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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.07.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960723017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896072301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896072301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-07
- Tag1896-07-23
- Monat1896-07
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Reklamen unter dem RedactionSstrich (4ge. spalten) 50-H, vor den Familiennachrichteo (6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ztffernjatz nach höherem Taris. -——o»c>» -- Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ^l 60.—, mit Postbefördrrung ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Tlu-gabe: Vormittag- 10 UhL. Morgr«-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je »ine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. P olz ln Leipzig SV. Jahrgang. Feuilleton. Der Leipziger „Ausstchlsberg" im Lahre 500V n. CH. G. Nachdruck «erboten Man hätte das Jahr 5000 schreiben können. Ich sage, hätte es thun können, aber man tbat es nicht und zwar auS zwei Gründen: erstens war die christliche Zeitrechnung schon seit einer geraumen Weile abhanden gekommen, und dann schrieb man überhaupt nickt mehr. Man hatte besonders präparirtS Papier, das sah man scharf an, und die Gedanken schlugen sich darauf in lesbarer Form nieder. Es gab nur noch Chinesen in der Welt, und ihr Reich zerfiel in eine Reihe von Unterreichen mit Vicekönigen. Deutschland war ein derartiges Unterreich. Seine Haupt stadt lag genau da, wo jetzt Krawinkel bei Eckartsberge in Thüringen liegt, und vor dem Regierungsgebände daselbst stand eine Doppelstatue, Li-Hung-Tschang und Bis marck darstellend und dem Sckiller-Goethe-Denkmal in Weimar nicht unähnlich, nur insofern wesentlich von ihm verschieden, daß nicht die beiden Heroen einander den Lorbeer kranz darreichen, sondern der schlitzäugige Chinese den, ger manischen Recken den Kranz halb mit List, halb mit Gewalt vom Kopfe nimmt. Die Chinesen waren seit anno 3012 die Herren im Westen geworden, nachdem sie das große, westöstliche Doppelreich ver nichtet hatten. In dem westöstlichen Doppelreick halte es keine Germ-, Rom- und andere -anen und -alen mehr ge geben, sie waren vor der herrschenden Rasse in Nichts ver-1 schwunden, wie die Indianer Nordamerikas vor den Aankees., Die Chinesen selbst waren in den letzten 3000 Jahren ganz andere Leute geworden, ihr Geist hatte sich erschlossen unter dem befruchtenden Einfluß preußisch-deutscher Ossiciere, preußisch-deutscher Kanonen und preußisch-deutscher Kriegs schiffe. Jetzt waren sie dem alten Lehrmeister weit voraus und hatten die alten Lehrmittel weit überholt. Freilich Offi- ciere gab es nicht mehr, Kanonen wurden nur noch zu Freuden- schliffen bei festlichen Gelegenheiten verwendet und von Kriegs schiffen war nur noch unter den Gelehrten die Rede, wie etwa heute von den Blitzableitern der alten Egypter, denn es gab keine Kriege und Heere mehr, und merkwürdig, — die Menschheit war unverschämt genug, sich ganz wohl bei diesen, eigentlich unerträglichen, Zuständen zu befinden. Die Gelehrsamkeit, der die Chinesen stet- mit Redlichkeit, wenn auch auf ihre Weise gedient batten, hatte einen gewal tigen Aufschwung erreicht, und die chinesischen Gelehrten trugen schon lange keinen Zopf mehr, wenigsten- keinen sicht baren, sondern höchstens einen moralisch-innerlichen, wodurch sie sich von ihren heutigen deutschen College» freilich sehr zu ihrem Nacktheil unterschieden, bei denen dergleichen bekannt lich überbaup» nirgends und niemals vorkommt. In der Hauptstadt des da« alte Deutschland umfassenden VicekönigreickS war eine große kaisrrlich-vicekönigliche Akademie der Wissenschaften, Sum-i-baro-gni mit Namen. Sie galt für die erste der chinesischen Welt, denn der Einfluß der alten deutschen Akademien, besonders der Berliner, der sich während der vergangenen, westöstlichen Regierung bedeutend gesteigert hatte, lag immer noch in der Luft und prädestinirte gerade die Sum-i-baro-gni-Akademie zu ihrer hohen Stellung. Da kam eines Tages an besagte Akademie die Botschaft, nicht allzuweit von der Hauptstadt in ost-nord-östlicher Richtung sei ein äußerst merkwürdiges, wesentlich aus prähistorischen Resten bestehendes, niederigcs Hügclchen entdeckt worden. Dasselbe liege in einer argen Sumpfgegend in einer Auen- waldunH, die man das Knoblauchsthal nenne. In der Nähe hatte man schon öfters Reste von Baulichkeiten gefunden und namentlich sehr merkwürdige Straßenbauten, deren Pflaster an vielen Stellen von im Lauf der Jahrtausende wieder mit Erde ausgefüllten LängSgräben durchzogen sei. Manche Gelehrte hätten ja bekanntlich die Lermuthung aus gesprochen, daß hier ehemals eine Verbrechercolonie bestanden bähe, deren Insassen Buß - Springprocessionen durch die Straßen der Stadt hätten abhalten müssen. Besagtes Hügelchen enthalte eine Fülle der merkwürdigsten und selt samsten Gegenstände. Die Akademie erwählte aus ihrer Mitte sofort eine Commission, bestehend aus einem AlterthumSforscher, einem Geologen und einem Zoologen, und schickte sie in Begleitung der nothwendigen, in Nachgrabungen erfahrenen Mannschaften nach dem Hügelchen im Knoblauchsthale ab. Bald lief denn auch von der Commission bei der Akademie die Nachricht ein, alle Er wartungen seien weit übertroffen worden, und so etwas sei über haupt noch gar nicht dagewesen. Darauf folgten auch die ersten Sendungen der auSgegrabenen Gegenstände, deren Bearbei tung der Hauptakadennker, Sing-sang (was auf Deutsch etwa „Jungfrau" heißt), sich, bez. seinen Assistenten, in deren Adern, wie man sagte, noch sehr viel vom Blut aus der Zeit des westöstlichen Reiches fließen sollte, ein vor allemal vorbehielt. Nach geraumer Zeit legte er einen Bericht über seine, bez. seiner Assistenten Tätigkeiten und Entdeckungen der Akademie in feierlicher Sitzung vor. Diefer Bericht war Bestellungen auf Reiseabmmements nimmt entgegen und führt für jede beliebige Zeitdauer aus (Uv LxxeMlon äes Lv1p2i§er Johannisgasse 8. Die skandinavischen Völker. (Zur Zusammenkunft de- Kaisers mit König Oskar.) Nachdruck verboten. In Marstrand, auf norwegischem Boden, trifft unser Kaiser mit dem Könige der beiden skandinavischen Völker zusammen, um eine Freundschaft zu bekräftigen, die wir mit um so wärmerer Sympathie begleiten, als uns keinerlei Intereffen-Gegensätze von den Schweden und den Norwegern trennen und wir ihnen aufrichtig eine befriedigende und friedliche Entwickelung ihrer Geschicke wünschen. Leider ist die Aussicht hierzu gegenwärtig noch sehr unsicher. Allerdings besitzt Norwegen seit Jahresfrist ein auS Mitgliedern der Rechten, Moderaten und Linken ge bildetes Coalitions-Ministerium, das die Aufgabe über nommen hat, die unionellen Schwierigkeiten in gemäßigtem Sinne zu lösen. Aber gegen diese Bemühungen arbeitet in Schweden eine starke, von hockmüthiger Verachtung gegen Norwegen erfüllte Kriegspartei, die bis hoch hinauf Fühlung hat, jede Concession zu verweigern entschlossen ist und je eher, desto lieber zu den Waffen greifen würde, während in Norwegen die Linke, deren Erbitterung über den Verlust der Herrschaft sehr groß ist, öffentlich wie unterirdisch einen geradezu fanatischen Kampf gegen die gemäßigten Bestrebungen führt und als die Mehrheitspartei — ihre Mehrheit beträgt allerdings nur vier Stimmen — der Regierung eine Schwierig keit über die andere bereitet. Der starrsinnige DoctrinariSmus dieser Partei wird sich nie der Erkenntniß öffnen, daß nur ein Vergleich zwischen den concurrirenden Interessen eine Beendigung des unionellen Conflictes ermöglichen kann. Unter diesen Umständen beruht die Hoffnung auf gütliche Beilegung der Schwierigkeiten auf zwei Factorcn. Der eine dieser Factorcn ist der König selbst. König Oskar ist ein ruhiger und besonnener Mann, der einzige vielleicht, der während der Krise des Jahres 1895 den Kopf klar behalten, durch sein festes Verhalten, durch die Fähig keit, abzuwarten, diese Krise überwunden und in der unmöglich erscheinenden Coalition einen Weg ausfindig gemacht hat, der zum Frieden wenigstens führen kann. Die Ansprachen, die er auf seiner gegenwärtigen Reise durch West- Norwegen gehalten bat, zeugen unzweideutig von dem tiefen Anthest und der Ehrlichkeit, die er den norwegischen An gelegenheiten entgegenbringt, und daS wird den Norwegern, die sich von ihm vernachlässigt glauben, Wohlthun. Be- merkenSwerth ist denn auch der überaus herzliche Empfang, den der König überall, selbst in Bergen, dem westländischen Centrum der Linken, gefunden bat; ein Umschwung der Volksstimmung scheint sich hierin anzudeuten. Und hierin liegt die zweite Hoffnung. Nach unseren Beobachtungen ist es wahrscheinlich, daß in dem norwegischen Parteiwcsen, das durch Gehässigkeit und Fanatismus von beiden Seiten auf einen vollkommen todten Strang gerathen ist, eine allmähliche Zersetzung sich vorbereitet, daß von rechts und links die besonneneren Elemente sich mit der Zeit zu einer neuen Partei zusammenfinden werden, die allerdings ent schlossen norwegisch-national, aber doch hinlänglich einsichts voll und gemäßigt sein dürfte, um verhandlungssähig zu sein. Ein sehr beachtenswerthes Anzeichen der fortschreitenden Zer setzung der Parteien brachten die letzten Wochen. Mit einer allerdings winzigen Mehrheit hat das Storthing trotz des TobenS der Linken, die von einem „Canossagange" sprach, entsprechend der Proposition der Regierung die Betheiligung Norwegens an der Stockholmer Ausstellung im Jahre 1897 beschlossen. Dies Ergebniß konnte nur dadurch erzielt werden, daß zur Rechten und zu den Moderaten einige Linkenmänner abschwenkten, die sich der Einsicht nicht verschließen konnten, daß daS Fernbleiben von der Ausstellung Norwegen wahr scheinlich materiellen Schaden und sicherlich in den Augen Europas eine moralische Niederlage bringen würde. Diese Gruppirung ist nun allerdings ein vereinzelter Fall; aber bei dem Charakter der Norweger ist es doch von Wichtigkeit, daß überhaupt einmal Bresche geschlagen ist. In der That hat sich zwischen den leitenden Organen der Linken, „Verdens Gang" und „Dagbladet", aus der Ausstellungsfrage heraus bereits ein offener Gegensatz gebildet. Jede nationale norwegische Partei aber würde sicher eine Revision der Unions-Acte fordern. Denn auch von der ganz überwiegenden Masse der Reckten und der Mode raten wird diese Forderung getheilt. Allerdings würde die Unions-Acte auch heute noch ausreichcn, wenn sie beiderseits mit gutem Willen gehandhabt würde. Unglücklicher Weise aber hat sich zwischen den beiden Völkern eine steigende Ab neigung entwickelt, die zu Mißgriffen geführt hat. Die Schweden haben die Behauptung aufgestellt, daß Norwegen nach den Ereignissen von 1814 und der Folgejahre als ihnen erobertes Land anzusehen sei, — eine Behauptung, die vor einiger Zeit auch Prof. Dietrich Schäfer, der beste Kenner der nordischen Geschickte in Deutschland, als durchaus un berechtigt erwiesen bat. In Norwegen erregte diese Auf fassung lebhaften Unwillen und Besorgnisse vor „groß schwedischen" Gelüsten, Norwegen zu einer schwedischen Provinz berabzudrücken. Unter diesen Umständen erscheint doch zur Vermeidung ständiger Reibungen und Streitigkeiten eine klare, staatsrechtliche Auseinandersetzung wünschenswerth; einige Zugeständnisse an die Norweger m Bezug auf das Consulatswesen und gewisse Aeußerlichkeiten würden ver- muthlich zur Zeit noch genügen. Für uns Deutsche muß bei der Beurtheilung der skandinavischen Angelegenheiten der Gesichtspunkt entscheidend sein, daß wir den Frieden auf der Halbinsel wünschen müssen, damit nicht eine andere Macht seine Hand ins Spiel menge. Deutsche- Reich. U Berlin» 22. Juli. Ausfallen wird in dem kürzlich veröffentlichten Bericht über den Finalabschluß der Neichs- hauptcasse für 1895/96 der Hinweis darauf, daß für das Reichsamt des Innern sich infolge der Steigerung des Reichszuschusses zur Iuvaliditäts- und Alters versicherung der Arbeiter eine Mehrausgabe über den Etatsanschlag ergeben hat. Da diese Mehrausgabe nach Gegenrechnung nicht unerheblicher Ersparnisse noch etwa 900 000 beträgt, so dürfte die Steigerung des Reichszuschusses die Summe von 1 Million überschritten haben und somit einen ganz erklecklichen Posten in der Rech nung des Reichsamts des Innern für daS genannte Jahr ausgemacht haben. Es ist das erste Mal, daß die im Etat ausgcworfene Summe für den Reichszuschuß sich in einer solchen Weise als uuzulänglich erwiesen hat. Zn den ersten Jahren wurde sie fast immer im Etat reichlicher bemessen, als die Wirklichkeit es erforderte. Noch im Finalabschluß der Reichs- hauptcasse für 1893/94 konnte an diesem Posten eine Ersparniß von 1,3 Millionen festgestellt werden. Das nunmehrige Ueber- schreiten des Etatsansatzes um die oben angegebene Summe muß die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Während man früher vielleicht die Steigerung des im Etat anzusetzenden Reichs zuschusses etwas zu stark bemaß, hat man sie von 1894/95 auf 1895/96 wohl an und für sich etwas zu knapp berechnet. Sie betrug nur 1,35 Millionen. Der Reichszuschuß wurde von 13,9 auf 15,3 Millionen erhöht. Das Jahr 1895/96 war dasjenige, in welchem zum ersten Male die Bestimmungen deS JnvaliditätS- und Altersversicherungs gesetzes über die Herauszahlung der Beiträge an weib liche Versicherte, die eine Ehe eingehen, sowie an die Hinterbliebenen verstorbener Versicherter praktische Geltung erlangten. Jedoch haben diese auf die Steigerung der zur Bestreitung der Reichszuschüsse verwendeten Summen keinen Einfluß gehabt. Der Etat hatte das neue Moment ganz unberücksichtigt gelassen, das Reich war an demselben aber auch nur wegen des WertheS der Zusatzmarken interessirt und dieser kann unmöglich ins Gewicht gefallen sein. Viel mehr wird der Umstand gewirkt haben, daß die Wartezeit für die Invalidenrente während des Jahres 1895 in Wegfall ge kommen war und daß in Folge dessen die Zahl der Invaliden renten mehr, als man erwartet hatte, zugenommen hat. Hier wird man die vornehmlichste Ursache der beträchtlichen Ueber- schreitung des Etatsansatzes zu suchen haben. Uebrigens ist auch mit Rücksicht hierauf bereits der Etatsansatz für 1896/97 bemessen worden. Er hat sich von 15,3 auf 17,9, also fast um das Doppelte der Steigerung von 1894/95 auf 1895/96 erhöht. In dieser Höhe dürfte er für das laufende Jahr ausreichen, so daß ein dem Jahre 1895 96 ähnliches Ergebniß für 1896/97 nicht zu erwarten sein dürfte. 0.8. Berlin, 22. Juli. Niederlage auf Niederlage erleidet die Socialdemokratie bei ihren Lohn kämpfen. Vor 8 Tagen noch verkündeten die socialdemokratischen Blätter, der Streik der 800 Hutmacher stehe glänzend, er müsse gewonnen werden, die Fabrikanten seien mürbe; und vorgestern haben im „Schweizcrgarten" die Hutmacher den Streik für beendet erklärt, er sei verloren durch das jämmerliche Verhalten eines Theiles der Streikenden und durch die Tactik der betheiligten Fabrikanten, die kein Mittel der Verleumdung gescheut. Acht Wochen hat der Streik gedauert; un Anfang waren 1500 Personen daran betheiligt, rund 100 000 hat er gekostet und in zahlreiche Familien namenloses Elend gebracht. Der Streik ist auS denselben Ursachen entstanden, wie der Cottbuser; die Fabrikanten hatten sich zusammengelhan, weil sie sich den Terrorismus der Arbeiter, die namentlich in dem Fachverein ihre Stütze fanden, nicht gefallen lassen wollten; es blieb ihnen schließlich nichts weiter übrig, als ihre Fabriken zu schließen. Nun erhob die Socialdemokratie ein mächtiges Geschrei wegen der Maßregelung, der Streik wurde für einen officiellen erklärt, die ganze Socialdemokratie Berlins wurde zu Gunsten der Ausgeschlossenen mobil gemacht; der Erfolg ist, daß 200 bis 300 Hutmacher nicht wieder eingestellt werden. Drei Wochen vor dieser Niederlage hatten bekanntlich die Musikinstru mentenmacher in Berlin capitulirt und kurze Zeit vorher die Textilarbeiter in CottbuS; von beiden Gewerk schaften sind immer noch mehrere Hundert ohne Arbeit. Zwölf Wochen streiken bereits die Metallarbeiter, im Ganzen 400 Mann, sie wurden seiner Zeit wegen der Maiseier für etliche Tage ausgeschlossen und haben dann als Antwort darauf die definitive Freigabe des 1. Mai verlangt. 60 000 hat der Streik bereits gekostet, und er ist verloren, ebenso wie der der Weber im Eulen gebirge, der schon 7 Wochen dauert, und der Stuhl arbeiter in Lauterberg i. H., der noch länger sich hin zieht; die Zahl dieser Streikenden beträgt insgesammt 800 Mann. Eine genaue Feststellung der Summen, welche die socialdemokratischen Streiks in diesem Jahre verschlungen, läßt sich ja nicht geben; man wird aber nicht fehlgehen, wenn man 750 000 als Minimalsumme an ¬ sieht. Da selbstverständlich die Streikenden als Unterstützung nur etwa ein Drittel des sonst verdienten Wochenlohnes er halten haben (in den letzten Wochen des Streiks wurden nur wenige Mark auSgezahlt), so sind über 2 000 000 an Arbeitslohn ausgefallen. Ein großes socialdeniokratischesSänger- sest, wie Berlin wohl noch keines gesehen, soll die Enttäuschten entschädigen. Aus dem Terrain der Brauerei Pichelsdorf werden am 9. August 225 Gesangvereine mit 4500 Sängern sich vernehmen taffen; zum Schluß wird der socialdemokra tische Arbeitersäugerbund, der daS Fest arrangirt, einen Fest zug veranstalten. Den durch die Streiks Geschädigten ist also reichliche Gelegenheit zum Gelcausgeben geboten. Wird diese Gelegenheit benutzt und tritt der unvermeidliche Katzen jammer ein, so sorgen die Agitatoren dafür, daß der Groll der Mißleiteten nicht gegen die Verführer, sondern gegen den „ausbeuterischen Capitalismus" sich kehrt. Das ist der Grund, aus dem alle die mißlungenen Streiks ohne die rechte Lehre an den Bethörten vorübergehen. Berlin, 22. Juli. Wer bisher auf die durch die Ver schiedenheit der Besitzverhältnisse bedingte Ungleichartigkeit der Interessen deS Großgrundbesitze'rstandes einerseits und der mittleren und kleineren Landwirthe anderer seits hinwies und daraus Schlüsse auf die Legitimation des Bundes der Landwirthe, im Namen der „deutschen Land- wirthschaft" auszutreten, zog, der durfte sicher sein, von den Organen des teuflischen Versuches, natürlich Zusammen gehöriges zu trennen, bezichtigt zu werden. Aus diesem Grunde ist es erwähnenswerth, daß in zwei Zuschriften an die „Deutsche Tageszeitung" die „Großen" und deren Egois mus nicht ohne Bitterkeit den „Kleinen" gegenübergestellt werden und sogar über Bauernlegen, im Wahlkreise Löwen berg schonend „Einverleibungen" genannt, geklagt wird. Das Bauernlegen, so sehr der Augenschein dem widersprach, galt bisher auch als eine von „Feinden der Landwirthschafl" er sonnene Fabel. * Berlin, 22. Juli. Während die „Deutsche Tages zeitung" deS Bundes der Landwirthe nicht oft genug rufen kann, den Bötticher möge der Lucanus holen, und während sie die Gewissenhaftigkeit, Ehrlichkeit und Vaterlandsliebe der Minister in Frage zu stellen forlfährt, ist dieselbe „Deutsche Tagesztg." jetzt gcnöthigt, eine ganz anders lautende Rede wiederzugebcn, die Herr von der Groeben-Arenstein, der ostpreußische Provinzialvorsitzende des Bundes, in Mehlsack gehalten hat. Er betonte, in Ostpreußen bestehe kein Mißtrauen gegen die Minister oder Bundesrathsbevollmächtigten; man sei der festen Ueberzeugung, daß vor Allem dem Minister für Landwirthschafl, aber auch den übrigen maßgebenden Facloren im Bnndesrath ein Ucbelwollen gegen die Landwirthschaft fern liege. Man sei gewiß, daß diese Herren mit ihren Maßnahmen dem Gedeihen der Landwirthschaft förderlich sein wollten. Als in derselben Versammlung des Bundes zu Mehlsack ein Buchbindermeister Albrecht sich unliebsam mit den Börsen geschäften des Herrn von Plötz beschäftigte, trat aber Herr von der Groeben lebhaft für seinen parlamentarischen Freund ein. Die „Deutsche Tagesztg." «st glücklich, melden zu können: „Die Versammlung brachte ein begeistertes Hoch auf den ersten Vorsitzenden des Bundes der Landwirthe Herrn von Plötz aus, melcher nach wie vor Las volle und unbeschränkte Venrauen der Bundesmitglieder und diejenige Hochachtung genieße, die er sich in reichem Maße durch seine muthige und ausopserungssreudige Haltung in seiner Stellung erworben habe." Das ging, meint die „Voss. Ztg.", Herrn Stöcker auch so, bis ihm die konservative Partei nahelegte, daß sie „ent ferntere Beziehungen" zu ihm wünsche. — Die „Norvd. Allg. Ztg." hat sich die Mühe ge nommen, die Unterschriften zu prüfen, die der Aufruf des Herrn Stöcker zur Gründung der kirchlich-socialen Vereinigung gefunden bat. DaS Ergebniß ist folgendes: Unterschriften zählen wir überhaupt 585, darunter befinden sich Pastoren, Emeriten, Candidaten rc. zusammen 273, Con- sistorialräthe 4, Professoren 4, Aerzte 2, Lehrer 9, Post- und Telegraphenbeamte 9, Fabrikanten 16, Kaufleute 12, Schneider 1, Schuhmacher 6, Schlosser 7, Tischler und Drechsler 12, Sattler 3, Buchhändler 3, Buchbinder 3, Klempner 2, Bäcker 3, Mechaniker 3, Uhrmacher 4, Brauer 1, Arbeiter bez. Fabrikarbeiter 6, Oekonomen 2, Schutzmänner 2, Ober kellner 1, Thierausstopfer 1, Schauspieler 1. — Die hiesige Bäckerinnung „Concordia" hat zum demnächst stattfindenden Central - Verbandstage deutscher Bäckerinnungen folgende Anträge gestellt: 1) Die hohe Staats iregierung zu ersuchen, die Nachtarbeit im Bäckereigewerbe I durch gesetzliche Bestimmungen zu verbieten; 2) die seit I dem I.Iuli 1896 in Kraft getretene Verordnung des Bundes raths, betr. den Maximal-Arbeitstag im Bäckereibetriebe außer Kraft setzen zu wollen. Es hat sich in der kurzen Zeit ihres Bestehens herausgestellt, daß die Durchführung derselben unmöglich ist, daß sie nur schädigend wirkt und unzählige Existenzen der Meister, wie der Gesellenschaft zu Grunde richtet. (?) — Ueber die Abgabe stark wirkender Arzneimittel hat der vreußische Cultusmimster eine Reihe neuer Bestimmungen ge troffen, die am 1. October d. I. in Kraft treten. Nach diesen soll die wiederholte Abgabe von Arzneien der bezeichneten Art zum inneren Gebrauch ohne jedesmal erneute ärztliche oder zahnärztliche Anweisung nur dann gestattet sein, wenn die Wiederholung in der ursprünglichen Anweisung bereits für zulässig erklärt und Labei ver merkt ist, wie oft und bis zu welchem Zeitpunkte sie siattfinLen darf oder wenn die Einzelgabe aus der Anweisung ersichtlich ist und deren Gehalt an den bezeichneten Drogen und Präparaten die vor ¬ großartig und trug Sing-sang den Titel eines Ehrendoktors der beiden letzten Universitäten ein, von denen er ihn noch nicht hatte. Das war ihm allerdings sehr gleickgiltig, denn er war durchaus kein eiteler Mann, sondern eine schlichte, aufrichtige, harmlose Gelehrtenfeele, die sich um nichts kümmerte, als um das, was sie was anging, nämlich um ihre Wissenschaft, wobei Sing-sang sich Wohl und die Mensch heit noch Wohler befanden. Dieser illustre Forscher theilte die Funde folgender maßen ein: ä.. Durch den Menschen hergestellte Gegenstände: 1) militairische, 2) bürgerliche, ». öffentliche, d. private. 8. Natürliche Gegenstände: a. auS dem Tbierreiche, b. aus dem Pflanzenreiche, c. auS dem Mineralreiche. Man siebt, eine classisch-einsache Eintbeilung, auf die ein anderer Gelehrter nun und nimmer verfallen wäre. Ja, so war Sing-sang. Die meisten der künstlich bearbeiteten Fundstücke gehörten nach Sing-sang zu den militairischen, worüber er bedauernde und entrüstete Worte genug zu machen wußte. Wir können aus dem ganzen Bericht nur einige der wichtigsten Sacken hervorheben. Vorausschicken muß ick, daß man die alten Sprachen auS der Zeil des 19. Jahrhunderts durch emsige Untersuchungen und geistreiche Combinationen Wohl zu lesen gelernt batte, besser wie wir Altegyptisch, Assyrijch und Babylonisch. Zunächst legte der Berichterstatter eine sehr merkwürdige Flasche vor, di« einer seiner Assistenten auS
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