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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.07.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960715028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896071502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896071502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-07
- Tag1896-07-15
- Monat1896-07
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S2L2 letzte der König sein Veto ein. Die radicale» Mit- gl,»der de- norwegischen Ministerium- Engelhart, Kildal, Lund und Smedal hatten dem König dir Genehmigung angeratben, währruv die vier konservativen und das eine gemäßigte Mit glied die Berweigerung riethen. Diese letzteren sünf Minister bemerkten in ihrer Begründung, Veränderungen in den natio nalen Emblemen eine- Landes dürften nur mit großer Vor sicht vorgenommen werden, und ein Zeichen, das für die ganze Nation gelten solle, müsse allseitigen Anschluß in der Nation finden. Uebrr Nutzen und Nothwendigkeit dieses Beschlusses herrsche aber eine tiefgehende Meinungsverschiedenheit (er wurde mit knapper Mehrheit gefaßt). Das Volk stehe in dieser Sache in zwei fast gleich große Hälften gespalten, und nicht zum u wenigsten sei imSeemannSstande Widerspruch gegen die „reine" ' Flagge erhoben worben. Da daö Gesetz mit geringerer Mehrheit als 1893 zu Stande gekommen fei, scheine der Widerstand gegen eine Veränderung der Flagge eher im Zu- als im Ab nehmen begriffen. Die conservativen Minister machten außer dem noch besonders geltend, daß ein großer Tbcil des Volkes die selbstständige Stellung Norwegens in der Union durch die neue Flagge nicht genügend zum Ausdruck gebracht sieht, so lange Schweden das UnionSabzeichen in seiner Flagge be- hält. Dies würbe vielmehr im Auslande so gedeutet werden können, als ob Norwegen unter Schweden stände. Das Flaggengesetz würde somit die entgegengesetzte Wirkung, wie beabsichtigt, haben; denn das Storthing könne doch Schweden nickt befehlen, gleichfalls aus seiner Flagge daS Unions abzeichen zu entfernen. Deutsches Reich. Berlin, 14. Juli. Wie schon gestern in Erinnerung gebracht, ist bei der letzten Wabl in dem durch den Tod des Abg. Wiesike erledigten Reichstagswahlkreise West- bavelland-Branden bürg der Eandidat der freisinnigen Volkspartei hinter dem Nationalliberalen Wiesike, dessen Eandidatur den Wahlkreis in der Stichwahl vor einer social demokratischen Vertretung gerettet bat, mit 1462 Stimmen zurückgeblieben. Angesichts dieser Zahl wagt die „Freis. Zeitung" zu schreiben: „Diesmal wird die Eroberung des Kreises durch die Socialdemokratie nur verhindert werden, wenn sich die anderen Parteien entschließen, für einen Eandidaten der freisinnigen Volkspartei einzutreten." — Diese Erklärung kommt der Schilderhebung eines — Socialdemokraten durch den Freisinn gleich. Denn ge langte der Eandidat der Bolkspartei, was auch diesma so gut wie ausgeschossen erscheint, wirklich in die Stichwahl, so wäre er unter allen denkbaren Eandidaten der am wenigsten geeignete, in dem zur großen Hälfte ländlichen Wahlkreise eine Mehrheit gegen den zweifellos in die Stich wahl kommenden socialdemokratischen Bewerber auf sich zu ver einigen. DaS weiß auch die „Freisinnige Zeitung" und ihre Erklärung hat weiter keinen Zweck, als den, sich eine Ausrede für den Fall zu sichern, daß der Wahlkreis durch die Schuld der Volkspartei an die Socialdemokratie verloren gebt. Berlin, 14. Juli. Die Polemik, welche die klerikale Presse gegen den Erlaß des bayerischen CultuSministerS in Sachen der Redemptoristen-Niederlassungen an gezettelt hat, erscheint in einem eigenthümlichen Lichte, nach dem festgestellt worden ist, daß die Redemptoristen-PatreS den Versuch gemacht haben, das gesetzlich begründete Reckt der Behörden, die Ordensniederlassungen von ihrer vorhergehen den Einwilligung abhängig zu machen, einfach zu umgehen. Die PatreS haben ohne jede Verständigung mit der Regierung sich einen ihnen zusagenden Ort für ihre zukünftige Niederlassung ausgesucht und kurzer Hand dort ein Anwesen angekauft, um sich häuslich einzurichten. Den Anlaß zu diesem Erlaß deS Ministers hat nämlich, wie auch daS Hauptorgan der bayerischen CentrumSpartei, die „Augsburger Postzeitung", als richtig zugeben muß, das Vor gehen der Redemptoristen in Stadtamhof gegeben. Dort haben die Patres ein Anwesen angekauft und den bisherigen Besitzer veranlaßt, seinen Miethsparteien zu kündigen. Sie gingen dabei zweifellos von der Annahme ans, daß die Regierung, vor ein tast acowpli gestellt, einem „sanften Zwange" nicht unzugänglich sein würde. Ein ähnliches Verfahren gedachten die Redemptoristen an anderen Orten in Bayern einzu schlagen. Die „Augsburger Postzeitung" meint, der Erlaß deS Ministers bezwecke, für alle Fälle die Betheiligten darauf aufmerksam zu machen, daß sie nicht Ausgaben für Bauten und dergleichen machten, ehe sie der allerhöchsten Genehmigung einer Niederlassung sicher seien. Das ist eine Vertuschung der wahren Sachlage. Thatsache ist, daß die Redemptoristen bei ihrem Einzuge in Bayern sich von vornherein wenig geneigt bewiesen haben, die bestehende gesetzliche Ordnung zu resprctiren, und die bayerische Regierung hat einem solchen Verhalten gegenüber einfach ihren Standpunct gewahrt. — Der Großherzog Friedrich Franz III. von Mecklenburg-Schwerin trifft heute Nachmittag auS Schwerin hier ein. — Der BnndeSrath, der heute, wie schon gemeldet, den Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, sowie den Ent wurf eines Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch angenommen, dagegen den Gesetzentwurf, betreffend de» Der« ehr mit Butter, Käse, Schmalz und deren Ersatzmitteln, abgelehnt hat, bat ferner dem Entwürfe eine» revidirten lbgabentarifS für den Kaiser Wilhelm-Canal, owie der Vorlage, betreffend Ergänzung der Be timmungen der Anlage ö zur Verkehrsordnung ür die Eisenbahnen Deutschlands in Bezug auf die Be- örderung von Carbüre und Hyodrocarbüre, von Kefsel- cückständcn von der Lederleimfabrikation und von ungesalzenen rischen Kälbermagen, seine Zustimmung ertheilt. Die Reso- ution deS Reichstags, betreffend die Einrichtung von Ver- uchSan st alten zur gründlichen Erforschung der Maul- und Klauenseuche, wurde dem Reichskanzler überwiesen, owie bezüglich der Rechnung der Eafse der Ober- RechnungSkammer für 1894/95 hinsichtlich desjenigen Theiles, welcher sich aus die Reichöverwaltung bezieht. Ent-1 iastung ertheilt. Schließlich wurde über die Besetzung einer Rathsstelle beim Reichsgericht und über mehrere Ein gaben Beschluß gefaßt. — Wie sckon berichtet worden, ist der UnterstcratS- ecretair der Südafrikanischen Republik, Herr E. van Boeschoten, in Berlin angekommen. Der Name dieses hohen Beamten ist im vorigen Winter viel genannt worden, da er es war, der in Abwesenheit deS StaatSsecretairs ?eyds im vorigen Winter die Geschäfte in Pretoria ührte, als der Einfall Di. Jameson's die Lage in einer Weise zuspitzte, die die Aufmerksamkeit der ge- sammten civilisirten Welt nach dem Süden des schwarzen Erdtheils lenkten. Herr van Boeschoten befindet sich sckon seit den ersten Tagen des Monats April auf Urlaub und sein Aufenthalt in Deutschland dürfte, wie die „Post" schreibt, weder mit politischen nock wirlhschaftlichen Fragen in directem Zusammenhang stehen. Selbst wenn er hier Gelegenheit nehmen sollte, auf deni Auswärtigen Amte Besticke zu machen, so dürften diese kaum einen politischen Charakter haben, vielmehr lediglich dem Wunsche ent springen, persönlich mit den Herren freundschaftliche Ver bindungen anzutniipsen, mit denen das officielle Leben den südafrikanischen Staatsmann öfters in Berührnng gebracht hat. — Wie die „Köln. Zig." hört und wie das auch von vornherein selbstverständlich war, soll das Auswärtige Amt auf die Mitarbeit des Assessors Wehlan verzichtet und ihn der Justizverwaltung zur Verfügung gestellt haben, der er auch während seiner Beurlaubung zum Aus wärtigen Amte stets angehört hat. — Im NeichSversichernngsamle hat man mit den Arbeiten, die sich auf die Zusammenstellung der Nachweise der Nech- nungsergebnisse der Berufsgenossenschaften für daS Jahr 1895 beziehen, begonnen. — Wie der „Berl. Loc.-Anz." erfährt, bat der Abg. Bebel, seiner wiederholten Ankündigung gemäß, gestern eine ausführlich begründete Denunciation gegen den Bund der Landwirt be bei der Staatsanwaltschaft eingereicht. Letztere soll dadurch veranlaßt werden, gegen den Bund auf Grund der Strasbestimmunaen des Vereins- und Ver- sammlungsrechts in gleicher Weise einzuschreilen, wie sie es seiner Zeit gegen die sccialdemokratische Parteiorganisation getkau. — Die Bevollmächtigten zum Buudcsrcith, bayerischer Ministerial- Director von Herrmann und bayerischer Ministerial-Ratb von Geiger, sind nach München abgereist. — Der Director der Colonialabthcilurig des Auswärtigen Amte- vr. Kayser tritt der „Voss. Zkg." zufolge Ende dieses Monats einen mehrwöchigen Urlaub an, von dem ec erst Mitte September zurückkehrt. Dann wird Major v. Wissmann wieder auf seinen Posten nach Lstasrika zurückkehren. — Der Minister für Handel und Gewerbe Breseld gedenkt einen mehrwöchigen Urlaub, den er aus dringendes Anrathen seines Arztes zu nehmen genöthigt ist, in etwa 14 Tagen anzutreten. — Der französische Botschafter Marquis de Noailles wird am 14. oder 15. August zur Uebernohme der Geschäfte von Paris hierher znrückkehren. — Der niederländische Gesandte in Petersburg Chevalier v. Stoetwegen ist aus Petersburg hier angekommen. — Zu den Veränderungen in der Redaction des „Volk" wissen die „Mcckl. Nachr." zu melden, daß Herr Dietrich von Leihen in nächster Zeit nach Berlin übersiedeln werde, um hier später die Redaction des „Volk" zu übernehmen. * Königsberg, 14. Juli. Der Kaiser hatte den General Grafen Lehndorff mit der Vertretung bei der Taufe deS Enkels des Fürsten Bismarck beauftragt. * Marienburg, 12. Juli. Ein konfessioneller Strei unterliegt gegenwärtig der Entscheidung des Regierungs präsidenten. Der Magistrat wie die Stadtverordneten der Stadt haben der „Germania" zufolge mit 13 gegen 12 Stimmen beschlossen, daß nur evangelische Bürger in das Bürgerhospital Altenheim ausgenommen werden sollen, während die katholischen Bürger die Mitbenutzung bean spruchen. * Thorn, 13. Jnli. Das westprenßische Consistorium hat auf eine Anfrage, wie sich die Geistlichen bei Feuer bestattungen verhalten sollten, den Bescheid ertheilt, daß der Oberkirchenrath, da das Verbrennen der Leichen gegen die kirchliche Sitte verstoße und diese BestattungSart durch die Betheiligung des kirchlichen Amts befördert werden würde, die Geistlichen der «vaugelischen Landeskirche weder fÜtbe» rechtigt noch für verpflichtet erachten könne, bei derartigen Feierlichkeiten Amtshandlungen zu verrichten. * vreSlau, 14. Juli. Die juristische Facultät der Breslauer Universität ernannte den StaatSsecretair Nieber- ding wegen seiner hervorragenden Mitwirkung an der Fertigstellung deS Bürgerlichen Gesetzbuches zum Ehrendoktor. * kissiugcu, 14. Juli. Der Erbprinz zu Hohen lohe-Schillingsfürst wird sich von hier, wo er seit drei Wocken weilt, auf einige Tage nach München und von dort nach Alt-Äusser begeben, wohin bekanntlich sei» Vater, der Reichskanzler, bereits vor etwa zwei Wochen gefahren ist. * Straßburg, 13. Juli. Der „Nordd. Allgem. Ztg." wird von bier geschrieben: „In einer ganzen Reibe von alt deutschen Blättern wird der Thatsacke, daß die Wahl zum Reichstage für den Kreis Schlettstadt an einem Sonn tage stattfinden soll, eine Deutung beigclegt, die einmal ans durchaus falschen Voraussetzungen beruht und andererseits auf vollständiger Unkenntniß der hiesigen Verhältnisse. Fürs erste sei bemerkt, daß weder im ReickSwahlgesctz noch auch im Reichswahlrcglement eine Bestimmung, welche die An beraumung eines Sonntags sür die Wahl ausschließt, zu finden ist, somit die LaudeSbebörde nach dieser Richtnng hin keineswegs gebunden erscheint. Hier in Elsaß-Lothringen pflegen öffentliche Wahlen aller Art nach alter Ueberliesernng mit Vorliebe an Sonntagen vorzenommen zu werden. Und bei Berathung der jetzt in Kraft getretenen neuen Gemeindeordnung im elsaß lothringischen LandeSanSschuß wurde eine derartige Be stimmung aus den übereinstimmenden Wunsch aller Parteien und ohne Antrag der Regierung in das neue Gesetz auf genommen. Demgemäß haben die Neuwahlen für die Ge- meiuderäthe im ganzen Lande an einem Sonntag, resp. an zwei Sonntagen ftattzesunden. Tamit im Einklang steht denn auch die Anberaumung der Neichstagswahl in Schlett stadt auf Scyntag, den 9. August. Und wenn unter Andern die „Kreuz-Zeitung" die Bemerkung hinwirft: „Das ist dock kaum möglich. Oder sollte es eine fran zösische Reminiscenz sein?", so sei ihr gesagt, daß die elsaß-lothringische Regierung bewährte Traditionen gern ehrt, im Ucbrigen aber „französische ReminiScenzen" besser im deutschen Interesse zu beurtheilen vermag, als man dies von Stellen erwarten darf, die alles nack einseitiger Partei- sckablone zu kritisiren beflissen sind. Ilm allen etwaigen weiteren Mißdeutungen die Spitze abzubrechen, sei hier noch mals ausdrücklich erklärt, daß bei Anberaumung der Wabl auf einen Sonntag die diesseitige Behörde einzig und allein einer bewährten Tradition Rechnung getragen und daß diese Maßnahme mit irgend welcher politischen Tendenz auch nicht das Geringste zu tbun bat, sonach weder als eine Concession an die demokratische Partei, noch etwa als ein Vorstoß gegen die strenzkirchlichen Parteien aufgefaßt werden darf. DaS wird hoffentlich genügen". * Markirch, 13. Juli. Die hiesigen Socialdemokraten versuchten unter Führung des Abg. Bueb auf französische m Boten nabe der Grenze eine Versammlung abzuhalten. Ein französischer Polizeicommissar, der mit mehreren Gendarmen erschienen war, verbot jedock jede politische Ansprache. * München, 13. Juli. Prinz Ludwig, der in aller Stille nach seinem Gute Leutstetten zurückgekehrt war, ist, wie man der „Franks. Ztg." meldet, gestern vom Prinz regenten zur Tafel geladen worden, zu der auch die aus An laß des CongresscS hier anwesende Vorslandschaft des deutschen EentralauSschusses für Volks- und Jugendspiele gezogen war. — Wie die „Volkszeitung'' berichtet, ist dem aus der Pschorr- bräu-Affaire bekannten Sergeanten Zech die erneute Capitu- lirung nicht gestattet worden. Oesterreich-Ungar«. Reichskanzler Fürst Hohenlohe. * Ischl, 14. Juli. Der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe wurde heute Nachmittag 2l/< Uhr vom Kaiser Franz Joses in Audienz, die dreiviertel Stunden dauerte, em pfangen und nahm sodann an der kaiserlichen Tafel Theil. Später begab sich der Reichskanzler nach seinem Absteige quartier, wo inzwischen auch der Prinz von Ratibor ein getroffen war und kehrte Abends nach Alt-Aussee zurück. Frankreich. Attentat aus Felix Faurc. * Paris, 14. Juli. Von weiteren Einzelheiten über das Attentat gegen den Präsidenten Faure ist zu melden: Die Waffe, deren sich Francois bediente, ist ein sogen. Bulldog-Revolver, welcher dieser Tage in dem Bazar im „Hotel de ville" gekauft worden war. Er war noch mit drei blinden Schüssen geladen. Francois erklärte, er habe nicht den Präsidenten tödten wollen, sondern nur die Aufmerksamkeit auf sich lenken und sich festnehmen lassen wollen, um seine Beschwerden, welche er bereits mehr fach bei verschiedenen Deputaten und sogar beim Präsidenten selbst vorgebrackt hätte, auseinander zu setzen. Im Uebrigen habe er in die Lust nur blind geschossen. FrantzeiS wurde unter Bedeckung in das UntersuchungSgefängniß abgeführt «td tvird «M >L«ld «»»em neue« Berh-r «mtet^ zogen werden. Der Untersuchungsrichter Eo-uac ist mit der Untersuchung betraut. Der Chef der SicherbeitSpolizei Cochefort hatte sich unverzüglich nach der Wohnung Francois' begeben, uni dort eine Haussuchung vorzunehmen. — Als daS Attentat Francois' auf dem Paradeplatze bekannt wurde, bemächtigte sich deS Publicum- große Erregung. Hunderte von Menschen stürzten dem Zellenwagen, in deni Francois saß, nach, der Kutscher wurde von seinem Sitz ge rissen, Francois wäre gelyncht worden, wenn die berittene „6aräe röpudlieuiue" nicht den Wagen umringt hätte. — Nach Ansicht der Polizei soll Francois geisteskrank sein. * Paris, 14. Juli. In dem Augenblick, als Francois den Schuß auf den Präsidenten Faure abgab, stürzte sich die Menge auf eine» Angestellten des Cafe Cascade, den sie für den Attentäter hielt. Der Unglückliche wurde fürchterlich zugerichtet und verdankt sein Leben nur dem Eiugreifen der Polizeiagcnten. Die Polizei nahm ein Indi viduum Namens Boulant fest, der im Augenblick des Atten tats auSrief: „Vortrefflich, das ist mein Mann." Er wird gerichtlich belangt werden, weil er eine verbrecherische Tbat gut geheißen bat. Francois ist beschuldigt der Gewalt- thätigkeit (violenee) gegen den Präsidenten der Republik. * Paris, 14. Juli. Neber die das Attentat begleitenden Umstände werden noch weitere Einzelheiten gemeldet: Der Präsident hatte sich in seinem Wagen unter fortwährenden jubelnden Zurufen der Menge in schneller Fahrt durch das Bois de Boulogne begeben. Es war wenige Minuten vor 3 Uhr, als der Präsident bei der Cascade angelangt war und man hörte schon den Donner der Kanonen von» Mont Valerien, der Kriegöminister und der General Saussier waren bereits auf dem Wege, dem Präsidenten entgegen zu reiten, als plötzlich vom Wege aus auf den Wagen des Präsidenten zwei Schüsse knallten. Der Wagen passcrte in diesem Augenblicke die Baumgruppe, welche den Weg von der Cascade nach der Mühle einsäumt. Alsbald entstand in der sehr dichten Menge von Neugierigen, welche sich auf dem Wege, den der Zug des Präsidenten nehmen sollte, zusammengedrängt hatte, eine lebhafte Bewegung. In dessen setzte der Wagen, umringt von der KürassiereScorte seinen Weg fort und fuhr auf den Paradeplatz zu der Tribüne. Die Zuschauer brachten dem Präsidenten großartige enthu siastische Ovationen dar und riefen: „Es lebe Faure, es lebe die Republik". Der Präsident, dessen Gesicht keinerlei Bewegung verrieth, grüßte die Menge wieder holt. DaS Publicum auf den Tribünen, welche- in diesem Augenblick noch nichts von dem Zwischenfall wußte, begrüßte den Präsidenten mit sehr warmen Kundgebungen. Der Ur heber des Attentats wurde unter starker EScorte in einem der zahlreichen aus dem Felde von Longchamps gelegentlich der Revue stationirten Zellenwagen fortgebracht. Er wurde alsbald in Gegenwart des Polizeipräfecten Lepi ne, welcher in seinem Wagen demjenigen des Präsidenten gefolgt war, ver nommen. Lepine batte den Knall gehört und war sofort zur Stelle des Attentats geeilt. Der Attentäter heißt Eugöne Marie Francois, ist geboren in Port Louis (Morbihan) am 29. November 1861. Er wohnte Rue Clerv46 und war angestellt als Aufseher bei der Direktion der Arbeiten von Paris. Im letzten Monat war Francois, welcher sich als Schriftsteller auSgab und ein Buch unter dem Titel „Die Maske" veröffentlicht batte, entlassen worden, weil er dem Präsidenten des Municipal- ratbs ein Gedicht gesandt batte. Kurze Zeit nach der Entlassung warf Francois in den Sitzungssaal der Depu- tirtenkammer eine Denkschrift von vier Seiten, betitelt: „Die Schriftfreiheit im neunzehnten Jahrhundert unter Felir dem Ersten". Er wurde damals am 29. Juni velhaftet, aber den anderen Tag wieder in Freiheit gesetzt, weil kein Delict vorlag, wegen dessen eine Anklage er hoben werden konnte. In den in die Kammer geworfenen Tocumenten weist Francois in ziemlich bizarrem Stil auf die Anmaßungen der Verwaltung hin und schließt, daß man überall, wo er gehe, ihn vergiften wolle. Der Cbcf der Sicherheitspolizei, Cochefert, hat bei Francois keine Haussuchung gehalten, sondern nur Siegel angelegt au der Thür des Zimmers, welches Francois in dem Hotel Loiret bewohnte. Francois hatte sich vorgestern in daö „Journal deS piquerS" begeben und den Director ersucht, sich seiner anzunehmen und einen Artikel zu Gunsten seiner Wiederanstellung in der Ver waltung zu schreiben, was der Director jedoch verweigerte. In der Verwaltung wurde Francois für einen ruhigen Menschen gehalten, den man einer schlechten Handlung nicht für fähig hielt. * Pans, 14. Juli. Obgleich daS Attentat auf den Präsidenten Faure die Thal eines harmlosen Narren ist, überbrachten mehrere Botschafter und Mitglieder des diplomatischen Corps dem Präsidenten ihre Glückwünsche. Von mehreren auswärtigen Souveränen gingen Telegramme ein. Li-H»ng-Tschnng. * Paris, 14. Juli. Bei der Ankunft in Longchamps wurde Präsident Faure von Billot und Saussier empfangen. Um 3 Uhr 25 Minuten traf Li-Hung-Tschang mit seiner klärungen, die mir vielleicht nutzlose Auslagen ersparen könnten und die ich mit baarem Gelbe bezahlen will. WaS Sie zu erwägen haben, ist dieS: Soll ich mit Ihnen oder unmittelbar mit Ihrem Auftraggeber verhandeln? Wenn Sie mir sofort das Nöthiae sagen können, nennen Sie ohne Umstände Ihren Preis. Nur eins möchte ich noch bemerken; unter baarem Gelbe verstehe ich Wechsel, zahlbar nach Rück kehr meines Schiffes, wenn sich Ihre Informationen als ver läßlich erwiesen haben werden. Ich kaufe niemals die Katze im Sack." Bellairs' Gesicht hatte einen Augenblick förmlich gestrahlt, bei Pinkerton'S letzter Bedingung zog eS sich jedoch wieder enttäuscht in die Länge. „Ich glaubt. Sie sind über die „Fliegende Lerche" besser informirt als ich," entgegnete er mit einer Miene, wie wenn er in einen säuern Apfel gebissen hätte. „Ich weiß nur, daß ich beauftragt worden bin, sie zu kaufen, daß ich es versucht habe und daß es mir nicht ge ringen ist." „Was mir an Ihnen gefällt, Herr BellairS, ist, daß Sie nicht mit unnützen Reden die Zeit verschwenden," sagte Jim sreundlicker. „Heraus mit dem Namen und der Adresse Ihres Clienten." „Nach reiflicher Ueberlegung muß ich gestehen, daß ich mich nicht berechtigt fühle, den Namen meine« Clienten zu verrathen", entgegnete der Abvocat geheimnißthnerisch. „Ich kann ihn, falls Sie mich mit Ihrem Vertrauen beehren wollen, für sie auSholen, aber ich kann Ihnen nicht seine Adreffe mittheilen." „Sehr wohl", sagte Jim, seinen Hut aufsetzend. „Ueber- legen Sie sich die Geschichte. Seien Sie doch nicht zu gewissenhaft! . . . Brauchen Sie nicht gerade — sagen wir: einen Dollar?" Zwischen dem einen Satz und dem anderen hatte Jim kleine Kunstpausen gemacht. „Mein Herr!" schrie der Wiokeladvocat empört auf. Ich selbst fürchtete, daß mein Freund diesen Mana ver kenne und zu weit gegangen sei. „Also, Sie haben momentan keinen Bedarf für einen Dollar?" fuhr Jim unbeirrt fort. „Nun, Herr BellairS, wir Beide sind praktische Geschäftsleute und ich will Ihnen lieber gleich meinen äußersten Preis nennen " „Höre auf, Jim", unterbrach ich ihn. „Ich weiß die Adreffe: MissionSstraße 942." Wenn eine Bombe zu ihren Füßen geplatzt wäre, hätten -i« Beiden nicht verblüffter auSsrhrn können. „In deS Teufels Namen, weshalb hast Du denn daS nicht gleich gesagt?" fuhr mein Freund auf. „Du hast mich nicht danach gefragt", entgegnete ich, unter seinen vorwurfsvollen Blicken bis an die Haarwurzeln erröthend. BellairS brach zuerst das peinliche Schweigen, indem er mich unbewußt über Alles, was ich noch nicht wußte, unter richtete: „Da Sie die Adresse deS Herrn Dickson kennen, brauche ick Sie wohl nicht länger aufzuhalten", fragte er, augenscheinlich bemüht, uns los zu werden. Ich kann nicht wissen, wie eS Pinkerton zu Muthe war, als wir das Nest der scheußlichen Spinne verließen, aber ich fühlte mich erbärmlich und meine Seele lechzte danach, sich von der Unterlassungssünde durch eine offene Beichte zu entlasten. Ick wartete nur auf eine Frage Jim's, um ihm, mit Thränen in den Augen, Alles zu bekennen. Aber er fragte nichts. „Wir müssen fahren," bestimmte er, die Richtung zum nächsten Droschkenstand einschlagend, „denn wir haben keine Zeit zu verlieren. Du bast wohl gemerkt, daß ich mir die Sache überlegt habe. Wozu brauchen wir die Vermittelung des Winkeladvokaten." Ich hoffte, daß er mich jetzt wegen meiner Verheimlichung zur Rede stellen werde, aber ich hoffte vergebens. Jim fürchtete sich augenscheinlich, den Gegenstand zu berühren und ich grollte ihm darob. AIS wir endlich im Wagen saßen und durch die Straßen dahinrollten, konnte ich die Ungewiß heit nicht länger ertragen. „Du fragst nicht einmal, auf welche Weise ich zu der Adresse gekommen bin?" „Nein", entgegnete er rasch und schüchtern. Diese Schüchternheit schmerzte mich mehr, als eia Schlag in- Gesicht mich geschmerzt haben würde. Mein ohnedies erregtes Blut stieg bis auf den Siedepunct und ich entgegnete ziemlich heftig: „Ich muß Dich auch bitten, mich nicht da nach zu fragen. Es ist eine Sache, die ich nicht erklären kann!" Kaum waren diese Worte meinen Lippen entschlüpft, al» ich auch schon Viele- darum gegeben hätte, sie nicht aus gesprochen zu haben. Meine Rene stieg noch, als Pinkerlon, meine Hand streichelnd, in beruhigendem Tone sagte: „Ganz recht, mein Junge, wir wollen nicht mehr darüber sprechen. Ich weiß ja ohnedies, daß die Sache nur richtig zuzegangrn sein kann." Jetzt offen Farve zu bekennen, ging über meine Kraft, aber ich gelobte mir, in Zukunft mein ganzes Können und Wollen daranzusetzen, um diese verrückte Speculation zu einem guten Ende zu führen und mich lieber in Stücke reißen zu lassen, als zugeben, daß Pinkerton durch meine Schuld auch nur einen einzigen Dollar verliere. Kaum waren wir an unseren Bestimmungsort angelangt, als ick andere Dinge zu denken bekam. „Herr Dickson? Ist abgereist!" entgegnete die Wirthin auf unsere Frage. „Wohin?" „Da- weiß ich wirklich nicht, denn eS interessirte mich nicht. Der Herr ist mir ganz fremd." „Hat er sein Gepäck durch einen Eilboten befördern lassen?" erkundigte sich Pinterton. „Er besaß keine-", lautete die Antwort. „Gestern Abend zog er bei mir ein und heute ist er mit seiner Reisetasche wieder auSgezogen." „Wann ungefähr ist er fort", forschte ich. „Gegen Mittag. Jemand hatte ihn ans Telephon gerufen und ich vermuthe, daß er eine Todesnachricht erhalten hat, denn er sah sehr verstört aus, packte sofort seine Tasche und reiste, trotzdem er da« Zimmer für eine Woche ausgenommen und bezahlt bat, ab." Mir war's schwer um- Herz. Mein toller Streich hatte den Mann also wirklich in die Flucht getrieben? Vergebens fragte ich mich immer wieder, weshalb, und verfiel auf unhalt bare Hypothesen. „Wie sah der Herr auS, Madame?" fuhr Jim mit seinen Fragen fort. „ Er hatte ein glattrasirteS Gesicht." Mehr war auS der Zimmervermietherin nicht berauSzubringen. „Fahren Sie zum nächsten Droguistrnladen", befahl Pinkerton dem Kutscher. Dort angelangt, setzte er wieder das Telephon in Thätigkeit, indem er sich an da» Bureau der PacisicdampfschifffabrtSgesellschaft mit der Frage wandte: „Wann wird der nächste China-Dampfer nach Honolulu abgeben?" „Die „Stadt Peking" ist beute um halb rin Uhr in See gestochen", lautete die Antwort. „Sonnenklar, der Mann ist durckgebrannt, um un» auf der Midway-Jnsel zuvorzukommen," bemerkte Jim tonlo». Ich vermochte nicht, mich zu dieser Ansicht zu bekehren. Der Fall wie- Momente auf, von denen Pinkerton nicht» wußte — die Angst de» Capitain» Trent zum Beispiel — und die mich zu ganz anderen Vermuthungen veranlaßte. „Sollten wir uns nicht die Liste der Passagiere ansehen?" fragte ich. „Hat keinen Zweck. Dickson ist ein verflucht gewöhnlicher Namen", entgegnete Jim. „UeberdieS ist eS so gut wie sicher, daß er unter falschem Namen reisen wird." Dies brachte mich auf eine Idee. So sehr ich auch in meinen Gedanken und Sorgen vertieft gewesen war, batte sich merkwürdigerweise doch da« Bild der Straße, in welcker BellairS wohnte, meinem Gedächtniß eingeprägt. Vor meinem geistigen Auge stiegen sofort die schmutzigen Ueber- gänge, die Telegraphenstangen, der kleine Chinese mit dem Korb auf dem Kopfe und — BellairS Wohnung schräg gegenüber — ein Spezereiladen mit einem Schild, das in großen goldenen Buchstaben den Namen „Dickson" zeigte, wieder auf. „Du hast Recht, wie immer, Jim!" Er wird unter angenommenen Namen reisen und ich bin überzeugt, daß er gar nicht Dickson heißt; er hat sich diesen Namen von dem Bellair»' Wohnung gegenüber liegenden Specrreigeschäsl geborgt." „Da» ist sehr leicht möglich!" stimmte mir Jim bei, der, noch immer unschlüssig, mit finsteren Brauen auf dem Trottoir stand. „WaS sollen wir also zunächst beginnen? DaS Natür lichste wäre, den Schooner so viel al- möglich zu beschleunigen und in See zu stechen. Ich habe dem Capitaiu denn anck telephonirt, sich kopfüber an da» Ausladen zu machen unv ich glaube, daß er sich auch danach richten wird. Immerhin wollen wir noch Trent die Möglichkeit bieten, un» die„Lerche" ab zunehmen. Trent steckt bi- zum Hal- drin und hat ein Auge auf sie; wenn er sie vielleicht auch nicht kaufen kann, so wird er un- wenigstens reinen Wein einschenken können." „Da- glaube ich auch. Aber wo werden wir ihn finden?" „Auf dem britischen Consulat wird man un« da- sagen. Wir wollen un» sofort dorthin begeben. Den Schooner können wir auch heute Abend zur Eile antreiben; aber wenn da- Consulat einmal geschloffen ist, ist'- geschloffen." .Fortsetzung folgt.)
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