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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.07.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960727022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896072702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896072702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-07
- Tag1896-07-27
- Monat1896-07
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atter, unsere Di« Morgen-A»Sgab« erscheint um '/,7 Uhr. dir Abrnd-AuSgabe Wochentag« um b Uhr. ntag Rach- stalt. ui» erbliebenen.' itsr iesem Wege Nedartion und Erpeditio»: JohanneSgaffe 8. DieExpeLition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnrt von früh 8 bi« Abends 7 Uhr. BezugS'PreiS dl dir Hauptexpedltlon oder den im Stadt- b«irk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgebolt: vierteljährlich bei zweimaliger täglicher Zustellung inS von« b.öO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich vierteljährlich »i S.—. Direkte tägliche Kreuzbandiendunq tu« Ausland: monatlich 7.bO. stallcr, vo» Beer- Ild unter gütige Anf- fernsprech- kinrichtttiig nicht orlmnöcn. Filialen: vtt» Klemm'« Sortim. (Alfred Hahn). Uuiversitätsstraße 3 (Paulinuin), LoniS Lösche, Kathartnenstr. 14, Part, und KönigSvlah 7. Abend-Ansgabe. KlPMer TaWblalt Anzeiger. NmlskkM des Äönigkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Molizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Montag den 27. Juli 1896. Anzeigen.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Nrclamen unter demRrdaciivnSslrich («ge spalten) 50/H, vor den Familiennachrichtei» (6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem PreiS- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernja- nach höherem Tarif. vrtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördcrung 60.—, mit Postbrförderung 70.—. Ännahmeschluß fiir Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine kalbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au di« Expedition zu richten. *0—0* Druck nnd Verlag von E. Polz in Leipzig SV. Jahrgang. , Irlsoli-IL«». itiiel. Für Herren i v. 1-4 Uhr täglich. ;u jeder Tageszeit, u. Sonnab. v. reit. v. '/,2-ö Ulir. ,Freit.'/,9-ltsr.ih inab.V.2-5Nachiii Tl. 1.50. Abt. 1.25 I !>assiitS. Damen nabend von '/I sreitagv. V.2-5 Ü. onnabend2-'/„5ll. tag '/,9—1l Uhr. !. Damen: 1-4 Nm. reit. '/,2-5 Nachni. b. '/.9-V,1l Borin nadcloampfbiio Erkältunasleid. r: nen- u. Sitzbäder, 8.u.a.m.Prosp.gr. T. V. Liesmann. T. V. Strobel, tchen und Linsen 'cher oder mili- die Thatsache» Werk stolz sein, den europäischen tigen und festen Klugheit, seiner >e die ihm zu- nen und werde :r ziehen, dessen n Beweis der Europa, ein- an Stelle der ! Politik gesetzt, Indem Frank- re 1900 einlud. Jahre geweiht. , erwarte Alles kelung beweise, walle. zte gestern den 'es Ausfuhr ¬ LV, Uhr brach altungsbureaus Feuer aus. örden und eine ndstätte. Das :r König, der Minister begaben zte den König nan Herr des :n der Hälfte n mit 20 608 Socialisten cr- chwahl zwischen schen Klerikalen politische Tagesschau. * Leipzig, 27. Juli. Wie der Telegraph bereits gemeldet hat, wird in einer von dem „Berl. Tagebl." veröffentlichten Zuschrift ein neuer Afrtkaner-Procetz in Aussicht gestellt, der „die Processe Leist, Wehlan und PeterS weit in den Schatten stellen" werde. Da zu erwarten ist, daß die Gegner unserer Colonialpolitik der Sache mit Eifer sich bemächtigen werden, so sei die Zuschrift wörtlich mitgetheilt. Sie lautet: „Friedrich Schröder, Beamter der „deutsch-ostafrika nischen Plantagengesellschast", ist Ende v. M. auf Befehl der deutschen Gerichtsbehörde in Buschirihof am Pangani- flusse (Deutsch»Ostafrika) durch ein Lommandv Soldaten der deutschen Schutztruppe verhaftet worden. Da er Wider stand leistete, so wurde er aus Befehl des führenden Unter- osficiers in Eisen gelegt und direkt nach dem Küstenorte Pangani transportirt. Von dort ging es unter strenger Be wachung auf einem Dampfer nach Tanga. Hier nun wird ihm wegen zahlreicher Vergehungen der Proceß gemacht werden. Be- sonders werden ihm schwere Mißhandlungen mit tödtltchem Ausgange zur Last gelegt. Schröder befindet sich schon lange Jahre in Deutsch-Ostasrika. Er ist an der ganzen ost afrika nischen Küste wegen seiner Brutalität berüchtigt und verhaßt. Am bekanntesten wohl ist jene unglaubliche Affarre, die ihm den Namen „Flaschen-Schröder" verschaffte. Im Jahre 1889 saß er in einer Kneipe in Zanzibar und zechte. Ein junges Negermädchen schaute neugierig zum Fenster hinein. Da schleuderte Schröder dem Mädchen eine Bierflasche an den Kops und verletzte es schwer. Diese Brutalität hätte beinahe eine allgemeine Europäerhetze in Zanzibar zur Folge gehabt. Die Schwarzen bestrafte Schröder am liebsten dadurch, daß er ihnen die Hände in einer Copirpresse quetschte, bis das Blut hervorquoll, und die Leute in dieser Situation stundenlang stehen ließ. Noch viele ähnliche Dinge werden von Schröder erzählt. Jetzt endlich hat ihn sein Schicksal erreicht. Kundige Leute versichern, der Proceß Schröder werde die Processe Leist, Wehlan und Peters weit in Schatten stelle». Schröder war der „Generalvertreter" der obengenannten Gesell schaft, deren Director sein Bruder, der bekannte Cvlonialpolitiker Peters'scher Observanz Vr. Schröder-Poggclow, ist. Aus Plantage Lewa, wo Schröder früher lebte, haben bereits zahlreiche Vernch- mungen stattgesundeu. Der Regierungsassessor Freiherr v. Reden, kaiserlicher Richter in Tanga, führt die Untersuchung. Die deutschen Beamten, die Eingeborenen und die fremden Arbeiter, Chinesen und Javanen, haben bereits ihre Aussagen gemacht. Die Vernehmungen erfolgten in fünf Sprachen. Man darf »unmehr wohl hoffen, daß die Colonie endlich von diesem Wütherich befreit wird." Woher diese Zuschrift stammt, sagt das „Berl. Tagebl." nicht; auf den Zweck aber, den der Urheber bei seiner Mittheilung verfolgt, wirft die Thatsache ein bezeichnendes Licht, daß er eine „Affaire", die er selbst als „unglaublich" bezeichnet, mit einer Bestimmtheit schildert, als wäre sie eine erwiesene Thatsache, und daß er ferner glauben machen will, die deutsche Gerichtsbehörde habe Jahre lang gegen solche „bekannte Thalsachen" die Augen verschlossen. Der Verfasser behauptet das allerdings nicht ausdrücklich, aber er sagt es zwischen den Zeilen. Und was er errathen lassen will, das erklärt der bekannte Herr Eugen Wolf, den das „Berl. Tagebl." wegen Schröder's interpellirt hat, offen; ja er geht noch weiter, indem er den Privatbeamten der „deutsch ostafrikanischen Plantagengesellschaft" als das Opfer der deutschen Reichsbeamten in Deutschostafrika dar stellt. Er theilt nämlich dem „Berl. Tagebl." mit: „daß er Herrn Schröder seit 1889 persönlich kenne, und daß, wenn er sich Ausschreitungen habe zu Schulden kommen lassen, dies auf die Behandlung zurückzuführen sei, die er von einem Theil der in der Colonie angrstellten Beamten zu erfahren hatte. Die Beamten haben cS nicht verstanden, ihn richtig zu behandeln. Mit Major v. Wissmann ist Schröder stets gut ausgeko mmeu. Eine Zeit lang ging der Dünkel ein zelner Colonialbeamter so weit, daß man von den Civilistcn ver langte, sie müßten vor den Beamten stramm stehen und sie grüßen. Ein Mann wie Schröder, der sich seine praktischen Ersah- rungen im Plantagenban in langjährigem Aufenthalt aus Sumatra gesammelt hat, ein Mann wie Schröder, der bei einer kolossalen Arbeitskraft und Arbeitslust Unglaubliches auf Lewa geschaffen hat, der an volle Freiheit gewöhnt war, von dem konnte man nicht er- warten, Laß er vor Beamten stramm stehe. Ich zweifle nicht daran, daß man es schon lange versucht hat, Schröder etwas am Zeuge zu flicken. Ich Willes nicht in Abrede stellen, daß Schröder in Zanzibar einem Mädchen eine Bierflasche an den Kopf geworfen hat. Ich kenne Beamte, die draußen noch ganz andere Dinge gethan haben, aber daS muß ich doch sagen, das ich es ab- solut nicht glauben kann, daß sich Schröder derartige Grausamkeiten wie die, von denen Sie mir soeben erzählen, sich habe zu Schulden kommen lassen; denn Schröder ist von Natur außerordentlich gutinüthig veranlagt — das Zeugniß werden ihm Alle, die mit ihm aus anständige Weise in nähere Berührung gekommen sind, ansstellen. Ich glaube nicht, daß der Proceß Schröder, wenn es überhaupt zu einem Proceß kommen sollte, Len Proceß Leist in Schatten stellen wird. Sollte Herr Schröder in Eisen gelegt worden sein, so ist dies meiner Ansicht nach ein zweite.r Fall Stokes, und ganz Deutschland müßte sich dessen schämen. Ich will zur Cbre der Osficiere unserer deutschen Schutztruppe in Ostafrika annehmen, daß Schröder nicht in Eisen gelegt worden ist. Schröder hat durch den ununterbrochenen langjährigen Aufenthalt in einem so heißen Klima wie Lstasrika unter den größten Entbehrungen, immer auf dem Boden lebend, der neu umaeworsen und aufgeworfen war, schwer gelitten, nnd wenn er strafbar sein sollte, so müssen jedenfalls auch seine Leistungen, wie sie kein zweiter Europäer außer Wissmann in Ostasrika anf- wciscn kann, dabei in Betracht gezogen werden." Herr Eugen Wolf erklärt also die „unglaubliche" Bier- flaschen-Affaire für glaublich, aber meint, es hätten „Beamte" noch ganz andere Dinge gethan. Diesen „Beamten" wird also vorgeworfen, sie hätten im Bewußtsein eigener, noch größerer Schuld die Augen zugedrückt, und hinzugefügl wird, sie hätten den „außerordentlich gulmüthigen" Mann erst durch brutale Behandlung znm Wütherich gemacht und endlich wohl gar ihn grundlos verdächtigt, um ihm „etwas am Zeuge zu flicken". Rach Herrn Eugen Wolf sollte also nicht Schroder der Proceß gemacht werden, sondern den deutschen Colonialbeamten in Deutschostafrika. Auch wir wünschen, daß das gerichtliche Verfahren auf Alle ausgedehnt wird, auf die der Verdacht brutaler Behandlung Farbiger oder Weißer sich lenkt. Aber wir hoffen auch ferner, daß der Arm der strafenden Gerechtigkeit alle Diejenigen er reicht, die so beklagenSwerthe Vorfälle in nuferen Colonien auS irgend welchem Grunde aufbanschen und mit ver leumderischen Zuthaten ausschmückcu. Die Processe Leist und Wehlan haben leider bewiesen, daß eine Zeit lang die nöthige Vorsicht bei der Besetzung von Beamtenslellen iii unseren Colonien nicht beobachtet worden ist, aber sie haben auch bewiesen, daß die bcklagenswerthen Thatsache» aus Uebereifer oder Gehässigkeit von den Zeugen und Exporteuren übertrieben worden sind. Solche gehässige Uebertreibungen verdienen kaum mildere Strafe, als die brutalen Handlungen. Im vorliegenden Falle handelt es sich ganz offenbar um Zusammentragung und tendenziöse Ausbeutung noch unbewiesener Gerüchte, mit deren Verbreitern und Aufbauschern ebenso unuachsicktlich inS Gericht gegangen werden sollte, wie mit Schröder und Allen, die an seinen erweislichen Grausamkeiten einen Schuld- antheil tragen. Während noch um die Frage gestritten wird, wie Herrn Stöckcr's neue sociale Gründung mit den älteren Gründungen ähnlicher Art in die Aufgabe sich theilen soll, mit der Tocialöcmokratic nm die Seelen der Arbciterbevölkerung zn ringen, kommt auö dem socialdemokratischen Lager eine sehr lehrreiche Kundgebung über das Programm und die Ziele dieser Patei. Die „Germania" berichtet nämlich: „In Essen begann am 19. d. M. der socialdemokratifche Reichs- tagsabgeordnete Lütgenau eine Reihe von Vorträgen znr Er- örlcrung Lcs Erfurter Parteiprogramms. Am Schlüsse seines ersten Doriragcs sagte er: Nn» stelle man häufig die Frage, welchen Staat denn die Socialdemvkratie an Stelle des heutigen setzen wolle. DaS sei eine ganz müßige Frage. Ein. Pro gramm dafür habe die Socialdemokratie nicht, wenn auch der einzelne Genosse darüber seine persönlichen Ansichten habe. Vorläufig erstrebte sie die Beseitigung des heutigen Staatswesens, die sie mit Sicherheit erreichen würde, nnd dann würde die neue Ordnung der Tinge sich zur rechten Zeil schon ergeben." Etwas Neues enthalten die Worte des Herrn Lütgenau allerdings nicht, denn Aehnlickcs hat schon vor einigen Jahren Herr Bebel gesagt, als man ihm in mehrtägiger Debatte im Reichstage wegen deS Zuknnftsstaates die Pistole auf die Brust setzte. Und wer die focialdemokratiscke Agitation seit Jahren aufmerksam verfolgt hat, wußte längst, daß sie die Zerstörung der bestehenden staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung anstrebt, ohne zu wissen, wie später wieder aufgebaut werden soll. Aber cs ist vielfach vergessen worden, besonders von den Gesinnungsgenossen der „Germania", die bei Stichwahlen den socialdemokratischen Candidaten zu Mandaten verhelfen haben, und häufig auch von Herrn Stöcker'S ehemaligen und jetzigen christ lich-, evangelisch- und kirchlich - socialen Freunden. Wir meinen, alle drei Richtungen könnten sich unschwer über die gemeinsame Aufgabe verständigen: das socialdemo kratische Ziel, erst den „großen Kladderadatsch" berbei- zusühren nnd dann im Trüben zu fischen, der Arbeiterwelt nicht nur, sondern der Welt überhaupt recht klar und deut lich vor Augen zu führen. Es würde damit gar manches dieser Augen, die jetzt von trügerischen Zukunftsbildern sich umnebeln lassen, sich öffnen und auf erreichbare Ziele sich lenk-n lassen. Und daS ist die dringlichste Aufgabe. Wer nicht mit voller Klarheit siebt, welche Zustände entstehen müßten, wenn die socialdemokratischen Führer ihren nächsten Zweck erreichten, wird sich durch keine noch so lockenden Hinweise auf wirklich erstrcbenswerthe und durchführbare Reformen aus der socialdemokratischen Umgarnung herausreißen lassen, und wer ein von Unkraut überwuchertes Feld zu einem fruchttragenden umgestalten will, muß erst das Unkraut mit Stumpf und Stiel anstilgen. Aber von solcher Tilgungsarbeik sieht man leider in jenen Kreisen, die es als ihre Hauptauf gabe bezeichnen, die Seelen aus der Umgarnung der Social demokratie zu retten, herzlich wenig, am wenigsten dann, wenn sie über ihre Programme streiten. Um so häufiger aber hört man Vorwürfe gegen Diejenigen, die angeblich den „be rechtigten Kern" in der socialdemokratischen Bewegung nicht schen wollen, in der Thal aber den unberechtigten, die schwerste Gefahr für Staat, Kirche und Gesellschaft bergenden nur zu deutlich sehen und von den Schönfärbereien einzelner kluger Agitatoren sich nicht blenden lassen. War schon die von den d rutschen Socialistenführern auf dem LtUcr Arbcitcrcongrctz gespielte Rolle eine unsagbar klägliche, noch jämmerlicher ist die Art, wie der „Vorwärts" das Vorkommniß zu vertuschen und zu—„erklären" sucht. AlleBerichte stimmen darin überein, daß der Liller Cravall eine Demon stration deS nationalen gegen den internationalen SecialiSmnS, ein Protest der fra nzösisch en Socialdcmokratcn gegen die keine nationalen Schranken kennenden deutschen Kosmopoliten war. Nur der „Vorwärts" läßt sich angel lich auS Lille schreiben, der „harmlos verlaufene" Straßcn- scandal sollte ei» Putsch sein gegen die socialislisckc Genieiudcverwaltnng. Lille, die Hauptstadt des nordsranzösischeu CapitaliSmnS, sei auch die Hauptstadt des französischen Pfaffen- Ihums, und die schwarze Internationale habe sich mit der goldenen zu einem Handstreich verbündet gehabt, um die r o t b e Internationale aus dem Stadthaus zu vertreiben. Wie falsch und unredlich, wie zurecktgemacht und erfunden diese Darstellung ist, verrätb der „Vorwärts" selber, indem er zwei Zeilen weiter sagt: „Die große Mehrheit der Bevölkerung von Lille — 22.5 000 — sind Arbeiter und alle denkendcn Arbeiter sind Sociald emo traten." Also nicht die Statt der schwarzen und goldenen Internationale, sondern die Stadt der französischen Socialdemokratie ist Lille, wo die Mehrzahl der Wählerschaft sich aus Socialdemokraten recrntirt, und als solche Hal sie das vierblättrige international entfärbte und schmacklose Kleeblatt Bebel, Liebknecht, Singer, Fischer auSgespien. „Hätten die Parteigenossen", sagt die Liller „Zuschrift" deS „Vorwärts", selber die Polizei in die Hand nehmen wollen, ein paar Dutzend Ordner hätten genügt, den ungezogenen Bübchen (den Studenten als der Avant garde der schwarzen und goldenen Internationale) Mores zu lehren." Welch schwächliches Gerede, welche VerlegenbeitSpbrase! Zweisellos würden gegebenen Falls die in ungebenrenMasscn die Straßen füllenden Socialdemokraten die paar „ungezogenen Bübchen" zum Schweigen gebracht haben; daß sie es nicht thaten, beweistnurwieder,daßdieLillerPartcizenossen selbst die Demon stranten waren, die fick dem Machtgebot ihrer Führer nick t beugen und ihre Verachtung gegen die vaterlandslosen „deut schen Genossen" durchaus in drastischer Weise kundgebcn wollten, unbekümmert um den Schaden, den sie der social demokratischen Sache an sich damit znfüglcn. Wenn trotz alledem der „Vorwärts" noch von einer „majestätischen Demon stration" auf dem Stadtbause, von einem „Triumph des inter nationalen Gedankens" nnd davon reden kann, daß „der Reaction in Lille daS Genick gebrochen" worden sei, so bedarf diese Firlefanzerei keines Commentars weiter. Aus dem völlig verfehlten VertheidigungSvcrsnch des „Vor- wärts" geht aufs Deutlichste bervor, daß man selber nicht an seine Beweiskraft glaubt und daß man sich bis in die Knochen blamirt fühlt. Wir könnten ja mit diesem Resultat und damit, daß das Tranmgebildc der rolhen Internationale einen mächtigen, unheilbaren Stoß erhalten bat, nur zufrieden sein, müßten wir nicht die be dauerliche Tkatsache dafür in Kauf nehmen, daß das Teutsck- tdum in Lille aufs Aergste compromittirt worden ist, com promittirt durch solche „Vertreter" desselben. Wollten wir nun nach dem Nccept dcö „Vorwärts" politisircn, wir würden den Herren Liebknecht nnd Geiiossen den Vorwnrf entgegen schleudern, daß sie die Liller Demonstration provo- cirt haben, um dem Deutschthum Eins anznhängen und die friedliche Stimmung, welche seit einiger Zeit zwischen hüben und drüben zu herrschen schien, wieder zn verscheuchen, damit es nur ja bald zn dem Rcvancbekrieg komme, in welchem sie Frankreich siegreich zu sehen hoffen. Die deutschen Socia- listenführer mußten die Stimmung in Lille kennen, wie sie wissen mußten, daß eS in Frankreich überhaupt keinen Socialismus nach deutschem Muster gicbt. Es kann ibne» unmöglich unbekannt gewesen sein, daß die Marx'schen Jnter- „Voss. Zt-f») r bedrohlich, en südlicheren ischen Truppen » gewesen sind, ung vorgehen, gegentreten zu Pe Velessa cr- id ebenso un- Zusammenstöße aller officieller er Waffenstill- :nce HavaS") am 23. Juli. Eingeborenen an. In dem sie Verluste; achrichten auS Truppen von hl der Jnsur- s nach Maze- a ziemlich bc- Banden hat a und Verria ,i. Hier wird cheimes maze- in Larissa ge- ewehre führen, legramm des an Miguel de :rungstruppen Sernäda stalt- ren, aber die st an Tobten gehabt. — chirt, daß bei ührten Ueber- hätten. Der ch- after Mord schäft Stonica und Barnevicz, deren HäuMr 9rand gestrÄt. n. Feuillrtsii. Jim Pinkerton und ich. Roman von R. L. Stevenson und Lloyd Osbourne. 25j Autorisirte Bearbeitung von B. Kätscher. Nachdruck verboten. „Herr Fowler I Ich bin kein heuriger Hase und meine feste Ueberzeugung geht dahin» daß die Zollbeamten, wenn sie überhaupt kämen, schon hier gewesen wären. Ich mag mich irren, aber ich muß auf der Verzögerung bestehen." Da ich ihnen überdies eine zweite Flasch« von Longhurst'S Champagner vorsetzen ließ, duldeten sie ohne weitere Ein wendungen, daß ich mich mit Rares zurückzog. Ich legte diesem die Briefe vor und fragte ihn, nachdem er sie gelesen, nach seiner Meinung. „Offenbar will Ihr Gesellschafter, daß Sie sich auf Speedy verlassen, ihm Alle- übergeben und reinen Mund ballen. Ich wollte, Sie hätten mir die Briefe nicht ge zeigt, denn die Summe wird ziemlich hoch kommen, wenn Sie das aus der „Fliegenden Lerche" gefundene Baargeld dazu rechnen. Das heißt, fall- Sie Herrn Pmkerton'S Wunsch erfüllen." „Soll ich ihn aber erfüllen? Es spricht Mancherlei dagegen.' „Freilichl Vor Allem daS Zuchthaus. Entgehen Sie demselben, so bleiben die Gewissensbisse übrig. Der Betrag ist hoch genug, um Sie unter Umständen in arge Un annehmlichkeiten zu bringen, aber nicht hoch genug, um das Wagniß romantisch zu machen. Ich glaube, wer sich für weniger als eine sechsstellige Ziffer verkauft, muß sich sehr klein vorkommen. Eine Million, da- könnte mich verlocken; aber zehntausend, das würde mir nicht passen. Und dann, Speedy — kennen Sie ihn wirklich zur Genüge? Nein? Dann kann er sich ja, wenn er Lust bat, mit der ganzen Geschichte au- dem Staube machen, nickt wahr? Und thut er'S auch nickt, so sehe ich nicht ein, warum Sie sich und Ihr Geheimniß auf ewig seiner Gnade anvertrauen sollten. Mich wenigstens könnten Sie zu derlei nicht bewegen. Andererseits aber ist Herr Pinkerton zu bedenken. Er hat sich Ihnen al« wahrer Freund in der Roth erwiesen, wie?" „O, ich kann die Größe seiner Freundschaft und meiner Dankesschuld nicht schildern!" „Nun denn, so wenig ich mich bei der verhältnißmäßigen Geringfügigkeit der Summe zur Annahme seines Antrages entschließen könnte, so sehr wäre ich, wo es sich um das Wohl wahrer Freunde handelt, geneigt, meine Grundsätze fahren zu lassen. Ihr Compagnon ist ängstlich und krank und Sie würden ihn gewiß nicht gerne sterben lassen wollen. Sie müssen sich also die Alternative stellen: „Meinem Freund droht der Friedhof, mir das Zuchthaus; welches Risico soll ich nun übernehmen?"" „In dieser unangenehmen Weise brauche ich die Angelegenheit nicht zu behandeln. Es ist auch nicht das Richtige. Ich be trachte sie lieber vom Standpuncte: Recht oder Unrecht?" „Gut! Als vom Opiumschmuggel die Rede war, er klärten Sie sich, soviel ich weiß, damit einverstanden. Nicht?" „Leider ja, und ich schäme mich dessen." „Schämen oder nicht schämen, thatsächlich stürzten Sie sich kopfüber hinein und erklärten sogar, lebhaft zu bedauern, daß eS nicht eine größere Menge Opium zu schmuggeln gab, jetzt aber haben Sie Bedenken wegen einer Schädigung der Gläubiger! Ihr Freund ist vielleicht anders beschaffen als Sie und macht wohl keinen Unterschied zwischen dem Schmuggeln und der Verheimlichung?" „Ich glaube: nein, und ich, der ich einen mache, weiß nicht recht, wieso und warum." „Man weiß das nie", meinte NareS etwas orakelhaft. „Der Geschmack ist stets Ansichtssache. Es fragt sich nur, wie Ihr Freund eS ausnehmen würde, wenn Sie ihm einen Korb gäben und sich gleichzeitig aufs hohe Roß setzten. Würde er nicht allzu schwer enttäuscht sein? Meines Erachtens kann keine Freundschaft so etwas vertragen. Sie müssen entweder so gut oder so schlecht sein wie Ihr Freund. Auch ist zu beachten, daß diese paar Tausend Dollars von Herrn Pinkerton als ein großes Vermögen betrachtet werden dürften, mit dem er sich Gesundheit und Leben erkaufen kann, während sie, wenn auf die Gesammtheil der Gläubiger vertheilt, eigentlich gar keinen Werth hätten. Dabei würden die Gläubiger Ihnen wenig Dank wissen; im Gegentheil, sic würden sich fragen, wie eS kommt, daß Sie eine solche Bagatelle hergeben, obgleich Sie für daS Wrack so riesig viel bezahlt haben; und da Fowler sich nie zu etwas Schriftlichem verstehen wirk, können Sie sich nicht auSweisen. Kurz, die Gesckichte ist auf alle Fälle sehr unangenehm." „Und wie steht eS mit Ihnen, Capitain?" „O, von mir haben Sie selbstverständlich nichts zu be fürchten. Sie haben genug mit sich selber zu thun, und ich bin Ihnen so wohlgesinnt, daß ich gern beide Augen zudrücke. Auf mich können Sie in jeder Hinsicht rechnen. Immerhin ist meine Lage keine erquickliche. Meine Rbeder kommen, wie die übrigen Gläubiger, um den größten Theil ihrer Forderung und ich, ihr Vertreter, muß ruhig Zusehen, wie die Activa der verkrachten Firma unterschlagen werden. Mein Wort darauf — für den Präsidenten unserer Republik würde ick so etwas nicht thun! Für Sie aber, Herr Dodd, thue ich's gern, und ich bedauere nur, nicht noch viel mehr für Sie thun zu können." „Herzlichen Dank, aber jetzt ist mein Entschluß gefaßt — ich bleibe auf dem geraden Wege und unterschlage den Gläubigern das Geld nicht." „Hoffentlich nicht auS Rücksicht für mich, Herr Dodd!" „Zum Theil ja! Ich hoffe und glaube, daß ich für Jim sogar stehlen könnte; aber wo außer mir noch Andere Gefahr laufen, da mag ich nickt! Ehe ich Sie und Speedy Hinein riehe, lasse ich den Dingen ihren Lauf. Ick will in FriSco für Jim arbeiten; vielleicht kann ich ihn in dieser Weise retten, — vielleicht auch nicht." „Ich kann Ihnen nicht Unrecht geben, weiß aber auch nicht, ob Sie daS Rechte tbun. Ich bin's so und so zu frieden — wie Sie wollen. Jetzt jedoch meine ich, daß Sie Fowler und Sharpe heimschicken können, denn Sie haben cS wahrlich nicht nötbig, sich zu Gunsten der Gläubiger den mit dem Schmuggeln verbundenen Gefahren auSzusetzen." „Da haben Sie vollkommen Recht; aber ich habe die zwei Herren so lauge aufgehalteu, daß ich nicht den Muth habe, sie nnverrickteter Dinge zu entlassen." Lediglich aus diejem Grunde wollte ich das Geschäft machen, obwohl ich ja keinerlei Interesse mehr daran hatte. Es fügte sich, daß ich dafür reichlich durch die Zerstreuung und Unterhaltung belohnt wurde, welche die Vsrhaudlungcn mir boten. Fowler und Sharpe, beide widernatürlich schlau, erwiesen mir anfangs die Ehre, ihre eigenen geschäftlichen „Tugenden" mir selbst zuzuschreiben, und betrachteten mich bald mit einer an Verehrung grenzenden Hochachtung. Sie hielten mich für einen großen Diplomaten, während ich doch — waS sie sich offenbar nicht gut denken konnten — ihnen nur reinen Wein einschenkte und auch meine Gleichgiltigkeit gegen daS Ergebniß der Unterhandlungen ungeheuchelt zur Schau trug. Als ich erwähnte, daß ich nur 240 Pfund Opium besitze, tauschten die Schmuggler verständnißinnige Blicke auö, welche etwa besagen sollten: „Das ist ein unsres Stahls würdiger Feind." Als ick, nachdem sie zwanzig Dollars für das Pfund geboten hatten, fünfunddreißig forderte, nnd hinzufügte: „Die ganze Gesckichte ist mir herzlich einerlei; nehmen Sie das Gift oder lassen Sie'ö bleiben, jedenfalls aber füllen Sie Ihre Gläser", — da hatte ich die schmeichel hafte Genugtbuung, zu schen, wie Fowler, der im Begriff stand, ein joviales „Abgemacht!" zu sagen, von Sharpe warnend angestoßen wurde, worauf er statt dessen nur be merkte: „Ich danke, aber ich mag keinen Wein mehr." Ick erzielte schließlich dreißig Dollars für das Pfund. Nach dem die Herren in ihrem Boot davon gefahren waren, hörte ich Sharpe flüstern: „Ein crzschlauer Fuchs, dieser Dodd!" Und Fowler antwortete: „Hol' mich der und jener, wenn ich seine Absichten verstehe." Natürlich amüsirte mich das köstlich. Als ich jedoch wieter an Pinkerton's traurige Briefe und an meinen strenge» Be schluß zu renken begann, wurde ich neuerdings sehr ernst. Ich hätte mich eigentlich über meine tugendhafte Standbafl g- leit freuen sollen; aber ich mußte mir sagen, daß ick meine» kranken Freund nicht so sehr einem Tugendgrundsatz als v»l- mehr der Furcht vor einer Gcfänguißzelle und dem Gcrcee böser Zungen geopfert batte. Ich hielt mich für einen Feig ling und schlief vor Aufregung recht schlicht. Sechzehntes Capitel. Am nächsten Morgen sahen wir die Stadt im Sonnen schein funkeln, und i» dem kleinen Hafen Mast an Mast ge drängt. Eine gute Brise brachte u»S leicht durch die Fähr- lichkeiten der Weiterfahrt, und bald befanden wir uns in der Nähe der LandungStreppe. Ich sah ein häßliches Ungctbüm vo» einem Kriegsschiff in der gewöhnlichen Vertäuung vor Anker liegen, schenkte demselben aber keine Beachtung, denn ich war tief in Gedanken versunken. Tie Herren Fowler und Sharpe waren am Abend in der Ueberzeugung abgefahren, daß ich ein gewaltiger Lügner sei. Darum beeilten sie sich, möglichst früh wieder beran- zukommen. Sie wollten einem Manne, der ihnen so sehr imponirte, ihre Gastfreundschaft anbieten. Da mir ein wenig Zerstreuung gut thun konnte, und überdies Fowler mir — ich weiß nicht wieso — sympathisch war, ließ ich mich von ihnen inS Schleppthau nehmen. Den Vormittag verbrachten wir mit Gesprächen über die örtlichen Geschäft-Verhältnisse, insbesondere die Thee» und Sriden-Schmugzeleien Tharpe s t« Leipzig »l in Lripzi»
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