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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.08.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960804017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896080401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896080401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-08
- Tag1896-08-04
- Monat1896-08
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Die Morgen-Ar-gab« erscheint um '/.? Uhr. die Abeud-Au-gab« Wochentag- um 5 Uhr. Nr-artto« und Lrpeditto«: 2»hanne-,affr 8. Die Expedition ist Wochentag« anunterbroche» geüssuet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Bezugs-Preis tu der Hauptexpedition oder den im Stadt- bmirk «mb den Bororte» errichteten *o«- aabestellen abgebolt: vterteljLhrlich^l^LO, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« vau-^l bchO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestährlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandsrndung tu« Au«land: monatlich 7.50. Filialen: vtt» Klemm'« Sortim. (Alfred Hahn). UniversitätSstratze 3 (Paulinum), Loui« Lösche. Kathartnenstr. 14, Part, und König-Platz 7. Morgen-Ausgabe. tMgtr JagtblM Anzeiger. Ämlsvtatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes un- Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Auzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Neclamen unter dem Redaction-sttiL (4ge. spalten) 50-cj, vor den Familie nnachrichteo (6gespalten) 40/^. Gröbere Schriften laut unserem Preis, verzrichnib- Tabellarischer und Ziffern!«- »ach höherem Tarif. Extra-Beilage« (gefalzt), nur mit der Morgen»Autgabe, ohne Postbefördrruug »l SO.—, mit Postbeförderuug 70.—. Annahmeschluß fir Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anzeige« sind stet« an die Expedition zu richten. »» Druck rmd Verlag von E. Pol» in Leivjig 382. Dienstag den 4. August 1896. so. Jahrgang. Die letzten Kämpfe in Dentsch-Südweftasrika. Ueber die endgiltige Niederwerfung des Aufstandes der KhanaS-Hottentotten liegt nun im soeben erschienenen neuesten Heft des „Deutschen Colonialblatts" ein Bericht des Landeshauptmann« Major Leutwein vor, der vom 8. Juni d. I. datirt ist. Die letzten Berichte schlossen mit der Mittheilung, daß ein Bote an die auf der Flucht be griffenen Khauas-Hottentotten gesandt wurde, der am 12. Mai d. Ä. mit der genauen Nachricht über die gegenwärtige Stellung des Stammes, sowie des Häuptlings Kahimema zurückkam. Unter Hinterlassung einer starken Wache für die Verwundeten und Gefangenen marschirte Major Leutwein am folgenden Tage Abend- vom alten Lagerplatz mit der ganzen Truppe ab, erreichte am 14. Abend-, Witbooi in der Avantgarde mit sich führend, den ihm bezeichneten Platz, und bezog zehn Minuten vor demselben Gefechtsstellung, soweit solches bei dem auch dort ungemein dichten Gebüsch möglich war. Boten, zumeist aus WitbooiS und Hereros bestehend, brachten den Aufrührern die Aufforderung, sich entweder bedingungslos zu ergeben oder eines neuen Kampfes gewärtig zu sein. Sie zogen das Erstere vor. Kahimema, welcher nur noch 5 Leute beisich hatte, kam noch an demselben Abend, die Khauas-Hottentotten am andern Morgen. Während der Nacht waren sie in der Werst selbst bewacht worden. Ein Theil der Khanas hatte sich in dessen vorher abgezweigt und ging direct in das Lager bei Otjunda, wo die Truppe sie nach ihrer Rückkehr vorsand. Augenscheinlich hatten sie sich vorher überzeugen wollen, ob die Gefangenen getödtet werden würden. Weiter berichtet der Landeshauptmann: „Nach unserem Abmarsche von Otjunda war auch der Capitain Simon Cooper aus Gothas, ohne von mir gerufen zu sein, mit etwa 130 gut bewaffneten Reitern behufs Theilnahme am Kriege im Lager eingetroffen. Er folgte mit den besten Pferden der Expedition nach und erreichte die letztere am 15. Morgens nach Eintreffen der Gefangenen. Wie sehr der Stamm der Khauas zusammengewürfelt ist, und zwar naturgemäß aus Weniger guten Elementen, konnte jetzt festgestellt werden. Nach einer Ansprache meinerseits, in welcher ich den Gefangenen daS Leben zusicherte, da der Kriegsanstifter, ihr Cavitain Eduard Lambert, schon todt sei, ergriff auf mein Ansuchen auch Witbooi zu einer Strafpredigt das Wort, in welcher er ihnen androhte, er würde, wenn sie noch einmal wegliefen, sie aufs Unerbittlichste verfolgen helfen, bis sie todt oder wiedergefunden seien. Während dieser Ansprache entdeckte er unter den Gefangenen drei seiner eigenen Leute, welche er sofort vor die Front nahm und tüchtig Lurchhauen ließ. Hierdurch sah sich Simon Cooper, welcher es wohl sonst nicht so genau genommen hätte, zu gleichem Thun veranlaßt. Er hatte unter ihnen fünf seiner Unterthanen entdeckt. Schließlich kamen noch zehn Manasseleute aus Hoachanas in gleicher Weise an die Reihe. In das Lager zurückgekehrt, wiederholte sich diese Procednr an einer ganzen Anzahl der direct dorthin geflüchteten Khanas. Mithin waren unter den noch etwa 70 waffenfähigen Männern des Stammes mindestens die Hälfte fremder Nationaltät. Im Ganzen bestand der Stamm noch aus etwa 220 Köpfen einschließlich Weiber und Kinder. Die Ansprache Witboois hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Die Bewachung der Khauas hat uns bis jetzt wenig Mühe gekostet. Sie wurden unmittelbar nach Ergreifung unter schwacher Bedeckung nach Windhoek abgcführt, wo sie zu Zwangsarbeiten verwendet werden. Ein Theil thut auch bereits bei der Feldtruppe selbst Dienst, und hat bis jetzt keiner einen Versuch zur Flucht gemacht. Die Namen der erwachsenen Männer sind ausfindig gemacht und ausgeschrieben worden. Es fehlen von ihnen nur noch drei, über deren Verbleib Niemand Auskunft zu geben im Stande war, ich werde sie zur Einlieferung ausschreiben. Möglicherweise sind sie indessen bereits todt. Als Eigenthum besitzt der Stamm nichts mehr, als was seine Angehörigen aus dem Leibe tragen. An Gewehren hatte er noch 43 Stück, zum Theil gute Hinterlader. Kahimema nebst Anhänger behielt ich im Hinblick aus die in Okahandya zu führenden Verhandlungen bei mir. Es war nämlich mittlerweile auch die Nachricht eingetroffen, daß sich Nikodemus in Okahandya unter Betheuerung seiner Unschuld freiwillig ge stellt habe. Da sich sein Halbbruder, der Untercapitain Afja Riarna, für ihn verbürgte, wurde er vorläufig auf freiem Fuße belassen, später aber auf meinen Befehl doch festgesetzt, als ihn die Aussagen der vorläufig vernommenen Gefangenen immer schwerer belasteten. Nunmehr schickte ich auch mit einigen Leuten von Samuel Botschaft an die Grobleute von Kahimema, an der Spitze Kahikaeta, ebenfalls mit der Aufforderung, sich bedingungs los zu unterwerfen oder der Fortsetzung des Krieges gewärtig zu sein. Auch dieser Schritt verfehlte seine Wirkung nicht. Soweit sie am Leben waren, stellten sich die Großleute — vier an der Zahl — im Lager bei Otjunda. Nachdem noch ein zwei Tage märsche entfernter Biehposten Kahimema's, in der Stärke von 1200 Stück, aufgehoben worden war, kehrte ich selbst mit der gesammten Truppe in das Hauptlager bet Otjunda zurück, wo ich am 19. früh wieder eintraf. Aus Meldungen, die unterdessen in der Richtung von Okahandya eingelausen waren, ergab sich, daß die Hauptwerft von Nikodemus sich in Ekuja, nördlich Otjihaurna, befinde. Dort lag nunmehr der Schwerpunkt des Krieges, da die Frage, ob es noch einmal zum Schießen komme, nunmehr nur von Len daselbst sitzenden Großleuten abhing. Ich setzte mich daher am 22. Abends über Tjeetjoos Werft dorthin in Marsch. Bei letztgenanntem Häuptling sand freundlicher Verkehr statt. Ich lobte ihn wegen seiner loyalen Haltung, freute mich aber auf der anderen Seite, ihn den Anblick meiner vorübermarschirenden, jetzt auf 500 Reiter angewachsenen Truppe genießen lassen zu können. Wenn Tjeetjoo auch äußerlich Frieden hält, so ist er innerlich doch mehr aus Furcht als aus Liebe zu uns von dem Ausstande sern geblieben. Im Uebrigen blieb auch eine nach Ekuja vor ausgesandte Aufforderung zur Unteitoersung unter Androhung einer Fortsetzung des Krieges im Falle der Weigerung nicht ohne Wirkung. Neun Großleute von Nikodemus stießen zum Theil unterwegs zu uns, zum Theil hatten sie sich in Okahandya gestellt. Es stand sonach kein Feind mehr im freien Felde und erübrigte lediglich ein diplomatisch-gerichtliches Nachspiel, dessen Schauplatz naturgemäß nur Okahandya sein konnte. Dort hatte mittlerweile der Major Mueller die neu eingetroffene Truppe organisirt und sonach eine — um mich eines Ausdrucks aus dem großen Kriege zu bedienen — Art „Reservearmee formirt. Etwa am 20. Mai d. I. war die Formirung der Abtheilung Mueller beendet und sie brach dem erhaltenen Befehl gemäß zur Bereinigung mit mir behufs ge meinsamen Angriffe- auf die Werft Ekuja in nordöstlicher Richtung auf. Bevor es jedoch so weit gekommen war, erfolgte die bereits erwähnte freiwillige Unterwerfung der Großleute von Ekuja, worauf fachgemäß der Rückmarsch der Abtheilung Mueller nach Okahandya zu erfolgen hatte. Am 2. Juni früh sand feierlicher Einmarsch dahier unter sicht licher Theilnahme der Bevölkerung, sowie Vereinigung der alten und neuen Truppe statt. Die durch den Assessor v. Liudequist sofort begonnene gerichtliche Untersuchung ergab mit unzweideutiger Klarheit, daß der Anstifter der Krieges einzig und allein Nikodemus gewesen ist, und zwar hatte er seine Wühlereien un mittelbar nach seiner Einsetzung als Capitain des Ostens begonnen. Auch Witbooi suchte er heretnzuziehen. Ich werde dessen Aussage als besonders interessant später einsenden. Nikodemus leugnet freilich mit dreister Stirn, auch angesichts der ihm gegenüber gestellten Zeugen, einschließlich seines Mitschuldigen Kahimema, welch Letzterer seinerseits nichts beschönigt. Morgen und über- morgen wird das Kriegsgericht stattfinden, und lanu ich über den Ausfall vielleicht noch mit dieser Post melden. Es erübrigt nun, über die Vorgänge in den übrigen Theilen des Hererolandes zu berichten. Vor meinem Abmarsche von Otjunda hatte ich zehn weiße Reiter unter Vicifeldwebel Froede nebst einigen Hereros entsendet, um die Viehposten Kahikaetas ans- zuheben und dessen Werst zu entwaffnen. Diese Abtheilung ist gestern zurückgekehrt. Die Ausbeute bestand aus 1200 Stück Vieh und 14 Gewehren. An Widerstand dachte Niemand mehr. Zu einem vollständigen Ausbruch kam dagegen jetzt schon die auf rührerische Bewegung in Otjimbingue, vor Allem hervor gerufen durch die Aufreizung eines Engländers, Namens Wallace, welcher außerdem den Eingeborenen in ver botener Weise Spirituosen geliefert hatte. Einige 30 Hereros rotteten sich in angetrunkenem Zustande zusammen, suchten das Haus eines Weißen zu stürmen und setzten der herbeieilenden Militairpatrouille Widerstand entgegen. Daneben wurde auch Mis sionar Meyer etwas belästigt. Es kam schließlich zu einer kleinen Schießerei, bei welcher zwei Hereros verwundet wurden. Der gerade mit einem Theil der neuen Truppe angekommcne Premierlieutenant d. R. (Obergrenzcontroleur) Schmidt setzte den Engländer in Haft und stellte bei den Hereros durch gütliches Zureden die Ruhe wieder her. Seitdem ist sie dort nicht wieder gestört worden. Wenn ich nun noch einmal aus den Verlaus des Krieges zurück sehe, so muß ich sagen, daß er ein ungewöhnlich glücklicher gewesen ist. In dem für uns ungünstigsten Momente ausgebrochcn, schien der Aufstand das Schutzgebiet an den Rand des Abgrundes zu bringen, zumal in den ersten Anfängen nicht zu übersehen war, welche Ausdehnung er gewinnen würde. Jndeß gelang dessen Localisirung, und damit war die größte Gefahr beseitigt. Ein wesentliches Verdienst hierfür gebührt der unerschütterlichen Freund- schäft Les Oberhäuptlings Samuel in Verbindung mit der ebenso unerschütterlichen Vertragstreue Witboois. Was die verbündeten Hereros uns genutzt haben, kann nicht hoch genug angeschlagen werden. Das für uns in dem weiten Lande Schwierigste, nämlich Ausfinden deS Feindes, der Weide- und Wasserstellen, ging mit ihrer Hilfe und vermöge ihrer Ortskunde glatt und ohne jede Störung von Statten. Niemals haben wir trotz unseres bedeutenden Viehbestandes auch nur im Geringsten an Wassermangel gelitten. Was das heißen will, kann nur der Kenner richtig würdigen. Unsere übrigen Bundesgenossen habe ich mir bereits in meinem letzten Bericht zu charakterisiren gestattet und dem nichts mehr hinzuzu fügen. Ueberhaupt hat sich die diesmalige Zusammensetzung der Feldtruppe — Weiße nur als Kern, die Masse Eingeborene — als die für hiesige Verhältnisse in der Thal zweckmäßigste erwiesen. Ich ziehe eine solche Truppe dem bestausgebildeten heimathlichen Jäger-Bataillon vor. Nicht stolze Heeresmassen verbürgen Len Sieg, sondern die Geeignetheit der betreffenden Truppe sür die ge gebenen Verhältnisse. Die Kriegs« wie auch die Colonialgeschichie giebt hierfür deutliche Lehren." Der Bericht schließt mit folgenden beacktenSwertben Worten: „Fern muß uns jede Politik bleiben, welche uns die Eingeborenen entfremdet und daher in schwierigen Lagen lediglich auf un« selbst anweist. AuS diesem Zusammenwirken von Weißen und Eingeborenen er- giebt sich als Hauptvortheil des verflossenen Krieges und als eine gute Grundlage für die Zukunft, daß das Schutzgebiet sich aus eigenen Kräften hat helfen können, was daS ganze Ziel meines bisherigen Strebens gewesen ist. Unter den 500 Reitern, aus welchen, wie bereits ge meldet, die Truppe schließlich bestanden hat, befanden sich noch nicht 100 Angehörige der Schutztruvpe selbst. Ter Rest war aus wieder eingezogenen Reservisten, Krigsfreiwilligen und Eingeborenen zusammen gesetzt. Ganz besonders muß ich auch die zur Rückkehr nach Deutschland angemeldeten Reservisten loben. Sie machten angesichts des heimathlichen Schiffes ohne jede Schwierigkeit Kehrt und meldeten sich in weitaus über wiegender Mehrzahl zur Feldtruppe selbst. Doch konnte nur ein kleiner Tkeil noch den Kriegsschauplatz selbst erreichen. Von diesen Letzteren ist Einer (Graeber) bei Otjunda gefallen. Auck die weiße Bevölkerung Windhoeks bat dem Kriege eine Theilnahme entgegenbracht, wie ich sie hier noch nicht erlebt habe. Des freiwilligen Ver- theidigungscorps habe ich bereits gedacht. Daneben wurde auch das von 1870 her in rühmlichem Andenken stehende nützliche Institut der Liebesgaben für die im Felde stehenden Krieger eingesübrt, was bei Letzteren sichtlichen Bei fall gefunden hat. Nach Erledigung des Kriegsgerichts werde ich mit der gesammten Truppe nach Windhoek zurückmarfchiren, dort die Feldtruppe neu organisiren lassen und dann den größten Theil der letzteren unter Major Mueller wieder nach dem Osten entsenden, um die den Besiegten auferlcgte Kriegs entschädigung einzutreiben. Ueber die Verwendung der leb teren werde ich noch besonderen Bericht erstatten. Jeden falls wird dieser Krieg einer Zahl von Ansiedlern die erste Grundlage sür den künftigen Viehbestand gewähren, die Hereros dagegen von ihrem übermäßigen Viehreichthum sachgemäß etwas entlasten/ Die Aufrührer Nikodemus und Kahimema sind in zwischen, wie gemeldet, vom Kriegsgericht zum Tode ver urtheilt und aus Grund dieses Unheils erschossen worden. Deutsches Reich. Q Berlin, 3. August. Die agrarische Presse und die Wortführer der Agrarier im Reichstage haben es dem preußischen Landwirthschaftsminister wie dem Abgeordneten von Bennigsen mehr als einmal zum Vorwurf gemacht, daß sie einen „Nothstand" der Landwirlhschaft für die Provinz Hannover nicht in dem Sinne zugeben wollten, den die ostelbischen Agrarier mit diesem Worte zu verbinden pflegen. Für die Haltlosigkeit dieses Vor Wurfes spricht wohl am deutlichsten der Bericht der Handelskammer zu Osnabrück, deren Bezirk stark nut Landwirlhschaft durchsetzt ist, und deren Berichterstattung die agrarische Presse auch jetzt wieder uneingeschränktes Lob zu Theil werden läßt. Zn den, letzten Jahresbericht der ge nannten Handelskammer heißt es aber ausdrücklich: „Es kommt der wirthschaftlichcn Lage unseres Bezirks zu Stallen, daß die Lankwirtbsckast bei un- im Allgemeinen noch ziemlich gute Verhältnisse aufweist, angesichts deren man kaum sagen darf, daß innerhalb dieses großen Gewerbezweiges gegenüber den anreren Erwerbsständen unseres Bezirks eine aus gesprochene, als „Nothstand" zu bezeichnende Ungunst der Lage vorherrsche." Noch eine andere Wahrheit, die leider von der agrarischen Presse todtgescbwiegen wird, schreibt der diesjährige Bericht der Osnabrücker Handelskammer den Agrariern in das Stammbuch. „Allerdings", heißt es nämlich im An schluß an die oben citirten Bemerkungen, „sind auch bei uns Feuilleton. Die Frau im Spiegel der Frau. Colturbilder aus aller Herren Länder. VI. Tic spanische Fra». Bon Emilia Pardo de BazLn (Madrid). Nachdruck verboten. Neber die spanische Frau hat fick, geschaffen von der Literatur und der Kunst, eine ganze Legende gebildet. Die Dichter, die Schriftsteller, die Musiker — besonders die fran zösischen — haben aus der spanischen Frau ein glühendes und leidenschaftliches Wesen, etwas ganz specifisch Romanisches gemacht: die wilde „Gitana" oder die capriciöse große Dame der Cartons von Goya, die mit den Toreadors vertraut ist. Es ist wohl an der Zeit, »in weniger pittoreskes, aber treueres Porträt zu zeichnen. Ich will versuchen, die wahre Physiognomie einer Frau zu schildern, die in der Geschichte hervorgetreten ist und hohe und ernste Eigenschaften besitzt, aber freilich nur in Ausnahmesällen das sonderbare und feurige Seelenleben zeigt, daS man ihr zugeschrieben hat — zugeschrieben hat auf den Credit von Reisenden mit furcht barer Phantasie oder von Romandichtern, die nach einer erotischen Poesie ganz aus Flitter und Rauschgold suchten. Erinnern wir uns zunächst daran, daß Spanien von sehr verschiedenen Raffen (unter denen man sklbst einige, die nicht zu den Ariern gehören, nennen könnte) bevölkert und bewohnt wurde. Die Verschiedenheit der Rassen und der Gegenden, die allmählich die spanische Nationalität gebildet haben, mußte nothwendigerweise die Verschiedenheit der weiblichen Typen m physischer und moralischer Hinsicht zur Folge haben. Wir sprechen hier gar nicht von den Süd-Amerikanerinnen, die der spanischen Rasse angehören, und selbst nicht einmal von den Creolinen unserer Antillen; wir beschränken uns auf die Halbinsel und stellen fest, daß eS da mindestens ein Dutzend spanischer Frauentypen giebt, die, einiger gemeinsamer Züge ungeachtet, ganz verschieden, ja einander entgegengesetzt sind. ES ist schwer, sich einen frappanteren Gegensatz vorzustellen, als den zwischen der südspanischen Frau und der aus dem Norden oder Nordwesten. Bei der ersteren merkt man sofort daS maurische Blut, manchmal findet man sogar den reinen Charakter der semitischen Raffe; bei der anderen beobachtet man daS Fortleben ver iberischen, germanischen und keltischen Elemente. Die Frau des Südens hat einen braunen Teint, schlanke Taille, schwarzes Auge, gewölbten Fuß; Vie des Norden- ist ost blond vdcr rothhaarig, weiß, frisch, kräftig, sie liebt die Arbeit und Sparsamkeit, während die Südländerin mehr indolent ist und gern nach arabischer Sitte eingesperrt leben würde. Nirgends, im Norden wie im Süden, würde man so leicht viele Exemplare der Frau mit dem brennenden Herzen, der tragischen Heroine aus den Erzählungen MSrimäcs finden. Die Frauen, die aus Liebe oder Eifersucht Ver brecherinnen werden, sind in Spanien selten; hier ist es viel mehr der Mann, der mit dem Messer spielt. Uebrigens wissen wir durch die interessanten Unter suchungen unserer hervorragenden Criminalistin Frau Arenal, daß die Criminalität der spanischen Frau im Verhältniß zu der de« Mannes wie 2: 20 steht. Die Frau au« dein Volke ist in Spanien arbeitsam, besonders in den Ackerbau treiben den Gegenden de« Nordens; in Galizien z. B. verrichtet sie die Feldarbeiten zusammen mit dem Manne, und manchmal ersetzt sie ihn, wenn die Auswanderung diese Gegenden ent völkert. Trotz de« Kräfteverbrauchs, den diese harten Arbeiten erfordern, ist die Frau aus dem Volke sehr nüchtern, sie weiß nichts von AlkoholiSmu«, ißt wenig und kennt das Spiel nicht. Die spanische Fran ist gesund und normal, trotz der wenig hygieinischen Lebensweise der bürgerlichen und adeligen Gesellschaft, sie erreicht im Durchschnitt ein höhere« Lebens alter al« der Mann. Sie ist, besonders im Norden, sehr fruchtbar; Häuser mit zwölf Kindern sind nichts Außer gewöhnliches. Die Stellung der spanischen Frau als Mutter und ihre Bedeutung trägt fast den Charakter der Uebertreibung. Die Mütter und nicht die Liebenden sind eS, die der üblichen Legende zur Grundlage dienen könnten. Vor kurzer Zeit bat ein großer Dramatiker, Echegaray, mich daraus aufmerksam gemacht, wie leicht es sei, da« spanische Publicum in Be wegung zu versetzen, wenn man die Saite des Mutter- gefühls berührt. Man darf sagen, da« Muttergesübl und nicht die Liebe ist e« meist, die da- Herz der spanischen Frau schlagen macht. Bemerken wir auch eine besondere Nuance: di« Liebe gründet sich in unserer Rasse aus die Eifersucht. Der Spanier bat die Herrschaft der Mauren nicht vergessen und in seinen Beziehungen zur Frau ist er vor Allein eifer süchtig, voll von Leidenschaft und Mißtrauen. Dieser Seelrn- rustand ändert sich in den Beziehungen des Sohne« zur Mutter. Wenn der Liebende und der Gatte immer miß trauisch sein müssen, so muß der Sohn im Gegentheil von absolutem, blindem, fanatischem Vertrauen fein. Zn den Volksliedern und in der ganzen spanisch«» Poesie ist e« rin Gemeinplatz, die Hingabe und Treue der Mutter der Un dankbarkeit, Unbeständigkeit und Trruioflgkril der Geliebten gegenüberzustellrn. Wa« die Religiosität der spanischen Frau betrifft, so ist sie, wie die der Italienerin, al« abergläubisch, ja, sagen wir r« heraus, al- ein wenig fetischistisch bezeichnet worven. Man könnte diese Anklage durch die Thatsache widerlegen, daß die Spanierin in den Zeiten de- GlaubenSeiferS und MysticiSmu« intellektuell Hoher stand al« heute. Im 15. und 16. Jahrhundert war die Frau um so gläubiger, je gelehrter sie war. Damals erzeugte Spanien eine Reihe von Gelehrtinnen und Philosophinnen: die große heilige Therese, die verehrenSwürdige d'Agreda, Donna Oliva Sabuco. Heutzutage ist die spanische Frau zweifellos gut katholisch, aber wir haben nicht mehr diese bervorragenden Frauen: Theologinnen, Ekstatikerinnen, Seherinnen, die der Heilige Geist besucht; ja, wenn sie austräten, würden sie mit äußerstem Mißtrauen betrachtet werden. Der Luxus gekört nicht zu den Fehlern der spanischen Frau. Wenig Raffinement, vielmehr eine gewisse Koketterie, das Bedürfniß, fein beschuht zu sein und eine frische Toilette zu haben. Der Mangel an künstlerischer Bildung trägt wahrscheinlich zur Verringerung ihrer Bedürfnisse bei. Sie liebt ein schönes Kleid, einen Schmuck, einen Schuh, der ihren Fuß recht vortbeilhaft zur Geltung bringt, aber sie träumt nicht von Gemälden, Möbeln, Spitzen, Equipagen» Bibelots, von glänzenden Gärten und dieser Wäsche, die Tausende von Francs kostet: sie wird vergnügt ihre Olla potrida esse», Wasser trinken und in sehr bescheidenen Betten schlafen. In Spanien ist eS nicht der Luxus der Frauen, der die großen fürstlichen Familien ruinirt hat. Ich habe bemerkt, baß die alten Jungfern und die Witlwen in Spanien von sehr wenig leben» Ersparnisse machen und manchmal daS von den Männern zerrüttete Vermögen wieder Herstellen. Die Spanierin besitzt eine lebhafte Intelligenz und eine Begabung, die sie in zahlreichen Fällen bewiesen hat; aber im Puncte der Erziehung ist sie sehr zurückgeblieben. Ist auch die Frau überall weniger gebildet als der Mann, so muß doch Spanien zu den Nationen gezählt werden, die es geradezu als Dogma aufgestellt haben, daß die Frau unwissend bleibe. Obgleich gesetzlich berechtigt, an allen UniversitätS- Cursen theilzunrhmrn, hat da« junge Mädchen doch von dieser Berechtigung keinen Vortheil. Die herrschenden Ideen über die Mission und die Stellung der Frau, die alte, in unseren Sitten sortlebende arabische Eifersucht widersetzen sich der Erwerbung ausreichender Bildung durch die jungen Mädchen. Eigenartig ist die Thatsache, daß in unserem kleinen Nachbar lande Portugal ver Unterricht der Frauen unendlich größere Fortschritte gemacht hat al« in Spanien: während wir nur einen weiblichen Arzt baben, giebt e« in Portugal mindestens sechzehn, die dies« Kunst au-üden. Wa« man an Bildung und Kenntnissen für die jungen Mädchen al» ausreichend und angemessen betrachtet, da« ist sehr primitiv. Bei denen au« dem Volke etwa« Lesen und Schreiben — Gott weiß, wie! In den bürgerlichen Classen die Grammatik, der Katechismus, Zeichnen, Geographie, Piano, kleine Nadelarbeiten — allenfalls eine oder zwei Sprachen, die man jämmerlich genug stottern lernt. In den hohen Classen, bei den sehr reichen Familien, macht man die lebenden Sprachen zur Grundlage, man hält eine französische oder englische „xvverness", aber das ist auch Alles: andere Kenntnisse sind den jungen Mädchen verboten. Ter Unter richt beschränkt sich ans die Mädchen von 8—15 Jabren. Nach dem 15. Jahre lernt das Mädchen überhaupt nichts mehr, sie ist jetzt reif zur Ebe. Findet sich der sebnlichsl er wartete Freier nicht ein, so hält man die Existenz des Mädchens für verfehlt. Selbst zugegeben, daß der einzige Lebenszweck der Fran die Ebe sei, darf man wohl sagen, daß sie, so unvollständig gebildet, so schlecht auf ihre ernsten Pflichten vorbereitet, un möglich sein kann, was sie sein sollte. Das Glück, die Harmonie in der Ebe ist darum in Spanien nicht sebr häufig. Man wird schwerlich anderswo als in Spanien so leidenschaftlicher Liebhaber — und so gelangweilte und küble Ehemänner finden. Während der wenigen Monate vor der Hochzeit sind die jungen Leute gleichsam toll vor Liebe; l4 Tage nach der Eheschließung begleitet der Mann (wenn er noch geruht, sie zu begleiten) seine Krau, offne sie anzu sehen oder ein Wort an sie zu richten. Der Mann hat in seiner Frau keine Seele gesunden, keine Intelligenz, und darum ist er enlnüchtert, vielleicht ohne es zu wollen oder zu gestehen, vielleicht in der Meinung, eS müsse so sein. Es ist sehr selten, daß der Ehemann nicht nach dem ersten Jahre der Ehe seine Junggesellengewohnbeiten — daS Cafö, den Club, seine Freunde rc. — wieder aufnimmt. Diesen schweren Fehler der spanischen Frau, ihren Mangel an Bildung, ihre Ignoranz sogar auf specifisch weibliche» Gebieten darf man jedoch nicht eigentlich iyr zur Last legen. Er ist das Ergebniß sehr complicirter Gründe: der Zustand der spauiscffcn Gesellschaft, die Vorurtheile der Eltern rc. müssen dabei >» Rücksicht gezogen werden. Trotz dieser ungünstigen Verhältnisse, die geeignet sind, alle guten Anlagen im Keime zu ersticken, bat Spanien auto didaktische und darum um so achtungSwerthere Frauen von Verdienst bervorgebracht. Unser Javrbundert bat lyrische Dichterinnen wie Karolina Coronado und GertrudiS Avel laneda, Romanschriftstellerinnen wie Cacilia Bödl de Faber; Frauen, die sich in den juristischen und sociologischen Studien, in der Pädagogik, der Musik, der Malerei, der Politik ehren volle Plätze erobert haben. Aber da« sind immer glänzende Erscheinungen, die mehr Staunen al« Wohlwollen und ebr liche Bewunderung hervorgerufen haben. Wa« sür Spaniens Fortschritt nötbig wäre, da« wäre eine gediegene ernste, voll ständige Erziehung der Frauen: aber das ist vielleicht ein Traum, denn schließlich ist der Unterricht sür die Männer in Spanien auch weit von dem entfernt, wa« er sein sollte. Im Ganzen nimmt die spanische Frau in dieser Epoche de« Urber- gang« eine schwankende Stellung ein.
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