Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.08.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960803015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896080301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896080301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-08
- Tag1896-08-03
- Monat1896-08
- Jahr1896
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis k der Hauptexptditivu oder den im Stadt- orzirk und den Bororten errichteten AuS- aabestellen abgebolt: vierteljährlich >44.50, ^er zweimaliger täglicher Zustellung in« Laus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandiendung tu- Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,7 Uhr, di« Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Nr-aclion un- Lrpeditio«: Johannes,affe 8. Die Expeoition ist Wochentags ununterbroch«»' grössuet von früh 8 bis Aberzp- 7 üfG Filialen: ktt» Klemm's Sortim. (Alfred Hab«), Uviversitätsstraße 3 (Paulinum), LoniS Lösche,'' t tharinenstr. 14, part. und KönigSvlatz 7. - 39». Morgen-Ausgabe. UchMcrIllgMlllt Anzeiger. Nmlsvlatt -es königlichen Land- im- Amtsgerichtes Leipzig, des Ratijes un- Nolizei-Ämtes -er Lta-1 Leipzig. Montag den 3. August 1896. Anzeigen'PreiS die 6 gespaltene Perilzeite 20 Pfg. Zteclamen unter dem Redactivnsstrich (4ge- spalten) ö0^, vor den Familien Nachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzrichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzy, nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung >4 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Naä>mittagS 4Uhr. Lei den Filialen und Annnhmeslelleu je eine halbe Stunde srÄher. Anteigen find stets au "die Expedition zn richten. Druck und Verlag von E. "Polz in Leipzig 99. Jahrgang. Amtliches Theil.' Bekanntmachung. Tie «ewerbekammcr zu Leipzig hat beschlossen, zur theilweijen Deckung ihres Verwaltungsautwandes für das lausende Jahr, auf jede Mark des für das Einkommen in Spalte ck. des Einkommenstcuerkatasters (Einkommen aus Handel und Gewerbe) entfallenden Steuerbetragcs, einen Zuschlag von 2 Pfennigen erheben zu lassen. Der Zuschlag, welcher mit dem auf den 30. September d. Js. fallenden Hebetermin der staatlichen Einkommensteuer erhoben werden soll, ist von den zur Gewerbekammer wahlberechtigten Gewerb- treibenden des Kammerbezirks (Leipzig, Markranstädt, Taucha, Zwenkau und den zur Königlichen Amtshauptmannjchaft gehörenden Landgemeinden), deren diesbezügliches Einkommen 600 >4 übersteigt, zu entrichten. Leipzig, am 2. August 1896. Die «ewerbekammer. Oehler, Vorsitzender. Herzog, S. Wie Straßburg französisch wurde. Stimme eines französischen Patrioten. «2. Mattreffe und Setzer. Widerlich ist für den gesunden Menschen der Gegenwart der Anblick des jungen Hofes von 166 l, wo eine Leidenschaft des Königs sofort durch eine andere gleich sträfliche verdeckt werden sollte, eine Sünde die andere nach sich zog und der König doch immer das Werkzeug priesterlicher Strenge blieb. Die Geschichte des Beginns der Regierung Ludwig's liest sich wie ein Roman. Im Sommer 1663 erlebte man einen Präcedenzfall zu dem Sturz des ultramontanen Ministeriums Abel in München, das gegen das Erscheinen der Lola Montez am bayerischen Hofe protestirte; bekanntlich wurde aus Liebe zur schönen spanischen Tänzerin der König Ludwig liberal. AehnlicheS trug sich am Hofe des französischen Ludwig zu. Es gab do unter den voi nehmen Damen eine Clique der „Frommen", die seine Abenteuer zu durchqueren suchten; ungeduldig darüber drehte der junge Monarch seinen Beichtvätern den Rücken zu und bekam Anwallungen von Toleranz gegen die Protestanten: er verbot, den Protestanten ihre Kinder zu rauben, und befahl, ihnen die schon in Klöstern eingesperrten Kinder ihren Familien zurückzugeben. Darüber erhob der KleruS 1665 ein Jammergeschrei, und weil er dem Könige jede Unter stützung versagte, so gab dieser nach — aus finanziellen Gründen, und als im Januar 1666 seine Mutter starb und ihre letzte Bitte war, die Ketzerei auszurotten, kam er wieder zu sich selbst. „Denn man bat ihn nur um das, was er im Grunde selbst wünschte. In Frankreich die Vernichtung der Ketzerei, in Europa die Demüthigung der Protestanten, namentlich iu Holland, die Bekehrung Englands, das war der natürliche Ehrgeiz des Oberhauptes der katholischen Welt, des künftigen Erben der Könige von Spanien, des wahren Nachfolgers PhilppS II. Jedermann sah den Krieg kommen und der Hof freute sich darüber." (Michelet.) Um diese Zeit begann der König, der Paris nach dem Tode seiner Mutter verlassen hatte, Versailles zu bauen. Unsichtbar für sein Volk, thronte er in dem neuen Palais wie eine Gottheit in ihrem Tempel. Und nun begann er jene verruchten Eroberungskriege, die Frankreich so ver haßt gemacht haben. Die Zeit war günstig für ihn. „Seine Stärke war groß; was sie noch vermehrte, das war die Schwäche seiner Nachbarn . . . Was namentlich Deutsch land betrifft, so war eS in fünf- bis sechshundert Staaten getheilt, die seit dem westfälischen Frieden so gut wie un abhängig waren, eS war ein wahres Chaos und durch den Rheinbund konnte Ludwig XIV. eS hindern, sich zu eut- wirren." (Duruy.) Ein Rheinbund? Schon vor zweihundert Jahren? Nun ja, nicht bei den deutschen Fürsten war deutscher Patriotismus zu finden. „Einzig der Kurfürst von Mainz war loyal und handelte treu im Interesse Deutsch lands", erzählt rühmend der Franzose Michelet. Später trat der Große Kurfürst von Brandenburg noch auf. Der erste Krieg, den der König führte, war der sogen. Devolutionskrieg, in welchem Ludwig die den Spaniern gehörenden flandrischen Provinzen beanspruchte und der ihm im Frieden von Aachen 1668 die Städte Lille, Douay rc. einbrachte, aus denen nun Vauban Festungen machte. An der Unrechtmäßigkeit des Krieges zweifelt Niemand, auch die Franzosen selbst nicht. Der deutsche Historiker Wachsmuth sagt: „Ludwig borgte von Theologen und Juristen Argu mente zur Beschönigung eines WvrtbruchS und eines Angriffs auf das ohnmächtige Spanien." Von den beiden Argumenten Ludwigs, die der Franzose Duruy angiebt, sagt derselbe: „Der erste Grund hatte einen Schein von Berechtigung, der zweite hatte nicht einmal den Schein; aber der König von Frankreich zählte weit mehr auf seine Waffen, als auf seine Gründe." So steht's geschrieben. DaS war zu allen Zeiten „das gute Recht" Frankreichs in seinen Eroberungskriegen. Was aber diesem Kriege seinen besonderen, dem Temperament des jungen Königs entsprechenden Charakter giebt, das war das Gemisch von Lust, Galanterie und frivolen Abenteuern, das sich mit ihm verband und in der „Nacht von Compicgne" gipfelte, die Ludwig's valct ckc cbawbre, Lloliöro, in seinem Amphitryon in Scene setzen mußte. Von da an begann die Herrschaft der üppig schönen Frau von Montespan. Wie oft aber der König auch der ersten Geliebten, der La Valliöre, untreu geworden war, wie oft er der Montespan untreu wurde, Alles das zu erzählen, erlassen wir uns. Es genügt, zu sagen, daß von nun an am Hofe das Laster mit frecher Offenheit austrat, und das Gift steckte an und fraß weiter. Bald sollte der König Buße thun, aber nicht er selbst, die Protestanten, die Ketzer mußten für ihn büßen. Seine Priester erthcilten ihm die Absolution nur gegen die Ausrottung der Ketzerei; zuerst sollte Holland fallen. Die Montespan hatte kaum in Compicgne die Gunst des Königs gewonnen, so erklärte schon der jähzornige Kriegs minister Louvois den Abgesandten der oeutschen Protestanten: „Es ist ein beschlossener Plan; der König wird die vorgeb lich rcformirte Religion überall vernichten, wo seine Waffen ihr begegnen." Und als Ludwig 1672 den Krieg a«aen die protestantisch«- PepndM -redete, evll.irte re mit kalten Worten: „Das ist ein Rcligionskrieg." Die langen diplo matischen Umschweife, die dem Kriege vorangingen, sagt Michelet, können darüber nicht hinweg täuschen. Daß politische und Handels-Interessen dabei im Spiel waren, ist Neben sache; das geht die Minister an. Für den obersten leitenden Gedanken war es ein Krieg der Rache und der Religion. Der von Gott geschenkte Ludwig XIV., Io vicu-ckonuc war zu dem Kreuzzug gegen daS protestantische Holland und Eng land und zu dem Kreuzzug im Innern gegen die französischen Protestanten geboren. Seine Mutter hatte auf ihrem Sterbe bett es ihm auf die Seele gebunden. Und nach dem kurzen Zwischenraum, wo er sich — es war die Zeit von Moliöre'S Tartufe — von den Beichtvätern emancipiren wollte, war er immer der folgsame Diener der Partei — entweihen wir das Wort „fromm" nicht — der Betschwestern und Bet brüder. Ein schrecklicher Vorfall hätte sein Gewissen erschüttern können. Zur Gewinnung Englands hatte er sich seiner Schwägerin Henriette, der Schwester König Karls II., be dient; letzterer war heimlich Katholik und wurde als Bundes genosse gegen Holland gewonnen. Kurz nachdem sie von ihrer Reise nach England zurückgekehrt war, war sie plötzlich, am 29. Juni 1670, in Saint-Cloud an Gift gestorben. Der König hatte sie zärtlich geliebt; wir können den Roman hier nicht weiter erzählen. Dieser Tod, der dem Meister der Rede, Bvssuet, jene ergreifenden Worte eingab, die man noch heute nicht ohne tiefe Bewegung nachlesen kann, mußte den König unwillkürlich im Innersten betrüben, und doch that er nichts, um dem Verbrechen auf die Spur zu kommen; das politische Interesse ließ ihn im Hinblick auf den Religions krieg schweigen. Daß dieser Krieg eine Gefahr für Deutschland barg, mußte jeder sehen. Deutsche Fürsten aber, der Kurfürst von Köln, der Bischof von Münster traten in den Dienst Frank reichs. Nur der Kurfürst von Mainz war ein aufrichtiger Patriot und suchte die Gefahr von Deutschland abzulenken, i Er bediente sich dazu eines Leipziger Gelehrten, den! seine Vaterstadt geringschätzig verstoßen hatte, wie sie seinen' Zeitgenossen Tbomasius vertrieb, es war der Philosoph Leibniz. Der Sultan hatte eine Gesandtschaft Ludwigs übel empfangen und der Kurfürst benutzte die gereizte Stimmung des Königs, um ihm einen vortrefflichen Plan zur Eroberung Egyptens vorzulegen. Leibniz, der ihn ausgearbeitet hatte, war als Optimist fest von dem Siege seiner Beredsamkeit überzeugt, aber in seiner optimistischen Naivetät, die ihn auch von einer Vereinigung der Katholiken und Protestanten schwärmen ließ, hatte er das religiöse Gewissen des bigotten Königs ganz verkannt. Für den Minister Colbert mochte der Krieg mit Holland ein Zollkrieg sein, für Ludwig XIV. war es ein Religionskrieg, auf den dann der Religionskrieg gegen seine protestantischen Unterthanen folgen sollte. Dafür vergaben ihm seine Beichtväter seine Sünden. Wir erzählen hier natürlich den Krieg nicht. Nur eine Stelle aus Voltaire wollen wir hier anfübren, da sie auch auf unsere Zeit paßt. Als der König im Beginn (12. Juni 1672) den ziemlich gefahrlosen Uebergang über den Rhein ausgeführt hatte, prahlten damit seine Geschichtschreiber und Poeten (Boileau!), als wäre es eine riesige Großtbat gewesen. Voltaire aber schrieb: . endlich der Hang, den das Volk und vorzüglich die Pariser zur Uebertreibung haben, verbunden mit der Unkenntniß des Krieges, worin man sich beim Müßiggang der großen Städte befindet, alles dies ließ in Paris den Uebergang über den Rhein wie eine Wunder thal ansehen, die man noch übertrieb." Im Jahre 1870 hat man dasselbe erlebt. Wir gehen über die Wechselfälle des Krieges hinweg. Nur die barbarische Wildheit, mit der Ludwigs Feldherren und Truppen ihn in Deutschland führten, seitdem der Kaiser und der Große Kurfürst von Brandenburg Holland zu Hilfe geeilt waren, wollen wir hier den fran zösischen Geschichtschreiber schildern lasten. Michelet erzählt: „Der dreißigjährige Krieg hat aufs Neue begonnen. Turenne, der als Kind darin in die Schule gegangen war, wiederholt ibn in seinem Alter inDeutschland. Dem kaiserlichen Heere wurde auf dem rechten Rheinufer durch die berechnete Verwüstung der Pfalz seine natürliche Stütze geraubt. Sorfältig ließ er A'te«. was sjck, verzehren "eß, -usessen, verzehren, den Rest nachher ausplünbern, zerstören, niederbrennen, soweit man konnte, eine Wüste machen. Diese Verwüstung war geboten, war gewollt. Turenne war „der Vater des Soldaten". Er sand seine Rechnung bei dieser barbarischen Execution, die den Feind bindern sollte, auf diesem Ufer, dem unsrigen gegenüber, sich zu erhalten. Eine so unermeßliche Plünderung gewann ihm die festeste Anhänglichkeit seines kleinen Heeres. Daß dies einen vorübergehenden strategischen Nutzen gehabt habe, leugne ich nicht, aber ich behaupte, daß derlei Thaten, die zwischen den Nationen dauernden Haß begründen, schlecht und unpolitisch sind. Was mich betrifft, als ich im Sommer 1828 zum ersten Male das romantische Schloß von Heidel berg sah, diesen entzückenden Renaissancebau noch immer verwüstet und zertrümmert sah, da fühlte ich in meinem Herzen deutsch und zitterte für mein Vaterland." Wir haben diesen Schlußsatz schon anderswo mitgetheilt; man kann ihn nicht genug wiederholen. So hat ein fran zösischer Patriot gesprochen. Könnten diese Worte doch ein mal den Franzosen ins Gewissen dringen! Hätte sich doch das Gewissen Ludwigs selbst geregt! Holland gegenüber blieb er ohnmächtig, in England erhob sich das protestantische Volk gegen das an Frankreich verkaufte Königshaus, die katholischen Stuarts mußten nach Frankreich fliehen. Statt dieser beiden Länder mußte nun Deutschland für Ludwigs XIV. Laster büßen. Das Straßburger Münster sollte der Grabstein der letzten Maitresse des Sultans von Versailles werden. 3. Strassburg. 1681—1870. Unvergeßlich ist mir der Anblick geblieben, den mir das Rhcinthal von den Vogesen aus gesehen bot, als ich im März 1850 zu Fuß hinüberging in das echte Frankreich. Auf der Höhe hinter Zabern machte ich Halt; ein alter Grenzstein mit dem eingegrabenen Worte ^lsatia, sagte mir, daß ich nun Deutschland hinter mir ließe. Da wandte ich mich noch einmal um nach der deutschen Heimath, von der ich nun Abschied nehmen sollte, vielleicht auf immer. Welch herrlicher Anblick! Hier die ersten Höhen der Vogesen, drüben, jenseits am fernen Horizont, die lange Kette des Schwarzwalds und zwischen beiden unter mir zu Füßen das weite prächtige Rheinthal und in der Mitte die alte berühmte Reichsstadt Straßburg! Wie mir aus der Seele gesprochen, klangen mir da die Verse in den Ohren, jene allbekannten Verse in Johann Fischarts „Glückhaftem Schiff", mit Lenen die Reise gefährten den Rheinstrom anrnfen, das Schifslein wohl zu hüten: „Leit' es gen Straßburg, Deine Zierd, Dafür Du gern taufst mit Begierd, Weil es Deinen Strom ziert und ergötzt'. Gleichwie ein Gestein im Ring versetzt!" Ja, wie der Edelstein, den der goldne: Ring umfaßt, erschien mir hier Straßburg, nicht als eine Grenzstadt am linken Rheinufer, sondern als das Herz, als. die Hauptstadt deS TbaleS, umschlungen von beiden Ufergeländen des Rheines, denn Ströme trennen nicht, sondern verbinde:»; und rufe ick, mir jetzt dies Bild wieder vor die Seele, sa kann ich nicht begreifen, wie diese Stadt, die so offenbar Len Mittelpunkt des großen Thales bildet, nicht auch schon» die politische Hauptstadt des aus linkem und rechtem Ufer bestehenden Einen Landes geworden ist. Anders freilich sahen die Franzosen Straßburg an. Voltaire in feinem „Jahrhundert Ludwigs des Vierzehnten" nennt eS ,,I» villo, mastro886 cku kkin par ls pont qa'cllc avsit 8ur cs tleuvo", dem Rhein wollte Frankreich gebieten als einem Grenzstrom, wie maw den welschen Eroberern nachgebetet hat, bis der Dichter Arndt dem deutschen Volk es ins Gedächtniß gerufen hert, daß es ein deutfcher Strom ist so gut wie die Weser, die Romas Adler hat fallen sehen. Die eroberungssüchtige aggressive Politik wollte diefe Einheit des linken und rechten Rheinufers zerreißen, sie sah in Straßburcz einen vorgc- fchobenen Posten gegen Deutschland und der Ingenieur Vauban machte es durch seine Befestigung, zum stärksten Bollwerke Frankreichs. So sah eS Voltaire an: „la barricro la plus torlo äo In I lnuc«!'-. Ein anderes Motiv noch aber hat Ludwigs Eroberungs sucht verstärkt, bat ihn zu rascher Gewalrthat «»getrieben: die frömmelnde Selbstfolterung seines erschreckten Gewissens, die Angst vor der Hölle. Diesen Punct hat kein Historiker berührt, Michelet ist der Einzige, der ihn hervvrgehoben Hal. Wir dürfen hier an Voltaires Besprechung der verschiedenen Beweggründe erinnern, die den protestantischen Feldherrn Turenne zur Annahme des katholischen Glaubens vermocht haben können. Voltaire sagt (Cap. XII): „Das Menschen- Herz verknüpft oft die Politik und den Ehr.zeiz mit den Schwachheiten der Liebe und den Empfindungen der Religion in Eins zusammen." Wir haben bisher die Unsittlichkeit am Hofe zu Versailles möglichst nur zu streifen gesucht; leider müssen wir sie hier in ihrer widerlichen Nacktheit schildern, damit die Abscheulichkeit des Verbrechens, durch welches Straßburg an Frankreich fiel, im vollen grellen Lichte der Wahrheit erscheint. Mit dem Frieden von Nimwegen 1678—79 nach dem Kriege mit Holland batte Ludwigs Macht den Gipfel erreicht. Die Behörden von Paris ertheilten ihm den Beinamen „der Große", noch stehen die beiden Triumphbogen, die sie ihm errichtet hatten: die Porte Saint-Martin und die Porte Saint-Denis/ Die Jugendblüthe seiner Regierung sah indessen Ludwig jetzt verwelken: Molicre war schon 1674 gestorben; die sanfte La ValliLre, des Königs junge Liebe, ging in Scham und Reue 1675 ins Kloster; Racine, ebenfalls in reuevolle Schwermuth versunken, zog sich 1676 ins häusliche Stillleben zurück. Aber der Triumph, den der König trotz ungenügender Waffenerfolge durch seine Politik im Frieden von Nimwegen feierte, schien ihm fast eine zweite Jugend zu geben, er wurde übermüthig. Während alle Mächte abrüsteten, blieb er in Waffen und begann durch die „Reunionskammern" seine „Eroberungen mitten im Frieden". Am Hofe herrschte neue Ueppigkeit, eine riesige Bauwuth verschlang 100 Millionen, Versailles erneuerte sich; wie hätte sich nicht auch daS Her; des Königs, das der alternden beleibten Montespan nach und nach satt wurde, nach neuer Nahrung sehnen sollen? Die Montespan selbst führte sie ihm zu, ein blutjunges Ding vom Lande, daS gerade durch seine alberne Keckheit die fchon stumpf gewordene Sinnlichkeit des Königs neu reizen sollte. Unsere Pfälzerin Elisabeth Charlotte, mit der sich Ludwigs XIV. Bruder, der Herzog von Orleans, in zweiter Feuilleton. Wefel nnd -ie Willibrordikirche. 8. Durch die am 7. August in Gegenwart unseres Kaiser- paareS erfolgende Neueinweihung der Willibrordikirche nach deren Renovirung, 1883—90, wird die Aufmerksamkeit der weitesten Kreise auf Wesel gelenkt, das sonst nur sebr selten genannt wird, obwohl es in mehr denn einer Hinsicht das Interesse in Anspruch nimmt. Für das deutsche Reich ist Wesel sozusagen dir Wacht am Niederrhein, für den Kunst- liebhaber bietet es eine reiche Fundgrube und für den Histo riker, wie überhaupt für jeden Menschen mit historischem Sinn, «inen anziehenden Gegenstand des Studiums. Als Festung schließt Wesel nach Nordwesten hin die Reibe der Rheinfestungen ab, die mit Straßburg-Kehl im Süden be ginnt und mit Germersheim, Mainz-Castel, Coblenz-Ehren- breitstein und Köln-Deutz, sowie mit dem seitlich vorgeschobenen Metz eine Befestigungsfront bildet, die auch von den stärksten Heeresmaffen ungestraft nicht durchbrochen werden könnte. Rastatt, Diedenboven, Saarlouis und Bitsch kommen dabei nur nebenbei in Betracht, obwohl sie keineswegs gleich- giltia sind. Die Befestigungen von Wesel, deren Werth durch seine strategisch günstige Lage nicht wenig erhöht wird, bestehen, nachdem die Umwallung behufs Erweiterung der Stadt seit 1891 niedergelegt und 1889 schon ein Fort ge schleift worden, aus der in der Gabel von Lippe und Rhein gelegenen Citadelle und vier Außenwerken, wovon sich zwei (Kort Blücher und Kort I) jenseits deS RheiueS befinden. Die Willibrordikirche ist Wohl der schönste undl bemerkenSwertheste Kirchenbau am Niederrhein, nördlich vor Köln, die Domkirchen von Altenberg, Neuß und kanten nich ausgenommen, was gewiß viel besagen will. Sie bat, wi der Kölner Dom, fünf Schiffe, könnte aber trotz ibrer an sehnlichen Verhältnisse bequem in diesem wohnen. Sie kan aber den Vergleich mit den Domkirchen mittlerer Größ Wohl aushalten. Ihre Länge ist, bei einer Breite vv 38 Metern, 66 Meter. Das Mittelschiff bat eine Höhe von 2.'i der Thurm von 98 Metern. Beim Erfurter Dom siu die Raumverhältnisse folgende: Länge des Schiffes 14, Bre i »29, Höhe 19 m. Länge des Chors 36, Breite 24, Höhe 26 v. Chor und Thurm der Willibrordikirche sind ganz neu e* richtet. Besonders bemerkenswerth sind die reich gegliederte. Giebelseiten und die Sterngewölbe im Innern. Letzter^ ist auch stilgemäß ausgemalt, wobei Reste der alten Benialuiz verwerthet wurden. Die Glasmalereien der Fenster sink größtentheils im königlichen Institut für Glasmalerei H Charlottenburg hergestellt worden; der übrige Theil rüht von der rühmlich bekannten Firma Hertel und Lersek 1 Düsseldorf her. Die Orgel (80 Register) ist ein Meist« werk de« königl. Hoforgelbaumeister Sauer zu Frankfurt a/Ä DaS Aeußere hat noch einen besonderen Schmuck erbaltt durch eine Anzahl von Standbildern unter Baldachine, darunter Kaiser Wilhelm I., Friedrich Wilhelm, der Gro« Kurfürst, der heilige Willibrord, die Reformatoren Melanchthc, HereSbach und Clarenbach. Die Renovirung hat einschließlf der (noch vorzunehmenden) Freilegung 2,1 Mill. Mark crforde , wovon 270000^ durch Kaiser Wilhelm I. beigesteuert Word« find. Von sonstigen Gebäuden ist besonder« hervorzuheben dt 1ZS6 vollendete Rathhau« kn gothische« Stil, mit reich v* zierter Vorderseite, daran die Standbilder des heiligen Willi brord, Karl'S des Großen, Rudolfs von Habsburg, der Grafen Dietrich VII. und VIII. von Cleve, sowie der Chur fürsten Johann Sigismund und Friedrich Wilhelm's (des Großen Kurfürsten). Im Innern ein im altdeutschen Stil neu errichteter, prachtvoll ausgestatteter Sitzungssaal mit bemerkenS- werthen Gemälden, worunter auch die lebensgroßen Bilder der Kaiser Wilhelm I. nnd Friedrich III. Im Amtszimmer des Bürger meisters die 1894 restaurirten lebensgroßen Bildnisse der brandenburgisch-preußischen LandcSfürslen, zum Theil von ihnen selbst geschenkt. Die übrigen Sehenswürdigkeiten Wesels machen wir, um nicht zu weitläufig zu werde», und nm Raum für die so interessante Geschichte zu behalten, nur kurz nam haft. Es sind: die Mathenakirche von 1429 mit 102 w hohem Thurm, das Co m Mandant nrgebäude, ursprünglich Schloß der Herzöge von Cleve, 1417 durch Herzog Adolf cr'oaut, das Proviantamt, früher Johannitergebaude, das reich verzierte Berliner Thor, daS seit 1890 errichtete Niederrheinische Museum, die 1950 m lange Eisen bahnbrücke mit vier Stromöffnungen, die bei Weitem längste Brücke über den Rhein und überhaupt die längste nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa, wenn man von der 3600 m langen Lagunenbrücke absieht, welche Venedig mit dem Festland verbindet. WaS nun die Geschichte Wesels betrifft, so führt sie unS weit in das graue Alterthum zurück. Schon zur Karolingerzeit bestand an der Mündung der Lippe eine Ort schaft namens Lippeham (Lippeheim oder Lippebausen). Dieser Ort hatte aber zweifellos ein weit höheres Alter und führt sich wahrscheinlich auf eine friesische Ansiedelung (oder Be festigung) zur K-merzeit zurück. Di« alten Friese» waren gleich den Phöniciern ein Schiffervolk, wenigstens so weit sie die Seelüften und die Ufer der Flüsse bewohnten. Sie trieben gelegentlich auch Seeräuberei. Daß sie zu diesen Zwecken Stützpunkte anlegten, ist selbstverständlich; sie werden in dieser Hinsicht doch nicht etwa eine Ausnahme von allen anderen der artigen Völkern gemacht haben; und da wäre eS zu verwundern, wenn sie sich einen so günstig gelegenen Punct wie die Mün dung der Lis'pe hätten entgehen lasse». Mit den Friesen batten die Romer wicderbolt, besonders aber seit 27 v. Cbr. deftige Kämpfe zu bestehen. Der letzte dieser Kämpfe (im Jahre 58) entstand desdalb, weil sich die Friesen eines Landstriches am Rhein bemächtigt hatten. Gegen sic war auch hauptsächlich die Kette der niederrheinischen be festigten Lager gerichtet, von denen zwei, Oastra voter», daS heutige kanten und Oolouia 'I'rajaua, das heutige Kellen, gerade der Mündung der Lippe gegenüber (oder doch in kurzer Entfernung) lagen und denen sich iin Süden -Vseibur- xfium, das heutige ASberg bei MörS und Kelckuba, daS heutige Gellep bei Uerdingen, im Norden Xc»viomr»szu8 Uiitavnrum, das heutige Nimwegen, Trascctnm ack Ubcnum, daS heutige Utrecht und Imgckunnm Uatavorum, daS heutige Leyden an schlossen. Freilich deuten die Namen von Leyden und Nim wegen darauf hin, daß sie gegen, oder vielmehr für die Bataver errichtet waren, da diese Bundesgenossen der Römer waren; eS ist aber, wie schon oben erwähnt, sicher, daß die ursprünglich nur zwischen der Zuydersee und der Em« woh nenden Friesen später weiter südlich bis zum Rhein vor drangen. Damit stebt es auch im Zusammenhang, daß die Friesen seit dem 6. Jahrhundert in kriegerische Berührung mit den Kranken kamen. Besonder« bemerkenswerth sind di« Kämpf« mit dem tapferen Friesensürstea Ratbod, der S8S
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite