02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.07.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960725029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896072502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896072502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-07
- Tag1896-07-25
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WpMcr TaMait 1, i! 122,— . SIS,V0 Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Jahrgang. Sonnabend den 25. Juli 1896, Amtlicher Theil Ferrillrton fast das or>. Die Morgen-2l»Sgabr erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. von »awxker 5660 80,20 106,25 87.60 I3S.7S 13810 SI,— 120 »0 VS,40 zu ich werden, so darf man wohl deutschen Ausstellern Die Sache hat aber auch Mehrheit der Bevölkerung Dennoch ist diese Start antisocialistischcn iso!— SS»,22 17»,— ISS,— 110,so 300,— SS,— 84,— 104,— SS,— 127,— 144,SO looso ISS,so IS7,M 122,60 S1S.S0 Sisvo »16,0» Bor einigen Tagen suchte der „Vorwärts" die Tocial- dcmokratic beweglich gegen den Vorwurf zu vertheidigen, sie sei die „Partei der reinen Verneinung". Zum Beweise für die „unendliche Fülle positiver, praktischer Arbeit", welche die Svcialdemokratie auf allen Gebieten des Gesellschastslebeus ge leistet habe, führte der „Vorwärts" auch die Thätigkeit der Gewerkschaftsvereine an. In einem merkwürdigen Gegensatz zu demLobe, welches das socialdemokratischeBlatt in jenem Artikel den Gewerkschaften und ihren Bestrebungen zollte, steht ein Urtheil, das der „Vorwärts"jetzt über dieselben fällt. Das socialdemokra tische Centralorgan stellt fest, daß der letzte Gewerkschastscongreß, der vor einiger Zeit in Berlin abgehalten wurde, mit einem vollendeten Fiasko abgeschlossen habe. Darüber, schreibt der „Vorwärts" mit einer sehr bezeichnenden Spitze, sei die „deutsche classenbewußte Arbeiterschaft" einig. In den weiteren Ausführungen tritt dann der alte Gegensatz zwischen den Führern der politischen Socialdemokratie und den „Gewerk schaftern" recht deutlich zu Tage. Der „Vorwärts" hält das „negative Resultat des Congresses" für keine zufällige Er scheinung, sondern findet eS in den allgemeinen tatsächlichen Verhältnissen begründet. Für ihn ist eine Gewerkschafts bewegung mit „praktischen" Zielen neben der Existenz einer großen socialdemokratischen Arbeiterpartei nur in einem sehr beschränkten Maße möglich. So ganz freilich wagt das socialdemokratische Organ die Genossen, die in der Gewerkschaftsbewegung thätig sind, nicht vor den Kopf zu stoßen. Es erklärt so nebenbei, daß es den „Genossen", die durch „ihren Drang nach praktischer Thätigkeit" immer los so 104.30 I00.2S SI.KO SS,so Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen«Ausgabe, ohne Postbesörderuug 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 UhL Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je rin« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richte». «n per »r lull Redaktion und Expedition: JohanneSgafse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Filialen: ttto Nlemm'ö Sortim. (Alfred Hahn). Uviversitätsstraße 3 (Paulinum), LoniS Lüsche, Kathannenstr. 14, pari, und Königsplatz 7. l »is»o r s»,- j »?s!sö IS4,— 35»,— rock». ) O. r cr. io. > c». )(-. > o > o. l 0. > 0. 0. l 0. > 0. > 0. >0. n. ><Z. i 0. >O. -0. o. . 6. > 6. > s. > s. > b-6. 6, > 0. »0. 6. SS,— 101,70 102,80 W,— 101,70 102,80 Politische Tagesschau. * Leipzig, 25. Juli. Herr v. Kardorff hat sich durch das nationale Neife- zeugniß, das er dem Zentrum auSzuslellen sich gedrungen gefühlt hat, wider Willen das Verdienst erworben, die Centrumspresse zu einer Begehrlichkeit und Dreistig keit zu reizen, die selbst die alte Sehnsucht der „Kreuzztg." nach einem klerikal-conservativen Bündniß etwas abkühlt und am Ende wohl gar dem Aussteller des Zeugnisses selbst die Augen über den wahren Zweck der Mitarbeit des Centrums am Bürgerlichen Gesetzbuch öffnet. In besonders auffälliger und empörender Weise ist diese begehrliche Dreistigkeit hervorgetreten in Leu Bemerkungen, welche die ultramontane Presse an die Thatsache geknüpft hat, daß Professor Or. Oncken aus Gießen unlängst nach Wilhelmshöhe berufen worden war, um dort den kaiser lichen Prinzen Vorträge über Kaiser Wilhelm I. zu halten. Die „Köln. Volkszta." veröffentlichte einen spaltenlangen Artikel, um die „Unfähigkeit" des Gießener Professors für die ihm gestellte Aufgabe zu beweisen, und schloß ihre dreiste Einmischung in die Erziehung der kaiserlichen Prinzen mit der geradezu unqualificirbaren Bemerkung: „Die armen Prinzen, wenn ihnen im Geiste der vorstehenden Aus führungen Oncken's Geschichte vorgetragen werden sollte!" Und damit nicht genug; als Professor Oncken von Wilhclmshöbe wieder abreiste, wurde angedeutet, er habe seine Vorlesungen „abgebrochen". DaS sollte den An schein erwecken, die klerikalen Einsprüche hätten an der Stelle, auf die sie berechnet waren, Erfolg gehabt und zur Einstellung der Vorträge geführt. Diese perfide Insinuation hat hier und da die Besorgniß erweckt, entweder werde die Anschauung des Herrn v. Kardorff von der nationalen Reife des Eentrums an maßgebender Stelle getheill oder man habe sich dort durch die Einsprüche der ultramontanen Presse cinschüchtern lassen. Die „Magdeb. Ztg." hält sich daher heute für ver pflichtet, diese Besorgniß durch folgende Ausführung zu zer streuen : „Aus Cassel wird berichtet, daß Pros. Oncken seine Geschichts vorträge, die er den beiden ältesten Söhnen des Kaiserpaares über Kaiser Wilhelm I. halten sollte, abgebrochen habe und von Wilhelms- Höhe abgereist sei. Dieser Form der Meldung liegt die Voraus setzung zu Grunde, daß irgendwelche Einflüsse von außen her sich dabei geltend gemacht haben; deshalb kann die Nachricht in dieser Form unmöglich richtig sein. Die natürlichste Erklärung dürfte wohl die sein, daß Prof. Oncken den kaiser- 00,50 114 60 21^,40 144K0 M-° 124.50 S79.7S 2^3M isziss 107.20 55.50 114 »0 S»80 100.10 SIS,SS 10»,— 104,30 VS.40 die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reclamen unter dem RedactionSstrich (4ge- spalten) 50^, vor den Familiennachrichteo (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. -, N«Lli- kulMen ist« ckv kremU Zteiix. SS'« >0. 84'1. 64-» 26'« SS 30", 12-, 3,06 s) 101 ! Auf dem die Aktiengesellschaft in Firma Kredit- und Spar- Bank in Leipzig betreffenden Fol. 7041 des Handelsregisters für den Bezirk des unterzeichneten Amtsgerichts ist heute eingetragen worden, daß die in der außerordentlichen Generalversammlung vom 10. Juni 1806 beschlossene Erhöhung des Grundcapitalcs um 2'/r Millionen Mark, zerlegt in 2500 auf Inhaber lautende Actien zu 1000 ./L, stattgcsundcn hat und daher die Einlage der Actionaire nunmehr 10000 000 ./l, zerlegt in 10 000 aus Inhaber lautende Actien zu 1000 beträgt, sowie daß der — von der Höhe des Grundcapitalcs und der einzelnen Actien handelnde — 8 3 des Geselljchastsvertrags durch Beschluß der außerordentlichen General versammlung vom 10. Juni 1896 abgeändert worden ist. Leipzig, den 23. Juli 1896. Königliches Amtsgericht, Abth. Ib. Reg. Ib, .-1. 3647/96. Mohrmann. und daß eine zweite Fortsetzung 1897 verabredet worden wieder zu dem Versuche geführt würden, neben den „weit- ausschancnden Zielen" der politischen Partei „kleine Ver besserungsversuche" zu unternehmen, keinen Vorwurf machen wolle; man könne die Bewegung sogar, wenn sie sich „inner halb der nothweudigen Grenzen" halte, unterstützen, aber die praktischen Verb esse ruugs versuche zu Gunsten der Arbeiter dürften „nur nicht zur Hauptsache" werden. Verständlicher konnte von leitender Seite in der Social demokratie dem „Gewerkschaftsduscl" der Absagebrief nicht geschrieben werden. Die Auslassungen des socialdemokratischen Hauptorgaus beweisen wieder einmal deutlich, daß die prak tische Arbeit zur Verbesserung des Looses der arbeitenden Elasten bei der politischen Socialdemvkratie keine Stätte findet. In Frankreich haben die Führer der deutschen Social demokratie eine Kundgebung provocirt, die sich in gleicher Weise gegen die internationale Socialdemokratie, wie gegen Deutschland richtet. In ausführlicher tele graphischer Mittheilung berichteten wir bereits im heutigen Morgenblatt über die Straßeudemoiistrationeu in Lille anläßlich der Ankunft Liebknecht's, Singer's, Fischcr's und Bebel's zum 11. französischen Arbeitercvngreß und theilen zunächst die uns heute über den Schlußact des für die vater- landSlosen Herren aus Deutschland sehr überraschend ge kommenen Spectakelstückes vorliegenden Nachrichten in Fol gendem mit: * Lille, 24. Juli. Während der heutigen Schlußsitzung des Arbeitercongresjes im Theater hatte sich eine große Menschen, menge in der Umgebung desselben angesammelt. In den benachbarten Cafes fanden einige Raufereien statt. Als die einzelnen Trupps von Socialisten das Theater verließen, zischte und pfiff die Menge und stimmte die Marseillaise an. Eine von Studenten getragene Tricolore wurde beifällig begrüßt. Auch der Gendarmerie wurde Beifall gespendet, wenn sie einzelne Trupps ausforderte, weiterzugchen. Später setzten sich jedoch die Kundgebungen und Mausereien fort. Die antisocialistische Volks menge zog vor die Häuser des Bürgermeisters und seiner beiden Beigeordneten und zertrümmerten die Fensterscheiben. ES fanden mehrere Verwundungen statt, auch ivurden mehrere Ver haftungen vorgenommen, von denen 21 aufrecht erhalten wurden. Ein Cafö am Bahnhofsplatze wurde vollständig ver wüstet. Ter Redacteur der „Depesche", Boulanger, wurde durch einen Schlag schwer verletzt. Schließlich wurde die Ordnung wieder hergestellt. Auch über die Beurtheilung, welche die Liller Vorgänge in officiösen Pariser Kreisen findet, sind wir bereits unter richtet durch folgende Meldung: p. Paris, 25. Juli. (Privattelegramm.) Der „Temps" sagt über die Ruhestörungen in Lille: Wenn die deutschen Socialisten mit Zischen und Pfeifen begrüßt wurden, so müssen sie dies aus Rechnung der unklugen Herausforderung von Seiten ihrer fran- zösischcn Brüder setzen. Die Kundgebungen waren gegen die Haltung der Gemeinderäthe gerichtet, welche, kaum gewählt, ihr erstes Lächeln und ihre wärmsten Sympathien Denen bieten, deren Namen und deren Sprache an die Zerstückelung des Vaterlandes erinnert. Tie Deutschen selbst waren hier in Wirklichkeit ganz außer dem Spiel. Es ist ja verständlich, daß der dem Minister des Aus wärtigen, Hanotaux nahestehende „Temps", einmal um den Deutschen die Ausstellungslaune nicht zu verderben und viel leicht auch aus Besorgniß vor deutschen Recriminationen ! VS7.S0 64,06 600,— i IOS,— ! 26,25 Anzeiger. Arntsvlatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Ratljes nnd Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. lichen Prinzen nur einen Abriß der Regierungszeit des ersten deutschen Kaisers gegeben hat und daß eine wei tere A usdeh uung der Vorträge gar nicht beabsichtigt gewesen ist, da den beiden Prinzen ihrer Jugend wegen eine ganz eingehende Dar stellung des Lebens ihres Urgroßvaters, die doch immer zu einer Schilderung der politischen Geschichte des Jahrhunderts werden müßte, gar nicht geboten werden sollte. Mit einer kaum glaublichen Anmaßung habe» es die Blätter vom Schlage der „Germania" fertig bekommen, Aeußerungen der Entrüstung darüber zu machen, daß der Kaiser gerade den Prof. Oncken, der einer der besten Kenner der neueren deutschen Geschichte und ein glänzender Redner ist, dazu ausersehen habe, seine Söhne mit dem Leben ihres Urgroßvaters bekannt zu machen. Die uitramontanen scheinen zu verlangen, daß die deutsche Geschichte künftighin nnr auf Grund der Forschungen Janssen's dem jungen Geschlechte gelehrt werde. Die Aufklärung über jene Mittheilung der Presse wird hoffentlich nicht ansbleiben, es wird sich dann sicher Herausstellen, daß die Erziehung kaiserlicher Prinzen eine Angelegenheit ist, in welche die Ultramontanen nicht dreinzuredcn haben." Wir sind in der angenehmen Lage, die in der „Magdeb. Ztg." gewünschte Aufklärung zu geben. Herr Professor Oncken theilt uns auf Befragen mit, „daß die Vorträge über Kaiser Wilhelm I., die er am 15. und l6. Juli auf Schloß Wilhelmshöhe zu halten berufen war, die erste Fortsetzung derjenigen bildeten, die er am 21., 25. und 26. Juni in Ploen gehalten hat, auf Anfang Januar ist". Bündiger konnten die Ausstreuungen über einen ans äußere Einflüsse zurückzusührenden Abbruch der Ver träge nicht widerlegt werden. Herrn Professor Oncken, der einer der gründlichsten Kenner und infolge dessen einer der schärfsten Gegner des UltramontanismnS ist, werden diese Aus streuungen neues Material zur Beurtheilung der ultramon- tancn Ziele und Machenschaften liefern; sollte er im Januar nächsten Jahres bei der Fortsetzung seiner Vorträge auch das Eentrum berühren müssen, so wird er gewiß das Zeugnis; des Herrn v. Kardorff nicht durch seine Autorität stützen. Bezugs-Preiä t« der Hauptexpeditiou oder den im Stadt- oe»irk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgebolt: vierteljährlich ^l! 4.50, bet zweimaliger täglicher Zustellung ins LauS 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandsenduug in- Ausland: monatlich 7.50. vielleicht fragen, was daran liegt, wir wissen nicht genug von dem, was hinter dem Geheimniß steckt, und darum will ich nicht, daß noch mißliche Eventualitäten auftauchen. Der Zu fall spielt oft wunderbar mit — und ich bitte, mir zu er lauben, mit dem alten Mädchen da nach meinem Belieben zu verfahren." „Thun Sie, was Sie wollen", entgegnete ich zerstreut. „Uebrigens können wirS doch nicht geheim kalten. Sie haben etwas Wichtiges vergessen. Der falsche Trent, der falsche Goddedal und die ganze höllische Bande ist ja angeblich auf ihrem Heimwege. Wenn wir richtig folgern, wird keiner von ihnen wirklich daheim eintreffen. Glauben Sie, daß dieser Umstand unbeachtet bleiben kann?" „Es sind eben Matrosen, nichts als Matrosen", sagte der Capitain, „wenu alle das gleiche Endziel hätten, müßte ich Ihnen Recht geben; aber da jeder einem andern Orte an gehört, — Hüll, London, Schottland, Schweden — ist'S was Anderes. Was zählt ein einzelner Matrose? Wer kümmert sich um ihn? Er kann ertrunken oder irgendwo zurück gelassen worden sein — das richtige Ende für eine Theer)acke!" Die Bitterkeit, mit der er dies sagte, ergriff mich seltsam, und ich rief: „In 'Friöco ist auch einer zurückgelassen worden und zwar von mir! Ich kann den Gedanken nicht ertragen, Jim mit diesen Ergebnissen unter die Augen zu treten!" „Wissen Sie was?" sagte Rares tactvoll. „Ich kehre jetzt wieder zurück, denn wenn wir morgen die Anker lichten wollen, giebts auf der „Norah" noch mancherlei zu thun. Ertheilen Sie Ihren Gedanken noch ein Weilchen Audienz, und ich will Sie zum Nachtessen abholen lassen!" Ich begrüßte diesen Vorschlag freudig. In meiner jetzigen Stimmung wäre das Alleinbleiben mit einem Sonnenstich nicht zu theuer erkauft gewesen, und bald befand ick mich auch allein auf dieser unglückseligen Insel. Ich beschäftigte mich im Geiste mit Jim und Mamie, mit unserem verlorenen Vermögen und unseren getäuschten Hoffnungen. Ich dachte an die Zukunft, die so traurig vor mir lag. Ich sah mich als subalternen Beamten freudlos und unbeachtet dahin vegitiren bis zu meinem letzten Stündlein. Ich war so sehr in meinen Kummer versunken, daß ich kaum des WegeS achtete. Der Zufall lenkte meine Schritte auf einen Theil der Insel, wo eS nur wenige Vögel gab, und ich erstieg ohne Störung die höchste Spitze beS Landes. Hier wurde ich durch eine letzte Entdeckung zur Wirklichkeit zurückgerufen. Der Fleck, auf dem ich stand, war eben und bot mir eine umfassende Aussicht über die Lagune, das begrenzende Riss nnd den runden Horizont. Ganz nahe erblickte ich rie Schwesterinsel, das Wrack, die „Norah Creina" und unser Boot, das mich offenbar abzuholen kam, denn die Sonne stand schon ganz niedrig und beleuchtete daS Meer mit flammendem Schcidegruß. Trotzdem meine neue Entdeckung ergreifend und bedeutsam war, batte ich keine Zeit, sie weiter zu prüfen. Sie bestand in einem Haufen schwarzer Asche, die von einem Wrackfeucr herrübrte. Nach allen Anzeichen mußte eS hoch aufgelodcrt und Tage lang gebrannt haben. AuS der BootSklampe einer Spiere, die halb verkohlt dalag, folgerte ich, daß daS Feuer daS Werk mehrerer Personen gewesen sein müsse, und vor meinem Geiste tauchte sofort eine Gruppe Gestrandeter auf, die obdachlos in dem weltverlorenen Winkel gelagert und ein Signalfeuer unterhalten batten. Ein Ruf auS dem Boote drang zu mir, ich brach sofort aus und sagte, hoffentlich für immer, dem verlassenen Eiland Lebewohl. 15. Capitel. Die letzte Nacht auf Midway schlief ich sehr schlecht. Am Morgen, nachdem die Sonne bereits aufgegangen war und auf Deck die geräuschvollen Vorbereitungen zur Abfahrt be gonnen hatten, lag ich lange im Halbschlummer befangen da. Als ich endlich zum Vorschein kam, drängte der Schooner sich schon durch den Engpaß in die offene See hinaus. Zwischen der Bordwand nnd dem Riff brach sich eine riesige Sturz welle mit gewaltigem Getöse, während ich rückwärts daS Wrack eine dicke Rauchkette in die Morgenluft hincinblasen sah. Die Ringel des Rauchs nahmen bereits eine Richtung stark leewärts an, im Oberlicht der Cajüte waren Flammen sichtbar und die Seevögel flogen verblüfft weit auseinander. Je weiter wir uns entfernten, desto höher schlug daS Feuer aus der „Fliegenden Lerche" empor, und wir konnten schon längst keine Spur der Insel mehr wahrnehmen, als wir am Gesichtskreis noch den Rauch bemerkten. Nun fuhr die „Norah Creina" 11 Tage lang durch eine öde Welt von Wolken und Wasser, bis wir endlich der kahlen Berge von Vahu ansichtig wurden, frob, das Wrack ver brannt und dadurch dessen düsteres Geheimniß für die meisten Menschen unenthüllbar gemacht zu haben. Seither habe ich oft mit Vergnügen an diese Vernichtung aller verrätherischer Spuren zuruckgedacht. Es war bei Tagesanbruch, als wir Hawaii erblickten. Wir hielten uns der Küste möglichst nahe, erfreuten un« wegen der in der krassesten Form des Chauvinismus in Scene gesetzten deutsch-feindlichen Kundgebungen die Sache so dar zustellen sucht, alsrichte sich der explosive Ausbruch dernationaleu Leidenschaft in Lille nicht gegen die Person der Deutschen als solche, sondern gegen den Mangel an Patriotismus bei der Liller Stadlvertretung, welche den „Zerstückelern" Frankreichs Sympathien entgegengetragen habe. Allein im Grunde kommt es doch auf dasselbe hinaus, ob nun der socialistische Bürgermeister und sein Anhang oder ob die socialistische:: Deputieren von jenseits der Vogesen, die Deutschen, mir Schimpf und Schande überhäuft wurden. Es hätte weder daS eine noch das andere geschehen können, wenn nicht der Deutschenhaß und die Revanchelust in Lille bis zum Explodiren erhitzt gewesen wären. Das ist das Be ¬ denkliche, bedenklich um so mehr, als in letzter Zeil nicht nur französische Militairs in hoher Stellung wieder- bolt in das Alarmborn geblasen haben, sondern auch in der Negierungspresse gegenwärtig chauvinistischeFederu ungenirt sich breit machen. Dazu kommt, daß tatsächlich die Ausschrei tungen in Lille nicht in erster Linie der Municipalität, sondern den deutschen Delegirten galten, die, um ihr Leben zu sichern, sich auf Umwegen und durch Hinterthüren nach und von dem Congreßlocal zur Mairie begeben mußten. Und zu alledem war die Eruption des Deutschenhasses eine so elementare, so gewaltige und so intensive, daß sie nur auS einem die Nation absolut beherrschenden Gefühl erklärt werden kann. Wenn es aber in Frankreich so bestellt ist, wenn Leute, wie die deutschen Socialdemvkraten, die Elsaß-Lothringen an Frankreich aus znlicfern, sich bereit erklärt haben und denen es auch auf di Pfalz und ein Stück Nhcinpreußen nicht ankäme, in Franl- reich nicht in Frieden gelassen fragen, wie wird es den im Jahre 1900 ergehen? noch eine andere Seite. Die von Lille wählt socialistisch. der Schauplatz einer großartigen Kundgebung aus dem Grunde geworden, weil die französischen Socialistenführer, um ein glanzvolles Vorspie, zum Londoner Socialistencongreß auszuführen, einen Augen blick ihre nationale und deutschfeindliche Gesinnung ve: leugneten und die socialdemokratischen Größen Deutschlandc- alS Gäste empfingen. Tie Masse kehrte sich gegen die Führer, die rothe Fahne wurde zu Ehren Frankrcicbs und der Revanche zerrissen, Leute wie Singer und Liebknecht mußten eS erleben, daß ihr Haß gegen den deutschen Natiomst- slaat verkannt und die demüthig erbettelte Gunst der französischen socialdemokratischen Arbeiter ihnen verweigert wurde. Umsonst hat Liebknecht die Entstehungsgeschichte dcS französischen Kriegen gefälscht und das AndenkenKaiser Wilhelm's und der Gefallenen von 1870/71 geschmäht, umsonst hat er den Anspruch Frankreichs auf Elsaß-Lothringen anerkannt, umsonst ist er auch in Lille mit seinem zwei „Jahren Gefängnis; wegen Elsaß-Lothriugens" hausircn gegangen, die französischen. Socialdemokraten glauben bei diesen Deutschen nicht an Ge fühle, denen ihre eigenen Herzen selbst verschlossen sind. Sic erweisen sich hierin als schlechte Psychologen, sie haben sich aber ein Verdienst erworben, indem sie dem deutschen Arbeit:-, abermals zeigten, daß seine Verführer ihn belügen, wenn sie versichern, die französischen Socialisten seien gleich ihnen Verächter des vaterländischen Gedankens und Feinde der Armee. Aus der Hinler- thüre, durch die sick die deutschen Socialdemokraten dem An blick der Fabrikarbeiter von Lille entziehen mußten» dringt ein Licht, das wohl auch manchen „zielbewußten" deutschen Arbeilerkopf erleuchten wird. Der „Vorwärts" sucht selbst habe die Geschichte von allen Seiten reiflich erwogen. Es steckt sicherlich eine Schurkerei dahinter; aber selbst wenn Sie die saubere Truppe ausfindig machten, würden unö die eigentlichen Helden des Stückes mit ihrem Geheim niß durch die Finger schlüpfen, und wir könnten nur die schafsköpfigen Statisten, die von dem Kern der Sache keine Ahnung haben, beim Kragen fassen. Sie wissen, daß ich von den HandelStbeerjacken im Allgemeinen nicht viel halte, aber die armen Teufel müssen eben stehen, wo man sie hinstellt, und gehen, wo man sie hingehen heißt. Wenn Sie Lärm schlagen, werden Sie, da wette ich Zehn gegen Eins, zu Ihrem Schrecken erleben, daß die Unschuldigen daS Bad ausgießen müssen. Ganz anders verhielte eS sich, wenn wir der Geschichte auf den Grund gekommen wären. Ta dies nicht der Fall ist, ist es besser, schlafende Hunde nicht wecken." „Sie sprechen, als ob dies in unserer Macht läge!" warf ein. „Gewiß!" entgegnete er zuversichtlich. „Wie wollen Sie es anstelle», der Mannschaft, die ebenso viel weiß, wie wir, das Maul zu stopfen?" „Ganz einfach! Wär' nicht übel, wenn ein Capitain nicht könnte. Vor Allem werde ich sie getrennt ihre Erlebnisse ausplandern lassen, wenn sic überhaupt plaudern wollen. Wenn eine ganze Mannschaft an einem und demselben Orte dieselbe Geschichte erzählt, so spitzen die Leute die Ohren und schenken ihr auch Glauben; thut es aber eine einzelne Seeratte, dann hält man es für gewöhnliche Aufschneiderei. Doch kann ich es auch so einrichten, daß sie mindestens sechs Monate oder, wenn wir Glück haben und auf einen Wal fischfänger stoßen, drei Jahre schweigen. Mittlerweile ist die Geschichte veraltet." „Sie glauben also, daß wir die Geschichte geheim halten können?" „Es giebt nur ein Wesen, das in bedenklicher Weise schwatzen könnte, freilich bleibt dem kaum mehr etwas zum AuSplaudern übrig." „Und wer wäre daS?" „Dies alte Mädchen hier!" Und er deutete auf das Wrack. „Es befindet sich zwar in einem jammervollen Zu stand und es ist nichts mehr dran, aber das Unerwartete pflegt bekanntlich am ehesten einzutreffen. Jemand könnte auf dieser gottverlassenen Insel landen, auss Wrack walzen, das wir von unterft zu oberst gekehrt, und irgend etwas finden, das die ganze tolle Geschichte erklärt. Sie werden Jim pinkerton und ich. Roman von R. L. Stevenson und Lloyd Lsbourne. 24j Autorisirte Bearbeitung von B. Kätscher. Nachdruck verboten. Sähe ich doch nur den kleinsten Hoffnungsschimmer und könnte das Zuwarten etwas nützen, ich würde von diesem verfl .... Riff nicht Weichen. Und wenn wir Alle darob verhungern müßten!" Vergebens versuchte ich ihm für seine woblthuenden Worte zu danken; er unterbrach mich sofort: „Ich habe Sie nicht ans Land gebracht, um mein Lob zu hören. Wir beide verstehen unö jetzt, das genügt, und ich glaube, daß Sie mir vertrauen können. Was ich Ihnen eigentlich sagen wollte, ist wichtiger und muß reiflich über legt werden. Was soll nun mit der „Fliegenden Lerche" und ihrem Schanerroman geschehen?" „Daran habe ich wirklich noch gar nicht gedacht", ent gegnete ich, „aber ich habe die Absicht, die Geschichte nicht ruhen zu lassen. Wenn dieser untergeschobene Capitain Trent auf der Erdoberfläche zu finden ist, werde ich ihn finden!" „Nichts leichter als das! Sie brauchens nur an die große Glocke zu hängen. Die Berichterstatter werden sich eine so merkwürdig verwickelte Geschichte nicht entgehen lassen; die Zeitungen werden spaltenlange Telegramme und Leitartikel mit fettgedruckten Titelköpfen bringen. Der falsche Trent wird eS in irgend einer mexikanischen Schenkstube zu lesen bekommen, den falschen Goddedal wird es in einem Winkel der Ostsee aus seiner Ruhe aufscheuchen, Hardy und Browe werden vielleicht zu Tode erschrecken. Kein Zweifel, Sie können einen regelrechten „Jüngsten Tag" heraus beschwören, wenn Sie wollen. Ich weiß nur nicht, ob Sie nach reiflicher Ueberlegung dazu Lust haben würden." „Ich habe durchaus nicht die Absicht, mich und Pinkerton öffentlich bloßzustellen. Es ist ja so moralisch, Opium zu schmuggeln, und so klug, für ein todtes Pferd 50 000 Dollar zu bezahlen!" „Die Veröffentlichung würde Ihnen auch geschäftlich schaden, daS ist gewiß, gab NareS zu, und ich freue mich, daß Sie die Sache von diesem Standpuncte auffassen. Ich los,- tt. o. o.
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