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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.08.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960813026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896081302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896081302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-08
- Tag1896-08-13
- Monat1896-08
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzelchnib- Tabellarischer und Werusatz nach höherem Tarif. Ertra-Veilagen (gefalzt), »ar mit in Morgen«Ausgabe, ohne Postbeförderuug SO.—, mit Postbesürdrrung ^l 70.—. Ännaifmeschluß fir Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. Morg«n-Au«gabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Stunde früher. Anzeige« sind stet« au die Expedition zu richten. Druck und Verlar "an lk. Bolz in Leipzig Donnerstag den 18. August 1896. Sv. Jahrgang. Politische Lagesschau. * Leipzig, 13 August Neber ein Interview mit dem Rcichscommissar für die Pariser Weltausstellung wird uns von unserem LL-Corrcsvon- denten geschrieben: „Der Neickscommissar für die Pariser Welt ausstellung, Herr Regierungsrath Or. Richter, bat sich in der kurzenZeit, während er diese Eigenschaft besitzt, schon recht häafig durch die Presse vernehmen lassen. Eben wieder durch die Ver mittelung eines Berliner Blattes. Im Allgemeinen gehört bekanntlich daö „Interviewen" nicht gerade zu den von deutschen Beamten bevorzugten Verkehrsformen, aber eS ist wobl zu begreifen, wenn ein Mann, dem eine neue Aufgabe über tragen ist, die Oeffentlichkeit mit seiner Auffassung von der Bedeutung seines Amtes zu erfüllen sucht. Bis zur Propagirung privater Empfindungen und der Verallgemeinerung subjektiver Eindrücke sollte dies Bestreben jedoch nicht Vordringen. Wenn Herr Regierungsrath vr. Richter, wie er dem Vertreter deS er wähnten Berliner Blattes gegenüber gethan, von der Ausstellung sagt, „politische Fragen scheiden hierbei vollständig anS", so wissen wir nicht, ob eine solche Auslassung noch innerhalb seiner Zuständigkeit liegt; ohne Zweifel aber macht er fick einer Herausforderung schuldig, wenn er vor der Oeffentlichkeit er klärt: „Bei dem ritterlichen Sinn unserer westlichen Nach barn ist irgend welcher Ausbruch des Chauvinismus (auS Anlaß der Ausstellung) vollständig ausgeschlossen." Millionen von Deutschen denken über den Cbarakter der Franzosen anders, als er hier geschildert wird, und wir glauben, ein Mann, der sein Land in einem fremden Lande in gewissem Sinne zu repräsentiren hat, thut nicht gut daran, in Bezug auf die fremde Nation Urtheile zu fällen, die in der Hcimalh schon deshalb nicht unwidersprochen bleiben können, »veil sie das Verhalten derLandSleute in ein schiefes Licht rücken. Die Mehrzahl der Deutschen, die in Paris ausstellen, erkennen den Fran zosen die Eigenschaft eines ritterlichen Volkes nickt zu, noch auch sind sie frei von Besorgnissen wegen etwaiger chauvinistischer Ausbrüche während der Ausstellung. Sie betheiligen sich, weil sie, nachdem die Regierung einmal den Beitritt erklärt hat, nicht anders zu können glauben. Sie bringen ein Opfer, das man ihnen nicht dadurch erschweren oder gar verleiden sollte, daß man der Beschickung der Ausstellung durch die deutschen Gewerbetreibenden Empfindungen und Meinungen unterlegt, von denen wir in Deutschland, wenn wir uns ihnen über haupt gefangen gegeben hätten, gerade in diesen Tagen wieder gründlich curirt worden wären." Wenn sich die Nachricht bestätigt, daß die „Hilfe", das Blatt Naumann'S, künftig al« täglich erscheinende Zeitung in Berlin und unter Leitung der bisberigen Rebacteure des „Volk" heranSgegeben werden soll, dann wird Herr Stöcker bald ohne ein Preßorgan dastehen, das von mehr als etlichen Hunderten zur Einsichtnahme in politische Preßorgane beruf lich verpflichteten Leuten gelesen wird. Das „Volk" hat keinen Credit mehr, und sein neuer Redakteur scheint dies lediglich dem Umstande zuzuschreiben, daß sein Blatt dasjenige deS Herrn Stöcker ist. Er rückt deshalb von diesem so weit als ihm nur möglich ab, indem er da« Manifest Stöcker'S mit der Begründung, daß für die politische Gemeinschaft und da sociale Wirken konfessionelle Unterschiede „absolut" nicht in Betracht kämen, verwirft und erklärt, das „Volk" werde „sich niemals am kirchlichen Parteiwesen, an konfessionellen, theologi schen, dogmatischen Differenzen und Bestrebungen irgendwelcher Art betbciligen." Herr Stöcker wollte aber bekanntlich durch da« kirchlich-sociale Manifest seine Sacke gerade auf die theolo gischen Differenzen stellen. Wenn daS so weiter geht, wird der geistiicke Agitator bald so isolrt sein, wie Herr Professor HanS Delbrück, der als Politiker, freilick aus andere Weise als Stöcker, namlick durckAnerkennung und Auwcndnngaparler, für ankere Menschenkinder unbrauchbarer Denkgesetze in majestä tische Einsamkeit gelangt ist. Zwar sucht er jetzt andere Gesellschaft in einer, wenn wir den Namen reckt bekalten haben, „radikal-nationalen" Partei, aber er wird auch ferner Führer-unr Anhängerschaft in seinerPerson vereinigen müssen; denn daS deutsche Polk ist noch nicht delbrückreif. Ueber den Petersburger- Arbeite» ausstand liegt jetzt der amtliche Bericht vor. Anfangs wurde die Zahl der Aus ständigen auf 40 ONO angegeben, wahrend der Bericht nur von 15 000 wissen will. Hier beschönigt die Regierung sicher, denn sie gesteht an anderer Stelle selbst: „Der Erfolg der Ermahnungen (durch den Potizeiches) war durch den Um stand begünstigt, daß der bedeutendste Theil der Arbeiter nicht mit den Ausständigen shmxa- thisirte und am AuSstand sich passiv, einer verkältniß- mäßig kleinen Gruppe von Urhebern deS Ausstandes ge horchend, betheiligte." Sie sind also immerhin bethciligt gewesen und die zuerst angegebene Zahl dürfte in der letzten Zeit des Ausstandes noch wesentlich überschritten sein. Aber hierauf kommt es im Grunde nicht an. Der Schwer punkt dcS ganzen Ausstandes liegt darin, daß er organi- sirt gewesen ist. Das Hal die russische Regierung gleich beim AuSbruch offen zugestehen müssen. Jetzt giebt sie sogar Einzelheiten an. Daraus erfahren wir, daß es in Rußland einen (Zweig-) „Verein für den Kampf für die Befreiung der arbeitenden Classe", einen „Arbeiterbund" und insbesondere einen „Moskauer Arbeiterbund" giebt. Das ist selbst für den Kenner der Verhältnisse überraschend, und das ist von so gewaltiger Be deutung, daß bei der geistigen Ansteckungsfähigkeil des niederen ManneS in Rußland die russische Negierung alle Mittel aus bieten muß, der Bewegung so thalkrästig wie möglich ent gegenzutreten, will sie sich nicht Ereignissen von unermeßlicher Tragweite aussetzen. Noch mehr staunt man, wenn man durch den amtlichen Bericht erfährt, daß durck diese Vereine nickt weniger als 25 „geheim bergestellte" Flug blätter in einem Monat unter die Arbeiter ver» theilt wurden. Die Regierung neigt der Ansicht zu, daß sie in Rußland gedruckt sind. DaS würde eine sehr deutliche Sprache reden, wenn man bedenkt, daß die Nihilisten Mühe und Noth batten, ihre sogenannten Proklamationen in ihrer Blüthezeit — also etwa umS Jahr 1880 — drei bis viermal im Jahre in nur ganz geringer Anzahl in die Welt zu setzen. Für die Beendigung — d. h. für dir vorläufige Beendigung deS Ausstande- — ist die Negierung nicht ungeschickt thätig gewesen. Sie hat den AuSstand sozusagen auS eigener Tasche bezahlt, die Ausständigen vor dem Verhungern geschützt, sie durch reichliche Unter stützungen vor Ausschreitungen bewahrt und wahr scheinlich auch die Zuführung von Hilfsmitteln aus dem In- und AuSlande verhindert. Die Anregung zur Organi sation und ihre Durchführung soll vom Auslande auS- gegangen und bewerkstelligt worden sein und das Alles soll den Weg über Deutschland gegangen sein. Die „Tägl. Rundsch." glaubt nach ihren Informationen dies auch annehmen zu sollen, meint aber, daß die Leitung in London ihren Sitz bat, was auch wir früher angedeutet haben. Daß bei der überaus strengen Bewachung, die gerade die Petersburger Polizei über die dortigen Arbeiter auüübt und überhaupt unter den gegebenen Verhältnissen des russischen Reichs die Bewegung in der Hauptstadt in solcher Weise und in so kurzer Zeit Fuß fassen konnte, zeigt zur Genüge ihre große Gefahr. Jetzt ist peiicnlum in mora: die russische Regierung muß fick schnell und gründlich mit der Lösung der Arbeiter frage beschäftigen. Die Opposition der spanischen Deputirtenkammer bat, nachdem Sagasta ihre obstruklionistiscken Bestrebungen für unpati iotisck erklärt, es aufgegeben, der Politik des Ministeriums CanovaS systematische Hindernisse in den Weg zu legen; daher kommt es, daß die Butgetberatbung am Dienstag bercilS bis zur Annahme des ordent lichen StaatsbaushallSentwurfS gefördert werden konnte, und daß auch die Aussichten der Regierung sich gedessert haben, für ihre Vorschläge zur Deckung des unmittel baren Ausgabenbedarfs die Zustimmung der Opposition zu erhalten. Allerdings mußte Canovas zn diesem Bchnfe seinen letzten und stärksten Trumpf, die Drohung mit seinem Rück tritt von dem leitenden Posten, aiisspieleu. Es bedarf wohl keines schlagenderen Beweises für den schweren Ernst der politischen Lage Spaniens, als diesen Entschluß eines Mannes, kessen Ehrgeiz und Beanlagung für das öffentliche Leben notorisch sind. In der Tbat würde ein Rücktritt des Ministeriums unter den obwaltenden Verhältnissen nur das Vorspiel einer allgemeinen Staalskrise von kaum über sehbaren Folgen sein. Das Mindeste, waS in dem Falle eintreten müßte, wäre die Kammerauflösung und Aus schreibung von Neuwahlen, d. l>. eine Maßregel, welche zur Entfesselung der bedenklichsten VolkSleidenschasten zu einem Zeitpunkte führen müßte, wo Spanien mehr denn je zuvor der Besonnenheit und Stetigkeit bedarf, um den es riugs umgebenden äußeren wie inneren Schwierigkeiten gewachsen zu bleiben. Die mit der spanischen Bank angeknüpften Ver handlungen wegen Vorstreckung der Geldmittel, die zur Fortsetzung des Feldzuges auf Cuba unbedingt nothwendig sind, ziehen sich ohnehin schon mehr in die Länge, als es im militairiscken und politischen Interesse zulässig erscheinen will. Der von General Weyler beanspruchte Nachschub von 40 000 Mann frischer Truppen zur Verstärkung der auf Cuba operirenden Armee begegnet nicht nur technischen ober finan ziellen Schwierigkeiten, sondern ruft einen Widerstand in der Bevölkerung hervor, welcher zc.gt, wir unwillig die behusS Niederwerfung des kubanischen Aufstandes nun einmal er forderlichen materiellen Opfer an Gut und Blut von Spanien dargebracht werden. Aber der Zwang der Verhältnisse duldet keinen Stillstand, noch weniger eine Umkehr auf dem ein mal betretenen Wege. An der Behauptung Cubas hängt das Schicksal des Nestes der Spanien noch verbliebenen Weltmachtstellung. Cuba ist der Nährboden für den Löwen- antbeil der spanischen Exportindustrie, Cuba zahlt die Pen sionen für eine Unmenge von Colonialbeamten, welche aus den Antillen Dienste gethan haben und deren kleines Ruhe gehalt ihre einzige materielle Existenzgrundlage bildet. Der Verlust Cubas würde einer vollständigen Umstülpung der Daseinsbedingungen und -Voraussetzungen des spanischen Staatswesens gleichkommen und das Signal zu inneren Erschütterungen geben, die vielleicht selbst vor dein Throne nicht Halt machen dürften. Das kann aber selbst die Opposition nicht wollen, wenn sie sich nicht dem Vorwurf auSsctzen soll, daß ihr ParteisanatiSmus größer ist als ihre Vaterlandsliebe. CanovaS wird also darauf rechnen dürfen, daß seine noch tu petto befindlichen Finanzprojecte von der Opposition nicht zum Scheitern gebracht werden, und daß er bis Ende des laufenden Monats mit den noch ihrer Erledigung harrenden parlamentarischen Ausgaben soweit aufgeräumt haben wird, um die Corte- eine Zeitlang vertagen zu können. In der Zwischenpause bliebe dann hinreichender Spielraum zur Vor bereitung der Maßregeln, welche bei Eintritt des Herbstes auf Cuba zur Ausführung gelangen sollen. Die Behandlung der südafrikanischen Angelegenheiten durck den englischen Colonialminisler erfolgt, wie auch Chamberlain S letzte Kundgebung im Unterbaust wiederum dartbut, nach wie vor in dem Tone gnädiger Herablassung, der den Boeren nun einmal antipathisch ist, weil er sie in dem Argwohn bestärkt und bestärken muß, daß man sie und ihre berechtigten Ansprüche auf volle staatliche Selbstständigkeit in den leitenden Kreisen Londons nicht für voll gelten lassen will. Wenn ter Freund und Lobredner Cecil Rhodes', dieses bösen GeniuS Südafrikas, nachdem kaum der Vorhang über die Tragi- Kemödie des Jamesvnprocesses gefallen ist, schon wieder von „Forderungen" der Uitlanbers in Johannesburg spricht, die befriedigt werden müßten, wenn er die ihnen soeben gemachten freiwilligen Zugeständnisse des VolksraadS nur als Ab schlagszahlungen gelten lassen will und erklärt, die Zeit sei noch nicht gekommen, über die englische Regierungspolitik betreffs Südafrikas im Parlament Ausschlüsse zu ertbeilen, so kann eine solche Sprache und solche Geheimnißkrämerei um so weniger beruhigend auf die Gemütber in Südafrika wirken, als die Truppensendungen dorthin mit frischen Kräften wieder ausgenommen werten, obwohl der famose Matabeleaufstand jetzt so ziemlich eingedämmt worden sein soll. Nachdem erst vor Kurzem ein Lancierregiment nach dem Cap dirigirt worden, wird heule gemeldet, daß die Admiralität mit der Peninsular und Oriental Company wegen des Transport- eines weiteren CavallerieregimentS nach Natal accordirt hat. UebrigenS muß zugestanden werden, daß der Ton, dessen Cbamberlaiu Transvaal gegenüber sich befleißigte, ein unvergleichlich milderer und versöhnlicherer war, als er ihn noch vor Kurzem anzuscklagen beliebte. Aber man würde irren, wollte man glauben, der „ehrliche" Chamberlain meine e- ernst mit der angekündiglen Politik der „freund schaftlichen Vorstellungen". Gerade die Gcflissentlickkeit, mit welcher er die FriedenSschalmei bläst und geradezu mit Ent rüstung den Gedanken, den Präsidenten Krüger mit Waffen gewalt zu Reformen zu zwingen von ssck >"--»« »-77 Verdacht begründet erscheinen, daß es Chamberlain nur um die Maskirung der kriegerischen Vorbereitungen Englands in Südafrika, um die Einschläferung Krüger'scker Wachsamkeit und um die Beschwichtigung des selbst Albion unter Um ständen gefährlichen Boerenzornes zu thun ist. Darüber wird man in Pretoria keinen Augenblick zweifelhaft sein, und man wird wissen, WaS man zu thun hat. Deutsches Reich. Berlin, 12. August. „Germania", „Köln. Volksztg." und andere Centrumsorgane verlieren in ihren Erörterungen über das Schlett ft adter Wahlergebniß kein Wort darüber, daß die Wahl an einem Sonntag statlgesunden hat. Hätte der nationale Candidat gesiegt, wie bestimmt hätten diese Blätter das Resultat mit dem Umstand erklärt, daß die katholische Bevölkerung der behördlichen Verleitung zur Sonntagsentheiligung mannhaft widerstanden habe! * Berlin, 12. August. Eine ka iserlicke Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse der Landesbeamten in den Schutzgebieten, bestimmt: Artikel 1. Das Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichs beamten, vom 31. März 1873 (R.-G.-Bl. S. 61), nebst dem dasselbe abändernven Gesetze vom 21. April 1886 FettiHeton. Luhne. 11 Roman von L. Halde«. Nachdruck vrrbrtea. Erstes Capitel. Ein elegante- Coupe, mit zwei schönen Rappen bespannt, fuhr im schnellen Trabe auf die Rampe deS Bahnhofs; der Jäger, der mit wallendem Federbusch neben dem Kutscher saß, sprang herab und öffnete den Schlag. Ein boher, schlanker Mann, dessen edel geschnittene Züge von dunklem Haar und Aart umrahmt waren und dessen ganzer Erscheinung man den früheren Officier ansah, stieg auS und schritt langsam die Stufen hinauf, dann durch da- Gebäude selbst auf den dahinter liegenden Bahnsteig. Hier wimmelte e« von Menschen, wa- bei dem schönen Wetter kein Wunder nehmen durfte, denn die Bahn, wrlcke da« Gebirge in weitem Bogen umzog, entsandte hier eine Zweiglinie, di« thalaufwärts in da« Jnnere der Berge führte und di« stark benutzt wurde, be sonder- an Sonntagen, wie der heutige. Eine Gruppe von Herren, die plaudernd bei einander standen, batte da- Herannahen der Equipage beobachtet und tauschte jetzt ihre Bemerkungen darüber auS. „Ah! der Wildburger, und in großer Gala! Wa- hat denn da- zu bedeuten ?" ,^Ist e?S wirklich? Lassen Sie einmal sehen! Man kennt ihn ja gar nicht mehr." „Aber wir Sie nur so etwas denken können, Derenburg! Seit wann zeigte sich denn der alte Herr unter Menschen! Ihre Sehnsucht nach dem können Sie nur in de- Wälde tiefsten Gründen stillen, wohin er zuweilen seinen Eulenflug lenkt. Der Hauptmann ist'- natürlich, und ich wage kühn zu behaupten, daß da- mehr ist, al- der Alte selbst, denn er hat doch da- Regiment in Händen." „Natürlich", stimmten die Anderen bei, „er hat r- ver standen, sich den alten grie-grämigen Onkel gefügig zu machen, und so ist er der eigentliche Herrscher geworden." „So lange e» dauert", warf Derenburg achselzuckend hin. „Früher oder später wird doch der Sohn zurückkehren, und der bleibt immer der Majorat-Herr." „Wollen dem Hauptmann aufrichtig wünschen, daß eS noch lang« dauern möchte", sagt« ein dicker Gutsbesitzer ari der Nachbarschaft; der arme Kerl war in einer verteufelt schlechten Lage, mit Frau und Kind, den Abschied in der Tasche, und sonst keinen Heller. Jetzt sitzt er im warmen Nest, und er macht seine Sache gut, da« muß ihm der Neid lassen. Die große Herrschaft könnte sich nicht in besseren Händen befinden; er bat Ordnung geschafft und unter all der Lotterei aufgeräumt. Der alte Herr ließ ja Alles gehen, wie e« wollte, und wenn der junge einmal an- Ruder kommt, hege ich auch nicht große Erwartungen. Wa« versteht so ein Mensch, der sich in die Kunst vernarrt hat, vom praktischen Leben und Schaffen?!" Die Herren gingen jetzt dem Hauptmann von Wildburg entgegen, der soeben iu der Au«gang«thür erschien, und be grüßten ihn. „Warten Sie auch auf den Schnellzug oder wollen Sie einen kleinen Ausflug in- Gebirge mackenfragte der dicke Dürkheim zuvorkommend. „Dann schließen Sie sich vielleicht unserer Gesellschaft an. Wir wollen auf die RolandSburg. Wird mir zwar verdammt sauer werden, und bei der Hitze! Warum di« alten Ritter nicht ihre Raubnester im Thal er bauen konnten! Müssen sich ihre Nachkommen noch mit dem Klettern plagen!" Der Hauptmann hatte seine Uhr gezogen und mit der de- Bahnhöfe- verglichen. „Dock richtig", sagte er. ohne auf den Sprecher zu achten, „ich fürchtete schon ru spät zu kommen, obwohl wir die Pferde tüchtig auSgreisen ließen, und nun ist der Schnellzug noch nicht einmal signalisirt." „Bei dem Andrang kann man sich nicht wundern, wenn er Verspätung hat", meinte einer der Herren, „der Gebirgs zug stehl übrigen- bereit und kann gleick abdampfrn, wenn der Schnell»ug seine Fahrgäste abaefetzt hat." „Sie haben mich zwar noch kerner Antwort gewürdigt", sagte der gutmüthige Dürkheim, „aber ich wiederhole meine Anfrage, ob Sie mit un- zur RolandSburg wollen. Der Wirth führt au-ßezeichnete- Bier und sehr gute Weine." „vezeihung, ich hatte Ihren freundlichen Vorschlag gar nicht al- an mich gerichtet angesehen", entschuldigte sich brr Hauptmann» „mich führt ein anderer Zweck her. Ich er warte meinen Vetter und will ihn an feine« Vater« Stall begrüßen." „Wen erwarten Sie?" „Ist e« möglich!" „Da- ist aber eine Ueberraschung!" „Wie kommt denn der hierher, und so plötzlich, er war doch ganz auseinander mit seinem Alten." So schwirrten die Ausrufe durcheinander. Der Haupt mann war offenbar nicht gesonnen, die mächtig erwachte Neugier der Gutsnackbarn zu befriedigen, er erwiderte sehr kühl und förmlich: „Mein Vetter Karl hat durch seine end liche Rückkehr von seinen lang ausgedehnten Reisen einen Herzenswunsch seines VaterS erfüllt, und mir ist es natür lich eine angenehme Pflicht, ihn als der Erste zu bewillkommnen, da sich mein Onkel durch seinen leidenden Zustand daran verhindert siebt." Ein unhehaglicheS Schweigen trat ein; Alle fühlten, daß der Hauptmann jede Bemerkung abschneiden wollte. Man begnügte sich, nach der Uhr zu sehen und über daS lange Ausbleiben des Zuges seine Ansichten auszutauschen. Die gleiche ungeduldige Stimmung hatte sich aller Anwesenden bemächtigt, das Bahnpersonal eingrschloffen, das von allen Seiten mit Fragen bestürmt wurde, auf dir eS nur ein Achselzucken als Antwort gab. Dir Minuten verflossen, der Zeiger rückte unaufhaltsam vor, jetzt begann man sich ernstlich zu beunruhigen. Die Mienen Derer, welche auf Jemand warteten, wurden bleich und besorgt, in bangem ahnungs vollen Harren wogte die Menge durcheinander. Die Thüren zu den Expedition-räumen waren geschloffen. Der Telegraph arbeitete dort, die Beamten sahen den Botschaften, die er ihnen bringen sollte, gespannt entgegen und wollten durch daS ungeduldig auf sie eindringende Publicum nicht be hindert sein. Jetzt trat der Jnspector heraus, blaß, verstört, und seine Miene verkündete da- Unheil, ehe er der schrecklichen Nackricht noch Worte gegeben. „Der Schnellzug ist ent gleist, viele Wagen sind zerstört, di« Zahl der Verletzten sehr groß." Ein Aufschrei deS Entsetzen- folgte seiner Mittheilung, man drängte sich um ihn, man wollte mehr wissen, man verlangt« einen Extrazua, jeder wollte selbst hin an die Stätte deS Unglück-, wollte sich selbst vergewissern, ob seine Lieben bewahrt geblieben, oder ob sie zu den Opfern ge hörten. Die Frauen weinten und jammerten laut, ihre Angstrufe erfüllten di« Luft, dir Männer waren kaum ge faßter, r- mußte rin sehr großes Unheil sein, und die Un gewißheit verschärfte die Pein. Die Beamten tbaten indrß ihr« Pflicht; e« war in die Stabt, die ungefähr «ine Viertelstunde vom Bahnhof« ent fernt lag, gesandt worden, um Aerzte, Krankenträger, alle« rum Transport und ersten Verband der Verwundeten Er forderliche zu beschaffen, ein Zug war bald bereit, um jene hinzuführen und die unverletzten Fahrgäste dann aufznnehmen. Nun begann ein stürmisches Kämpfen und Ringen der Ge ängstigten, die in die Wagen steigen und milsahren wollten, um schneller ihre Ungewißheit zu beenden, und die Beamten batten Mühe, den strengen Befehl kurchzusetzen, der jeden Ueberflüssigen von der Fahrt ausschloß. Auch der Hauptmann von Wildburg, der sich sehr dringend an den Bahninspector wandte, hatte Mühe, seinen Wunsch zu erreichen. Erst, als er geltend machte, auf wie vielen Schlachtfeldern er gewesen, und daß er im Samariter dienste nicht ungeübt sei, gab der Beamte seinen dringenden Bitten nach und er durfte in ein Coups einsteigen. Die Fahrt bis zur Unglücksstätte dauerte lange, denn sie war ziemlich entfernt, eS lagen viele kleine Stationen, von denen aus nichts geschehen konnte, dazwischen. In tiefen Ge danken saß der Hauptmann in seiner Ecke, die Hand über die Augen gelegt, als wollte er die Bilder der Außenwelt von den Vorstellungen adbalten, die in seinem Innern rastlos durcheinander wogten. An den alten Mann auf Schloß Wildburg batte er fürsorglich Botschaft gesandt, die ihm von einer Verspätung deS ZugeS berichtete; wozu sollte er sich unnütz aufregen, und war etwas geschehen, so erfuhr er cs noch früh genug, selbst daS Schlimmste. DaS Schlimmste? Der Hauptmann fuhr bei dem Gedanken zusammen. Wclcker Blick eröffnete sich ihm dann? Es war eine zu weite Kluft von der Sorgenlast, die noch soeben auf ihm geruht, wo er seine ganze, mühsam begründete Existenz wieder gefährdet gesehen, bis zu der Möglichkeit, daß der Erbe eines solchen Besitzes ihm seinen Platz räumen könnte. Der Zug hielt, mau war an der Unglücksstätte angc- langt, die rin Bild des Grausens bot. Die Locomotive lag umgestürzt da, di« Wagen zerschmettert, zersplittert, große Trümmerhaufen bildend, und dazwischen ächzten, jammerten, stöhnten, schrien, klagten die Menschen, die weinend auf dem Felde lagen, die unter den vernichteten Wagen der um Hilfe flehten, oder ihrem wahnsinnige» Schmerze durch lauten Jammer Luft machten, oder die fassungslos umherirrten, vor Angst und Schmerz halb irrsinnig. Alle- stiirrte den heiß ersehnten Hellern entgegen, und eS kostete Mühe und An strengung, die aufgeregte, entsetzte Menge in Ordnung zu kalten und ruhig und planmäßig zum Beistand vvrzugehen. Der Hauptmann stellt« sich den Äerzten zur Verfügung und war ihnen durch die Umsicht und Ruhe, mit der er die Arbeiten leitete, von großem Werth. Es gab sehr viele Ver wundete, leider auch mehrere Tobte. Wer e« ertragen
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