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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.07.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960714027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896071402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896071402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-07
- Tag1896-07-14
- Monat1896-07
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Tabellarischer und gissernsatz »ach Höherem Dans. »rtrn-Veffagei, laef-fst), Hip mit de- Otvraen'Ausaaiu, ohne Poftbet-rd«ung vö.—, mit Vostbefurderuu« 70.—. Anzeiger. Ämlsbkatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Polizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Dienstag den 14. Juli 1896. Ännahmeschloß für Anzeigen: Abend.Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. PtorgsN'Vusgghe: RochiM,^ 4Uhr. Hei den Filialen und Annahmestelle^ t» «f** halbe Stund« frRtzsr. Anzeigen sind stet- gn die Gx-etzttt-«» zu richten. Druck und Serina von L. Pol» i» Leipzig SV. Jahrgang. politische Tagesschau. * Leipjiß, 14. Juli. Die gestern mitgetheilte Auslassung der officiösen „Berl. Polit. Nachr." über die Erhöhung der Bcamtcngehiilter im Reiche und in Preußen schließt mit dem bemerkenSwerthen Satze, es sei „eine unabwendbare Notbwendigkeit, einerseits die bestehenden Einnahmequellen auf das Pfleglichste zu be handeln, ihre Erträge thunlichst zu erhöhen und Minderein nahmen sorgsam zu vermeiden, andererseits bei den dauernden Ausgaben so viel als irgend möglich zu er sparen und jede sachlich zu rechtfertigende Verminderung herbeizuführen." Die erste Hälfte dieses Receptes geht Preußen allein an. Sie bezieht sich auf die Veranlagung der direkten Steuern und die Staatseisenbahnen. Bei der Ver minderung der Ausgaben ist aber vor Allem an die Renten umwandlung zu denken, die, abgesehen davon, daß bei dieser auch Reichsanleihen in Betracht kommen, ein großes volkswirthschaftliches Interesse hat. Man kann darüber im Zweifel sein, ob der Officiöse den Auf trag hatte, die Notbwendigkeit der vom Finanzminister vr. Miquel nunmehr ohne Frage beabsichtigten Con- vertirung anderen, zögernden Regierungsstellen gegenüber zu demonstriren, oder ob sie als die Ankündigung der bereits aller seits beschlossenen großen Finanzmaßregel anzusehen ist; jeden falls aber wird man sich mit dem Gedanken vertraut machen müssen, daß vor dem nächsten Frühjahr über fünf Milliarden Mark deutsche, preußische und bayerische 4procentige Schuld scheine in 3> rprocentige umgewandelt werden- An einen niedrigeren Zinsfuß und also auch an die Herab setzung des Zinsfußes der Zl/zprocentigen Papiere scheint nicht gedacht zu werden, aber schon die Kündigung der höchstverzinsten wird vollkommen ausreichen, um auf dem Geldmarkt große Verschiebungen herbeizuführen. Ob mit dieser die geringe Ersparnis von 25 Millionen Mark jährlich nicht zu tbeuer erkauft sein wird, sieht dahin. Sehr erklecklich ist die Ausgabenminderung nur für Preußen, das bei seinen 3 592 667 850 4procentigen Papieren aegen 18 Millionen im Jahre erspart, während sich für das Reich (450 Millionen Mark) ein jährlicher Gewinn von weniger als 2>/z Millionen ergiebt. Wir bezweifeln, daß das neue Börsengesetz ausreichen werde, das Nationalvermögen, von dem ein beträchtlicher Tbeil zu veränderten Anlagen gedrängt wird, vor großen Verlusten zu bewahren. In dem Umstande, daß der Bezirksausschuß im Bromberg unter dem Vorsitze des Regierungspräsidenten Tiedemann gegen den Ersten Bürgermeister Roll in Gnesen wegen seines vielbesprochenen Verhaltens auf der Gnesener Nahrungsmittel-Ausstellung auf Entlassung aus dem Dienste erkannt hat, wird von einem Theile der Presse als Symptom einer Wandlung in der gemachten, nicht ge sprochenen Polenpolitik (die letztere läßt ja nichts zu wünschen übrig) aufgefaßt. Wir fürchten mit der „Nationallib. Corr.", daß diese Auffassung gar bald als ungerechtfertigter Opti mismus sich Herausstellen werde. Roll hat sein Schicksal durch ein auch in den Ostprovinzen ungewöhnliches Ver halten heraufbeschworen. Er hat, indem er eine Militair- capelle verhinderte, nach einem auf den Kaiser ausgebrachten Hoch die Königshymne zu spielen, sich direkt gegen den Monarchen vergangen und, da das Vortragen der Hymne nach dem Kaiser-Hoch den Militaircapellen vor geschrieben ist, gleichzeitig eine Militairperson zu einer Gehorsamsverletzung zu bestimmen gesucht. Aus diesen Gründen war ein unnachsichtiges Vorgehen gegen den Beamten unver meidlich. Ein anderer Grund, weßwegen dem Gnesener Dis- ciplinarproceß die Bedeutung eines Zeichens entschiedener Wahrung der Interessen des Staates und des Deiitschthnms bis auf Weiteres nicht beigelegt werden kann, ist in dem Umstande zu erblicken, daß Roll ein Deutscher ist. Erst wenn die Regierung auch Verfehlungen gegen den Staat, die von Polen ausgegangen sind, zu ahnden begonnen haben wird, wird man von einer Aenderung des mit dem „neuen Curs" eingcführten Systems reden dürfen. Die DiSciplini- rung Roll's wird reichlich ausgewogen durch die Versetzung des deutschen Lehrer-Wenzel, die, wie neuerdings unwider sprochen behauptet wird, denn doch ein« Strafversetzung ge wesen ist. Das wichtigste Merkmal einer gesunden Polen politik bilden übrigens außerordentliche Maßnahmen in außer ordentlichen Fällen überhaupt nicht. Es kommt auf den Geist und Zug an, der durch die ganze Verwaltung hindurch geht, auf das regelmäßige, amtliche und sociale Verhalten der im Namen und Auftrage des Kaisers und Königs handelnden und repräsentirenden Personen. In dieser Hinsicht ist nichts, aber auch gar nichts bekannt geworden, was auf einen Bruch mit der alten Connivenz hiiidcuten könnte, dagegen Manches, was den gegentheiligen Eindruck hervorbringen mußte. Man darf sich darüber wundern, denn dieselben Organe, die jetzt vorgeblich flottwellsch administriren sollen, haben sich volle Anerkennung verdient, als sie caprivisch verwalteten. Nach allem bisher Beobachteten wäre es voreilig, das in die gegen wärtige Polenpolitik gesetzle Mißtrauen wegen des Herrn Roll gezeigten Ernstes abzuschwächen. In der deutschen Presse ist es nur der „Vorwärts", der sich den Anschein giebt, die durch den Telegraph ver breitete Erklärung über das Verhalten der ungarischen Regierung zu deutschen Theaterunternehmungen, wonach „keiner deutschen Schauspielgesellschast die Concession entzogen, vielmehr im Jahre 1896 fünf neuen deutschen Theatern dieselbe verliehen worden" sei, für baare Münze zu halten. Das socialdcmvkratische Blatt hat dafür seinen Grund. Das ossiciöse Dementi der ungarischen Regierung giebt den Anlaß zu einem gehässigen Ausfall gegen „unsere Germanisirung". Es kann auch nur, Wer in allen Dingen vorweg die Partei gegen Deutsch land zu nehmen gewöhnt ist, das Opfer bringen und den Magyaren eine gläubige Miene zeigen, wenn sie versichern, die deutsche Schauspielkunst sei in Ungarn gegenüber der magyarischen — bevorzugt. Wenn sie nicht aus deuische Gäste und deren Geld reflectiren, machen sie selbst kein Hehl aus der Absicht, den noch nicht unterdrückten Resten des deutschen Schauspiels den Garaus zu machen. Auf dem Gebiete der Schule ist für den Thaten- drang kein Spielraum mehr, denn hier ist alles Deutsche längst mit Stumpf und Stiel durch Gewaltakte aus gerottet worden. Die „Millenniums"-Feier hat das Gute, daß sie das Magyarische an der ungarischen Cultur als ein Potemkin'sches Dorf zeigt, hat das Gute, diese Dinge dem Deutschen wieder etwas näher zu rücken. Beabsichtigt war allerdings das Gegentheil. Wir zürnen aber der officiösen Darstellung der ungarischen Theaterpolitik durchaus nicht. Sie ist „ein Compliment, welches das Laster der Tugend macht". Uebrigens war in unserer ersten Mittheilung zur Sache (s. Nr. 333 das „Leipziger Tageblatt" vom 3. Juli) nicht davon die Rede, daß der Minister des Innern deutschen Schauspielergesellschaften die Concession ent zogen habe, sondern davon, daß keine neue Con cession mehr ertheilt werden soll, wenn eine Con cession erloschen ist. Als das deutsche Theater in Ofenpest abbrannte, hat die Stadtvertretung von Ofenpest Niemandem die Concession zur Errichtung eines neuen deutschen Theaters ertheilt, so daß ftugarns Hauptstadt heute noch eines deutschen Theaters entbehrt und sich mit deutschen Tingel-Tangeln begnügen muß Die Nachricht von der Concessionirung von 5 neuen deutschen Theatern klingt ganz unglaublich. Wahrscheinlich sind fünf Siugspiel- aesellschasteii gemeint, die vielleicht aus Anlaß der Ausstellung ins Leben gerufen wurden und concessionirt worden sind, um Fremde anzulvcken. Die deutschen Singspielgesellschaften in Ofenpest stehen auf einem tiefen sittlichen Niveau und werden von dem besseren deutschen Publicum vollständig gemieden. Ob das Sommertheater in Preßburg bereits eingegangen ist, wie gemeldet wurde, darüber werden wir in den nächsten Tagen Gewißheit erlangen. Bis das Gegentheil bewiesen (nickt bloß behauptet) ist, batten wir unsere Mitlheilung aufrecht- Zu der italienischen Ministerkrise hat angeblich das Heeresreformprojecl Nicotti's den Anstoß gegeben. Man erinnert sich, daß die Pläne Ricotft'S auf eine Ver minderung der italienischen Feldarmee an Truppen der ersten Linie um circa 70 000 Mann hinauSliesen, ein Ausfall, welcher durch Verdoppelung der Mobil-Milizen, also eine beträchtliche Vermehrung der Armee der zweiten Linie aus geglichen werden sollte. Ricotti übernahm seiner Zeit die Bildung des Cabinels nur unter dem ausdrücklichen Vor behalt, Laß seine sämmtlichen College«« sein Reformproject billigten, und es ist anzunehmen, daß auch Kö»ig Humbert damit einverstanden war, denn sonst würde er Ricotti schwerlich zum Manne seinesVertrauens gemacht haben. Jetzt auf einmal erheben sich im Cabjnet Einwendungen, nicht zwar gegen den Inhalt der Militairvorlage, aber dagegen, daß sie, nachdem der Senat sie gebilligt, sofort von dxr Kammer berathen werde. Ricytti besteht darauf, u»i sein Werk nicht zu gefährden, Nudini und ein Tbeil der Minister verlangt Aufschub bis zum November mit der Begründung, daß bei der gegenwärtig in Rom herrschende«! Glühhitze nicht mehr eine beschlußfähige Anzahl Abgeordneter zusammenzuhalten sei. Man sollte nun allerdings meinen, darüber müßte in erster Linie Ricotti sich Sorge machen, da ihm vor Allem an dem Zustandekommen des Gesetzes gelegen sein muß. In Wahrheit scheint es sich auch nickt um die Militairvorlage zu handeln, lieber das Materielle derselben sind, wie gesagt, Differenzen nicht zu Tage getreten, wenigstens nickt offen geltend gemacht worden, vielmehr scheint auch Nudini nsit der Schonung, welche Ricotti den italienischen Finanzen an gedeihen lassen will, ganz einverstanden zu sein, denn sonst würde er den General Pellouz, der l2 Millionen Lire mehr fordert denn Ricotti, als Nachfolger desselben sofort acceptirt haben; und daß die rein taktische Frage der sofortigen oder der späteren Berathung der Vorlage nur Vorwand ist, muß auch dem Blinden erkennbar sein. Thatsächlich dürfte der Grund zu der Krise in der Rivalität Rudini's und des Kriegsministers zu suchen sein. Rudini sucht aus der schiefe» Lage herauszukommen, in die ihn der König versetzt hatte, als er Ricotti mit der Bildung des Ministeriums betraute. Er trachtete schon lange danach, durch Entfernung Ricotti's, dem er an parlamentarischer Intriguentaktik überlegen ist, sich zum wirklichen Haupte des Cabinets zu machen. Auf der andere» Seite war für ihn die Umbildung des Cabinets eine politische Notbwendigkeit. Für den Fall, daß die Neu wahlen hinausgeschoben werden sollten, mußte Rudini seine Stellung dadurch zu stärken versuchen, daß er aus ihm nahe stehenden Gruppen neue Kräfte in das Ministerium einführte. Aber Niemand hätte gedacht, daß die große Veränderung schon jetzt eintreten würde. Sicher ist nur, daß in den letzten drei Wochen zwischen Hof, Regierung, Senat und Kommer stark intriguirt und maoöverirt worden ist. Rudini ging als Sieger hervor. Kaum hatte er k-je 93 Stimme» Mehrheit für seinen Vicekönig in Sicjlieii erhalte», so konnte er, wenn er das letzte Votun« bei der Berathung des Aeußern Etats hinzurechnete, vor den Hof mit dem Hinweis treten, daß ihm die Kammer zweimal ein persönliches Vertrauensvotum gegeben, sie ihn also als Leiter der Regierung anerkannt hab«. Gestärkt durch diese Einsetzung in vollste Autorität, berief er sofort einen Ministerrath und stellte die Frage der Berathung per Heere» reform zur Erörterung. Von verschiedenen Seit?» wird betont, die krotenfffcheil Aufständischen hegten das allerstärkste Mißtrauen in die Reellität der türkischen Reformvernejßunaen, und es sei nicht eher an Rückkehr normaler Zustände auf der Insel zu denke», als bis de» Insurgenten vollwichtige Bürgschaft pafür zu Dhesi geworden sei, daß die ihnen zu gesicherten Reformen nicht blpS auf dem Papier stehen bleibe». Tyatsächlich kann ma» es den Kretensern nicht verargen, wenn sie Alles eher denn vertrauensselig sind. Er fahrungen früherer Zeit geben ihnen wohl das Recht, Versprechungen der Pforte gegenüber sich skeptisch zu ver hallen. Es wird daher die weitere Action per Botschafter in Konstantinopel darauf bedacht sein müssen, Mittel und Wege aussindig zu machen, welche Pas Mißtraue» der Kreteuftr Überwinden, DaS behufs Erreichung dieses Ziele» ein- ruschlqgende Verfahren aber hat wiederum die Einmüthigkeit sämmtlicher Mächte zur Voraussetzung; daraus solgt weiter, daß dir kretensische Frage noch geraumer Zeit zu ihrer be friedigenden Lösung iu ooucrotu bedürfe» wird, und baß die öffentliche Meinung sich mit Geduld waffnen muß. Be kanntlich verlangen die Kretenser die Garantie der Großmächte für die Durchführung der Reformen. Eine wie heikle Sache dies ist, zeigt folgende Stelle aus den gestrigen Verhandlungen des englischen Unterhauses: Bryce fragte an, ob die Regierung einer Lösung der kreten- stfchen Angelegenheiten dahin, daß du Rechte der Rational»««, sammlung und die Arrangement- für die locale Autonomie unter die Garantie der Großmächte zu stellen waren, gnnslig gesinnt sei und dieselbe unterstützen würde, ferner, ob die Regierung btsürworlen wolle, daß die Autorität des Bali gegen di« Ein mischung de» Militairgouvernrurs gesichert werde. Der Parlamentsuntersecretair Curzon antwortete, bei den in Konstan- tjnopet zwischen den Vertretern der Großmächte staltgehabten und noch statlfindendeii Erörterungen seien die in der Ansrage erwähnten Vorschläge bisher nicht einbegriffen: er glaube nicht, daß es die Einhelligkeit der Mächte, welche aufrecht zu erhalten wünschenswerth sei, erleichtern würde, wenn er ein« Erklärung über die Ansichten abgeben würde, welch« d>« britische Regierung selbstständig hege. Man sieht, daß die Krage der großmächtliche» Garantie in den Botschafter-Conferenzen noch gar nicht angeschnitten ist, weil sie geeignet ist, die Einmüthigkeit der Mächte — auch England hat sich wohl oder übel in das Concert ein- sügen müsse» — zu stören und den europäischen Frieden zu gefährden. Eine gemeinsame Ueberwachungscommissivn ließe sich ja denken, aber sie hätte nur einen Werth, wenn hinter ihr sortwäbrend eine aus Kriegsschiffen sämmtlicher an der türkischen Frag- betheilizten Großmächte zusammengesetzte Flotte in den türkischen Gewässern auf den qui viro stände, was nicht durchführbar ist. So bliebe nur übrig, eine der Mächte, etwa Frankreich oder England, mit der Ueberwackung zu betrauen und derselben für den Nothfall das Mandat zu bewaffnetem Eingriff zu geben. Daran aber ist Dank deö Mißtrauen-, welches jede der Mächte gegen Ferrrllrtsn. Jim pinkerton und ich. Roman von R. L. Stevenson und Lloyd OSbourne. 14s Autorisirte Bearbeitung von B. Kätscher. Nachdruck verboten. Wie auf Verabredung hatten sie jetzt ihre Rollen ge tauscht. Bellairs steigerte um Hunderte von Dollars mit, Jim blieb bei so fünfzig. Mittlerweile hatte sich unsere Ver- muthung auch Anderen aufgedrängt und ich börte daS Wort „Opium" erst leise, dann immer lauter von Mund zu Mund gehen. AuS den Blicken, oie sich auf unS richteten, konnte ich ferner erfahren, daß die Menge der Ansicht war, wir seien im Besitz von besonderen Informationen. Und jetzt trat ein Ereigniß ei», welches für San Francisco bezeichnend war. Hinter meinem Rücken stand nämlich schon die längste Zeit ein dicker Herr in den besten Jahren, mit freundlichen Augen, leicht ergrautem Haar und gutmüthigem Gesicht. Urplötzlich trat er als dritter Mitbewerber auf, schnellte mit vier fetten Angeboten von je 1000 Dollars den Preis der „fliegenden Lerche" empor, um dann eben so plötzlich das Feld zu räumen und sich wieder aus die Rolle de« stillen Beobachters zu beschränken. Seit Longhurst's stummer Mahnung schien mir Bellairs unruhig und nach diesem neuen Angriff schrieb er eifrig an einem Zettel. Ich vermuthete, daß dieser für Trent bestimmt sei, ich sollte mich aber täuschen, denn der Schreiber ließ, nachdem er fertig geschrieben, seine Blicke über die Anwesen den schweifen und schien zu meinem unaussprechlichen Er staunen den Capitain gar nicht zu bemerken. „Laufbursche! Kein Laufbursche hier? Jemand soll mir »inen Laufburschen schicken?" hörte ich Bellairs dann rufen. Endlich besorgte jemand einen Boten, aber nicht der Capitain. „Er holt sich offenbar neue Vorschriften von seinem Auf traggeber ein", schrieb ich an Pinkerton. „Oder er verlangt Geld. Soll ich den letzten Trumpf auSspielen? Ich glaube, die- wäre der geeignete Zeitpunkt," antwortete er. Ich nickte. „Dreißigtausend!" donnerte Jim einen gewaltigen Sprung von dreitausend Dollars machend. Ich sah Zweifel in Bellairs Augen aussteigen, dann einen resoluten Entschluß: „Fünfunddreißigtausend!" rief er. „Vierzigtausend!" brüllte Pinkerton. Es trat eine ziemlich lange Pause ein, während welcher Bellairs Gesicht ein Buck mit sieben Siegeln war. Der Hammer schwebte schon drohend in der Luft, als der Anwalt gedehnt und bedächtig: „Vierzigtausend und fünf" sagte. Pinkerton und ich tauschten beredte Blicke aus. Wir waren eines Sinnes. Bellairs hatte sich zu einem Staats streich verleiten lassen — jetzt bereute er ihn und versuchte es, die Versteigerung anfzuhalten, bis der Laufbursche zurückkam. „Fünsundvierzigtausend!" rief Jim mit heiserer, vor Er regung zitternder Stimme. „Fünsundvierzigtausend und fünf Dollars", Bellairs. „Fünfzigtausend!" keuchte Pinkerton. „Ich bitte um Entschuldigung, Herr Pinkerton, haben Sie etwas gesagt?" erkundigte sich der Auctionator höflich. „DaS . . . das Sprechen — fällt mir schwer", hauchte Jim, „ich habe 50 000 Dollars geboten, Herr Borden. Bellairs sprang erregt aus und wandte sich an den Auctionator: „Ich bitte um die Vergünstigung, auf drei Minuten zum Telephon gehen zu dürfen. Ich bin im Auf trage eines Clienten hier, dem ich vorhin einige Zeilen ge schrieben". — „Das geht mich nichts an", entgegnete Borden. „Ich bin hier um daS Wrack zu verkaufen. Wollen Sie mehr als 50 000 Dollars dafür bieten?" „Ich erlaube mir, Ihnen zu erklären, daß ich von meinem Auftraggeber ermächtigt worden bin, bis 50 000 zu gehen", entgegnete BellairS mit schlecht gespielter Würde, „aber wenn Sie mir gestatten wollten, ans Telephon zu gehen " „Unsinn! Wenn Sie nicht weiter bieten, gehört das Wpack Herrn Pinkerton", gab der Auctionator zur Antwort. „Ick warne Sie!" schrie der Advocat in Hellem Zorne. „Sie sind hier, um zu Gunsten der Versicherer das Object zu versteigern und nicht um Douglas Longhurst zu dienen. Diese Versteigerung ist durch Len Genannten bereits einmal schmählich unterbrochen worden, um eine Berathung mit seinen Kreaturen zu pflegen!" „Es bat sich niemand darüber beschwert", entgegnete Borden, sichtlich beunruhigt, „Sie hätten eS sogleich thun sollen." „Ich leite ja nicht die Versteigerung, dafür werde ich nicht bezahlt", entgegnete Bellairs boshaft. „Aber ich", meinte der Auctionator, der seine Fassung wieder gewonnen hatte und seinen Singsang sofort wieder aufnahm: „50 000 Dollars, wer giebt mehr? Ueberlegen Sie sich's meine Herren. 50 000! Giebt Niemand mehr? Alles schweigt, nun denn 50 000 zum erstenmal, 50 000 zum zweiten- und zum — drittenmal. „Großer Gott, Jim, können wir eö denn auch bezahlen?" ries ich verstört, als der letzte Hammerschlag mich au» meinem Traum erweckte. „Wir müssen das Fehlende ausnehmen", entgegnete er, weiß wie ein Laken. „Es wird verteufelt schwer sein, Loudon; zum Glück haben wir aber Credit und ich werde sofort die Runde machen. Sei so gut, stelle einen Cbeck auf Dein Guthaben aus. In einer Stunde treffe» wir uns vor dem Occidental." Ich stellte den Cbeck aus und muß gestehen, daß ich meine eigene Handschrift kaum erkannte. I,m entfernte sich sofort. Trent hatte den Schauplatz schon beim letzten Hammer schlag verlassen und nur BellairS blieb zurück, um mit Borden Grobheiten auszutauschen. Und siehe da, als ich mich durch die Menge drängte, rannte mir der Laufbursche, denn er ausgeschickl hatte, in die Arme. Wer weiß, was geschehen sein würde, wenn er einige Minuten früher zurück gekehrt wäre? Neuntes Capitel. Beim Eingang zur Börse stieß ich auf den freundlichen alten Herrn, der sich an der großen Schlacht eine kurze Zeit als Dritter betheiliqt hatte. „Ich gratulire Ihnen, Herr Dodd! Sie und Ihr Freund haben standhaft zu Ihrer Fahne gehalten, da- muß ich sagen!" sprach er mich an. „Ich kann Ihnen nicht dafür danken, daß Sie den Preis so unerwarteter Weise in die Höhe geschraubt und dadurch alle Speculanten San Franciscos in Versuchung geführt haben, gleichfalls mitzusteigern", entgegnete ich. „O, das that ich nur im Banne einer momentanen Geistesverwirrung und ich danke den höhere» Mächten, daß sie mich so rasch davon befreit", gestand er aufrichtig. „Nehmen Sie diesen Weg, Herr Dodd? „Ja, nun es ist auch der meinige und Sie werden mir wohl erlauben, Sie ein Stückchen zu begleiten. E« »Hut einem alten HauS, wie ich eS bin, förmlich wohl, junge- Blut im R»»g zu sehen. Ich hab« zu meiner Zeit auch ziem lich wild und gewagt gespielt und manchen Meisterstreich vollführt, aber damals war diese Stadt noch bedeutend kleiner, und ich bedeutend jünger. „Apropos, mein lieber Herr Dodd, wissen Sie» daß ich Sie sehr gut kenne? Freilich nur vom Sehen, Sie und Ihre Gefährten — die Herren in „Kilts"*). Sie sind erstaunt? Nun denn, ich habe nämlick das Unglück, an der Sancelito-Küste eine be scheidene Hütte mein Eigen zu nennen. „Wie wär -, wenn Sie mich an einem Sonntag besuchen wollten? Aber ohne die Leute in den Kilts, wenn ick bitten darf. Ich bi» in der angenehmen Lage, Ihnen einen gute» Tropfen credenzen und Ihnen auch die beste Sammlung vo» Polarreisen zeigen zu können, die wir in den Staaten auf zuweisen haben. Mein Name ist Morgan — Richter Morgan — ich bin Wallise und ein Goldgräber von 1849." „O, wenn Sie ein Pionier sind, dann besuchen Sie mich und ich werde Sie mit einem prächtigen Beil ver sorgen." „Behalten Sie e- nur selber, denn wenn Sie wirklich nicht im Besitze von Privatmittbeilungen sind, werden Sie es noch sebr gut brauchen können, da e« auf der „fliegenden Lerche" viel zu zertrümmern geben wird, ehe Sie das Opium finden. Sie rechnen dock auf Opium?" „Ja; entweder das Wrack enthält das werthvolle Gift oder wir sind ausgemachte Tollbäusler", entgegnete ich offen herzig. „Ich versichere Ihnen, daß wir keine Privatmitthei lungen kabe» und daß wir unS nur gleich Ihnen durch unsere Beobachtungen hinreißen ließen." „Sind Sie ein Beobachter?" fragte der Richter. „Ich darf bedaupten, daß die« mein eigentlicher Beruf ist oder vielmehr war." „Nun denn, wie denken Sie über diesen Bellairs?" „Gar nicht!" „Ich muß gesteben, daß ich f« geradezu unbegreiflich find«, wie sich Jemand mit einem Kerl, wie dieser Winkeladvocat, überhaupt einlassen kann Ich kenne ihn und er kennt mich, er hat im Gericht-saal oft genug von mir zu hören be kommen. Der Mann ist ganz auf den Hund, ich würbe ihm nicht einen Dollar anvertrauen, und heute warf er mit Fünfzigtausend herum. Ich möchte gerne wissen, wer itzt» ein solches Vertrauen geschenkt hat. E- m»h unbedingt ft» Fremde, gewesen sein." *) Da« kurze statt der Beinkleider getrogene Röckchen der Bergschotten.
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