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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.08.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960811013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896081101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896081101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-08
- Tag1896-08-11
- Monat1896-08
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Den politischen Kampf in alter Weise aufzunehmen, dafür dürfte, nach den Erfahrungen bei der Berathung der Umsturzgesetz-Borlage zu urtheilen, zunächst keine Aussicht vorhanden sein; der Kamps mit den geistigen Waffen aber ist insofern zu Ende geführt, als das Eldorado des Zukunfts staates nach allen Richtungen hin endgiltig als Spiegel fechterei erwiesen ist. ES bleibt somit, abgesehen von der Nothwendigkeit, den Kampf mit geistigen Waffen in Rede und Schrift und Len politischen Kampf gemäß den Landes gesetzen fortzusetzen, zur Zeit nur ein drittes Gebiet übrig zur Bekämpfung der Socialdemokratie: das ist die Werkstatt und da« Tagesleben in ihrer geltenden Grundlage und Ordnung, wo das pro et contra hinsichtlich unserer Gesellschaftsordnung bei jedem einzelnen Arbeiter un mittelbar sich geltend macht und ihn zur Stellungnahme gegenüber der letzteren nöthigt. Diejenige Macht, welche hier, im Erwerbsleben, den Kampf für Staat und Gesell schaft gegen die Socialdemokratie führt, sind die Arbeiter- schutzge setze und deren ausführende Organe. ES ist kein lautes Ringen, begleitet von glänzenden Erfolgen, das sich hier unfern Augen darbietet; es ist stille Arbeit, ver aber auf die Dauer der Erfolg nicht fehlen wird. Wir wollen nur einmal die Berührungen ins Auge fassen, welche zwischen Gewerbeaufsichtsbeamten und Arbeitern während des verflossenen Berichtsjahres in Preußen statt gefunden haben. Ein Gewerbeinspector wird von den Arbeitern nicht nur wegen mangelnder Schutzvorrichtungen, ungenügender Einrichtung der Arbeitsräume und dergleichen gewerblicher Angelegenheiten angegangen; die an ihn gerichteten Gesuche betreffen auch Unfall- und Altersrenten, Lohnstreitigkeitcn aller Art, Kündigungsfragen, sie erstrecken sich sogar ans die erbetene Vermittelung von Arbeitsgelegenheit. All' diesen An liegen gegenüber ist der Beamte freundlich und entgegen kommend. Verschiedentlich wird berichtet, daß Rentenansuchern die Schriftsätze anSgearbeitet wurden, daß ihnen die Unfall oder Invaliditätsrente erwirkt wurde, auch nachdem die An sprüche darauf von den unteren Verwaltungsbehörden abgewiesen worden waren, oder daß eine nachträgliche Untersuchung herbeigeführt wurde, welche zur Zuerkennung einer Rente führte. Am 30. Juni dieses Jahres waren denn auch im Reiche HO 224 Invalidenrenten und 20l 749 Altersrenten laufend: ein Erfolg, dem gegenüber allein alle „positive" Arbeit der Social- dcinokratie verschwindet. Auch wo es darauf ankam, den Arbeitgebern gegenüber besonders vorgetragene Rechte der Arbeiter zu wahren, haben die Jnsvectoren in unparteiischer Gerechtigkeit auf Durchführung der socialpolitischen Bestim mungen gehalten. Sie begegneten dabei auch fast durch gängig entgegenkommendem Vertrauen der Arbeitgeber, deren Klagen über die Lasten der Arbeiterschutzgcsetzgebung mehr und mehr verstummt sind. Hier wurden Arbeitgeber zur Nachzahlung der vorentbaltenen Beitragsbälften für die Altersversicherung veranlaßt, dort wird sogar einmal zur Wiedererlangung der von Arbeitgebern widerrechtlich znrück- bebaltenen Personalpapiere entlassener Arbeiter polizeiliche Hilfe in Anspruch genommen; in sehr vielen Fällen aber werden Streitigkeiten aller Art zwischen Arbeitgebern und Arbeitern glücklich beigelegt, bei verschiedenen Streiks führt die ein- oder beiderseitig nachgesuchte Vermittelung des Anf- sichtSbeamten zu dem erwünschten Resultate, in einem Falle wurde die Wiederherstellung eines ArbeiterzugeS bei der zu ständigen Eisenbabnbebörde erwirkt. ES hieße den guten Willen und die Vernunft der Arbeiter sebr gering schätzen, wenn man glauben wollte, sie könnten auf die Dauer gegenüber dem humanen Schutze ihres Wohles, den sie gesetzlich bei dem Gewerbeaufsichtsbeamten finden, blind bleiben. In mehr als der Hälfte der Berichte ist denn auch bereits von einem wachsenden Vertrauen der Arbeiter zu den staatlichen Organen die Rede, mit welchen letzteren auch fortab mehr als bisher die Berufsgenossenschafteu Hand in Hand arbeiten werden. Die deutlichsten Beweise der Wertbschätzung der Tbätigkeit der AufsichlSbeamten seitens der Arbeiter sind Dankschreiben und Dankbesuche. Nur von einem Berichterstatter wird als Ursache, welche die Arbeiter abbält, den Aufsichtsbeamten persönlich nahezutreten, „vorwiegend die Furcht vor Maßregelung" angegeben; und ähnlich drückt sich ein anderer Bericht hinsichtlich einer principiellen feudalen Opposition in Oberschlesien aus, deren Tactik „jedes Zugeständ- niß an den Gewerbeaufsichtsbeamten verbietet". Diese Oppo sition muß natürlich, wie jede andere Auflehnung gegen die Ge setze auch, rückhaltlos bekämpft werden. Solch' einen Eiuzelsall nun aber verallgemeinern, wie es die socialdemokra tische Kritik thut, heißt die Tbatsachen fälschen. So sagt z. B. der „Vorwärts" in einem Artikel über die Bergwerks- Inspection: „Einige der Herren geben sogar ibr jedenfalls vollwichtiges Gutachten dahin ab, daß der Einfluß der Arbeit auf die körperliche Entwickelung der Arbeiterinnen ein guter ist." Diese Worte, über welche das socialdemokratische Organ dann eine ganze Fluth von Kritik ergießt, gebrauchen aber nicht „einige", sondern ein Berichterstatter, der Bergmeister Polenski, der überdies erklärend hinzufügt: „Bei einer nur 8stündigen Schichtvauer und einer '/»stündigen Pause ist eine Ueberanstrengung ausgeschlossen, Die Beschäftigung (nur über Tage) besteht in Klinsetn, Auskerben, Wagenstoßen und Haspelziehen. . . . Bei allen diesen Arbeiten entstehen von selbst eine Anzahl längerer Pausen." Unter 48 781 Re visionen wurden in 4772 gewerblichen Anlagen Zuwider handlungen gegen die Gewerbeordnung constatirt, wofür bis zur Fertigstellung der Berichte der Gewerbe-Inspectoren 775 Personen zur Bestrafung gelangten. Da seht! ruft auch hier die socialdemokratische Presse aus, nur 16 vom Hundert der überwiesenen Ausbeuter hat man von Rechts wegen heimgeleuchtet. Daß aber zur Zeit deS Abschlusses der Berichte noch eine unbestimmbare Anzahl von Verfahren schwebte, daß außerdem die Inspectoren nicht alle Ausgänge derselben erfahren, das verschweigen zarten Gewissens die Herren, die nur vom Schimpfen auf die bestehende Ordnung leben. Für die Gewerbeaufsicht aber ist es ein erfreuliches Zeichen, daß ihre erbittertsten Gegner wegen ihrer Resultate in einen affectirten Zorn geratben, dessen Anschein sie sich erst zu geben vermögen, nachdem sie die Berichte ent stellt haben. I Deutsches Reich. L2. Berlin, 10. August. Hat es wahrscheinlich keine Be deutung, daß eine in der Regel officiöse Berliner Corre- spondenz Bedenken gegen den preußischen Handwerksorgaui- sationsentwurf geltend macht, so muß es auffallen, daß die „Nordd. Allg. Ztg." die Zeitungsmeldung, die „Reichs regierung" würde zu den (zünstlerischen) Handwerker- tagen in München und Heidelberg Commissare ent senden, entschieden dementirt. Dieses Vorkommniß ist jeden falls eine Bestätigung der Annahme, daß außer der preußischen (und bei der dürste nicht volle Harmonie herrschen) keine zweite Regierung von dem Berlepsch'schen Nachlaß entzückt ist. * Berlin, 10. August. Das hiesige Organ des Bundes der Landwirthe, die „Deutsche Tagesztg ", will dartbun, wie wenig betreffs der Lage der Landwirtbjchaft durch hohe Pacht preise bewiesen werde, welche bei derNeuverpachtung von Domänen erzielt werden; zu diesem Zwecke giebt eS folgen den Bericht wieder: „Heute wohnte ich hier in Stettin dem zweiten Verpachtungs termin der Domäne V. bei. Es waren außer mir 5 Reslectanten aus die wiederholte Ausschreibung erschienen (ich als alter gewesener Domänenpächter bin nicht als Concurrent aufgetreten und zählte daher nicht mit). — Nachdem der zeitige Pächter Oberamt mann S. sich gegen seine Absicht bis 9610 hatte treiben lassen (seinen Satz als Höchstgebot hatte er sich auf 8000 .-4 fixirtl), trieben sich zwei HeirathScandidaten weiter und verließ der jüngste mit dem Höchstgebot von 11000 triumphirend den Kampfplatz. Der fragliche junge Mann hat erst 1'/, Jahre die Landwirthschast erlernt (also quasi noch Lehrling, denn 2 Jahre ist überall mindestens Gebrauch) und genügt jetzt seiner Militairpslicht in Berlin. Trotzdem er momentan Einjährig. Freiwilliger ist, war er hier und bot in eigener Person für sich. V. liegt ca. 13 lcm von der Stadt und Bahnstation D.; es ist (die ganz weit entfernten und isolirt gelegenen Parcellen werden jetzt an kleine Leute verpachtet) total zerrissen und von Cultur — keine Spur! Ferner sind aus V. neu zu erbauen ein Viehstall (über 29 000 veranschlagt), zwei Familienhäuser (die alten fallen ein), außerdem noch mehrere größere Umbauten u. s. w., wozu Pächter ein Fünftel baar und die Fuhren zu leisten hat, — so daß der neue Pächter ML wenn er nicht sehr viel Geld znzusetzen Hal) im Laufe der Zeit davonlaufrn muß, denn der alte Pächter, alS hochachtbarer, tüchtiger und fleißiger und mit allen Ekrenämtern ausgerüsteter Herr bekannt, hat die bisherige Pacht von 16 652 nicht erschwingen können, sondern bedeutend zugesetzt. Der vierte Concurrent bot bis 7500 mit; der fünfte Concurrent war so verständig und gab kein Gebot ab. — Mehrere hundert Morgen Sand des Gutes sind unbestellbar, wie mir einer der Herren Reslectanten, der qu. Domäne genau in Augenschein ge nommen (während die beiden höchstbietenden Reslectanten nur die Wege abgefahren sind!!), erzählte. Wie will nun ein »junger Mensch der eigentlich noch nicht einmal ausgelernt hat, auf solchem Gute bestehen!? Ec macht nicht allein Andere, sondern sich sebst unglücklich. Denn unter den obwaltenden Umständen ist von der Möglichkeit eines Borwärtskommens auch für ihn keine Rede." Wir haben erwähnt, zu welchem Zwecke die „Deutsche Tageszeitung" die Erzählung bringt; wir haben nichts gegen die Nutzanwendung des Blattes einzuwenden, daß die Regierungen bei der Ertheilung des Zuschlages nicht aus schließlich die Höhe des Pachtgebots berücksichtigen dürfen, was übrigens auch nicht der Fall ist. Aber aus dieser Ge schichte, wie man Domänenpäckter wird, erzieht sich doch noch eine andere Moral: man ersieht daraus auch, wie die „nothleidenden" Agrardemagogen entstehen. Oder wird irgend jemand bezweifeln, daß der „junge Mann quasi noch Lehrling", falls er die Pachtung zu dem leicht sinnig angeborenen, viel zu hohen Preise erhalten sollte, nach kürzester Frist einer der Agitatoren des Bundes der Lau: wirtbe sein würde, der seine durch Unkenntniß der Laur- wirtbschaft und Leichtsinn verschuldete Nothlage auf die „ver derbliche moderne Gesetzgebung" zurücksühren würde? L. Berlin, 10. August. (Privattelegramm). In einer Erörterung, betr. die Militair-Ltraf-Proces;-Rcform, hält die „Kreuz-Ztg." an der Annahme fest, Laß der Reichskanzler in der Lage sein werde, den ver sprochenen Entwurf im Herbst zunächst dem einen Factor der gesetzgebenden Körperschaften des Reichs, dem Bundes rathe, zur Beschlußfassung vorzulegcn. R. Berlin, 10. August. (Privattelegramm.) Der Reichskanzler ist Nachmittags 5»/. Ubr hier wieder ein getroffen. Die Verabschiedung vom Kaiserpaare in Wilhelms- Höhe war, der „Nat.-Ztg." zufolge, sehr herzlich. Vorher hatten der Kaiser und der Kanzler einen längeren Spazier gang im Schloßparke gemacht. L. Berlin, 10. August. (Privattelegramm.) Die „Nat.-Ztg." schreibt: Das Leipziger Blatt, welches die Sensationsnachricht verbreitet Halle, Fürst Hohenlohe sei nach Wilhelmshöhe gereist, um sein Entlassungsgesuch einzureichen, hat inzwischen erklärt, daß eS diese Meldung „aufrecht erhalte" — allerdings mit dem Zusatz, die Entlassung werte nicht erfolgen, falls der Kaiser den Vorschlägen des Reichs kanzlers betreffs der Reform des Militairstrafverfabrens zu stimme. Es scheint uns indcß unzweifelhaft, daß Fürst Hohenlohe überhaupt nicht aus eigener Initiative, sondern auf Einladung des Kaisers nach Wilhelms- Höhe gereist ist; denn noch am 6. dS. MtS. wurde nach den vorliegenden Nachrichten angenommen, daß der Kanzler aus Alt-Aussee dircct nach Berlin zurückkebreu würde; er wird wohl nicht unterwegs den Entschluß gefaßt haben, behufs seiner Demission nach Wilhelmshöhe zn gehen. Bemerkenswerth ist, daß, wie aus Eassel berichtet wird, der Kaiser dem Reichskanzler den in Wilhelmshöhe anwesenden Gesandten von Kiderlen-Wächter nach Gießen ent gegengesandt hatte; auch dies bestätigt die Annahme, daß die Reise des Kanzlers durch Mitt Heilung en veranlaßt ward, welche aus Wilhelmshöhe an ihn gelaugt waren. L. Berlin, 10. August. (Privattelegramm.) Tie „Berl. Neuesten Nachrichten" melden aus Lauterberg a. H., Major vo>t Wisfmann suche in der „Deutschen Iäger-Zcilung" einen Landsitz zu kaufen. (Das genannte Blatt will durch die Mittheilung eieseö Kaufgesuchs ohne Zweifel andeuteu, daß Wissmann nicht mehr nach Afrika zurückkehren werde. Hoffentlich erweist sich diese Annahme als grundlos. Ncd. L. Berlin, 10. August. (Privattelegramm.) Wie der „Voss. Ztg." aus Brüssel geschrieben wird, ist der bis herige Militairbevollmächtigte bei der deutschen Gesandtschaft am belgischen Hose, Major Graf von Schinetta», abbcrufeu worden, nm in Len Großen Generalstab cinzulreten. An seine Stelle ist der Hauptmann vom Generalstabe Graf von Hacken getreten. Prinz Heinrich XXVI. Reust ist als neu ernannter Gesandtschaftsattachs in Brüssel cingctrofsen. D Berlin, 10 August. (Telegramm.) Das Reichs- Gesetzblatt" veröffentlicht das Gesetz, betr. die Abänderung der Vewerbc-Lrvnnng. FouiHetsir. von den 64 Feldern. Von Richard Muncker. N.«htrnck verboten. Das gegenwärtig in Nürnberg srattfindende internationale Schachturnier, das die allgemeine Aufmerksamkeit in so hohem Maße auf sich zieht, ist sowohl nach der Höhe der ausgesetzten Preise, als nach der Bedeutung der theilnebmenden Meister wohl das hervorragendste, das bisher in Deutschland ver anstaltet worden ist. Es scheint, als ob das „königliche Spiel" in neuerer Zeit auch bei uns mehr sportmäßig betrieben werden soll. Ob das ein Vortbeil wäre, wage ich nicht un bedingt zn bebanpten. Wilhelm Steinitz, der Altmeister der Schachwelt, der jetzt eine so überraschende Nachblüthe seines Genie« erlebt, hat allerdings einmal mit Lebhaftigkeit die Berufsspieler vertheidigt, von denen allein alles Leben und aller Fortschritt in der Schackwelt auSgehe. Aber meines Bedünkens geht dem Profefsional doch über laug oder kurz eine gewisse Frische und Urwüchsigkeit deS Spiels verloren, die ungern vermißt wird. Der Staub der Wissenschaft deckt die lebhaften Farben der naiven Natur; die Berufsspieler sind ja in der Theorie meist so unheimlich beschlagen; Steinitz wählte in Rücksicht hierauf in einer Entscheidungspartie um den ersten Preis im großen Wiener Turnier 1882, um voll ständig curtc dlancho zu haben, jenen Eröfsnungszug, zu dem der verzweifelte Anfänger greift, der mit seinen 16 Figuren nichts anzufangen weiß. Das Berufsspiel muß den Geist unausbleiblich einengen und absperren, und wenn Rousseau wirklich, wie überliefert wird, behauptet hat, um gut Schach zu spielen, müsse man nicht zu viel Geist besitzen, so möchte ich glauben, daß dieser Satz eher auf die Professionals, als auf die Liebhaberspieler — dies Wort im besten Sinne ver standen — passe. Der unendliche Reiz des Schachspiels bleibt doch immer, daß sich in ihm der Mensch und sein Ebarakter so scharf und eigenartig auSdrückt. ES ist eigentlich wunderlich, daß noch nicht ein feiner Kopf versucht bat, „Charaktergemätdr aus Schachpartien" zu zeichnen; so klar spiegelt sich in ihnen der Muthige, der Aenastliche, der Schlaue, der Perfide, der Unbesonnene und der Großmüthigr wider. Und dieser schönste Reiz des Schachs muß ja ver loren gehen oder sich abschwächen, wenn der Professional sich um seine« RufeS und seiner Lebensstellung willen ge zwungen sieht, immer nur daran zu denken, wie er zum Gewinne der Partie und dem daraus ihm zufallenden Zähler komme. AlS einen Beweis für diese Anschauungen möchte ich den Führer der deutschen Schachmeister, vr. Tarrasch, anführen. Tarrasch, der erste Sieger in vier Wettkämpfen, ist so wenig Berufsspieler, daß er sich bei jedem Turniere erst wieder von Neuem einspielrn muß, ehe er zu seinem vollen Können ge langt. Aber seine Partien haben fast nie etwa« von dem Ciicdshaften mancher Professionals, sie zeigen eine sympathische, fast begeisterte Hingabe an die Sache und kennzeichnen den Nürnberger Arzt meines BedünkenS als den Künstler unter den gegenwärtigen Schachmeistern. Wenige Fälle aus genommen, die gerügt und von Tarrasch selbst bereut worden sind, spielt er die Partie um ihrer selbst willen; wenn der Gegner daS schön angelegte Spiel durch einen Fehlzug „wegwirft", so ist ihm da« ein Verdruß, und eine gewonnene, aber schlecht geführte Partie macht ihm wenig Freude. Da« Turnierspiel mit seinem Kampf um Ruhm und Preise verführt ja allerdings Jeden zur Point-Berechnung; nimmt man Tschigorin, einen nicht zu haltenden Drauf- gänger, au-, so wird um der Schönheit der Combination willen nur selten ein Meister im Turniere ein sehr gewagte« Spiel machen, und der alte DufreSne batte so Unrecht nicht, wenn er behauptete, die Turniere verdürben den Charakter — des Spieles nämlich. Aber Tarrasch hält sich bei diesen Point-Berechnungen im Allgemeinen doch in bescheidenen Grenzen, und gegen da- „lederne Abholzen der Figuren mit baldigem Remisschluß" hat er sich nachdrücklich erklärt. Hier ist ein Unterschied — um nicht zu sagen ein Gegensah — zwischen ihm und seinem jüngeren, überaus gefährlichen Nebenbuhler LaSker zu erkennen. LaSker ist Berufsspieler geworden und nützt di« Chancen rücksichtslos au«. Da er weiß, daß er da« Mittelspiel schwächer behandelt, im End spiele aber Meister ist, so sucht er schnellen Abtausch der Figuren herbeizuführen, wodurch die Spiele an auellendem Reichthum, an Mannigfaltigkeit und Fülle der Comvinationen verlieren. Lasker'« Spiel kann im Allgemeinen als hervor ragend „klug" bezeichnet werden, während daS Tarrasch'S sich durch Feinheit au«z»ichnet. Deutschland war in der Schachwelt für einige Zeit sehr in den Hintergrund getreten. Beim Berliner Turniere 1881 wanderten alle Preise in- Ausland. Inzwischen sind hervor ragende Meister des Auslandes gestorben, wie Mackenzie und Zukertort, dem der Wettkampf mit Steinitz den Ruhm und das Leben gekostet hat; andere, wie Mason und Burn, sind von ihrer einstigen Spirlstärke berabgesunken. Zugleich aber haben die Deutschen in jüngster Zeit ihre Niederlagen wieder wett gemacht. Der Anderfsen-Schüler Schallopp ist Vor steher de« stenographischen Bureau« de« Reichstags, ent behrt der schachlichen Uebung und muß Veranstaltungen, die mehr al- zwei Wochen in Anspruch nehmen, überhaupt fern bleiben. Dennoch bewährt er bei jedem Wettkampf, an dem er theilnimmt, eine bewundernswerthe Schneidigkeit und Eigenart der Combinalion. Der kleine Berliner W albrodt ist ein Naturspieler, der forsch darauf losgebt und sich um die Theorie keine grauen Haare wachsen läßt; er scheint beim Nürnberger Turniere vorzüglich disponirt zu sein. Vielversprechend ist auch der junge Or. L i p k e. Die Engländer sind über dies Vorrücken der Deutschen auf der ganzen Linie recht ärgerlich. Als Tarrasch 1890 in Manchester den ersten Preis errang, schrieb eine britische Schachzeitschrift die- Er- gebniß dem Umstande zu, daß die einheimischen Meister das regnerische Klima der Stadt nicht so gut vertrügen, wie der Deutsche! Von der vorjährigen „Schlacht zu Hastmz«" murrte die Tante „Times": im ganzen Turniere habe das teutonische Element die Oberhand, und mit der ihr eigenen Freundlich keit meinte sie, der englische Spieler könne daS ruhige, ab wartende, mühselig-schwerfällige Spiel, wobei man da« Remis jederzeit in der Hand behalte und scharf nach einem Fehlzuge deS Gegners oder einem schwachen Puncte in seiner Stellung auSblickr, nicht aussteben. Die Wahrheit ist, daß England von seinem Schachthrone gestürzt ist. Da« Interesse für da« Spiel scheint in diesem Lande, wo einst das erste internationale Schachturnier (unter Staunton'« Aegide) stattfand, in neuester Zeit ab genommen zu haben. LaSker, Teichmann und GunS- berg, die in den Turnierlisten als Engländer geführt werden, sind «ingewanderte Ausländer. So bleibt als Stolz und Stütze Ait-EnalandS Blackburnc, dessen Be wunderer ihn „Blackdeath , den schwarzen Tod, getauft haben, und der in der Thal rin ebenso kühner wie zäher Spieler ist. Blackburne erfreut sich — ein bei einem Engländer seltener Fall — auf den deutschen Turnieren allgemeiner Beliebtheit, da er eine feine und liebenswürdige Natur ist. Je dichter seine Hiebe fallen, um so dichter steigen die Rauch wolken au« dem kurzen Pfeifchen auf, da« sein unzertrenn licher Begleiter ist. Einen Beweis seiner echten Gentleman natur gab er 1890 zu Manchester. Tarrasch setzte damals einen besonderen Stolz darein, auf England« Boden Englands ersten Meister zu besiege». Al« die Partie abgebrochen wurde, stand sie für Blackburne wenig günstig. Nun hätte er zur Fortsetzung blo« nicht zu erscheinen brauchen, so hätte er dem Deutschen die halbe Ehre genommen. Aber Blackburne erschien, ließ sich besiegen und war der Erste, der den Sieger herzlich beglückwünschte. — Eine noch un bedeutender« Rolle im Schachleben spielt Frankreich, das, merkwürdig genug, seit langer Zeit eigentlich keinen ein heimischen Meister anfzuweisen hat. Seine Vertreter sind meist Eingewanderte. Als Champion Frankreichs gilt der alte Kämpe Rosenthal, der aber seit 1883 an keinem Tur niere mehr tbeilgenommen bat. In Nürnberg führt der Pole Janowski Frankreichs Schwert, ein sicherer, glänzender und gefährlicher Spieler. Tie Polen sind überhaupt ein schachbegabtes Volk; sie haben auch Winawer wieder an die Pegnitz geschickt, einen Meister in haarscharfen Combi nationen, der den Gipfel seines NuhmS 1882 erklomm, als er sich im Wiener Wellturniere neben Steinitz an erster Stelle behauptete. — An Amerikas Schachhimmel glänzt ja nun seit Jahresfrist der junge Pillsbury, — ob ein Meteor oder ein solider Fixstern, muß erst die Zeit ent scheiden. Auch GunSberg nahm einen außerordentlichen An lauf, um doch dann ziemlich scharf abzufallen. Pillsbury ist seiner Erscheinung nach ein echter Aankee, und die rücksichts lose Energie, die praktisch - kühne Mache des Dankeethums prägt sich auch in seinem Spiele aus. Zu Anfang un- di«ponirt, strebt er in den letzten Runden des Nürnberger Turnier« mit mächtigen Schritten vor. Tarrasch, LaSker, Steinitz, Tschigorin und Pillsbury bilden bekanntlich gegenwärtig da« Fünsgestirn der ersten Meister. Man wird sagen können, daß sich diese Spieler mehr durch ihre Art, als durch ihre Stärke von einander unterscheiden. Meines Erachten« steht an Wucht und Unwiderstehlichkeit des Angriffs Tschigorin, an umfassendem Genie Steinitz, an Klugheit der Berechnung LaSker, an künstlerischer Fein heil Tarrasch obenan. Pillsbury ist noch nickt recht zu be urtheilen; vielleicht gilt von ihm, wa« auf so vielen Gebieten die Amerikaner kennzeichnet: daß er sich von Jedem etwas anzueignen versucht hat. V. Tietz in Karlsruhe hat einmal eine vergleichende Zusammenstellung der Turnier Erfolge der Meister bearbeitet, die jetzt besonder« aktuell sein dürfte. Hier steht der alte Burn an der Spitze, der zu Nottingham 1888 89 Proc. seiner Spiele gewann; da er aber nur in 8 von 9 Partien siegte, so wiegt Blackburne'- Erfolg (1881) in Berlin schwerer, der bei 16 Partien 14 Zähler davontrug, also 87'/, Proe. der Spiele gewann. Unvergessen ist Zukertort'S glänzender Londoner Triumph au- dem Jahre 1883: 22 von 26 Partien (-- 84,62 Proc.) fielen ihm zu. Tarrasch er reichte sein beste« Ergebniß 1890 zu Manchester mit 81,58 Procent Gewinnpartien; er batte 15'/, PointS bei 19 Spielen errungen. In erheblichem Abstande folgt LaSker, der 1894 in Leipzig bei 17 Spielen IS»/, Zähler und damit 79,40 Proc. vom möglichen Gewinne davontrug.
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