01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.07.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960716012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896071601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896071601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-07
- Tag1896-07-16
- Monat1896-07
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Nrclamen unter dem Redactionsstrich («ge spalten) bO-H, vor den Familirnnachrichteu (6 gespalten) 40-H. Größere Schriften laut unserem Preis- verzrichnib. Tabellarischer und Ziffernjatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbeförderung öl).—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« au die Expedition zu richte». Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig SV. Jahrgang. Äie Lekampfrmg von Settel, Landstreicherei und Arbeitsscheu. i. kr. Die Zeit der Romantik, wo fahrende Schüler und andere freiheilslustige Gesellen, unbekümmert darum, wo sie ihr Haupt würden hinlegen und womit sie ihren knurrenden Magen würden beruhigen können, zweck- und ziellos von Ort zu Ort streiften und über Berg und Tbal als Leiblied singen konnten: „Ich hab' mein Sack' auf nickts gestellt", ist längst vorüber. Wohl giebt eS auch heute noch Freizügigkeit und eS kann Jemand, ohne sich einen festen Wohnsitz zu wählen, jahraus, jahrein von Ort zu Ort wandern, wenn eS ihm Vergnügen macht, aber «» kann es nur, wenn er die nötbige Münze im Beutel hat und weiß, wovon er seine Zeche bezahlen wird. DaS gewohnheitsmäßige „Fechten", daS ehedem in der „guten alten Zeit" einen „poetischen" Anstrich hatte, ist durch Polizeigesetze längst verpönt, und wer beute zweck- und ziellos von Ort zu Ort ohne genügende Subsistenzmittel zieht, der wird als Landstreicher „eingelocht" und nach ß 361 Nr. 3 deS Strafgesetzbuches bestraft. Obwohl nun das Umher ziehen ohne Arbeit und Unterhaltsmittel, al« welches die Landstreicherei anzusehen ist, mit Haftstrafe belegt und oben drein der Bestrafte der Landespolizeibehörde überwiesen werden kann, hat die Armee der Landstreicher, Bettler und Arbeitsscheuen von Jahr zu Jahr eine unheimliche Vermehrung erfahren. Der Professor der Rechte an der Universität Straßburg, Or. Robert von Hippel, hat nun über „Die strafrechtliche Bekämpfung von Bettel, Land streicherei und Arbeitsscheu" rin Werk herauSgegeben, das im Verlag von Otto Liebmann in Berlin erschienen ist und neue Vorschläge zur Beseitigung deS Uebelstandes enthält. Nach von Hippel sind Bettel und Landstreicherei gemeinsam zu betrachten, da die letztere nur ein qualificirter Fall des Bettelns selbst ist. Der Landstreicher bettelt gewerbsmäßig, er will fortgesetzt bettelnd umherziehen, d. h. durck öfter wiederholtes Betteln sich eine Einnahmequelle während eine« Wanderlebens von unbestimmter Dauer eröffnen. „Landstreicherei ist ge werbsmäßiger Bettel im Umherziehen." Wer bettelt? Der wandernde Handwerksbursche, der das Handwerk grüßt und um das Meistergeschenk bittet, der Wallfahrer, der im Kloster anspricht, der Arme, der Unterstützungsvereine und Wohl- thätigkeitsanstalten angebt, ist kein Bettler, denn seine Bitte ist eine rechtmäßige. Das Gleiche gilt von der Bitte an den Kaiser oder Landesherrn um Hilfe in der Noth. In anderen Fällen aber ist die Bitte um Gewährung eines Geschenkes an eine dem Schenkaeber fremde Person als Bettel anzusehen. Straflos ist dieser Bettel, wie von Hippel ausführt, wenn er im „Nothstande" erfolgt, wenn Jemand nahe am Verhungern und Erfrieren rc. ist. Die auf Bettel und Landstreicherei angedrohten Strafen sind hauptsächlich Haft bis zu sechs Wocken und gerichtliche Ueberweisung an die Landespolizeibehörde, also der Hinter grund daS Arbeitshaus oder die sogenannte Nachhaft als Nebenstrafe. Die Haftstrafe hat bis jetzt wenig Nutzen gehabt, und die Ueberweisung an die Landespolizeibehörde wird in Deutschland so wenig einheitlich gehandhabt, daß auch ihre Wirkung zu wünschen übrig läßt. „Nur eine scharfe, gesetzliche Bestimmung der Voraussetzungen der correctionellen Nachhaft", sagt von Hippel, „kann daher deren zweckmäßige und gleichartige Verwendung in der Praxis gewährleisten." Thatsächlich fürchten die Bummler und Bettler die Haft strafe nicht, denn sie kommen in der schlechten Jahreszeit, wenn e« sich bei „Mutter Grün" nicht mehr behaglich wohnen läßt, in Sckaaren nach den großen Städten, um ein billiges Unterkommen zu finden. Sie richten eS schon so ein, daß sie wieder auf freien Fuß gesetzt werden, wenn die ersten Lerchen schwirren. Anders ist es mit der Ueberweisung an die Landespolizeibehörde, die auf 2 Jahre erfolgen kann; ihr sucht man sich zu entwinden, so gut eS geht. Vor der Ein sperrung inS Arbeitshaus hat selbst der ergraute Landstreicher Scheu, und eS wäre eben deshalb zu wünschen, daß diese Ueberweisung systematisch geübt wurde. Deutschland hat gegenwärtig 47 Arbeitshäuser mit 10 Filial- und Neben anstalten. Für Sachsen kommt Hohenstein mit Hilfsanstalt Radeberg (Männer), Sachsenburg (männliche Jugendliche bis zum vollendeten 20. Lebensjahr) und Waldheim (Weiber) in Frage. Nur zum kleinen Theile dienen die Arbeitshäuser ausschließlich dem Zwecke, wegen Landstreicherei und Bettel Ueberwiesene aufzunehmen, überwiegend sind sie zur Auf nahme auch noch anderer Personenclassen bestimmt. Die innere Organisation der Arbeitshäuser ist nach den Darstellungen v. Hippel'S in Deutschland eine so verschieden artige, daß in der Thal auch in Bezug auf sie endlich eine gewisse Einheitlichkeit hergestellt werden sollte. ES giebt Anstalten, in denen mit barbariscker Strenge verfahren wird, und daneben wieder solche, die ein wahres Eldorado für den Landstreicher und Bettler sind. Nicht einmal die Claffen- eintheilung der Corrigenden ist einheitlich durchgeführt. Sie besteht etwa in einem Dritttheil deutscher Arbeitshäuser. Al« thatsächliche Dauer deS Arbeitsbetriebes ergiebt sich daS statt liche DurchschnittSmaß von IN/, bi« 12 Stunden im Sommer, 10V, bi« 11 Stunden im Winter, ein Maß, da« Arbeits scheuen allerdings die ,/Lust und Liebe" zur Anstalt verleidet. Die Arbeiten finden in und außerhalb der Anstalt unter Aufsicht statt; in Rottenburg kommt e- auch vor, daß einzelne in „bewährte Familien zu eintägiger Arbeit abgegeben" werden, jedenfalls ein gewagter Versuch! Die DiSciplinarstrasen sind in leichteren Fällen die Ent ziehung hauSordnunHSmäßiger Vergünstigungen, z. B. Ent ziehung der Arbeit«vramie, Verbot der Bewegung im Freien rc., Verweste, Kostschmalerungen, verschiedener Art und Dauer, auch Versetzung in die Strafclasse, wo Claffeneintheilung herrscht. In schweren Fällen kommt einfacher Arrest und Dunkelarrest mit hartem Lager an di« Reihe. Dabei giebt e« dann nur Wasser und Brod. Dieser Arrest kann bis zu 3 Monaten verhängt werden. Der vierte Tag ist dann meist ein „guter", an t-m die Schärfungen in Wegfall kommen. Für besonders schwere Fälle sind in einzelnen Staaten Körperstrafen erlaubt. So kann in Sacksen der Arrest bis zu 10 Schärfungstagen in der Form des „engen Arrestes" vollstreckt werden. Dabei hat der Delinquent die Zeit von Morgens 6 Uhr bis Abend« 8 Ubr in einem in die Zelle eingebauten, engen Lattenverschlage zuzuoringen, in welchem er fitzen und aufrecht stehen, aber nicht geben und liegen kann. In Bayern und Hessen ist Anfesselung an die Wand des Arrestzimmers, in Bayern auch Kurzschließen des Arrestanten erlaubt. Abgesehen hiervon kommt die Fesselung als selbst ständige DiSciplinarstrafe in Bayern, Anhalt, Hamburg, Lübeck und Elsaß-Lothringen vor. In Anhalt und Lübeck ist ferner Anlegung der Zwangsjacke als Strafe erlaubt, während dieses Mittel sonst regelmäßig nur zur Bewältigung augen blicklichen Widerstandes Anwendung findet. Schließlich aber besteht in Sachsen, Mecklenburg, Anhalt, Hamburg und Lübeck al« äußerste« Mittel noch die Prügelstrafe. Nur in Lübeck ist die Beschränkung auf Männer nickt gegeben. In Sachsen sind bis zu 30 Schlägen mit einem 80 — 90 cm langen, glattgeschnittenen, am Angriffe nickt über 1 cm starken Haselstocke auf da« entblößte Gesäß gestattet. Die Erleichterung eines ehrlichen Fortkommens des Cor- rigenden nach seiner Entlassung auS dem Arbeitshause wird nur in wenigen deutschen Staaten vernachlässigt, so in Hessen, Mecklenburg-Strelitz und Sachsen-Weimar, wo man sich den Entlassenen ganz sich selbst überläßt. Deutsches Reich. 6. H. Berlin, 15. Juli. Auf das Mandat des Wahl kreises Westbavelland-Brandenburg, das durch den Tod des Abg. Wiesike (nationalliberal) frei geworden, speculiren die Socialdemokratie, die bereits in den nächsten Tagen eine umfassende Agitation in dem Wahlkreise beginnen wird. Der socialdemokratiscke Candidat wird der vielgenannte Privatdocent an der Berliner Universität vr. Leo Arons, der Schwiegersohn Julius Bleichröder's, sein. In früheren Wahlgängen batten die Socialdemokraten den auS Berlin ausgewiesenen Vergolder Ferdinand Ewald auf de» Schild erhoben. Ewald batte nack seiner infolge tumul- tuarischer Vorgänge in der Norddeutschen Brauerei erfolgten Ausweisung au« Berlin seinen Wohnsitz in Brandenburg genommen; hier betrieb er ein Cigarrengeschäft, mit dem er einen Barbierladen verbunden batte. Arm, jedoch mit einer nicht gewöhnlicken Beredsamkeit begabt, die er besonders bei der Gründung der Fachvereine in Berlin bethätigte, war er nach Brandenburg gekommen, aber er arbeitete sich bald in die Höhe und seinem organisatorischen Talente ist eS in erster Linie zuzuschreiben, daß die socialdemokratiscke Partei im Wahlkreise Westhavelland-Brandenburg so mächtig an- wuchS. Ewald gehörte zu den Gemäßigten in der Partei; er war in Brandenburg Hausbesitzer geworden und dem Hausbesitzervereine daselbst beigetreten. Deshalb gerieth er zu den Parteigenossen in Brandenburg in Gegensatz und mußte nack Berlin übersiedeln. Um diese Zeit erschien Or. Leo Arons in dem Wahlkreise; er hielt in Rathenow und anderen Orten Vorträge, in denen er sich sehr radikal aussprach und namentlich gegen daS damals in der Partei zur Berathung stehende Agrarprogramm loSzog. Anfang« brachte man dem reichen Schwiegersöhne Bleichröders Mißtrauen entgegen, auch zeich nete er sich weder durch Rednergabe noch durch sonstige Gaben auS. Aber er wußte die Radikalen, die über da« Verhalten Ewald's empört waren, für sich zu gewinnen. Allmählich bat er sich auch das Vertrauen der übrigen „Genossen" des Wahlkreises erworben, die ihn als Vertreter desselben nach Breslau zum Parteitage entsendeten. Da der nationalliberale Wiesicke in der Stichwahl nur mit 75 Stimmen über Ewald siegte, so wird vr. Arons, dem eS ja an Mitteln zur Füh rung de« Wahlkampfes nicht fehlt, sicherlich al« 49. Social demokrat in den Reichstag einziehen, wenn die bürgerlichen Parteien nicht einmüthig vorgehen, worauf nach der Haltung der „Freis. Ztg." des Herrn Eugen Richter leider keine Aussicht ist. -4- Berlin, 15. Juli. Die Erwartung, daß Herr v. Ploetz die Frage nach dem Preise der von ihm im Dienste de« Bundes der Landwirthe betbätigten „Selbstlosigkeit" unbeantwortet lassen werde, hat nicht getrogen. Daß er aber in der „Deutscken Tageszeitung" — inmitten einer Fluth von Schimpfwörtern — erklären lassen werde, die Frage sei längst „erledigt und geklärt", hatte man der Unbefangenheit diese« Herrn nicht zutrauen können. In Wirklichkeit ist weiter gar nicht« „geklärt", als daß die Einkünfte de« Herrn v. Ploetz aus der Bundesleitung nicht oder nur zum Theil unter dem Titel „Gehalt" gebucht werden. AuffichtSräthe von Aktiengesellschaften bekommen aber al« solche in der Regel auch kein „Gehalt", und dennoch ist man gerade im Kreise der Leiter deS Bundes der Landwirthe nicht geneigt, in den Bezügen dieser Herren auS den Gesell schaften die Belege ihrer Selbstlosigkeit zu erblicken. UrbrigenS öffnet Herr v. Ploetz durch seine Erklärung den Ver- mutbungen und „Enthüllungen" Thür und Thor. So be hauptet die „Köln. VolkSzta.", er erhalte kein Gehalt, aber 18 000 Reisespesen. Der „Vorwärts" will wissen, im vorigen Jahre habe da« „Gehalt" deS Herrn von Ploetz 20 000 .4! betragen. Ferner soll er noch 5—6000 Spesen beziehen und überdies 8—10 000 jährlich liquidiren. Schweigt er hartnäckig, so machen die immer mehr steigenden Angaben am Ende Herrn Or. Miquel neu gierig und veranlassen ibn, an Herrn v. Ploetz eine direkte Anfrage über sein steuerpflichtiges Einkommen richten zu lassen. * Berlin, 15. Juli. In der Zusammensetzung de« Reichstages sind im Laufe der jüngst verflossenen Session verschirdrntliche Veränderungen vor sich gegangen, indem in folge von Todesfällen, sowie auch von UngiltigkeitSerklärungen nicht weniger als 14 Neuwahlen erforderlich wurden, von denen in gegenwärtigem Augenblicke erst 1l erledigt sind. Eine nennenSwerthe Verschiebung in dem Parteien-Verhaltniß ist durch die Neuwahlen nicht ringetreten. Zu Beginn der Session zählte das Haus 396 Mitglieder, da nur daS Mandat in dem Wahlkreise Mayen (5. Coblenz) erledigt war. Nach folger des Abg. Brauback, der dieses Mandat besessen batte, wurde der gleichfalls dem Centrum angehörige Abg. Wallenborn. Bei drei weiteren Veränderungen war und blieb ebenfalls nur das Centrum betbeiligt; im Wahlkreise Köln-Stadt wurde der Abgeordnete Greiß durch Trimborn und im Wahlkreise Illertissen (4. Schwaben) der Abgeordnete Reindl durch von Hertling ersetzt. Außerdem wurde in Blaubeuren (15. Württem berg) Groeber, der sein Mandat wegen Ernennung zum Landgericktsratb verloren hatte, wiedergewäblt. Weiter traten an die Stelle der beiden protestleriscken Elsässer Neumann (Diedenhofen) und Haas (Metz) die gleichfalls protestleriscken Cbarton und Pierson. Der Wahlkreis Herford (2. Minden), früher in Stöckerschem, zuletzt im Besitz des Herrn von Hammerstein, machte, zweifellos unter dem Einflüsse der Vorgänge, welche diese ehemalige Säule der konservativen Partei ins Zuckthaus geführt haben, eine Schwenkung nach links, wodurch der nationalliberale Abg. Quentin aus der Wahlurne hervorging. In Nuppin wurde Bohm durch Lessing (beide zur freis. Volkspartei gehörig), in Ansbach Kroeber durck Konrad (beide Süddeutsche Volksparteiler) ersetzt. In Halle a. S. traten an die Stelle Meyer's (freis. Verein.) der Socialdemvkrat Kuriert. Endlich wurde vor wenigen Tagen in Sckwetz (5. Marienwerder) der Abg. Holtz wieder gewählt, freilich mit der absoluten Gewißheit, daß die Wahl vom Reichstag sofort nach seinem Wiederzusammentrelen von Neuem cassirt werden wird. Erledigt sind zur Zeit noch drei Mandate: das Pöhlmann's in Schlettstadt(RelchSp.), ferner Koehler'S (Antisemit) in Gießen, nnd Holleufer's in Löweuberg- Lauban. In letztgenanntem Wahlkreise hat die Ersatzwahl schon stattgefunden, doch ist noch die engere Wahl erforderlich, die beute stattsindet. Abgesehen von diesen drei noch offenen Mandaten, ist der Reichstag, wie die „Berliner Börsen- Zeitung" constalirt, augenblicklich wie folgt zusammen gesetzt (in Klammern fügen wir die Ergebnisse der letzten allgemeinen Wahl 1893 hinzu): Conservative 65 (71), ReichSparlei 28 (28), > Deutsch-sociale Resormpartei 15 (16), Centrum nebst 4 welfischen Hospitanten 101 (100), Welfen 3 (3), Polen 19 (19), Nationalliberale 50 (53), freis. Ver einigung 14 (14), freis. Bolkspartei 24 (23), Süddeutsche Volkspartei 12 (11), Socialdemokraten 48 (44), Bayerische Bauernbündler 4 (4), Elsässische Protestler 8 (8), endlich noch die FractionSlosen Rösicke, Johannsen (Däne) uud der an Stelle von Hornstein'S in Donaueschingen (2. Baden) gewählte Fürst Fürstenberg. (-) Berlin, 15. Juli. (Telegramm.) Der „Reichs anzeiger" schreibt über die Entstehung deS Brandes im Zeughanse zu Metz: „Ueber die Ursache deS Brandes ist in der Presse vielfach unrichtig berichtet worden. Wie das Feuer entstanden ist, ist noch nicht festgestellt, eS schweben gerichtliche Erhebungen darüber. Das Gebäude, in welchem daS Feuer entstanden ist, ist Fachwerk, mit Ziegelausfüllung verbunden. Das Dach ist mit Dachpappe eingedeckt. Der Gebäudetheil, worin daS Feuer zuerst bemerkt wurde, liegt 95 m von dem Gleise der Eisenbahn entfernt, während die Entfernung deS zuletzt brennenden TheilS nur 35 m beträgt. Tie Eindeckung mit Dachpappe gilt nach fachmännischer Ansickt als völlig sicker gegen Feuersgefahr. Explosions stoffe und mit Pulver geladene Granaten lagerten nicht in dem Zeughaus. Die infolge der Hitze explodirten Zünder lagerten in drei durch Ziegelwerk getrennten Gebäudetheilen. Das Publicum war rechtzeitig gewarnt worden; bis zur Explosion verstrich geraume Zeit, welche nicht von Allen benutzt worden ist. — Berlin, 15. Juli. (Telegramm.) Der im preußi schen Handelsministerium ausgearbeitete Gesetzentwurf, betr. die Abänderung der Gewerbeordnung und die Or ganisation deS HanVwerkS, wird, wie die „Nordd. Allgem. Ztg." zu melden für nöthig hält, als preußischer Antrag beim BundeSrathe eingebracht werden. Berlin, 15. Juli. (Telegramm.) Wie vorauS- zusehen war, richtet daS Organ deS Bundes der Land wirthe, die „Deutsche Tageszeitung", wegen der Ableh nung deS MargarincgcsctzcS durch den Bundesratb heftige Angriffe gegen Staatsfecretair und Staatsminister l)r. von Bo etlicher, dem die Schuld an der mindestens „ver frühten" Beschlußfassung deS BundeSrathS zugesckoben wird. Die „Norddeutsche Allgem. Zeitung" sagt zu diesen Angriffen, eS sei ihnen keine Bedeutung beizumessen. Was die angeblich verfrühte Beschlußfassung deS Bundes rath« betreffe, so sei sie in dem Antritt der Urlaubsreife deö Ministers begründet. — Der Zweck der Reise deS Staatsfecretair« de« ReickS- marineamtS Admiral Hollmann mit den Abgeordneten Or. Lieber und von Leipziger nach Kiel und Wil helmshaven war, wie den „Berliner Neuesten Nachrichten" geschrieben wird, der, die beiden Referenten der Budget commission de« Reichstage« Uber den Marineetat davon zu überzeugen, daß da« vom Reichstage wiederholt abgelehnte Trockendock ein sehr dringendes Bedürfniß sei. Die Wahrscheinlichkeit, daß die Forderung im nächsten Winter vom Reichstage bewilligt werde, erhöbe sich dadurch bedeutend. Außerdem hätten die genannten Herren den Wunsch gehabt, Kenntniß von manchen anderen Bedürfnissen der Marine zu erhalten, wodurch für die Marineforderungen im nächsten Etat eine leichtere Verständigung zwischen der Marine verwaltung und dem ReickSage zu erreichen feint werde — Zu der auch von uns wiedergegebenrn Nachricht der „Brrl. N. N." von der Erricktung eine« polnischen Kuadenseminar« in Posen bemerkt die „Berl. Ztg.", daß e« sick nur „um ein Alumnat für unbemittelte Studirende", die „Germania", daß es sick „jedenfalls nicht um ein specifisch polnisches Knabenseminar" handele, und die ,Köln. VolkSztg.", daß dir „ganze Nachricht auf Erfindung beruht". Mehr al« eine der drei Widerlegungen kann kaum zutreffen. — In Folge der zur Verminderung de« Schreibwerks und Vereinfachung de« Geschäftsganges von dem Finanzminister und Minister deS Innern erlassenen Verfügung wird jetzt von den Aufsichtsbehörden streng darauf gehalten, daß auch die unteren Behörden sich einer möglichst einfachen Handhabung ihrer VermaltungSgesckäfte und speciell de» SchreibwesenS befleißigen. — Die beiden socialdemokratischen Wahlvereine dcZ 4. Berliner RcichStagswahlkreises, Osten und Südosten, welche an Stelle des früheren einheitlichen Verein« getreten sind, haben sich gestern endgiltig constituirt. Sie bezwecken, dem Wortlaut des Statuts zufolge, den Zusammenschluß der Parteigenossen im4. Kreiie zu fördern und für die Grundsätze und Forderungen der Social- demokratie neue Anhänger zu gewinnen, * Flensburg, 13. Juli. Der Redacteur der dänischen Zeitung „Flensborg Avis" hatte sich geweigert, eine ihm zugesandte Berichtigung aufzunehmen, die nicht in dänischer Sprache abgefaßt war. Das Landgericht entschied dahin, daß der Redacteur eine Strafe von 3 und die Kosten zu zahlen und außerdem die gesandte Berichtigung in deutscher Sprache aufzunehmen habe. Ist. Rostock, 14. Juli. In der Aula der Universität fand gestern aus Anlaß der Annahme des Bürgerlichen Gesetzbuches durch den Reichstag eine akademische Feier statt, zu der die Lehrer der Universität, Studirende, die Spitzen der Behörden, viele Bürger und auch Damen er schienen waren. Musik leitete den Festact ein, darauf hielt der Decan der juristischen Facultät, Professor Bernhöft, die Festrede über die juristische und socialpolitische Bedeutung des Bürgerlichen Gesetzbuches. Ihren Abschluß erreichte die Feier in dem vom Cborvereine vorgetragenen Chore „Die Ehre Gottes" von Beethoven. Am Abend fand ein von den StuLirenden der juristischen Facultät veranstalteter Commers statt. Die Universität und die akademischen Institute trugen Flaggenschmuck. * Graudenz, 13. Juli. Vor der hiesigen Strafkammer wurde gegen den Rittergutsbesitzer Reichelt auf Dursnitz wegen Mißhandlung eines Lehrers verhandelt. Der Staatsanwalt beantragte bei Annahme mildernder Umstände 3000 -e-l Geldstrafe. Der Gerichtshof verurth eilte den Angeklagten zu 300 Geldstrafe, 100 an den Lehrer zu zahlendes Schmerzensgeld und Tragung sämmtlicher Kosten. Der Verurtbeilte hat den Lehrer, der schon etwas nervös gewesen, derartig mißhandelt, daß geistige Umnachtung ein getreten ist. In einer früheren Strafkammersitzung wurde er zu 500 Geldstrafe nnd Tragung sämmtlicher Kosten wegen grober Beleidigung (er halte den Lehrer „Lümmel" genannt) verurtbeilt. VV. Pofen, 15. Juli. (Privattelearamm.) Die An- siedelungScommission hat daS Rittergut Sosnica, Kreis Krotcschin, 3000 Morgen umfassend, für 495 000 von Herrn von Chelkowski au gekauft. * Osnabrück, 13. Juli. Zur geplanten BiSmarcksabrt der Hannoveraner wird den „Hann. TageSnackr." ge schrieben: Auf eine Anfang d. I. in Folge mannichfacher An regung aus landwirthschaftlicken Kreisen ver Provinz Hannover an den Grafen Rantzau-Friedrichsrub gerichtete Anfrage, ob dem Fürsten Bismarck eine gemeinsame HuldigungSfabrt aller Hannoveraner, soweit dieselben Verehrer des Fürsten, ohne Unterschied der politischen Stellung und Gesinnung, wie ohne Hervorkehrung irgend einer Parteirichtung, für diesen Sommer genehm sei, kam die Antwort, daß der Fürst bereits dem Hofbuchhändler Herrn Kiepert, Generalsecretair der national liberalen Partei zu Hannover, die Zusage ertheilt habe, die Hannoveraner empfangen zu wollen, daß die Fragesteller sick deshalb mit der nationalliberalen Partei wegen einer gemein samen Fahrt zu einigen versuchen oder letztere auf nächstes Jahr verschieben möchten. Diese Einigung ist, obwohl versucht, auf dem Boden der oben in Aussicht ge nommenen Gestaltung der Fahrt leider nickt gelungen und ist eS deshalb vielen Freunden deS Fürsten in der Provinz zu ihrem größten Bedauern unmöglich gemacht, sich an der von der nationalliberalen Parteileitung in Aus sicht genommenen BiSmarckfahrt zu betheiligen. Wir be dauern im Interesse der guten Sache diese Spaltung und hoffen, daß schließlich dock eine Einigung zu Stande kommt. * Magdeburg, 14. Juli. Socialbemokratische Blätter beschweren sich darüber, daß die Polizei von dem social- demokratischen Arbeiter-Turnverein in Halberstadt die Mitgliederliste verlangt und der Regierungspräsident die dagegen eingelegte Beschwerde wie folgt al« unbegründet zurückgewiesen bat: „Die angestellten Ermittelungen haben ergeben, daß der Arbeiter- Turnverein „Freiheit" als ein Verein anzusehen ist, welcher eine Einwirkung auf öffentliche Angelegenheiten bezweckt. Aus seinem ganzen Verhalten geht hervor, Laß er sich in den Dienst einer politischen, im vorliegenden Falle der socialdemokratischen Partei stellt. Er hält seine Turnübungen und Zusammenkünfte in dem nur von Socialdemokraten besuchten Schanklocale „Odeum" ab, erläßt Bekanntmachungen und Berichte nur in der socialdemokrati- scheu „SonntagS-Zeitung", betheiligt sich an den regelmäßigen Feiern der socialdemokratischen Gedenktage und setzt sich endlich ausschließlich aus solchen Mitgliedern zusammen, die dem in Halber stadt bestehenden socialdemokratischen Wahlverein angehöcen. Hier nach unterliegt die Annahme der Polizeibehörde, daß der Turn verein „Freiheit" al» ein Verein anzusehen ist, der unter 8 2 des Gesetzes vom 11. März 1850 fällt, keinem Bedenken. Gras v. Baudissin." * Vom Niederrhein, 14. Juli. Ueber den beabsickligtcn Besuck deS Kaiserpaares wird der „Nat.-Ztg." zur Er gänzung früherer Meldungen berichtet, daß der Kaiser und die Kaiserin, nachdem dieselben am 7. August Vormittags der Einweihung der Willibrodt-Kirche in Wesel beigewohut haben, zur Enthüllung des Kaiser-Wilhelm-DenkmalS nack Ruhrort kommen und von hier aus nach Villa Hügel bei Essen zum Besuche de« Geheimrath« Krupp fahren werden. In Ruhrort sind die Vorbereitungen zu einem patriotisch festlichen Empfange bereit« in vollem Gange. Unfern Kaiser dürften vor Allem auch di« großartigen Hafenanlazen Ruhr ort«, deren Verkehr den aller Binnenhäfen Deutschlands übertrifft, lebhaft interessiren. Es ist eine Festfahrt durch dieselben beabsichtigt. * Sondershausen, 15. Juli. (Telegramm) Der Landtag deS Fürstenthum« Schwarzburg-Sondershausen wurde heute im Auftrage deS Fürsten durch den StaatS- minister Petersen eröffnet. Derselbe theilt die zur Be rathung stehenden Vorlagen mit, nämlich: Abänderung des Landesgrundgesetzes bezüglich eines Landtagsbeschlusses, be treffend Nachfolge des Prinzen Sizzo von Leuten berg, und im Zusammenhänge damit Ergänzung de«
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