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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.08.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960819029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896081902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896081902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-08
- Tag1896-08-19
- Monat1896-08
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Reclamen unter dem Redactionsstrich ^ge spalten) 50^, vor den Famülenimchrichteit (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unjrrem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer uni» Zijserujah nach höherem Tarif. Hzstra-Vri lagen (gesalzt), nur mit de» Morgen - Ausgabe, ohne Postbesörderung ^1 60.—, mit Postbesvrderung >li 70.—. Ännahmeschlvß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Bormittag- 10 UhL Morgen-Ausgabe. Nachmittag« 4Uhr. Vri Len Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. v-o—o— Druck und Verlag non E. Bolz in Leipzig so. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 19. August. Von unserem K-Correspondenten wird uns geschrieben: „Ucberall verrätb sich ras Berständniß dafür, daß der Sturz des Kriegsmiiiisters v. Bronsart sehr viel mehr zu bedeuten habe, als den Verlust eines ausgezeichneten Beamten. Man fühlt, er ist ein weiter Sprung auf dem Wege, der Deutsch land und Preußen einem Zustande entaegenfUhren kann, der selbst in der absolutistischen Zeit in Preußen nicht als der normale galt, einem Zustande, wo die Minister ausführende Organe unverantwortlicher Nathgeber sind und nur solche Ratbschläge zu ertheileu haben, von denen sie wissen, daß sie den bereits gefaßten Entschlüssen nicht zuwiderlaufen. Sehr begreiflich, daß an dem Markstein dieser Entwickelung, der soeben aufgerichtet worden ist, der Name Bismarck ge nannt wird. Nickt hoffend freilich, sondern klagend und selbst von seinen erbittertsten Gegnern bereuend. „Fürst Bismarck besaß hinreichende Tbalkraft, um sich gegen jede Beein- slussung der Krone durch unverantwortliche Rathgeber zu wehren. Er ging stets von dem Grundsatz aus, daß, wer Rath geben dürfe, auch für die Ausführung seines Nathes vor aller Welt und besonders vor der Volksvertretung die Verantwortung tragen müsse. Er hatte lebhaftes Berständniß für das englische Verfassungsrecht, das dem Premier die Besetzung der wichtigen Aemter nicht nur in der Regierung, sondern auch im Hofstaat einräumt. Durch diese Einheitlichkeit des Beamtenthums im Staat und am Hof wird jeder „Friktion" nach Möglichkeit vor gebeugt. Heute sind die „Friktionen" so häufig, daß sich die Negierung ihrer kaum erwehren kann. Unablässig wird man sick über unberufene Rathgeber der Krone bald auf diesem, bald aus jenem Gebiete unterhalten." In diese Worte kleidet die „Voss. Ztg." ihre Abbitte wegen des einst dem ersten Kanzler entgegengeschleuderten Vorwurfes der Aspiration aus das „Hansmeierthum". Und selbst klerikale Blätter, denen sich Engen Richter anschlicßt, sinken, daß die „jetzige Cou- lissenarbeit" gefährlicher sei, als das „autokratische Regiment" Bismarck's. Freilich, diese Politiker haben den Fürsten Bismarck nicht mehr zu fürchten und dürfen ihm deshalb bedingt oder unbedingt Gerechtigkeit widerfahren lassen. Wenn m der Brust eines besonders Aengstlichen noch der Gedanke, Fürst könne am Ende doch einmal in seine frühere Stellung wiederkehren, geglimmt haben mag, — was die „Kreuzzeitung" zu dem Rücktritt des Herrn v. Bronsart schreibt, müßte ihn ausgelöscht haben: „Wir halten es für möglich, daß Se. Majestät sich zum Kriegsminister einen jüngeren, durch eine bedeutsame Vergangenheit nicht so ge tragenen Osficier ausgesucht hat, der vielleicht darum geeigneter ist, etwaige Reibungen zu vermeiden, als der in vielen hohen Positionen etwas härteren Stoffes gewordene General von Bronsart." Aendert man entsprechend Amtsbezeichnung und Namen, so hat man in diesen kurzen Sätzen die Ur sache des RücktritlsdesFür st en Bis marcker schöpfend bezeichnet. In der „Eons. Eorr." findet sich eine Auseinandersetzung mit Herrn Stöcker, die politisch Wesentliches nicht enthält, in der aber der Ton überlegener Ironie auffällt, mit der das ehemalige Mitglied des konservativen Elfer-AuSschusses abgefertigt wird. Feiner, aber nicht um ein Haar schonender, als man es von der Berliner Freisinnspresse gewohnt ist, wird hier Herrn Stöcker eine Reihe von — Ungenauigkeiten nachgewiesen, die er zum Zwecke einer Generalreinigung neuerdings unter dem Titel: „Ein Stück Zeitgeschichte" in der „D. Ev. Kirchenzeitung" vorgebracht habe. Der neuesten Unternehmung Stöcker's wird an folgender Stelle Erwähnung gethan: „Wie die „Deutsche Evangelische Kirchenzeitung" nunmehr ent deckt, soll bereits im Frühjahr 1893 die Wandlung der conservativen Partei in den socialen und socialpolitischeu Anschauungen sich gezeigt haben. Warum hat aber damals Herr Hofprediger Stöcker denn nicht seine Htimme erhoben und selber in Sachen der Socialreform Vorschläge gemacht? In der „Kirchenzeitung" heißt es indessen: „Stöcker wäre vermuthlich (I) am liebsten in seiner alten Stellung geblieben und hätte in der conservativen Partei die christlich-sociale Politik, in dem Evangelisch-socialen Congreß die evangelisch-sociale Lebensanschauung pflegen helfen." Stöcker hat also gegen die an gebliche „Wandlung" in der conservativen Partei so lange nichts einzuwenden gehabt, als er derselben angehörte. Erst bet seinem Scheiden stellten sich die Bedenken ein, genau so, wie er erst bei seinem Austritt aus dem Evangelisch-Socialen Congresse dessen große Mängel gewahr wurde." Vorher heißt es: „Wenn der Verfasser des „Stückes Zeitgeschichte" — unter dem Motto: 1. Joh. 5, 19: „Die Welt liegt im Argen" — in breiten Ausführungen auf den „Fall von Hammerstein" und auf den „Stöcker-Brief" zurückkommt, jo halten wir das für eine Un geschicklichkeit. Im Interesse des Herrn Hofpredigers liegt diese Ausgrabung keineswegs." Man siebt, die Furcht vor Herrn Stöcker im konser vativen Lager ist geschwunden. Dem war noch vor Monaten nicht so. AuS der Schule geplaudert hat in ihrem blinden Eifer die ultramontane „Germania" anläßlich einer Erörterung über die Beschwerde, welche Prinz Friedrich Leopold als Protektor der Berliner Groß-Logen wegen der maßlosen Angriffe des „Deutsche» Adelsblattes" und der ultramontanen Presse an den Kaiser gerichtet hat. Bekanntlich gehört auch das „Deutsche Adelsblatt" zur ultramontanen Presse, allerdings nicht offen und eingestandenermaßen, sondern nur heimlich und unter der Hand. Denn die deutsche Adelsgenossenschaft, deren Organ das „Deutsche Adelsblatt" sein will, ist vor Jahren von evangelischen Adligen, meist Rittern des IohanniterordenS, als eine paritätische zu gegenseitiger Unterstützung ohne Rücksicht auf die Confefsion begründet worden und ist in dieser' Hinsicht sogar dem Freimaurer orden einigermaßen ähnlich. Auch der katholische Adel wurde in der rücksichtsvollsten und höflichsten Weise zum Beitritt eingeladcn, im eigentlichsten Interesse der AdelSgenvssenschaft, denn, wo der Adel vorwiegend reich ist, wie in Schlesien und besonders in Westfalen, da ist er auch katholisch, und zwar sehr, d. b. ultramontan. Auf katholischer Seite verfuhr man nun sehr diplomatisch: in schönen Rede» wurde das Zusammengehen der beiden Bekenntnisse zu einem wohl- thätigen Zwecke gepriesen, dem Organ der Avelsaenossenschaft aber wurden die nöthigen jesuitisch geschulten Kräfte octroyirt, welche es leise und unmerklich in das ultramontane Fahr wasser hinüberleiteten. Mit der Zeit wurde man immer dreister, und bereits im Jahre 189l verlangte das „Deutsche Adelsblatt" ganz offen, die „paritätische" ÄvelSgenossenschaft sollte sich für die Rückberusung der Jesuiten erhitzen. Und der Vorstand derselben schien auch wirklich ganz dafür ge wonnen; auch der Umstand, daß die „Germania" die dahin zielenden Artikel des „Adelsblatts" als Leitartikel aufnahm, öffnete demselben nicht die Augen; die sich dagegen erhebenden Stimmen wurden unterdrückt; Leute, welche sich etwas tapfer wehren wollten, wurden einfach aus der Adelsgenossenschaft „fortgegrault" und daö „Adelsblatt" segelte vergnügt in seinem ultramontanen Fahrwasser weiter. Doch wurde immer noch „Parität" auf die Flagge geschrieben und die Genossenschaft nach außen als eine christliche, interkonfessionelle bezeichnet. Und nun muß die „Germania" kommen und der Adels genossenschaft sammt dem „Adelsblatt" die paritätische Maske abreißenl Sie erinnert an „die erhebenden Worte", mit welchen „der selige Freiherr v. Schorlemer - Alst seiner Zeil viele katholische und der CentrumSpanei angehörige Adlige dem Adelsbunde zugeführt hat" und knüpft daran die Mahnung: „mögen diese Herren zusehen, daß das Organ ihrer Genossenschaft nicht etwa in das andere Extrem übergeleitet und zur Verherrlichung der Freimaurerei gebraucht werde!" „In das andere Extrem!" Also bisher war das Organ in dem „einen" Extrem. Welches diese „eine Extrem" war, wissen wir ja längst, nur haben der Vorstand der Genossenschaft und Vie Redaktion des „Adelsblatts" dies nie zugeben wollen und sich immer tiefer in die Falten ihres Paritätsmantels gehüllt. Und jetzt muß die „Germania" in diesen Mantel ein großes Loch reißen, so daß der nackte IesuitismuS vor Aller Augen offen daliegt. Der Vorstand und die Redaktion des „AdelsblattS" werden auch sagen: Gott behüte mich vor meinen Freunden! Nunmehr ist, wie gemeldet, die Verlobung des italienischen Kronprinzen mit der Prinzessin Helene von Montenegro ossiciell bekannt gegeben. Bekanntlich ist die Verheirathung des Prinzen von Neapel eine schwierige Sache; eine protestantische Königin würde das italienische Volk nicht gerne sehen und einer katholischen Prinzessin erschwert der Vatikan den Eintritt in die excommunicirte Königsfamilie. Da bot sich der Ausweg, daß der Prinz eine Griechisch-Katholische erkor, die römisch-katholisch wird. In der That soll der Metropolit von Cettinje, die höchste religiöse Autorität der Montenegriner, bereits seine Genehmigung zum Uebertritt der Prinzessin gegeben haben, die nächstens vor dein katholischen Erzbischof von Antivari ihren neuen Glauben bekennen soll. Eine Meldung will sogar wissen, der Zar habe seine Genehmigung zum Uebertritt gegeben. Der Zar hat in Wirklichkeit den Uebertritt nicht zu genehmigen, da Montenegro kirchlich selbst ständig ist, aber die Zustimmung des Zaren ist dock von hohem Werth, nicht blos deswegen, weil man ihn im Orient als den Schutzherrn der gesammten Orthodoxie betrachtet, sondern auch aus polltischenGründen. Hinter der italienisch-montenegrinischen Heirath tauchen nämlich (meint die Franks. Ztg.) sichtbarer als bisher jene Fäden aus, die seit einiger Zeit gebeimnißvoll zwischen Italien und Rußland sich angeknüpft haben. Montenegro ist der nächste Nachbar Albaniens, auf das auch Italien seine Augen geworfen hat; kommt eS einmal zur Theilung der Türkei, so werden Montenegro und Italien werthvolle Bundesgenossen Rußlands sein. DaS ist es, was der italienisch-montenegrinischen Heirath ein politisches Inter esse verleibt. — Prinzessin Helene ist die dritte Tochter des Fürsten Nikolaus I. und 23 Jahre alt. Gleich ihren Schwestern, von denen die eine, Miliza, den Großfürsten Peter Nikolajewitsch und eine andere, Stana, den Herzog Georg von Leuchtenberg geheirathet hat, hat sie im Smolna- schen adligen Fräuleinslift zu Petersburg eine vorzügliche Erziehung erhalten. Kronprinz Victor Emanuel, 27 Jahre alt, Generallieutenant und Commandeur der 15. Division, ist eine sympathische Erscheinung. Das officielle Programm der Rundreise des Zaren, welches die „Post" veröffentlicht, enthält eine Reihe bisher nicht bekannt gewordener, zum Theil beachtenswerlher An gaben. Danach erfolgt am 25. August die Abfahrt aus Peterhof über Warschau nach Wien, am 27. Ankunft in Wien, am 29. Abfahrt und am 31. Ankunft in Kiew. Am 3. September Abfahrt aus Kiew, am 5. Ankunft in BreSlau, wo das Zusammentreffen mit dem Kaiser siail- findet. Theilnahme Sr. Majestät des Kaisers Nicolaus an den Manöver». Am 7. Abfahrt aus Breslau, Ankunft in Kiel, am 8. Ankunft in Kopenhagen per Dacht. Vom 8. bis 19. Verbleiben in Kopenhagen, am 19. Abfahrt aus Kopenhagen nach England per Aackt, am 21. Ankunft in Balmoral. Vom 2l. September bis 3. Oktober Aufent halt in Balmvral. 3. Oktober Abfahrt, am 5. Ankunft in Cherbourg, am 6. Morgens in Paris, am 8. Abends Ab fahrt auS Pari« nach Darmstadt. In Paris wird der Kaiser weder in einem französischen Staalsgebäude noch inderBotschaft, sondern im Palais der Fürstin Iussupoff wohnen. Im Gefolge deS ZarenpaareS werden sich bei der Reise ins Ausland befinden: Hofmeisierin Fürstin Galitziu, Hoffräulein Fürstin Wassiltschikow, der Minister des Aenßern Lobanoff-Rostowsky, der Minister des kaiserlichen Hofes Graf Woronzoff-Daschkoff, Fürst Dolgorukoff, Hosmarschall Graf Benkendorf, Hofmeister Graf Hendrikoff, der Comman- danl des Hauptquartiers Generaladiutant Richter, der Com- mandant der kaiserlichen Palais General Hesse, der Leib- MedicuS Hirsch, der Gehilfe des Cbefs der Kanzlei deS Hauptquartiers Mamontoff, der Secretair des Hofministers Kammerjunker Dubreil Eschapar und zwei Flügeladjutanten. — Gleich den Pester Blättern begrüßen auch die Wiener das Geschenk des Zaren an das ungarische National museum mit großer Lebhaftigkeit. Die „Neue Freie Prejje" jagt, dadurch, daß der Kaiser von Rußland seinen Wunsch kundgiebt, mit Oesterreich in herzlicher Freundschaft z» leben, bezeugt er jein Vertrauen i» die friedlichen Zwecke des Dreibundes, bezeugt er mittelbar die friedlichen Tendenzen feiner eigenen Politik, zerstört er die thörichten Hoffnungen jener, welche von ihm die Entfesselung der Krieassurie erwarten. — Tas „Neue Wiener Tag blatt" sagt, Oesterreich-Ungarn werde das Geschenk als ein Zeichen jur die Herzlichkeit der Beziehungen beider Staaten mit auf richtiger Freude ausnebme», da man hierin eine neuerliche feste Gewähr für die dauernde, friedliche Lage mit Recht erblicken dürfe. Es werde ein dauerndes Verdienst der leitenden Staats männer Oesterreich-Ungarns und Rußlands bleiben, die derzeitige Gestaltung der Beziehungen herbeigeführt und gefestigt zu haben. DaS officiöse „Wiener Fremden blatt" schreibt: „Dieser Aus tausch von Höflichkeit in Verbindung mit dem Zusammentreffen der beiden mächtigen Monarchen trägt mit dazu bei, der bestehenden Lage das Gepräge von Intimität zu verleihen, dessen sich jeder Freund des Frieden- aufrichtig freuen muß". Auch wir fassen die sympathisch berührende Schenkung des russischen Kaisers und daö dieselbe begleitende Schreiben als einen wohlberechneten Act der russischen StaatSraison auf, die den größten Werth darauf legt, unbeschadet der franzö sischen „Alliance" Vie besten Beziehungen zu den Drcibunk- mächten zu pflegen. In weiten spanischen Kreisen behauptet sich nach wie vor die Ansicht, daß der inneren Ruhe und Ordnung des Staates Gefahren seitens kubanischer Emissaire drohen, deren Sendung den Zweck verfolgen soll, durch rcvoiu- tionaire Zettelungen in Spanien selbst das Augen merk der Regierenden von der Lage auf Cuba in etwas ab zulenken. Wen» die innere Lage Spaniens unsicher wird, kann die Regierung, so rechnet man angeblich auf Cuba, nicht soviel Truppen nach dort werfen, als sic sich zum Herbst vor genommen hat, sondern muß wenigstens einen Thcil derselben in der Heimath zurückbehalten. Da nun die Abneigung Sühne. 6s Roman von E. Halden. Nachdruck verboten. Da nabm sie zu der Kunstfertigkeit ihrer Hände ihre Zuflucht; mit Zittern und Zagen wandte sie sich an ein Geschäft, in dem man mit Freuden die geschickte Stickerin beschäftigte, und seitdem konnte sie mit stillem Vergnügen manche Behaglichkeit cinführen, welche der Vater wohlthatig empfand, ohne dein Ursprünge nach zuforschen. Für Erna entstand daraus eine doppelte Freude, die am Gewinn und die am Schaffen des Schönen, wobei sie ganz vergessen konnte, daß sie als bezahlte Arbeiterin lbälig war. Sie batte die Lampe sorglich beschattet, ihre Nadel flog unermüdlich hin und her, nur zuweilen unterbrach sie die Arbeit und trat an das Lager des Vater«, der oft schmerzlich stöhnte oder abgerissene Worte halblaut vor sick hinmurmelte. Tann legte sie ihre kleine weiße Hand auf seine, die so ab gezehrt war und im Fieber brannte und sprach ibm beruhigend zu. Er starrte sie mit den tief in ihren Höhlen liegenden Augen an, aber sein Blick schien nicht auf ihr zu ruhen, iouocrn etwas schreckliches zu suchen, dessen Hervor treten er in jeder Minute besorgte. „Du hast mir koch gesagt, daß Thür und Fenster ver schlossen sind und doch ist da« Kind hier?" fragte er. „Du irrst Dich, Papa, wir sind ganz allein" suchte sie ibn zu beschwichtigen. „Nein, nein, eS ist da, e« verlangt die Papiere von mir", bcbanptete er, „Du mußt nach ihm suchen. Sieh im Kleiber shrank nach." Erna willfahrte ihm; sie kannte die« angstvolle Forschen nach den Schreckbildern, die den Kranken verfolgten und sie wußte auch, daß ihm noch Schlimmes bevorstand. Wenn er ii h in solcher Erregung befand, so pflegte sich diese zu einem murr höheren Grade zu steigern, bis endlich äußerste Er- shöoiuug, fast ein lähmung-artiger Zustand folgte. Heute trat der Anfall starker als je auf: der Kranke war k'.um in» Bett zu halten; eine furchtbare Angst sprach aus s.'.ne» verfallenen Zügen, der Blick wurde immer stierer, die Wahnbilder, von denen er sick verfolgt glaubte, hatten ihn ganz in ihrer Gewalt, die Mittel, welche Erna für solche Fälle besaß, erwiesen sich als wirkungslos. Erna weckte das Mädchen, ein junges, unerfahrenes Ding, denn ein solches, das mehr leisten konnte, vermochte sie nicht zu bezahlen, uud schickte sie zum Arzt. Aber sie kam mit der Botschaft zurück, daß dieser abberufen und seine Heimkehr ganz unbestimmt sei; auch ein zweiter Arzt, zu dem Erna schickte, war nicht anzutreffen. „Was soll ich nur anfangen ?" klagte Erna, deren Muth und Fassung versagten. „So kann es nicht fortgehen, ich muß Hilfe für den Pater haben." „Hier in der Nähe wohnt ein neuer Arzt", schlug das Mädchen vor, das theilnehmend auf die Angst seiner jungen Herrin blickte, „ich ging gerade vorbei, als gestern sein Schild angeschlagen wurde." „So laufe dorthin, er wird noch nicht so viel zu thun haben", sagte Erna und das Mädchen eilte fort. Jetzt jammerte der Hauptmann laut, seine Brust sei ihm eingedrückt, er wollte fort, nicht nut all den Todten zusammen sein, die das Zimmer erfüllten und die ihm in der starren Hand ihre Brieftaschen entgegenstreckten. „Ich ertrage es nicht, was wollen sie von mir!" äckzte er. „Ich will die Papiere holen, alles soll er wieder haben. Aber ich kann ja nicht, der Steckbrief ist erlassen, eS sind lauter Steckbriefe, wer Dokumente stiehlt, ist auch ein Dieb, und ich will nicht als Ehrloser dastehen I Ich will hinaus, ein Sprung ans dem Fenster rettet mich!" Erna rang mit ihm, sie konnte ihn kaum im Bett zurück halten. In diesem schrecklichen Moment trat der Arzt ein, der voll Mitleid auf das junge Mädchen blickte, die er in solcher Lage ganz allein fand. „Erlauben Sie, mein Fräulein, daß ich an Ihre Stelle trete", sagte er, und schon stand er vor dem Kranken und suchte ihn zu beruhigen. Seine ruhige, feste Stimme, der kräftige und dock sanfte Druck seiner Hand schienen einen wobltbätigen Einfluß außzuüben, allmählich legte sich die wilde Erregung, und die theilnebmende und beschwichtigende Weise, in der der Arzt auf die Ideen des Patienten einging und ibn zu anderen Vorstellungen übenuleiten suchte, verfehlte ihre Wirkung nicht. Er nabm am Bett Platz, reichte ihm einige Mittel, die er mitgebrackt, und schrieb ein Rrcept, mit dem Las Mädchen zur Apotheke geschickt wurde. Erna hatte ruhig und verständig alle Hilfsleistungen ver richtet, jetzt saß sie bleich und abgespannt am Fußende de« Lagers; ein leichtes Zittern vermocht« sie kaum zu unterdrücken, denn es kam ihr jetzt erst zum Bewußtsein, was sie erlebt und wie schrecklich ihre Angst gewesen. Der Arzt, der sich als Doctor Blanden vorgestellt, blickte theilnehmend auf sie. „Sie bedürfen der Ruhe und Schonung, mein Fräulein", sagte er jetzt, „wollen Sie nicht versuchen, sich Beides zu verschaffen? Ich verlasse den Kranken noch nicht, ehe ich mich von der dauernden Wirkung meiner Verordnungen überzeugt habe. Sie sind jetzt nicht nöthig, bitte, befolgen Sie meinen Ratb". Er sprach so warm und eindringlich, daß Erna sehr wohl- tbuend davon berührt wurde. Wie selten geschah es, daß Jemand an sie dachte und für sie sorgte. „Ich werde mich bald erbolt haben", sagte sie leise, „es ist nur die Folge der ausgestandenen Angst, und Papa braucht mich vielleicht". „Ueberlassen Sie ibn getrost meiner Sorge", bat Doctor Blanden wieder mit seinem eigenthümlichen, gewinnenden Lächeln. „Ruhen Sie im Nebenzimmer auf dem Sopba; damit Sie eher einschlafen können, lasten wir die Tbür eine Spalte offen." Seine freundliche, sichere Art ließ Erna fast vergessen, daß er noch jung war, sie fühlte sich geborgen wie in der Obhut eines treuen Freundes, so gab sie allen Widerstand auf und folgte seiner Anweisung. Ter Kranke lag jetzt still, leise vor sich hinmurmelnd, manchmal stieß er ein Stöhnen auS; der Arzt hatte wieder seinen Platz eingenommen und beobachtete ibn aufmerksam. Erna hatte sick im Nebenzimmer, das von einer Nacktlampe matt erhellt war, auf ein Sopha gestreckt; die Thür stand ein wenig offen, und sie konnte die Kranken stube genau überblicken, denn der Doctor hatte den Schirm von der Lampe entfernt, um seinen Patienten bester sehen zu können. Sein Kopf hob sich plastisch von der dunklen Tapete ab, und Erna'S Augen ruhten auf seinem Gesicht, das ihr so viel Sympathie und Vertrauen einflößte. Er mockte noch nicht dreißig Iabre zählen, aber man dachte kaum an sein Alter; der Ernst seines Berufes und ein unendliches Wohl wollen, das aus den scharfblickenden blauen Augen sprach, die hohe Stirn, die den Denker anzeigte, das gewinnende Lächeln, das auch durch den blonden Vollbart nicht ganz ver deckt wurde, alles daS mußte gleich für ihn einnehmen, man glaubte einem allen, längst erprobten Freunde gegenüber zu stehen. Zuweilen sprach er leise zu dem Kranken, Erna konnte die Worte nicht immer verstehen, aber der tiefe milde Klang seiner Stimme nahm ihr Ohr gefangen und thar ihr wobl. Während sie so da lag, verschwamm ihr sein Bild mehr und mehr, ein Nebel senkte sich auf sie, der sich stetig ver dichtete, immer undeutlicher wurden ihre Vorstellungen, immer mehr überwältigte sie die Müdigkeit, und trotz des Fröstelns, das sie öfters überlief, schlummerte sie ein. Ein mal erwachte sie, ohne doch zum klaren Bewußtsein zu ge langen: sie batte die Empfindung, daß eine sanfte Hand ihr ein Kissen unter den Kopf schob, eine warme Decke wurde über sie gebreitet und sie sorgfältig damit umbiillt, sie sah einen blonden Männerkopf über sich gebeugt und glaubte die gemurmelten Worte zu vernehmen: „Armes Kind, arme Kleine." Doch sie bemühte sich vergebens, sich der Gewalt Les Schlummers zu entreißen, die schweren Augenlider sauten mit unwiderstehlicher Gewalt herab, die übermüdete Natur verlangte gebieterisch ibr Recht, und sie sank in den festen Schlaf zurück, der ein Vorrecht der Jugend ist. Als sie erwackte, kämpfte der Lampenschein gegen den Schimmer des anbrechenden Tages. Erschrocken sprang sie auf. Wie konnte sie nur so feit schlafen, was mußte ver fremde Arzt von ihr denken? Sie ordnete schnell ihren An zug, strich das Haar glatt und trat beschämt und verwirrt in Las Nebenzimmer. Doctor Blanden kam ihr mit auS- gestreckter Hand und mit freundlichem Lächeln entgegen, als wäre er ein langjähriger Bekannter und sprach ihr seine Freude aus, daß sie etwas geruht; mit dem Kranken ginge e« verhältnißmäßig gut. „Ja, ich habe geschlafen und Sie wachten an meiner Stelle", stammelte Erna. „Es ist gern geschehen, und einem Arzt darf es nicht auf das Opfer einiger Nachtstunden ankommen", erwiderte er lächelnd. Er wollte nun gehen und trat noch einmal an daS Bett. Der Hauptmann öffnete die Augen, sein Blick war jetzt klar, er erkannte den Arzt und machte eine Bewegung, als wollte er ibm die Hand reichen, aber diese gehorchte nur mit Müde seinem Willen. „Sie kommen doch wieder", bat er. „Wenn Sie gestatten, erkundige ick mich einmal wieder nach Ihrem Befinden, Herr Hauptmann; nun kommen Sie wieder in die Bebandlung Ihre« eigentlichen Arztes, ich bin ja nur zur Au«hilfe eingetreten." „Nein, nein, ich will keinen anderen Arzt, Sie haben mir gut gethan", rief der Krank« Hefti-,
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