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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.08.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189608099
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18960809
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18960809
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-08
- Tag1896-08-09
- Monat1896-08
- Jahr1896
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.08.1896
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zifsernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit de, vtorgen - Ausgabe, ohne Postbesörderung SO.—, mit Poslbeforderung 70.—. ^nnahmeschluß sur Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr, Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. vei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. -es—— Druck und Verlag von E. Polz in Leivjig M. Sonntag den 9. August 1896. Sv. Jahrgang. i.MLM Bestellungen auf Nciseabonnements nimmt entgegen und führt für jede beliebige Zeitdauer aus äle LxpvüMon üv8 I^elp/^er lazeklattes, Johannisgasse 8. Aus der Woche. K- Ein „Gerichtshof", bestehend aus einem Manne, der allem Anschein nach Partei in der Sache war, verurtheilt einen Europäer zum Tode und läßt ihn sofort hinrichten, weil der Gerichtshof und der Mann — angeblich — nicht wissen, daß dem Verurtbeilten die Berufung an eine höhere Instanz zusteht. Das geschah in Afrika, in Brüssel aber hat ein wirklicher Gerichtshof das Verfahren mit der Freisprechung des afrikanischen „Richters" tbatsächlich gutgeheißen! Das wird dem „Unabhängigen Congostaate" nicht vergessen wcrveu. Den Vorfall auf der dänischen Insel Fanö hingegen braucht sich das deutsche Gcdächtniß nickt mit besonderer Beflissenheit einzuprägen. Wir kennen schon lange den Haß und die ohnmächtige Wuth, mit der das Völkchen an der Nordsee auf das erstarkte Deutschland blickt, und wir machen uns nichts daraus. I)um mvtuant! Die innerpolitische Sommerstille ist durch die Veröffent lichung eines Entwurfs über die Organisation des Hand werks etwas unterbrochen worden. DaS Gesetz kommt von Preußen und ist anscheinend vorzugsweise für Preußen be stimmt. Wir thcilen wenigstcus bis auf Weiteres die von der „Nat.-lib. Corr." bekundete Auffassung, daß hinter der Bestimmung, die den Landesregierungen gestattet, die Zahl der Gewerbe, für die Innungen zu errichten sind, zu vermindern, eine große Hinterthür für gewisse Bundes staaten aufgemacht wird und nicht ein kleines Pförtchen, wie die Begründung anreutcn zu wollen scheint. In diesem Punct, der natioualpvlitischcr Natur ist, muß vor allen Dingen volle Klarheit geschaffen werden. Was dann die Organisation selbst anbelangt, so fordern die Vorschläge Preußens das gründlichste Studium ihrer Tragweite. Es ist auch au der Hand der Motive keineswegs leicht, sich eine Vorstellung von den auf der Grundlage dieses Gesetzes entstehenden Verhältnissen zu machen, und die „Germania", die als die einzige unter den deutschen Zeitungen die Organisation „ganz gut" über sehen kann, ist entweder ein Sonntagskind, oder der Herr schcnkt's ibr im Schlafe, worauf sie vermöge ibrer Frömmig keit und Redlichkeit ja auch allen Anspruch bat. Die con- servativcn Organe sind weniger begabt, den» sie schweigen, so weit wir zur Stunde sehen können, noch ganz. Eins stehl wohl fest. Mit diesem Gesetze würde der Anfang einer „Organi sation der Socialdemokratic von Staats wegen" gemacht werden. Wir bekämen eine stattliche Anzahl von Innungen mit social demokratischen Mehrheiten und de» entsprechenden Vor ständen. Ob diese Voraussicht ein Hinderniß einer an sich gebilligten Organisation bilden darf, ist eine Frage, die man sich erst vorzulegen bat, wenn man zu jener Billigung vorgedrungen ist. Eine andere Frage ist, ob grundsätzliche Gegner de« Befähigungsnachweises für das ganze Handwerk dieser Vorlage zustimmen können. Ohne Zweifel ebnet der Entwurf dem Befähigungsnachweis den Weg, und die Be gründung der Vorlage äußert sich über den heiklen Punct in einer Weise, die die Freunde des Nachweises eher ermuthigl als zurückweist. Wir haben die Mittbeilung eines Wiener Blattes ver zeichnet, wonach man sich in österreichischen Regierungskreisen mit der Frage der Schaffung von internationalen Vereinbarungen zum Schutze der mitteleuropäischen Getreideproduc- tion gegen die amerikanische Concurrenz beschäftigt. Ob die Meldung richtig ist, wissen wir nicht, und möchten es sogar bezweifeln. Aber der Spott, mit der sie die freibändlerisch- radicale Presse begleitet hat, ist nur ein neuerlicher Beweis für die Kurzsichtigkeit und Plattheit dieser Richtung. Die Vereinigten Staaten schicken sich an, auS Amerika eine für die europäische Arbeit abgeschlossene Welt zu machen, die sich aber ihrerseits Europa für den Absatz offen hält. Demgegenüber müssen sich unsere Staaten früher oder später unter Nicht achtung alles Trennenden zusammeiisckließen. Die erwähnte Wiener Meldung ist in der Thal der Ton aus einer Zukunftsmusik, die das europäische „Eoncert" dereinst machen wird. Theoretisch erwogen ist die Frage schon allgemein und reiflicher, als die Nationalökonomen der Börsenpresse zu wissen scheinen. Man bat dieser Tage auf ein Flugblatt des Bundes der Landwirthe hingewiesen, worin dem Bauer vorgerechnet wird, daß er als Mitglied deS Bundes bei einem Jahres beitrag von 2.^ jährlich 671^ verdiene. Zur Grundlage genommen wird der Erfahrungssatz, daß von drei Schweinen jährlich eins trichinös wird, daß jeder Landwirth jährlich eine neue Dreschmaschine braucht, ein augenkrankes Pferd kauft und dergleichen Ilnumstößlichkeiten mehr. Wir finden, im Gegensatz zu anderen Zeitungen, daß der Bund sich ein Ver dienst erwirbt und ganz seinem Programme gemäß handelt, wenn er dergestalt die ökonomischen Umstände des Bauern verbessert! Die gleiche Billigung kann man einem anderen Circular der Bundesleitung nicht vor enthalten, das, auf feinem Papier gedruckt und in ver schlossenem Couvert versandt, sich an die Großgrund besitzer wendet. Es heißt darin u. A.: „Ibr älterer Herr Sohn, der Herr Gardelieutenant, macht jährlich lü 000 Ihr jüngerer Herr Sohn, der Iura sludirt, 8000 Schulden. Beide Herren bleiben vorläufig jährlich 40 bis 5,0 Procent Zinsen schuldig. Wie Ew. Hochgeboren nicht un bekannt ist, steigert sich derZinsfuß mit den Jahren, auf Grund der thöricbten und unverschämten Vermutbung der Geldgeber, daß die Creditwürdigkeit der Herren Schuldner Schaden ge litten haben könnte. Wenn dies aber auch nickt eintritt, so wachsen den Schulden ihrer Herren Söhne jährlich über 12 000 zu, eine Summe, die bei der gegenwärtigen Lage der Landwirthsckaft, deren Ente angesichts des bösen Willens der Regierung nicht abzusehen ist, eine ziemlich hohe genannt werden muß. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß eine Herabdrücknng der Lebensweise von Herren ans einem Hause wie daS Ihrige eine social politische Calamität genannt werden müßte. Zn Erwägung dieser Umstände hat daS Bureau des BunbeS mit den reuommirtesten Geltsirmen Berlins und Bonns ein Ab kommen dabin getroffen, daß Söhnen von Mitgliedern des Bundes (und solchen selbst, wenn sie noch das Bedürfniß haben, in das eintönige Leben deS Landwirtbes einige Abwechselung zu bringen) ein Rabatt bewilligt wird, und zwar in der Weise, daß — ganz entgegengesetzt der unbequemen herkömmlichen Praxis — der Rabatt mit der Höhe der Schuldsumme steigt, der Zinsfuß also sinkt. Ihre Herren Söhne werden also durch unsere Einrichtung in ihren finanziellen Operationen nicht nur nicht gehemmt, sondern erhalten weiteren Spiel raum, und Ew Hochgeboren selbst ersparen zunächst nach un seren Sätzen circa 3000 .Sk jährlich, eine Summe, die sich jährlich steigert, wenn Gott den Herren Söhnen Gesundheit und Lebenslust erhält." Deutsches Reich. Berlin, 8. August. Es muß aussallen, daß von der Negierung noch immer nicht die in Aussicht gestellte Ver öffentlichung über die Ergebnisse der Studienreise bewerk stelligt worden ist, welche mehrere Herren des Neichsamts deS Innern und des preußischen Handelsministerium« im Sommer vorigen Jahres nach Oesterreich unternahmen, um dort an Ort und Stelle die Erfahrungen zu prüfen, die man mit der Zwangsorganisatiou des Handwerks gemacht hat. Diese Unterlassung ist um so merkwürdiger, als die Begründung zu dem jetzt veröffentlichten Gesetzentwurf über die Organi sation des Handwerks an mehreren Stellen sich nicht nur auf die allgemeine» Wahrnehmungen beruft, welche man in der besagten Richtung in Oesterreich gemacht habe, sondern auch direct auf jene Studienreise, d. b. auf die „Er mittelungen, welche über die Entwickelung der schon seit Jahren bestehenden ZwangSgenossenschasten in Oester reich eingestellt sind", sich beziehen. Für eine gründ liche und umfassende Prüfung deS jetzt für Deutsch land projectirlen Organisationsplanes würdin diese „Ermittelungen" zweifellos höchst schätzbares Material liefern. Es steht daher zu wünschen uvd zu boffen, daß dir Regierung durch die Veröffentlichung dieser „Ergebnisse" die Grund lagen wirksam ergänzt, welche für die Beurtheilung einer so wichtigen Angelegenheit vorhanden sind, und welche tbeilweise erst durch mühsame Erhebungen, wie die Stickproben-Enquete, geschaffen werben mußten. Andernfalls dürste eS nicht auS- blciben, daß in der der Zwangsorganisation de« Handwerks grundsätzlich abgeneigten Presse die Meinung hervorlritt, jene Ermittelungen in unserem Nachbarlande seien geeignet, vor dem Beschreiten des dort eingeschlagenen Weges abzuschrecken. 6. II. Berlin, 8. August. Bis jetzt haben sämmtliche Herrenconsectionaire den vom Einigungsamt deS Berliner Gewerbegerichts ausgearbeiteten Minimallohntarif verworfen; die Meister und Arbeiter haben ihn anerkannt, so daß die Sache im Wesentlichen so liegt wie im Februar, als die Lohnbewegung ihren Anfang nahm. Soweit wir unterrichtet sind, ist nicht daran zu denken, raß die Herren- confectionaire aus eigenem Antriebe von ihrem Stanbpunct abweichen werden. Auf der anderen Seite sehen die ConsectionSarbeiter und -Arbeiterinnen ein, daß ein Streik für sie unrettbar verloren ist. Die eS beißt, wollen die Socialdemokraten, falls eine Einigung zwischen Confrc- tionairen und Arbeitern nickt erzielt wird, die Angelegenheit beim Beginn der Reichstagssession sofort zur Sprache bringen. Hoffentlich überlassen aber die bürgerlichen Parteien den Socialdemokraten nicht die Führung in einer Angelegenheit, deren Erledigung zu Gunsten der ConsectionSarbeiter sie selbst durch die bekannte Interpellation in die Wege geleitet haben. Wollten Regierung und Reichstag den Berliner Hereen- confeclionairen gegenüber jetzt die Hande in den Sckooß legen, so würden sie eine schwere politische und moralische Nicker lage über sich ergebe» lassen, die der socialdemokratischc» Partei Wasser auf die Mühle führte. * Berlin, 8. August. Die auch von uns übernommene Nachricht der „Bcrl. N. N.", daß zwischen dem deutschen Reich und Portugal binnen Kurzem Unterhandlungen wegen endgiltiger Abgrenzung der beiderseitigen Gebiete am Rovuma in Ostafrika eingcleitet werden dürften, wirb von der „AUg. Ztg." wie folgt glossirt: „Es ist allerdings richtig, und man wird sich in den weitesten Kreisen noch daran erinnern, daß vor einigen Jahren in Ostafrika ein Streit enistand, weil die deutsche Verwaltung aus Zollrücksichten die Kiongabucht besetzt hatte, die südlich von der Novuma- Müntung, etwa in ber Mitte zwischen dieser und dem Cap Telgado an der Tbunhai Bucht, liegt. Portugal behauptete damals, daß die deutsche Sphäre an der Mündung deS Rovuma ihre Grenze finde, und zwar nach dem deutsch-portugiesischen Abkommen vom 30. Deccmber >886. Der deutsch-englische Vertrag vom 1. November 1886 hatte aber Deutschland zum Nachfolger des Sultans von Zansibar eingesetzt, dessen Rechte auf die Küste bis zur Tunghi-Buchl schon vorher anerkannt worden waren. So wehten eine Zeit lang die deutsche und die portugiesische Flagge neben einander in der Kiongabucht nicht gerade friedlich, aber doch ohne sich viel zu Leide zu thun. Dieser Grenzstreit hat aber, Dank dem liebenswürdigen Entgegenkommen des deutschen Reichs, that- sächlich längst sein Ende gefunden, und zwar durch die diplomatische Festsetzung einer Grenzlinie, welche von einem genau bestimmten südlich von der Rovuma-MLndung ge legenen Punct der ostasrikanischen Küste direct nach Westen geht bis zum Schnitt mit dem Rovuma, und daS streitige Gebiet in zwei ziemlich gleiche Theile theilt. Dadurch ist die Angelegenheit im Princip vollständig entschieden, und die neuesten Karten zeigen denn auch die neue Grenzlinie bereits. Wenn also gegenwärtig zwischen dem Reich und Portugal von der ostafrikanischen Grenzfrage die Rede ist, so kann eS sich höchstens um die endgiltige Eintragung der Grenzlinie in eine neue amtlich hergestellte Karte bandeln." Berlin, 8. August. (Telegramm.) Der Reichs kanzler >st heute Vormittag 11 Uhr in WilhelmShöhe ein getroffen. Der Kaiser begrüßte ihn persönlich bei der An kunft auf dem Bahnhöfe und begab sich mit ibm im offenen Wagen nach Schloß Wilbelmshöhe. — Die „Münch. Reuest. Nachr." schreiben in ihrem heutigen Abendblatte: „Diejenigen Persönlichkeiten, welche die Ebre hatten, mit dem Reichs kanzler Fürsten Hohenlohe während seines kurzen Aufenthaltes in München zusammen zu sein, waren hoch erfreut über die außerordentliche Frische und ArbeitSfreudig- keit des hohen Herrn, obwohl sein diesjähriger Aufenthalt auf seinem Sommersitze in Aussee nichts weniger als eine Erholung von den Geschäften war. Die außer ordentlich verwickelte politische Lage hat dem Reichskanzler in seiner Sommerfrische vielmehr eine große Arbeitslast aufgebürdet, so daß er, nach seinem eigenen Ausdruck, kaum Zeit zu einem kleinen Spazier- FeWrllstsn. Der Miscellendichter. Plauderei von Paul von Schönthan (Wien). Nachdruck «erboten. In der RedactionSstube lernt man gar wunderliche Heilige kennen. Selbstbewußte Dilettanten, verkannte Dichter, traurige Humoristen, die sich in einer drückenden Nothlage befinden, — und alle haben den Dolch im Gewände, den Dolch in Gestalt eines ManuscripteS, das sie los werden möchten, nachdem sie eS gewöhnlich unter Schmerzen geboren. Do lernte ich einmal einen ältlichen Herrn kennen, der so ruppig und verwildert aussab, daß der RedactionSdiener einen gelinden Schreck bekam und sich erst gar nicht getraute, dcn Mann zu melden, aber da jener ziemlich entschieden eine Unterredung verlangte, kam er zuletzt doch vor, und nun erfuhr ick, daß der Unhold längere Zeit Mitarbeiter an enier belletristischen Zeitschrift war. — „Was haben Sie denn da gemacht?" fruz ich. Der Struppige antwortete: „Den Kindermund!" Er wollte damit sagen, er erfand die bewußten niedlichen Acußcrungen und Scherzworte, die von den Zeitungen unter kein Titel „Kindermund" eifrig reproducirt werden. — „Ja", entgegnete ich, „das wird sich schwer machen lassen, — Sie wünschen dringend Beschäftigung, aber wir löunen keinen Special-„Kindermund" engagiren." Der unheimliche Mensch ließ sich jedoch nicht entmuthigen, cr unterbrach mich: „Ich mache auch Anderes, ich habe eine erstaunliche Erfindungsgabe, mein Herr!" — „So? Also zum Beispiel?" „Ich habe auch viele „letzte Aussprüche" berühmter Männer geschrieben, — unter uns gesagt, erfunden." — „Nun ja, aber eS sterben doch nicht alle Tage berühmte Männer..." „Leider, — aber e« sind viele gestorben, und da habe ick Anekdoten und MiScellen geschrieben, so zu sagen erfunden. Die thäten mir einen riesigen Gefallen, mein Herr, wenn Sie mir helfen würden, ich meine, wenn ich sie bei Ihnen verwerthen könnte." — „Nun also, um eS kurz zu machen, lassen Sie da« Manuskript, daS Ihnen da auS der Tasche hervorguckt, hier und kommen Sie in acht Tagen wieder." So kam ich in den Besitz de« ManuscripteS mit den MiScellen jund Anekdoten. Ich überzeugt« mich, daß der Mann wenigstens daS Talent besaß, sich an bekannten Mustern zu bilden. Man urtheile selbst; ich lasse ihn sprechen. * * * Der Dichter Klvpstock, dessen Oden noch jetzt viel gelesen werden, hatte die Schwäche, sich häufig photographiren zu lassen. Wenn er verreiste, war sein Erstes, sich in der Stadt, nach der er kam, photographisch aufnebmen zu lasten, und das in den verschiedensten Stellungen, gewöhnlich mit seinen sämmtlichen Werken in der Hand. Es wäre interessant, die zahllosen Aufnahmen, die von dem Dichter existiren, einmal zu sammeln. * * * Eine vornehme Dame am russischen Hofe zur Zeit Iwan's des Schrecklichen batte die Passion des HandsckriftensammelnS. Sie besaß die kostbarsten Autogramme, nur das deS Kaisers fehlte ihr. Sie steckte sich hinter die Großfürstin, die ihr eine Audienz beim Zaren erwirkte. Die Sammlerin erschien vor dem Allgewaltigen und sagte: „Sire, rin Federzug von Ihnen genügt, nm unglücklich zu machen, ein Federzug von Ihrer Hand wurde mich glücklich machen!" Der mächtige Kaiser lächelte, zog einer, Abreiß-Block mit vorgedruckten Todesurtheilen aus der Tasche und schrieb auf die Rückseite eines Blattes „Iwan der Schreckliche". Die Autographensammlerin ver abschiedete sich hochbeglückt. * * * Der vielgenannte Nelson — der bei Trafalgar seinen Heldentod fand — empfing eine« Tages den Besuch des Königs von Neapel an Bord des von ihm befehligten Schiffes „Agamemnon". Beim Abschied drückte ihm der König eine Tabatitzre in die Hand. Der berühmte Seeheld verbeugte sich und sagte, einen Blick auf die Tabaksdose, und einen zweiten auf die Segel de« Schiffes werfend: „Ich schnupfe zwar nicht, aber ich freue mich dennoch über diese Gnade, die einem Capitain vor Erfindung der Schiffsschraube sehr erwünscht sein muß —" — „Wie so?" frug der König von Neapel forschend. — „Nun", lächelte Nelson, seine Rechte auf den Compaß legend und mit der Linken die Tabati^re erhebend, „jetzt werde ich doch immer ein« frische Priese haben!" Der König mußte über da« gelungene Wortspiel laut lachen. . * * Wie Napoleon, hatte auch der Herzog von Wellington eine höchst reizbare Natur, und nur durch wachsame Selbst beherrschung konnte er sich im Zaume halten. Als ibm bei Waterloo gemeldet wurde, daß die Schlacht verloren sei, wollte er mit geröthetem Gesicht wüthend ausrufen: „^lort äs ma vis!-' Er unterbrach sich aber nach der ersten Silbe und ergänzte den Satz gelassen, indem er sagte: ,,^lor—gen werden wir wieder kämpfen." * * * Unter den vielen Zügen, die man von der berühmten Pompadour erzählt, verdient einer, und der wenigst bekannte, besonders hervorgehoben zu werden. Als sie einmal im Park von Saint Cloud spazieren ging, bemerkte sie auf einer Bank einen Telegraphenboten, der be, der glühenden Sommerhitze vor Ermüdung fest eiugeschlafen war. Die Marquise näherte sich dem Schlummernden, öffnete behutsam seine Diensttascke, nahm die Telegramme heraus und bestellte sie eigenhändig an die Adressaten in Saint Cloud, die nicht wenig über rascht waren, die mächtige Geliebte des Königs be, sich zu empfangen. * * Es ist wenig bekannt, daß Christoph Columbus einer der vorzüglichsten Plauderer und amüsantesten Gesellschafter war, nur liebte er es, manchmal ein wenig „aufzuschneiden", und dann empörte sich der Stammtisch wohl auch in humoristischer Weise. Eines Abends, nachdem er wieder da- berühmte Kunststück, ein Ei auf die Spitze zu stellen, bis zur Bewußt losigkeit producirt hatte, erzählte er von einem berühmten Arzt, den er in Amerika getroffen batte und der so geschickt sein sollte, daß er die unerhörtesten Wundercuren vollbrachte. „Da war beispielsweise ein Mann" — erzählte der gefeierte Entdecker — „der vor Jahren bei einem Raufbandel sei» rechtes Bein eingebüßt hatte. Als er dann später zu Geld kam, ärgerte eS ihn, daß er ein Krüppel war, und er bat den berühmten Mann der Wissenschaft, ihm zu helfen. Der Arzt untersuchte den Stumpf und verschrieb ihm eine Salbe. Und siehe da: schon nach drei Wochen begann daS Bein wieder nachzuwachsen, und ich habe ibn bei einen« Ballfest, daS wir zur Feier der Entdeckung von Amerika an Bord gaben, als einen der flottesten Tänzer kennen gelernt" Die Freunde des berühmten Mannes konnten sich nicht enthalten, die Erzählung mit einem „Au!" zu beantworten. ColumbuS mußte selbst leise mitläyeln. IameS Watt, von dem man erzählt, daß er durch die Bewegungen des Deckel« eiaer mit kochendem Wasser gefüllten Kanne auf die Ersin.ung vrr Dampfmaschine gerathen sein soll, batte gerad' an di irm wichtigen Tage eine Reise von Greenock nach GlaSgow v r. Dr Zug, mit dem er fahren wollle, crli t aber einen Zu onme Flog, und fast alle Passagiere kamen dabei um Ware Gatt an diesem Tage gereist, — statt, wie es geschah, l8 Stunden später, hätte auch ibn j ne« Schicksal ereilt! Welche Pe.speclive von Consequenzen vatte sich erschlossen ... König Christian II. war berühmt durch seine witzigen Apertzii« und geistreichen Aussprüche; kein anderer Souverain konnte ihm da- Wasser reichen, und er bleibt darin wohl auch bente noch unerreicht. „Wie geht eS Ihnen?" frug er einmal seinen Adjutanten. „Schlecht" — erwiderte dieser, — „ich habe Schnupfen!" — „Ach, seien Sie froh!" rief König Christian II. — „Wieso?" entgegnete der Officier verwundert. „Nun da« ist doch besser, als wenn Sie dabei auch nock traurig wären!" versetzte ber König. Und er lachte noch lange über seinen gelungenen Einfall. Während seines Aufenthalte« in Pari« traf der unsterb liche Beethoven ganz unerwartet mit dem großen Franzosen kaiser zusammen. Der berühmte Tondichter erging sich in den menschenleeren Alleen deS BoiS, als er plötzlich ein schäumendes Roß auf sich zustürmen sah. Der Reiter hatte die Gewalt über daS Thier verloren und schwebte in großer Gefahr. Beethoven blieb wie angewurzelt sieben, und siel dem durchgehenden Pferde in die Zügel. Der Reiter dankte dem beherzten Retter in der Noth und lenkte das beruhigte Thier nach den Tuilerien. Erst viel später vernahm Beethoven, dessen Gehörleiden immer mehr zunahm, daß der bewußte Reiter niemand Anderes war al« — Napoleon III. * -» * Vom alten Wränge! cursiren viele Anekdoten, aber «ine der weniger bekannten dürfte die folgende sein. Wrangel kaufte einmal auf dem Markte am DönhoffSplatz ein Körb chen frische Erdbeeren, und winkte einen Dirnstmann heran, dem er den Auftrag gab, daS Körbchen in seine Wohnung zu bringen. „Tragen Sie da« zu mir", sagt der berühmte General. Der Dienstmann blickte den ihm wohlbekannten General lächelnd, verlegen und fragend an. „Nun, Tonner- wetterbombenkreuzelement!" wetterte Wranael, „was will Er noch?" „Ick dachte, Excell n» werden sagen zu mich!" antwortete der Dienstmann Wrangel schüttelte sich vor Lacken und konnte erst nach einiger Zeit seinen Weg sortsetzen. * Diese Proben dürften genügen. Die achttägige Wartezeit, die ich bedungen, war vorüber gegangen, der Dichter der gekrönten Anekdoten kam nicht, er lie; sich auch in den nächuen Wochen nicht sehen. Seither ist fast ein Jahr vergangen. Wa« ist mit dem Mann geschehen? Ich hab« ihm versprochen, sein Elaborat womöglich zu veröffentlicken und ich halte hiermit mein Wort.
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