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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.07.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960729020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896072902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896072902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-07
- Tag1896-07-29
- Monat1896-07
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Mamie, „aber ich dachte, daß Sie diese Seereise als Ver treter meines Mannes und mit seinem Geld« machten. Jetzt erzählen Sie uns. Sie seien Jemand zur Diskretion ver- pflicytet; allein ich meine, daß Sie in allererster Reihe Ihrem Freund James zur vollen Offenheit verpflichtet sind. Sie sagen, die Sacke berühre uns nicht. Ich aber sage Ihnen, daß es uns, die wir verarmt sind, gar sehr berührt, zu er fahren, wieso wir unser Geld verloren haben und warum unser Vertreter mit leeren Händen zurückkehrt. Sie fordern, daß wir Ihnen vertrauen; ick jedoch glaube, daß wir Ihnen schon zu sehr vertraut haben." Hier unterbrach ich meine ungerechte Angreiferin: „Nicht Sie brauchen mir Vertrauen zu schenken; nur von Jim er warte ich es, denn er kennt mich genau." „So?! Sie glauben, daß Sie ihn um den Finger Wickeln können? Sie verlassen sich auf seine Zuneigung für Sie? Und mich beachten Sie gar nicht? Es war vielleicht schlimm für Sie, daß er mich gebeirathet hat. denn ich bin nicht so blind wie er! Die Bemannung des Schiffes nimmt Reißaus, das Wrack wird für eine Unsumme verkauft, Sie ver heimlichen die Ihnen bekannte Adresse des Betreffenden, Sie finden die auf dem Wrack vrrmutheten Schatze nicht und brennen dasselbe dennoch nieder, und schließlich sind Sie, statt Aufklärung zu geben, zur Verschwiegenheit verpflichtet. Ich aber bin glücklicherweise Niemandem Discretion schuldig. Ich werde nickt ruhig dulden, daß mein kranker, zu Grunde ge richteter Mann von seinem herablassenden Freunde verrathen werde. Soll ich Ihnen die Wahrheit sagen? Sie sind ge kauft und verkauft worden, Herr Dodd!" „Mamie, genug von dieser Tonart!" rief Jim verzweifelt aus. „Du triffst damit nur mich, nicht ihn. Du verstehst diese Dinge nicht, kannst Sie nicht verstehen. Nur Loudon habe ich zu verdanken, daß ich Dir noch inS Gesicht sehen darf. Er hat mir die Ehrlichkeit gerettet." „Solcher Redensarten," erwiderte dir aufgeregte Dame, „habe ich von Dir schon zu viele vernommen. Du bist ein gutmüthiger Narr und ich liebe Dich deshalb doppelt. Ich aber habe eine» klaren Kopf und offene Augen. Dieser Herr ist ein Heuchler. Heute gab er vor, eine Anstellung suchen ru wollen, um sein Gebalt mit Dir zu theilen, bi« Du gesund sei« würdest. Das könnte mich wüthend macken. Gehalt, jawohl! In Wirklichkeit wäre eS ein Almosen au« dem Erlö« der „Fliegenden Lerche" gewesen, rin Almosen für Dick, der Du Dich für ihn rackertest, al« er brodlo« in Pari« umberirrte. Aber nein, wir bedürfen seine« Almosen« nicht! Ich kann ja glücklicherweise selber für Dich arbeiten. Ein schöner Gentleman das! Als er ein Bettler war, ließ er sich von Dir versorgen, und jetzt, wo er reich ist, mit unserem Geld reich geworden. — Leugnen Sie, wenn Sie können, daß Sie reich sind," wandte sie sich plötzlich an mich. Ich kann nickt wissen, wie weit sie sich in ihrer immer hochgradiger gewordenen Aufregung noch verstiegen hätte, wenn ich nicht — von Niedergeschlagenheit gepackt, von Mit leid kür Jim und von verralhrrischer Sympathie für seine liebende Gattin erfüllt — das einzige Heil in der Fluckt gesehen hätte. Ich gab meinem Freund «in verstecktes Zeichen und schlich mich davon. Kaum war ich zwei Minuten fort, kam Jim mir nachgerannt, um mir einen Brief zu übergebe», der vor zehn bis zwölf Tagen für mich eingetroffen war. „Das war ein furchtbarer Auftritt", sagte ich. „Denke nicht schlecht von Mamie; sie thats nur, weil sie mich liebt. Ich weiß ja, daß ihre Vorwürfe gänzlich ungerecht sind, denn ich kenne Deinen gediegenen Charakter." „Ach was Charakter! Mamie hat Charakter, aber nickt ich. Sie ist rin Prachtweib und in meiner Achtung nur nock gestiegen. Daö Ganze war meine Schuld, der Schein sprack nur zu sehr gegen mich. Geh heim, laß sie nicht länger allein. Lebe wohl, theuerster und trruester Freund! Möge Dir das Glück hold sein! Ich werd« Dir nie wieder in den Weg treten." „L> Loudon, warum mußt« e« so weit kommen! Brbiite Dich der Himmel I" Al« er fort war, dachte ich zunächst daran, mir entweder das Leben zu nehmen oder mir einen Rausch anzutrinken. Halb bewußtlos wandelt« ich die Straß« hinab, bi« mir der „Pudelhund" in strahlender Beleuchtung in den Weg kam. Ick ging mechanisch hinein, setzte mich allein an einen kleinen Tisch und bestellte vrrmuthlich mechanisch ein Diner; ich mußte die« vrrniuthrn, denn bald ertappte ick mich beim Esten Mein Be wußtsein war vollständig wiedrrgckehrt, und jetzt erblickte ich auch den neben mir auf dem Tischtuck liegenden Brief. Derselbe trug auf einer britischen Freimarke den Poststempel „Edinburgh". Mein Hirn war Noch immer von Trauer erfüllt und seine Fensterläden waren gänzlich hirabgelaffen wie in einem Sterbehause am Begrabnißtag; aber ein Glas feinen Weines und eine Taff« guter Supp« «rregten in einem versteckten Winkel drsttlben «inrn schwachen Anflug von Neugier. Währ«nd ich nun auf den nächsten Gang wartet« — ich wußte nicht mehr, wa« ich bestellt hatte —, öffnet« und la« ich da« denkwürdig« Schriftstück. Da« Schnitz«, war von Abend-Ausgabe Druck an- Verlag von L. Pol» tn Leipzig SV. Jahrgang Mittwoch den 29. Juli 1896. FritiHetsn Die Morgen-An-gabe erscheint um '/«? Uhr. die Abend-AuSgabe Wochentags um S Uhr. 11»,«) Mn 152,75 8«,— 170,15 21Ü,SO 8810 139.70 133.70 80,80 118,75 84,70 s stark ieselbsa a Lols» i Santa LlE. 14 81-!s 144.60 105,50 123,10 157.60 122,— SS», «4-. 2« 9» 28->s 12 2,81 -) 101 81 '/>« 8,51 268, - 252,75 51,10 or 8 — 79,70 157,— 89,— 58,7« 119 75 47,K2'>. 8,51 58,70 1,26-!« 114,50 287,— zrk»nls 2^9,40 158.80 110.80 140.50 307^ 834 — 157,70 161.50 46,20 157,30 176 50 153 3 0 162.50 2». 102,91 208, -. tnbix, 153,— 170.50 161.50 55,70 87,50 80,40 104,75 10880 104,20 100,25 81,50 53,30 Nedaction »n- Expedition: Iohanne-gaffe 8. DieEkpeottioo ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. betroffen worden. Nach einem Telegramm aus ist am 23. d. M. das zum ostasiatischen Ge- gehörige Kanonenboot „Iltis", wie wir Vor- durch Extrablatt meldeten, während eines ! 546,— ! «3,68 584,— is 87,50 Filialen: ktt» Klemm'S Eortini. (Alfred Hahn). UoiversitätSstroße 3 (Paulinum), Lonis Lösche, Katharinenstr. 1s, Part, und König-Platz 7. Zsvsrl:- Itenriorl 1400 L, , Vorst 8., Ver. 3., Her- Ornuxs tsinxatt xvsrlrs- u« und jornssi-i. Lnissr tOV-ir O, t 102 6., 101 6., Lwslis risdricli ttsabetli r L 60., >!, 6- 'lip.rigclTagcblM Anzeiger. Ämisölatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Ratljes und Nokizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Almnhmeschluß für Anzeigen: Absud-AaSgab«: Bormittags 10 Uhr. vtorge».Ausgabe: Nachmittag- «Uhr. v«t d«a Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stund« frühe». Anzeigen find stet« an die Expedttl«» zu richten. 157,25 176,30 153,— 173.75 114 50 87.80 89.80 I 21«,— 100,— 10120 85,20 i 55 40 ! 105,— vustlo». ISN psr VS,V0 2t. isr 3ali Rnzeigen.Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Nrclamea unter dem RedactionSstrich (s ge spalten) bO-4, vor d«n Famtlteunachrichte» (S gespülte») M-4. Größere Schriften laut unserem Preis« vmzeichntß. rabellartscher «atz Merksatz »ach höhere» Tarif. Der Untergang des Kanonenbootes „Ms". Die deutsche Kriegsmarine ist von einem tief zu beklagenden Unglück Tschifu schwader mittägs Taifuns zehn Meilen nördlich vom soutck-east-promouior/ (Südost-Cap, südöstlich von Tschifu am Gelben Meer gelegen) untergegangen; nur zehn Mann, deren Namen der Telegraph bis zur Stunde nicht übermittelt hat, sind gerettet, die übrigen 75 Mann der Besatzung und die Officiere Com- mandant Capitain z. S. Braun, die Lieutenants von Hol- bach, Fraustädter und Prasse, ferner Assistenzarzt Hildebrandt und Obermaschinist Hill sind umgekommen; Zahlmeister Losz hatte das Glück, zur Zeit der Kata strophe sich in Tschifu zu befinden. Die Form, in welcher die UnzlückSnachricht von amtlicher Seite ver breitet wird, läßt den Gedanken nicht aufkommen, daß menscklichrS Verschulden das Verhängniß herbei geführt habe; dem in den chinesischen Gewässern so häufigen Wirbelsturm allein sind unsere wackeren Seeleute, im Dienste für Kaiser und Reich, zum Opfer gefallen. Ehre ihrem Andenken! — Der „Iltis" ist eins der kleinsten Kriegsschiffe der deutschen Marine, er hat nur ein Deplacement von 489 Tonnen, die Zahl der an Bord befindlichen Mannschaft beträgt nur 85; indicirte Pferdekräfte hat er 340; er gehört zur 6. SchiffSclasse. Der „Iltis" hat im vorigen Jahre in die ost asiatischen Wirren energisch eingegriffen. Die Aufständischen auf Formosa wagten es damals, in Hobe auf ein deutsches Handelsschiff zu schießen und es an der Abfahrt zu hindern. Der „Iltis" aber brachte am 7. Juni durch einige Schüsse die Forts von Hobe zum Schweigen und erzwang die freie Fahrt für daS deutsche Handelsschiff. Commandant des „Iltis" war zu jener Zeit Capitainlieutenant Jngenohl. Dieser sandte über den Vorgang einen ausführlichen Bericht an daS Oberkommando der Marine, dem wir Folgendes entnehmen: „Am 5. Juni sandte Capitain Jngenohl folgendes Tele gramm an das kaiserliche Commando S. M. S. „Irene" ab: „In Tamsui hat jede Regierungsgewalt auf gehört, chinesische Soldaten verhindern das Heraus gehen des deutschen Dampfers „Arthur", weil letzterer größere, der Regierung gehörige Geldsummen an Bord hat. Uebrige Europäer bis jetzt nicht behelligt." Die Ant wort von der „Irene" lautete: „Fühlen Sie sich stark genug, das Auslaufen des Dampfers „Arthur" zu erzwingen, Ver gewaltigung desselben verhindern. Habe nach Berlin um Befehl telegraphirt; will mit „Irene" hinkommen. DreSkh." Die Nacht vom 5. zum 6. verging verbältnißmäßia ruhig. Um 7 Uhr Morgens erhielt Capitain Jngenohl die Mel- düng, daß die Geschütze der Südbatterien auf den „Arthur" feuerten und einige Granaten in unmittelbarer Nähe des Schiffes eingeschlagen seien. Der „Arthur" hißte gleich darauf das Signal: „Ich werde angegriffen und bitte um Hilfe." Gleichzeitig ging er in höchster Eile Anker auf und l«gte sich ganz in der Nähe längsseits des „Iltis" zu Anker, um durch uns Gr1ra*-«tla,e« (gefalzt), »»» mit der Bt»rqr»»Au«aob«, ohn« Postbeförderuag >tz SO.—, mit Poftbrjörderaag 7V-—c Bezugspreis tü tz« Hauptixpedittou oder den im Stadt» oetztrk mrd den Bororten errichteten AuS» aabestellen abgeholt: vierteljährlich^4.50, sei zweimaliger täglicher Zustellung ins oaus bckO. Durch die Post bezogen für reutschlaad und Oesterreich: vierlehäbrUch 6.—. Directe tägliche Kreuzbandirnduag in« Ausland: monatlich 7.50. lcugnung ihrer Grundsätze zum Vorwurf gemacht wird, weil sie Empfehlungen der neuen russischen Anleihe Aufnahme in ihren Jnseratentheil gewährten. ES braucht kein Wort darüber verloren zu werden, daß dies alberne Bosheit ist. DaS Centrum ist weder russenfeindlich, noch pflegt e« die Sorte von Antisemitismus, die alle Unternehmungen, mit denen Juden irgendwie in Berührung stehen, für gemeingefährlich erklärt. Sehr viel begründeter ist das in ver Presse laut gewordene Erstaunen darüber, daß Organe des Rassen-Anti- semitiSmuS ihre Leser und Anhänger darauf aufmerk sam macken, daß mit Rothschild, Bleichröder, Mendels sohn u. s. w. ein Geschäft zu machen sei. Wenn man tagtäglich versichert, die Juden ohne Ausnahme seien die geschworenen Feinde aller anderen Nationalitäten, sie seien durchaus abgeneigt und nicht einmal fähig, im Handel und Wandel Redlichkeit zu bewähren, so ist es in der That — inkonsequent, weite Kreise, mit denen man es gut meint, in den Bannkreis jüdischer GeschäftSmänner zu ziehen. Und besonders inkonsequent, weil es sich um Personen handelt,«« denen man Jahr auS, Jahr ein seine rassenanlisemitische Gesinnungs tüchtigkeit durch die heftigsten Angriffe und zum Theil auch da durch bekundet hat, daß man sie zu den Inden warf, obwohl ihre Familien seit Generationen dem Christenthum angehören. Es handelt sich bei der russischen Anleihe um große Summen, das Interesse des Nationalvermögens kommt ins Spiel, die korrekte antisemitische Formel müßte also lauten: „Taschen zu! DaS deutsche Nationalvermögen muß bei dem Unternehmen, das deutsches Geld durch jüdische Vermittelung ins Ausland trägt, geschädigt werden." Noch ein Umstand macht es sehr ausfällig, daß bei dieser Gelegen heit die gewohnte Sicherheit der antisemitischen UrtbeilS ver mißt wird. Der deutsche Antisemitismus beschränkt sein Wirken als getreuer Eckart nicht auf daS Heimaibland, er warnt alle Nationen unausgesetzt vor der finsteren Macht des Judenthums und hat sich namentlich Rußlands angenommen. Wer fähig ist, gewissen antisemitischen Blättern.Glauben zu schenken, der muß felsenfest davon überzeugt sein, daß der Tod des Zaren Alexander III. durch die „Juden" herbeigeführt worden ist. Sooft,undzwarinitmedicinischenDetails,istdieKrankengcschichte desKaiserS zumZwecke derErweckung diesrsGlaubens erzählt und die jüdische Herkunft des bebandelndenArzteS „bewiesen" worden. Diesen antisemitischen Historikern ist doch kein Zweifel daran erlaubt, daß „die Juden" einen gegen Rußland gerichteten bösen Hintergedanken babeu müssen, wenn sie dem Lande billiges Geld verschaffen. Will man aber sagen: „Der Nachfolger des bei Seite geschafften Kaisers sckeint den Juden milder gesinnt zu sein und er soll in seiner Gesinnung bestärkt werden", so dürfen doch gerade die Antisemiten die deutschen Capitalisten nicht dazu verleiten, ihr Geld im Interesse der russischen Jude» herzugeben. Ein Berliner, vermeintlich jüdische Interessen vertretendes Blatt schreibt, nachdem eS einige Momente al« Ursachen deS Gelingens des Anleiheabkommeus angeführt: „Und noch ein dritter Factor hat offenbar die Perfectionirnng des großen Geschäftes gefördert. DaS dürfte die Wahrnehmung gewesen sein, daß endlich sanftere Lüste das große nordische Reich durchwehen, in weichem Hunderttausend« Angehörige eines gewissen Glaubensbekenntnisses viele Jahre hindurch Len schimpflichsten und trostlosesten Verfolgungen ausgesetzt waren. Wir können nicht daran glauben, daß derselbe strenggläubige Bankier, in dessen Hause noch immer am Abend eines jeden Freitag auf dem weißgedeckten Tische der siebenarmige Leuchter steht, auch nur einen Rubel jener Regierung geborgt hätte, unter welcher seine Glaubensgenossen ncit Skorpionen gezüchtigt werden wie einst unter dem pharaonischen Könige." In der Halsgerichtsordnung Pharaos werden Skor pionen noch nicht als Züchtigungsmittel aufgefllhrt, und so „Es war eine Idee des Capitains", antwortete ich. „Das ist gewiß das Sonderbarste an Ihrer ganzen Er zählung", warf Mamil dazwischen. „Die Geschichte überrascht mich sehr und kommt mir etwas verrückt vor", fügte ihr Gatte hinzu. „Was konnte NareS durch das Verbrennen deS Wracks zu gewinnen hoffen?" „Was weiß ich? ES lag eben nichts weiter daran, da wir alles herauSgesischt hatten, waS zu holen war." „Ich behaupte ja aber gerade, daß dies ein Jrrthum war", sagte mein Freund, nervös auf und ab gehend. „Was machte Sie Ihrer Sache so sicher?" fragte Mamie. „Wie soll ich Ihnen das sagen? Wir waren ihrer eben sicher, denn wir hatten alles gründlich durchsucht." „So? So?" murmelte Mamie aufgeregt. Jim siel rasch ein: „Mein lieber Loudon! Du scheinst die Besonderheiten deS Falles nicht so würdigen zu können wie ich." „Ach was!" rief Mamie plötzlich aufspringend. „Herr Doddsagt uns nicht, WaS er denkt oder was er weiß." „Mamie!" schrie Jim ganz erschrocken. „Bah! Wozu auf ihn Rücksicht nehmen, da er dock keine auf Dich nimmt! Uebrigens ist er jetzt nickt zum ersten Mal zurückhaltend. Hast Du schon vergessen, daß er Dir die Adresse deS Concurrenten erst dann mittheilte, als derselbe bereits entwischt war?" Pinkerton sah mich mit einem Blick an, der für sein tapferes Weibchen um Entschuldigung bitten sollte, und meinte dann: „Du siehst, Mamie sucht etwas hinter der Sache, und Du darfst ihr daS nickt allzu übel nehmen, den» selbst mir, einem so geschulten Geschäftsmann, will keine Klarheit aufdämmern. Um GotteSwill««, klär« da« Dunkel auf!" „Mir geschieht aanz recht", nahm ich nun wieder da« Wort. „Ich hätte kein Dunkel entstehen lassen sollen. ES wäre meine Schuldigkeit gewesen, schon am Anfang zu be merken, daß ich zur Verschwiegenheit verpflichtet bin. Ich hätte Dich sofort bitten muffen, mir Vertrauen zu schenken. So muß ich's denn nachträglich thun. Die Wahrheit ist, daß eS noch manches zu berichten gäbe, wenn ich nicht mein Ehrenwort gegeben hätte, zu schweigen. Glaube mir aber daß die Geschichte Niemanden von un« berührt, und trachte, mir zu verzeihen." „Vielleicht war «« dumm von mir, Herr Dodd", sagt« gegen das Geschützfeuer gedeckt zu sein. Ich fuhr nun selbst zu dem Dampfer hinüber und erfuhr dort von dem m großer Aufregung befindlichen Capitain, daß eine Granate in den Salon auf seinem Schiff eingeschlagen sei und, ohne zu crepiren, einen Chinesen schwer verwundet habe. Ich ließ mir die Granate geben, die ich als eine 5- oder L-em- Granate aus einem Krupp schen Geschütz erkannte, und warf sie, um weiteres Unglück zu verhüten, über Bord. Dem Capitain rrtheilte ich die Weisung, sein Schiff zunächst so weit sacken zu lassen, daß das Schußfeld für unü frei wäre, und dann, sobald genug Wasser aut der Barre wäre, so schnell wie möglich auszulausen. Meine Mittheilung, daß ich nach dem nächsten Schüsse aus der Batterie das Feuer auf diese eröffnen würde, beruhigte ihn sichtlich. Ich fuhr nun an Bord zurück, wo mittlerweile die Geschütze klar zum Feuern gemacht waren. Es wurde nun mit dem 12,5-cm-Heckgeschütz geschossen. Im Ganzen sind drei 12,5 cm scharfe Granaten gefeuert worden. Die Ent fernung wurde aus der Karle entnommen und zunächst 2500 m am Heckgeschütz eingestellt. Nach dem nächsten Schuß auS der Batterie am Land, der erst nach einiger Zeit erfolgte, wurde das Geschütz auf das Ziel, von dem außer dem Wall nur ein Geschütz, halb im Gebüsch ver steckt, erkennbar war, eingerichtet und dann gefeuert. Der Schuß war miuus (davor) und rechts (vorbei), es wurde daher 2800 m Aufsatz genommen, die Seilenverschiebung entsprechend corrigirt und nach dem nächsten Schuß aus dem Fort der zweite Schuß gefeuert. Dieser Schuß war plus (dahinter), bez., wie man aus dem Umstand, daß die Chinesen Hals über Kopf wegrannten, ein Treffer in der Batterie; die Seitenrichtung war gut. Mehrere Tage später hörte ich, daß dieser Schuh tatsächlich ein Treffer in der Batterie war und, wie nur der Commissioner of customS, Mr. Morse, schrieb, 13 Chinesen getödtet, bez. ver wundet haben soll. Da gerade nach diesem Schuß der „Arthur" mit großer Fahrt aus dem Hafen dampfte, so ließ ich zur Sicherheit und zur Beschleunigung der Flucht der Chinesen aus dem Fort noch einen dritten Schuß feuern, der unmittelbar unter der Krone in den Wall einschlug und ebenso wie die beiden ersten Schüsse crepirte. Die Chinesen sollen sehr verwundert gewesen fein, daß ein so kleines Schiff, wie der „JltiS", mit seinen Geschützen so weit und so hoch schießen und auch treffen konnte. Als Curiosum möchte ich noch erwähnen, daß von da ab während der nächsten Tage fast alle Dschunken und Fahrzeuge der Chinesen, die im Hafen verkehrten, eine deutsche Flagge an ihrem Mast gehißt hatten." Schon früher einmal hatte der „Iltis" in den chinesisch japanischen Gewässern Gelegenheit, sich hervorzuthun. Offi ciere und Mannschaften retteten mit Aufopferung mehrere Hunderte dem Tode des Ertrinkens nahe chinesische Matrosen. Der damalige Commandant Graf von Baudissin und die Officiere wurden vom Kaiser von China wegen ihres helden- müthigen Verhaltens mit Orden ausgezeichnet. Jetzt, wo der „JltiS" selbst in Gefahr war, ist ihm kein Retter aus der Noth erstanden! Politische Tagesschau. * Leipzig, 29. Juli. In der Presse begegnen wir einem Artikel anscheinend socialdemokratischen, vielleicht aber auch bayerisch-bauern- bündlerischen Ursprungs, in dem Centrumsblättern Ver- . , ist nirdergrbrannt." „Niedergebrannt!" rief jetzt Mainil, daS seit Jim'« Heim kehr beobachtete Schweigen zum rrsten Male brechend. Mein Freund selbst konnte sich erst nach zehn Sekunden von seiner Verblüffung erholen und sprach dann: „Entschuldige mir eine Frage, Loudon: wozu in aller Welt hast Du die „Flirgende Lerch«" vrrbrannt?" Jim Pinkerton und ich. Roman von R. L. Stevenson und Lloyd OSbourne. L7j Autorisirte Bearbeitung von B. Kätscher. Nachdruck verboten. „Und sieht es nicht aus, als ob Du vermeiden wolltest, von dem Wrack zu sprechen?" Da ich diese Retourkutsche grravezu herauSaefordert hatte, blieb mir nichts übrig, als in den säuern Äpfel zu beißen. Ich antwortete daher: „Mein alter Bursche, wenn Du denn durchaus willst —" und machte mich mit erheuchelter Heiter keit an die Erzählung. Ich sprach flott und schwungvoll, schilderte die Insel und daS Wrack, affte Anderson und den Chinesen nach und hielt meine Zuhörer so sehr in Athem, daß sie mich, als ich aufhörte, überrascht anblickten. „Nun?" fragte Jim. „Nun, daS ist alles", erwiderte ich. „Aber wie erklärst Du Dir dir Sache?" „Ich kann sie nicht erklären." Mamil schüttelte den Kopf und Pinkerton rief: „Aber da« geht ja nicht so! Beim Geist des großen Cäsar sage ich Dir, daß eS Unsinn ist! Ich bin selbst verständlich überzeugt, daß Du und NareS Euer Bestes ge- than habt, allein ihr müßt Euch irgendwie haben foppen lassen. Glaube mir, das Zeug steckt noch immer in dem Schiff, und ich will's herauSkriegen, ich!" „So sei doch vernünftig. Ich gebe Dir die Versicherung, daß Du auf dem Schiff nicht« anderes finden würdest, als altes Eisen und Holz." „DaS wollen wir sehen", sagte.Jim. selber auf den We^ hurst wird mir d verweigern. Warten wir ab, sucht habe." „DaS kannst Du aber nicht, denn eS unzuverlässig wie diese Angabe ist vielleicht auch die andere über die Beweggründe des strenggläubigen Bankiers. Aber für die Antisemiten muß eS sicher sein, daß die von „Juden" abgeschlossene Anleihe jüdische völkerfcindlickc Pläne zu fördern bestimmt ist, und sie schneiden sich in der Thal inS eigene Fleisch, wenn sie ihre Hand zur Durch führung bieten. In Frankreich hat dir von den Klerikalen inscenirte Bewegung gegen die den geistlichen Congregationen auf erlegte Steuererhöhung, bas „ckroit ck'acroissemeut", nunmehr zu ernsteren Consequenzen geführt. Da die Congrägation de Sainl-FrantzviS-Negis sich beharrlich weigerte, diese Steuern zu bezahlen, hatte die Verwaltung die Ernte auf den Besitzungen der Congregation mit Beschlag belegt und in La Roche- Connaud unweit Le Puy die Versteigerung angeordnet. Zahl reich war die Vrrsammlung, die sich zum Versteigerungstermine eiugefunden hatte. Darunter befand sich der BLtounier der Advocatenkammer, der frühere Deputirte, de la Batie, der Präsident der katholischen Jugend, Autier, der Marquis de Mirömon, einige Jesuiten, sowie unter den etwa 1000 Per sonen ungefähr 100 Frauen. Zur Sicherung der öffentlichen Ordnung waren ein Polizeicommiffar sowie zahlreiche Agenten und Gendarmerie aufgeboten. Inmitten des Murrens und der vielfachen Aeußerungen des Unwillens der Menge erfolgte dann die Versteigerung, die anstatt der Taxsumme von 1500 Francs nur 150 ergab. Die An hänger der geistlichen Congregation nahmen selbstver ständlich nicht am Bieten Theil. Wohl aber ließen sich dann Protestrufe vernehmen; insbesondere gaben der BLtonnier der Advocatenkammer und der Präsident der katholischen Jugend das Signal, indem sie riefen: „Es leben die Waisen! Es lebe eine katholische Republik! Die Erregung der Menge hätte jedenfalls ohne die Kaltblütigkeit deS Polizei- commissarö bedenklichen Unifang angenommen. So brauchte sich die Polizei nur auf eine Verhaftung zu beschränken. In Ceysser fand am Nachmittag eine weitere Versteigerung statt, die nur 20 Fr. ergab. Auch dort ließen sich Protestruse: „Es leben die Brüder! Es leben die Waisen! Nieder mit den Freimaurern!" vernehmen. Allem Anscheine nach liegt System in dem Widerstande gegen die neue Steuer; die Regierung soll durch den Mangel an angenehmen Gsboteu mürbe gemacht werden. In Paris und in den größeren Städten würde es allerdings an Bietern bei solchen Auktionen nicht fehlen. Im Procctz Jameson ist das Urtheil gefällt. Es ist, wie gemeldet wurde, auf Gefängnißstrafe von 5—15 Monate er kannt worden: Jameson selbst ist in dieser Scala der Höchfl- bewerthete. DaS Urtheil gereicht der englischen Justiz zur Ehre, denn eS ist bekannt, daß die Angeklagten sich nicht nur sehr hoher Protection zu erfreuen, sondern auch die Sym pathien der Mehrzahl ihrer Landsleute für sich hatten, allein überraschen kann es nicht. Nachdem Präsident Krüger durck die stückweise Veröffentlichung der für Jameson, Cecil Rhedes und die Chartered-Company so außerordentlich compromitti- rendeu, ja geradezu vernichtenden Telegramme vor aller Welt den Beweis der Schuld der Angeklagten geführt hatte, waren diese clc tacto schon verurtheilt. Konnte man im Verlaus deS ProcesseS auf Grund der auffälligen Ver schleppung desselben und der hochmüthigen Aeußerungen eng lischer Staatsmänner im Parlament, welche Jameion und Rhodes als Nationalhelden feierten, sehr wohl die Erwartung hegen, daß der Proceß im Sande verlaufen werde, so war nach dem Eingreifen Krüger'«, der diesen Verlauf mit Recht argwöhnte, daran nicht mehr zu denken. Kein Richter 91,— 114,30 ! 210,— 184,— 144,— 122.— 185,80 124,25 279,10 233,40 86,75 106,75 .27,— I 169,20 215.90 213 80 215,95 ... , ' "Och werde mich g machen und Mamil mitnehmen. 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