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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.08.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960817022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896081702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896081702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-08
- Tag1896-08-17
- Monat1896-08
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Bronsart ist neuer dings wiederholt in Personalfragen unterlegen, und es ist auch richtig, wenn man sagt, die Angelegenheit der Militairstrafproceßordnung hätte ihn nicht früher zu einem Entschluß drängen müssen, als den Reichs kanzler. Zwar hat der zurückgetretene Minister schon vor nahezu zwei Jahren im Reichstag ausgesprochen, er werde den Kaiser um einen Nachfolger bitten, wenn es ihm nickt gelänge, eine Verbesserung des Strafwesens im Heere Herbeizuführen, aber Fürst Hohenlohe ist durch seine am 18. Mai dieses Jahres abgegebene Zusage politisch noch stärker engagirt, als es Herr v. Bronsart gewesen, ohne daß sich irgendwo die Ansicht geltend machte, der Kanzler dürfe die Entscheidung zwischen Erfüllung des Versprochenen oder Rücktritt nickt länger verschieben. Also die Militairstraf- proceßordnung war nicht der Anlaß zu dem Ministerwechsel. Eine andere Frage ist es, ob sie nickt vie Ursache des Anlasses oder der Anlässe gewesen. Da die Personen, die in jüugsterZeit im Gegensatz zum Kriegsminister Entscheidungen erwirkt haben, dieselben sind, die den Kampf gegen die Reform des Strafverfahrens ansühren, so erscheint die Vermuthung nicht gekünstelt, man sei der Bildung von Gegenständen der Meinungsverschiedenheit mit Herrn v. Bronsart mindestens nicht aus dem Wege gegangen. Jedenfalls ist die Geschichte der jüngsten politischen Ereignisse nicht voll ständig mit der Feststellung aufgeklärt, daß neuere Differenzen den Kriegsminister zur Einreichung seines EutlassnngSgesuches bewogen haben. Daß er sich als von Gesundheitsrücksichten geleitet bezeichnet, ist eine Formalität, über die kein Wort verloren zu werden braucht. Den nächsten Ministerwechsel wird man ursächlich auf den Rücktritt des Herrn v. Köller zurückzuführen haben, von dessen Nothwendigkeit nur Minister überzeugt waren und der deshalb unver gessen geblieben ist. Ob auch Herrn v. Bronsart eine Verantwortung für jene konstitutionelle Entscheidung überwälzt gewesen war, ist nicht vollkommen klar. Thatsache ist, daß Herr v. Köller im Amte unmöglich geworden ist wegen seines Verhaltens zur Angelegeuheit des militairischen Strafverfahrens, zu einer Zeit, als diese brennend war. Thatsache ist ferner, daß der Gegensatz zwischen Herrn v. Köller und Herrn v. Bronsart unmittelbar vor des Ersteren Entlassung scharf hervorgetreten war. Letzteres wurde s. Z. in der Presse geleugnet. An den Dementis kann aber höchstens so viel wahr gewesen sein, daß man sich entgegen einer früheren Annahme überzeugt hatte, der damalige Minister des Innern habe gewissen gegen den KriegS- minister gerichteten Preßmanövern ferngestanden. Wie gesagt, mit Bestimmtheit läßt sich Herr von Bronsart nicht als das -rste Todtenopfer des Herrn v. Köller bezeichnen, aber die Vermuthung, daß er es ist, hat mindestens so viel Wahrscheinlichkeit für sich, als die in der Presse nicht von der Hand gewiesene Annahme, der Minister sei jetzt gegangen, um nicht später durch seinen Rücktritt wegen der Proceß- reform das Obwalten tiefgehender Meinungsverschieden heiten in einer Frage von großer militair - politischer Wichtigkeit bezeugen zu müssen. Eine Berliner Zeitung meint, die letztere Auffassung könnte namentlich Denen nahe liegen, die den bisherigen Kriegsminister für einen möglichen künftigen Reichskanzler halten. Wir erwähnen dies der Vollständigkeit halber und verzeichnen aus der gleichen Er wägung die Thatsache, daß ein anderes Blatt an die Möglich keit denkt, Herr v. Bronsart könnte Herrn v. Habnke als Ebes des Militaircabinets ersetzen. Das Blatt glaubt selbst nicht, daß dem zum zweiten Male in den Ruhestand tretenden Dreiundseckzigjährigen eine solche Stellung zusagen werte. Wie man Herrn v. Bronsart kennen gelernt bat, wird ihm diese Neigung ganz ohne Rücksicht auf sein Lebensalter fehlen. Ein gewissenhafter Mann, der es hart empfunden hat, in verantwortlicher Stellung durch unverantwortliche Persönlichkeiten beengt zu werden, trägt sicher kein Verlangen, einem Andern das gleiche Schicksal;» bereiten. Zumal wenn er so rückhaltlos die politischen Nothwendigkeiten der Zeit erkennt und anerkennt, wie es dem zurückgetrctenen Minister nachzerühmt werden darf. Die Absicht, künftigen ÄriegSministern die Stellung gegenüber dem Mililaircabinet zu erleichtern, scheint nicht zu bestehen, und die „Nationalzeitung" dürfte Reckt behalten, wenn sie den. Umstand Bedeutung bcimißt, daß der neue Kriegsminister Generallieutenant, der Chef des Militaircabinets aber General der Infanterie ist. Ob Herr v. Goßler sich mit dem gleichen Glück wie sein Vorgänger im Reichstag, dem er, wie schon erwähnt, nicht fremd ist, bewegen wird, steht dahin. Denn wie oft auch demokratische Organe zur gegentbciligen Annahme Grund gegeben haben, Herr von Bronsart erfreute sich als Mann, Officier und Beamter der größten Wertschätzung bei allen bürgerlichen Parteien, und die Socialvemokraiie hatte ein Recht, in ihm ihren geistvollsten und unerbittlichsten Widersacher unter sämmt- licken Regierungsmännern zu hassen. Auch wenn er einmal, wie beispielsweise in der Verteidigung eines Generals, der gegen skandalöse Angriffe in der Schmutz presse zur Selbsthilfe geschritten war, „über die Schnur haute", versöhnte das soldatisch frische Wesen Bronsart's leicht und rasch mit dem Uebcreifcr. Und vor allen Dingen: er war das Muster eines Kriegsministers, der mit unermüd licher Sorge um die Schlagfertigkeit des Heeres das ernsteste Streben verband, die Kriegslasten nicht über das absolut ge botene Maß hinauswachsen zu lassen. Der Verlust dieses Beamten ist nicht minder beklagenswert, als die Umstände, die ihn herbeiführten, besorgnißerregend sind." Die Nachricht von der Ankunft des deutschen Kreuzers „Bussard" in Apia zeigt, daß auch von der Reicks regierung die Verhältnisse in Samoa als bedenklich angesehen werden. Sie liefert aber auch gleichzeitig den Beweis, daß unser Auswärtiges Amt nicht gewillt ist, etwa einlretenden Verwickelungen aus der Inselgruppe untätig zuzuschauen. Mit Rücksicht auf die einem deutschen Prädominium höchst abgünstigen Erklärungen, welche am 27. Juli über Samoa im englischen Unterbaust abgegeben wurden, und noch mehr im Hinblick auf die Folgerungen, welche die englische Presse daraus gezogen bat, ist die Bekundung dieser Stellungnahme Deutschlands nicht ohne weilergehcnde Be deutung. Trotz der im vorigen Frühjahr erfolgten scharfen Zurückweisung der englischen bezw. australischen Ansprüche bezüglich Samoas, einer Zurückweisung, die in dem sehr be- bestimmten Satze gipfelte, daß bei einer Aenderung der be- stebenden Verhältnisse, bei einer Abschaffung des jetzigen drei teiligen Protektorats über Samoa nur die Errichtung eines deutschen Protektorats in Frage kommen könne, scheint man jenseits des Canals und noch mehr in den britisch australischen Colonien der Auffassung zu huldige», Deutsch land werde sich durck die andauernden Verdrießlichkeiten, zu welchen Samoa Anlaß giebt, so weit mürbe machen lassen, daß cs in die Aufgabe seines Anspruchs willige. Von diesem Gesichtspunkte aus erklärt sich auch die Förderung, welche die Unruhestifter in Samoa von englischer Seile, wenn auch nicht ofsiciell, erfahren. Es ist ein offenes Ge- beimniß, daß die englische Begünstigung der unzufriedenen Elemente in Samoa, welche sich gegen die von den drei Schutzmächlen anerkannte Herrschaft des Königs Malietoa auflehnen, die Hauptursache der fortwährenden Wirren bildet, Vie bereits eine völlige Zerrüttung aller politischen und ökonomischen Verhältnisse auf der Inselgruppe zur Folge gehabt haben. Sebr im Gegensätze zu der vor zwei Jahren von der Regierung der Vereinigten Staaten bekundeten Neigung, den Autbeil der letzteren an der Verwaltung Samoas preis zugeben und den beiden anderen Vertragsmächten die Aus einandersetzung über die Zukunft Samoas zu überlassen, leisten die Amerikaner auf Samoa den englischen Umtrieben lebhafte Unterstützung. Daß unter solchen Umständen die europäische, speciell die deutsche Unternehmungslust auf Samoa ins Stocken gerathen mußte, ist leicht erklärlich. Der letzte Jahresbericht der Südsee-Plantagen-Gesellschaft in Hamburg bemerkle ausdrücklich, daß man angesichts der „anarchischen Zustände" in Samoa nicht nur von der Erweiterung der Pflanzungen habe absehen, sondern sogar einige bestehende habe eingehen lassen müssen. Durch die Samoa- Acte von 1889 sind Deutschland leider die Hände so ziemlich gebunden. Aber Eins läßt sich doch erwarlen: kommt es, wie es mehr und mehr den Anschein gewinnt, in Samoa wieder zu einem offenen Ausbruch der Feindseligkeiten der Parteien gegen einander, zu einem abermaligen Bürgerkriege, so wird Deutschland im Interesse seines Ansehens, wie seiner politischen und commerciellen Stellung sich entschließen müssen, mit fester Hand und nölhigensalls allein einzuareifen. Das einzige Mittel, wenigstens einigermaßen den Frieden in Samoa zu sichern, ist die Durchführung der Entwaff nung der Eingeborenen. Tie bei dem letzten Aufstand erfolgte theilwcise Anwendung dieser Maßregel, bei der ja auch der „Bussard" unter nothgedrungener Assistenz Les britischen Kriegsschiffs „Curatzao" belheiligt war, hat in ihrer Wirkung nickt lange vorgehallen; nur ein allgemeiner und energischer Gebrauch diests Mittels kann Lie Verhältnisse unter dem dreiköpfigen Condominat in Samoa erträglich gestalten. Nach der Ansprache, welche derBischofvon Quimpier Monsignore Valleau letzter Tage an den Präsidenten der französischen Republik gehalten hat, sollte man meinen, daß eö keine treueren Söhne der Republik geben könnte, als die bretonischen Kleriker. Der Bischof sagte u. A.: „Ich kann Ihnen, Herr Präsident, die Versicherung geben, daß wir bemüht sind, durch große Friedfertigkeit Ruhe um uns her zu schaffen. Unseres Ermessens liegt es im allgemeinen Interesse, die Kirche mit der Regierung zu vereinigen, denn eine solche Fühlung zwischen Personen, deren Bestrebungen übereinstimmend auf den Frieden und das Gedeihen de« Vaterlandes obzirlrn, kann nur eine Wohlthat für alle Theile sein. Die bretonische Geistlichkeit ist nicht eine von denen, die nur um Vergangenes trauern. Sie schaut vorwärts, der Zukunft entgegen, und will den Ansordcrungen entsprechen, die neue Zeilen an sie stellen. Die Regierung ist für sie ein Ausfluß der Gottheit, darum hegt sie für ihre Vertreter unbedingte Ehrfurcht. Sie liebt Frankreich von ganzer Seele und schließt sich Allem an, was zu seiner Größe bei tragen kann. In diesem Augenblicke begrüßt sie mit dem Lande in Ihrer Person das Oberhaupt der Republik. Sie freut sich über Ihr Kommen, denn sie weiß, daß sie aus Ihre Gerechtigkeit unü aus Ihr Wohlwollen bauen darf." Wenn man mit dieser an Loyalität überfließenden bischöflichen Versicherung vergleicht, wie man im Vatikan über die Unter lbanentreue der Kleriker denkt, wird man in den Pariser Regierungskreisen schwerlich viel Gewicht auf derartige Knuc gebungen legen. In einer kurz nach der Niederlage Preußens bei Jena an den damaligen preußischen Ministerresirenicn beim Vatikan, Wilhelm von Humboldt, gerichteten curialen Enunciation beißt es: das System bes heiligen Stukles sei immer gewesen, in Kriegen und Revolutionen nur den thatsächlichen Besitz, nicht das Recht zu be achten, da die kirchliche Versorgung der Katholiken oft die Entscheidung schwebender Fragen abruwarten nicht gestalte. Eine päpstliche Bulle habe dies Princip selbst soweit aus gedehnt, daß sie feslstcllte, sogar wenn die Curie einem (re volutionairen) Fürsten den Titel König bewillige, so gebe das dem Betreffenden keinerlei Rechtsanspruch. Das sind gewiß merkwürdige Enthüllungen; sie zeigen, daß die päpstliche An erkennung der Republik leviglich eine Maßnahme all üoo ist, und daß, wenn Philipp von Orleans eines Tages die Krone Frankreichs sich aufsetzen sollte, der Papst es nicht sein wird, der ihn der Republik zu Liebe schlecht behandelt: mit derselben Logik wird er ihn anerkennen wie heute die Republik — wenn er der Stärkere ist. Als Leo XIII. seinen Frieden mit der „atheistischen" Republik machte und in seiner Encyklika vom 16. Februar 1892 erklärte, jede Obrigkeit sei von Gott, also sei es auch die dritte Republik, ihr widerstreben heiße Gottes Ordnung wider streben, kam es ihm auf Zweierlei an: zunächst der katholischen Kirche in Frankreich die Gunst der Machthaber zu gewinnen, sie sozusagen regierungsfähig zu machen, den Schlachtruf Gambelta's: I« clöliekli^me, c'e8t l'onnemi! zu entkräften; sodann die italienische Regierung durch den Bund de- Vatikans mit Frankreich mürbe zu machen, damit sie dem Papst einen Theil seiner weltlichen Macht zurückgebe und das Princip verleugne, auf Grund dessen sie sich 1870 in Rom niedergelassen hatte. Im amerikanischen Consulardienst gehen seit einiger Zeit ziemlich zahlreiche Personalveränderungen vor sich. In erster Linie werden davon die Dienstzweige in Frankreich, Canada, Mexiko und Brasilien betroffen. Es scheint, daß Vie Mode, Parteiverdienste mit Verleihung von Consulatspostcn zu belohnen, mehr unterwerthige Elemente in diese Carriöre hineingebracht hat, als mit den Dienstinteressen vereinbar war. Von im Auslande reisenden Amerikanern ist bänsig Beschwerde erhoben worden über Pflichtvernacklässigungen mancher Consuln, über unschickliches Benehmen, sogar Trunksucht derselben, die in den Kreisen, wo die Consuln eine Achtung gebietende Stellung eiiinebmen sollten, Anstoß und Aergeruiß erregten. Die Sacke wurde im vorigen Frühjahr im Congreß zur Sprache gebracht, und eine Untersuchung war beantragt worden. Präsident Clevcland kam aber der selben zuvor, indem er auf eigene Hand in der Person deS Cbefs Chillon, vom Consular-Bureau, einen Specialcommissar ernannte, der eine VisitationSreise antreten mußte. Die Wirkungen dieser Reise wirb man in der nunmehr be gonnenen Sichtung deS amerikanischen ConsularcorpS erkennen dürfen. Fenrllstsn. Sühne. 4s Roman von E. Halden. Nachdruck verbot««. Der Hauptmann batte sich mit Mühe gefaßt, um in tadel loser Form seinen Glückwunsch auszusprechen, seine Frau weinte heftig, so daß sie kaum einige Worte hervorstammeln konnte, aber das Fräulein deutete ihr dies als freudige Tbeilnahme an dem Ereigniß und zeigte sich nur um so be friedigter. „DaS ist der Anfang des Ende-", klagte Frau von Wild burg, als sie mit ihrem Gatten allein war, „sie wird nicht eher ruhen, al- bi« sie uns vertrieben bat." „So leicht soll es ihr nicht werden", murmelte er mit ziisammengebissenen Zähnen; „wir haben selbst der Schlange ton Eingang gestattet, aber Albrecht ist der einstige Erbe, und das ist ein Riegel für ihre Pläne." Fräulein von Weber trat als Verlobte deS Schloßherrn fast noch demütbiger und bescheidener auf und warb förmlich um die Fortdauer der Gunst ihrer Verwandten. Sie sprach nie einen Wunsch auS und schien bereit, sich in Alles zu fügen, aber ihr theurer Erwin zeigte sich jetzt sehr bedachtsam und voll bestimmter Voraussicht, und sie hielt eS stets für ihre heiligste Pflicht, seine Willen-Meinungen zu erfüllen. Der Brautstand dauerte kaum einen Monat, dann fand in ter Schloßcapelle in aller Stille die Trauung statt, und danach trat das Neuvermählte Paar eine Reise nach dem Tüten an, wo eS den Winter verbringen wollte. Sie blieben fast ein Jahr fort, Alle- ging den gewohnten Gang auf Schloß Wildburg, auS Italien langten selten Nachrichten an, die großen Summen, welche die Reisenden brauchten, bezogen sie durch ihren Bankier, und der Haupt mann herrschte unumschränkter denn je. Da erhielt er eine- Tage- einen Brief von dem Freiherrn, bei dessen Lesung sich fein Antlitz mit fahler Bläffe überzog; er taumelte, und kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn. Die Buchstaben tanzten vor seinen Augen hin und her, er konnte nicht- er kennen, aber al« sich sein Blut beruhigt und er wieder klar sehen konnte, da starrte ihm di« Schrecken-kunde wieder ent gegen: Der Freiherr stellte seine baldig« Rückkehr in Aus sicht, da seine Gemahlin, die in nicht ferner Zeit einem freudigen Ereigniß entgegensab, dies aus ihrem Schlosse er warten wollte. Furchtbare Tage folgten für den Haupt mann; dann klammerte er sich an die Hoffnung fest, daß es ein Mädchen sein und so seine Aussichten weiter bestehen würden, und so gewann er allmählich seine Ruhe wieder, wenigstens äußerlich. Äun trafen die Erwarteten ein; aus der unscheinbaren Gesellschafterin war eine anspruchsvolle, vornehme Dame geworden; ihre demüthige Bescheidenheit war verschwunden, sie zeigte den Verwandten eine verbindliche Zuvorkommen heit, die ein wenig an Gönnerhaftigkeit streifte, aber sie war ängstlich bemüht, jede Mißhelligkeit fern zu halten und schien sich noch mehr als Gast wie als die Herrin deS Schlosses zu fühlen. Der Freiherr war sebr gealtert, fast zum hin fälligen Greise geworden; oft faß er zusammengefunken in gedankenlosem Hinbrüten da, um, wenn der Blick seiner Gemahlin ibn traf, in die Höhe zu fabren und sick durch einige abgerissene, heftig hingeworfene Worte, die oft nicht dazu paßten, au der Unterhaltung zu betheiligen. Sie war noch immer voll aufmerksamer Sorge für ihn und Erwin'S Wünsche waren die Form geblieben, durch die sic die ihren aussührte. Die junge Frau sprach oft von bangen Ahnungen und trüben Stimmungen und verbarg darunter die stolze erwar tungsvolle Freude, die sie erfüllte; für sie gab eS nur eine Möglichkeit, es mußte ein Sohn und Erbe sein. Ihre Hoff nung wurde nicht getäuscht; sie lag da im Gefühl des stolzesten Glückes, neben sich die Wiege, in der ein kräftiger, gesunder Knabe schlummerte. Stolz flatterte daS Banner mit dem Wappen der WildburgS von den Thürmen deS Schlosses, auf allen Dörfern, vie zu der Herrschaft gekörten, fanden Feste statt, die aufs Freigebigste von dem Freiherrn eingerichtet waren, in den Kirchen, di« unter seinem Patronat standen, wurde von den Kanzeln Dank gesagt, weil ihm noch diese Freude geworden, daß ihm im hohen Alter der Sohn und Erbe geboren sei, den er nur noch am Seitenstamm deS Geschlechts gesucht hatte. Den Hauptmann trieb eS ruhelos niuher, er fand keinen Schlaf, Verzweiflung, Haß, Grimm und Zorn naatrn in ihm und raubten ihm fast die Selbstbeherrschung. Deshalb hatte er gesündigt, sich mit Schuld bedeckt, da« Vertrauen eine- Sterbenden betrogen, ein arme- Kind seiner Rechte beraubt! In den langen Nächten irrte er rastlos durch die Zimmer, oder er setzt« sich an seinen Schreibtisch, nahm die unglückseligen Dokumente heraus und starrte sie an. Sollte er jetzt damit hervortreten? Für ibn, für Albrecht war ja Loch Alles verloren, aber jenes verhaßte Weib triumpbirte doch dann nicht, der rechtmäßige Erbe mußte gesucht und gefunden werden. Mit einem grellen Auflachen raffte er die Papiere zusammen, morgen wollte er damit vor sie bin- treten und all ihren Siegesjubel zu nichte machen. Dann kam die Uederlegung. Wie, wenn jenes Kind nicht lebte, wenn kein Erbe mehr da war, so hatte er seinen Namen umsonst preisgegeben, sich vergeblich zum Verbrecher gemacht! Der fleckenlose Name, daS war ja das einzige, wa- er seinem Sokne hinterlassen konnte, und dies Letzte wollte er ihm nun auch noch rauben in seinem blinden Haß Nein, er mußte daS Geheimniß bewahren, mußte ruhig zusehen, wie Andere die Früchte seines Frevels ernteten! Tie Freifrau erholte sich bald; daS Mutterglück batte sie verjüngt, sie war stärker geworden und sab blühend und Wohl aus; dazu verstand sie die Kunst der Toilette, und so glaubte der Hauptmann in ihr nicht dasselbe Wesen zu er blicken, das einst so reizlos und unscheinbar die- Haus be treten, al« er sie zum ersten Male als junge Mutter wiedersah. Sie nahm seine Glückwünsche mit der Huld einer Fürstin entgegen, und im Lauf deS Gesprächs sagte sie: „Ich freue mich um so mehr, daß eS mir so gut geht, als ich nun an der Ausübung meiner Pflichten nicht mehr lange verhindert sein werde. Durch die Geburt des kleinen Majorat-Herrn haben sich alle Verhältnisse verändert und das Interesse meines Gemahls an der Verwaltung seines Besitztums ist von Neuem rege geworden. Er wünscht sich einen genauen Einblick zu verschaffen und bat mich beauf tragt, ihn dabei zu vertreten. Sie wissen ja, Erwin'S Wünsche waren mir stets Befehle, und so denke ich, werden wir beide in Zukunft gemeinsam regieren, mein lieber Vetter." „Ich bin zu jeder Stunde bereit, die Leitung der Ge schäfte besseren und geschickteren Händen zu überlassen", stammelte der Hauvtmann mit bleichen Lippen. „Nein, daS dürfen Sie unS nicht antbun", erwiderte die Freifrau, „wir können Ihre bewährte Kraft nicht verlieren, aber warum sollten wir nicht als gute Kameraden zusammen arbeiten können; unser Haupt und Meister bleibt ja für un- beide mein theurer Erwin!" „Ich glaube nickt, daß ich mich an eine derartige Be schränkung meiner Autorität, die einer Ueberwackung ähnlich sähe, gewöhnen könnte", sagte der Hauptmann steif. „Ach, Sie werden e« sich überlegen; e- würde un- zu leid thun, wenn wir Ihren verwandtschaftlichen Beistand verlören, und wie würde unS Albrecht fehlen. Mein Ge mahl liebt ihn so sehr, wenn ich eine eifersüchtige Mutter wäre, so würde ich ihm darüber grollen und an eine Be einträchtigung meine- eigenen Sohnes glauben. Aber das liegt mir fern. Ick werte mich freuen, wenn die Vettern sich von früher Jugend an lieben lernen. Albrecht ist ja so viel älter, daß er meinem kleinen Erwin ein Beschützer sein kann, und für seine Zukunft kann es nur vortbrilkast sein, wenn er daS brüderliche Wohlwollen deS einstigen Majorats herrn besitzt. Vorläufig lassen wir Alles beim Alten. Zn nächst müssen wir an das Tauffest denken. Mein tbeurer Erwin wünscht es zu einer großartigen Festlichkeit zu ge stalten. Die ganze Nachbarschaft, Alles, was zur Gesellschaft gekört, soll eingeladen werden. Wir müssen den Klemen, der einst eine so einflußreiche Stellung hier einnehmen wirr, doch in aller Form einführen; der MajoratSerbe von Wilr- burg ist selbst in der Wiege eine wichtige Persönlichkeit." Der Hauptmann beherrschte sich mit Mühe; er verstand genau, waS sie sagen wollte; diese Frau war ohne Mitleid, von unbegrenzter Herrschsucht, wer sich ihr nicht beugte, den vernichtete sie. Er würde der Erste sein, über den ihr Fuß fortsckritt. Mochte eS sein, er konnte sich vor ihr nickt demüthigen, lieber Alles ertragen, Armuth' und Entbehrung. Aber er litt nickt allein; sollte er seine Frau dem auch anö- setzen, und was wurde aus Albrecht'S Zukunft? DaS War ber Fluck seiner Miffetbat. Für jenes Kind wäre er der berufene Vormund gewesen. Niemand hätte ihn io seiner ge sicherten Stellung angetastet, diese Frau trat ibm als Mutter de- Majoratserben entgegen, sie beherrschte den kindischen Gatten und sie würde ihr Recht gebrauchen. Schon am Tage nach dem Tausfest, bei dem die Freifrau ihre Würde musterhaft behauptet hatte, ließ sie den Haupt mann zu sich bitten und führte ibn in da- Gemach, da« sie ganz geschäftsmäßig zu ihrem Arbeitszimmer eingerichtet. Sie verlangte Einsicht in die Bücher, wollte von Allem unter richtet sein, und er mußte wider Willen ihren scharken Ver stand und ihre schnelle Auffassung bewundern. Auf die Dauer war da- Berhältniß nicht zu ertragen; nun trat auch noch die Mißgunst hervor, mit der di« Schloß frau auf Albrecht blickte, denn der Freiherr, dem kleine Kinder unsympathisch waren, zeigte offen seine Vorliebe für den älteren Knaben. Der Bruck wurde unvermeidlich, und der Hauptmann verließ mit den Seinen da- Schloß. Für sich selbst lehnte er stolz jede Unterstützuag ab, »d«r »« Hin
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