seefahrern ordentlich in- Gesicht zu sehen. Sie standen, mit vollen Gläsern in den Händen, vor dem Schanktisch und wurden mit neugierigen Fragen bestürmt. Einer von ihnen — der Koch — war ein Kanake; der zweite hielt in seiner Linken einen Käfig mit einem Kanarienvogel, der von Zeit zu Zeit schwächlich trillerte, der dritte trug seinen linken Arm in einer Schlinge, sah sehr leidend und wie ein Gent leman aus, der erst vor Kurzem eine gefährliche Krankheit überstanden hatte; der vierte — Capitain „Trent", ein blau äugiger, untersetzter Mann, mit stark gerötbetem Gesicht und ungefähr 45 Jahre alt — batte einen Verband um seine rechte Hand. Dies fiel mir auf, noch mehr aber, daß er in Begleitung seiner Untergebenen durch die Straßen ging und Wirthshäuser besuchte. Wie stets, wenn etwas meine Aufmerksamkeit erregte, nabm ich mein Skizzenbuck vor und bemühte mich, eine Skizze dieser vier Gestrandeten zu entwerfen. Es gelang mir, unbemerkt das Gesicht und Be nehmen deS Capitain« genau zu beobachten, der mich am meisten fesselte. Durch Whisky erwärmt und durch die neugierigen Zu hörer ermuthigt, erzählte er, Gott weiß zum wievieltenmale lebhaft die Geschichte seines Unfälle». Leider drangen nur abgebrochene Sätze an meine Ohren, wie: „Ja, der Wmd schlug plötzlich in einen Nordnordwest um." — — — — „Die Brandung verschlang das lauteste Kommando" Zwei Mann über Bord." Bon Zeit zu Zeit hielt er in seiner Erzählung inne, um sich an einen seiner Leute mit der Frage zn wenden: „Nicht wahr, Jack, so warS?" und Jack antwortete: „Genau so, Herr Capitain!" Die Menge wußte stets neue Fragen an die Gestrandeten zu rickten, sie wollte den ganzen Hergang des Unfalls bis aufs I-Tippelchen kennen. Trent redete sich in einen größeren Eifer hinein und beantwortete jede Frage mit umständlicher Genauigkeit. Mittlerweile hatte ich meine Skizze beendet und ich mußte mir sagen, daß die Gruppe der vier Männer mit dem Kanarienvogel sehr gut gelungen war, namentlich aber der letztere. Ich klappte daS Buch zu und schlüpfte au« der Schenkstube. Ich abnte nicht, daß diese Scene der erste Auftritt des ersten Actes meines eigentlichen LebenSdramaS war und doch ging mir da« Gesehene, — oder vielmehr da« Gesicht de« Capitain« — nicht mehr au« dem Sinne. Ich war, wie gesagt, kein Prophet, dafür aber ein guter Beobachter und al» solcher drängte sich mir die Ueberzrugung auf, daß Eapitaia Trent etwa« Furchtbare« erlebt haben müsse und nock immer unter dem Bann des Erlebten stehe. Er hatte seine Erzählung wobl zungenfertig, lebhaft und laut vor getragen und seine Rolle vortrefflich gespielt, aber in seinen blauen Augen und in seinen Zügen laö ich innere Unruhe und Angst. Wa« mochte er fürchten? Ich dachte, es müsse etwas sehr Scklimmes sein. Oder zitterte in den Nerven dieses Mannes die nock nicht ganz überwundene Erschütterung über den Unfall seiner Brigg nach? Ick erinnerte mich eine« Freundes, der ein Eisenbahn unglück mitgemacht hatte und dann noch monatelang erschreckt zusammenzufahren und wie Espenlaub zu zittern pflegte. Capitain Trent sah zwar keineswegs wie ein nervöser Mensch aus, aber er schien sich trotzdem in demselben Zustand zu befinden wie mein Freund. Am näcksten Morgen sand ick Pinkerton, der ausnahms weise früher aufgestanden war al« ich, vor unserem Schreib tisch sitzen, in die Lectüre deS „Daily Occidental" vertieft. Diese Zeitung zeichnete sich von den andern amerika nischen dadurch auS, daß ihre Artikel nicht durch ausfallende Titelköpfe, seltsame Stabreime, falsche prahlerische Citatc und eine geschraubte, pathetische Sprache entstellt waren, viel mehr wurde sie von einem nüchternen, verständigen Menschen redigirt, der nur den einen Wunsch hegte, sein Publicum be lehren zu wollen. DaS Blatt besaß ledoch nickt nur diesen einen Vorzug, der eS zu meinem Leiborgan machte, sondern auch noch den, im Handelssache am besten unterrichtet zu sein, weshalb Pinkerton eS seinerseits für unentbehrlich kielt. „Loudon, Du behauptest zuweilen, daß ich zu viele Eisen im Feuer habe", begann er, von seiner Zeitung aufblickend. „Ick thcile, wie Du weißt, Liese Ansicht und sage mir stetS: „Wenn ich einen Dollar auf der Erde liegen sehe, bebe ich ibn auf." Nun denn soeben bin ich über einen ganzen Haufen Dollars gestolpert, die mitten im stillen Ocean auf einem Riff liegen. Höre nur, was hier steht." Er nahm die Zeitung wieder auf und las mir Folgendes vor: Schiffbruch der britischen Brigg „Fliegende Lerche". Ihrer Britischen Majestät „Sturm" das gestern in unserem Hafen eingelanfen ist, hat Capitain Trent und vier Matrosen von der „Fliegenden Lerche", die am 12. Februar an der Midway- Jnsel strandeten und glücklicher Weise schon am nächsten Tage gereitet wurden, initgebrackt. Die „Fliegende Lerche" hat eine Tragkraft von 200 Tonnen, war nach London zuständig und seit fast zwei Jahren unterwegs. Eapitain Trent hatte am 8. December Hongkong verlassen, um Reis, Seide, Thee und andere chinesische Artikel im Ge- sammtwertbe vcn 10 000 Dollars —vollständig versichert — nack San Francisco zn bringen. Im Logbuch ist abwechselnd schönes Wetter, leichter Wind, Windstille und heftige Böe verzeichnet. Der Wasservorratb der „Fliegenden Lerche" be gann bei 28 Grad n. B. und 17,70 w. L. zu faulen. Be sorgt, denselben zu ersetzen, zog der Capitain das „Nord- Pacific-Directorium" von Heyt zn Ratbe und fand darin die Mivway-Jnsel als Koblenstation bezeichnet. Dadurch irre geführt, legte er daselbst an und überzeugte sich, daß die Insel eigentlich nur eine von stets überschwemmten Korallenriffen umgebene Sandbank ist. Vögel gab es genug, auch gute Fische in der Lagune, aber kein Brennholz. DaS Wasser, welches mau nach mühevollen Grabungen zu Tage förderte, sckmcckle salzig. Er fand am nördlichen Ende der größeren Sandbank in einer Tiefe von fünfzehn Faden Wasser einen guten Ankerplatz, dessen Grund sandig und mit Korallenbäumen bedeckt war. Hier wurde er sieben Tage lang durch außergewöhnliche Windstille fest gehalten, die Mannschaft litt furchtbar durch das schlechte Wasser, das von Tag zu Tag abscheulicher rock und schmeckte. Gegen Abend deS 12. erbob sich endlich ein leichter Nordnordost. Trotzdem cs schon dämmerte, ließ der Capitain die Anker lickten und versuchte, das offene Meer zu erreichen. Während das Schiff kräftig vonvärts stampfte, legte sich der Wind wieder, um dann plötzlich in einem böigen X. und bald darauf sogar in einen umzuschlagen, der die Brigg 20 Minuten vor 6 Uhr auf den Sand zurücktrieb. Job» Wallen, ein ge borener Finne, und Charles Holdorsen, ein geborener Schwede, ertranken, während sie sich bemühten, ei» Boot berabzulassen; keiner von Beiden konnte schwimmen, und ihre Hilferufe wurden von dem betäubenden Lärm der Brandung verschlungen. John Brown, ein gewöhnlicher Matrose, erlitt in Folge eine« durch den Zusammenstoß hervor gerufenen heftigen Falle« einen Armbruch. Capitain Trent theilte dem Berichterstatter des „Occidental" ferner mit, daß die Brigg mit dem Bug gegen ein Korallenriff anfgestoßen, dann über daS Hinderniß hinweggefahren sei, um nun im Sande festzuliegen — mit einer Schlagseite von Steuerbord. Beim ersten Zusammen stoß muß sie Schaden gelitten haben. Wahrscheinlich wird der ganze Reis verdorben sein, aber die kostbareren Waaren sind zum Glück im Hinterraum geborgen. Gerade als Capitain Trent das große Boot zn Wasser lassen wollte, kam der „Sturm" in Sicht, der von der Admiralität auS geschickt worden war, um auf Inseln nach Schiffbrüchigen zu suchen. Er schützte Capitain Trent und seine Mannschaft vor allen weiteren Gefahren. Die Geretteten der Unglück lichen Brigg sind voll deS Lobes der Gastfreundschaft und Liebenswürdigkeit, mit welcher sie an Bord des Kriegs schiffes behandelt wurden. Es bleibt uns nur noch übrig, die Namen der Gestrandeten zu nennen: Jacob Trent, Capitain, geboren in Hüll, England. EliaS Goddedaal, Maat, geboren in Cbristiansand, Schweden. Ah Wing, Koch, geboren in Sana, China. John Brown, geboren in Glasgow, Schott land. John Hardy, geboren in London, England. Tie „Fliegende Lerche" ist zehn Jahre alt und wird, wie sie gebt und stebt im Auftrage des Lloyd-Agenten zu Gunsten der Versicherer heute Morgen öffentlich versteigert werden und zwar wird die Versteigerung um 10 Uhr in der Kaufmanns börse stattsinden. Weitere Nachrichten: Später am Nachmittage suchte unser Berichterstatter den ersten Lieutenant v. I. B. M. S „Sturm", Herr» Sebright, im „Palast-Hotel" auf. Der wackere Osficier batte gerade keine Zeit zu ausführlichen Gesprächen, doch bestätigte er alle Aussagen des Capitain« Trent und versickerte außerdem, daß die „Fliegende Lerche" in einem vortrefflichen Zustande sei und sich — eS sei denn in dem sehr unwahrscheinlichen Falle eine« heftigen XlV. — bis zum nächsten Winter erhalten könne. Als Jim diesen Artikel zu Ende gelesen batte, sagte ick: „Die Geschichte ist sehr klar und bündig wiedergegeben und enthält nur einen Irrthum; der Koch ist nämlich kein Chinese, sondern ein Kanake, ick glaube ein Hawaiianer." „Ei, woher weißt Du daS?" fragte er erstaunt. „Ich babe die ganze Bande gestern in einer Schenkstube gesehen und die Geschichte auS dem Munde deS Capitains Trent selbst gehört, d. h. ich hätte sie bören können. Der Aermste schien mir sehr durstig und nervös." „Damit haben wir jetzt nicht» zu schaffen, wa» ich fragen wollte, fft, wie e< mit den auf dem Riff lagernden Dollar« steht. Wollen wir anbeißen, Loudon?" „Würde eS lohnen?" „Wie ein Zuckerring!" rief Pinkerton überreugungSvoll. „Hast Du nicht gehört, wa» dieser Sebright über den Zu stand des Schiffes geäußert hat? Und daß die Ladung auf 10 000 Dollar bewerthet ist- Da schauen dreihundert Percent heraus, mein Junge." (Fortsetzung folgt.)
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