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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.08.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960817022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896081702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896081702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-08
- Tag1896-08-17
- Monat1896-08
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SRV * Verist», 1». August. Der conservatiSe /»RtichSbote" kommt aus die iuarre Lage »u sprechen und meint zu der Zersetzung, die die christlich-socialen Parteien bei den Conservativeu anrichten und die im Allgemeinen zu con- statiren sei: „Alle Mahnungen helfen nicht»; jede neue Partei sieht sich für dir allein richtige an und läßt an den bestehenden, besonder» an der, von welcher sie ausgegangen ist, kein gute» Haar. Diesem Nationalfehler gegenüber ist immer nur eine starke Staatsmacht im Stande gewesen, größeres Unheil zu verhüten; wo diese aber fehlte, da hat Deutschland diese Fehler mit Strömen von Blut und Thränen büßen müssen. Al» die starke preußische Staats macht Deutschland zu dem neuen Reiche wieder geeinigt hatte, jubelte Alles darüber und man thut es noch; aber man wühlt gleichzeitig mit wahrer Wollust an der Zerstörung der Einheit und bildet sich dabei allen Ernstes ein, das Wohl des Reiches zu bauen. So will man eine national-demo kratische Partei gründen, welche gleichzeitig ein starkes Kaiser tum, also eine starke Monarchie aus ihr Programm schreiben will Ja, neulich lheilte uns Jemand mit, er wolle eine gemäßigt-socialdcmokratische Partei gründen, die aber für Kaiser und Reick sein, großartig wirken, und Regierungs partei werden solle. Wo soll dieser ZersetzungSproceß enden? Er wird unseres Erachtens dahin führen, daß eS im Reichs ¬ tage ein solches Durcheinander von Fractiönchen geben wird, daß keine Politik mehr möglich ist, di« zu einer irgend er träglichen Gesetzgebung führen könnte." 11 Berlin, 16. August. Im Frühling des laufenden Jahres wurde trotz der schweren Strafen, welche wegen Fischen« auf fremdem Gebiete verhängt sind, wieder ein deutscher Fifchdampfer von dem däniscken Fischerei-AufsichtSfahrzeug beschlagnahmt. Ter deutsche Schiffer glaubte nach feiner, allerdings englischen, Karte sich noch innerhalb der Territorial- gren;« zu befinden. Die dänische Behörde nahm jedock an, daß er aus dänischem Seeterritorium gefischt hätte. Als solches wird nach den früher zwischen der deutschen und dänischen Regie rung gepflogenen Verbandlungen der Raum angesehen, welcher sich bis zu einer Entfernung von drei Seemeilen, gleich dreiviertel deutschen Meilen, von der äußersten Grenze deS Landes bei Niedrigwasser in das Meer erstreckt; die Buchten, deren Ein gang eine Breite von zehn Seemeilen nicht überschreitet, werden als geschloffene Gewässer betrachtet, gehören also ganz zum dänischen Seeterritorium. Die Strafe, welche der Schiffer des deutschen Fischdampfers erlegen mußte, war, abgefehen davon, daß sein Netz verloren ging, beträchtlich. Der Schiffer selbst mußte eS später als nicht unwahrschein lich bezeichnen, daß die englische Nordseefischereikarte, welche er in Benutzung hatte, unrichtig war, da nach seinen eigenen Wahrnehmungen die Lothungen nicht mit den Atwiabrn der Karte übereinstimmten. Nach einem solchen Vorkommniß hält fick der Deutsche Seefischerei-Verein verpflichtet, die deutschen Nordseefischer von Neuem zur Vorsicht zu ermahnen. Unter allen Umständen sollte man der dänischen Küste soweit fern bleiben, daß die Möglichkeit der Ueberschrritung der Hoheitsgrenze ganz ausgeschlossen ist. Einwände gegen die Beschlagnahme werden schwerlich etwas rrützen, wenn die Grenz« schon soweit erreicht ist, daß Zweifel entstehen können, ob sie in Wirklichkeit überschritten worden ist oder nicht. Selbst vollkommen genaue Karten würden nicht schütz«,, da ejne Regierung niemals andere Karten als ihre eigenen als richtig anerkennen wird. — Nach einer der Wiener „Pol. Corr." aus St. Peters burg zugehenden Meldung erhält sich in dortigen, gewöhnlich aut unterrichteten Kreisen di« Version, daß da» russische Kaiserpaar im Verlaus« seiner Auslandsreise auch Berlin besuchen werde. Die „Pol. Corr." giebt diese Nachricht unter Vorbehalt wieder. — Der neu« Kriegsminister von Goßler ist ein Bruder de» früheren EultuSministrrS und jetzigen Oberpräsidenten von Westpreußen. — Die neu auSgegebene OfficierS-BekleidungS- vorschrift enthält folgende für Geschäftskreise be- »chtenSwerthe Eingangsbestimmung: „Geschäftsinhaber, welche den Officieren trotz ergangener Warnung unvorschriftsmäßige Sachen liefern, find dem Kriegsministerium namhaft zu machen, damit deren weitere Heranziehung den Officieren verboten wird." — In der „Kreuzztg." lesen wir: „Es liegt im Plane, die Generalversammlung der deutschen Katholiken m Straßburg abzuhalten, sobald an die „Eroberung" de« ReichSlandeS fürs Centrum ernsthaft zu denken ist. Ein »tereffanter Fingerzeig ist die uns gewordene Mittheilung, daß von einigen Seiten schon jetzt beabsichtigt werde, in Dortmund al« Sitz der nächsten Generalversammlung Straß burg vorzuschlagew." — Die „Nat.-Ztg." bringt folgende» Schreiben zur Kenntniß aller Derer, welche sich für die Errichtung eines Denkmal» zu Ehren deS verstorbenen AbgeordnetenBerger interessire»: „Die Beiträge, welche bl» zum heutige» Tage für da» Berger- Denkmal tingegangen sind, ermöglichen zwar schon die Ausführung; soll dieselbe ;edoch in der Weise geschehen, wie sie von dem Lomttü Macht ist, «tk» ist e» dkkkkgrnd erwünscht, bbß alle DlesNffgkn, wellhe noch «inrü Beitrag zu geben gewillt sind oder Sammlungen übernommen haben, nicht länger im Rückstände bleiben. Da im October eine Sitzung des Gesammtcomites slattsindet, in welcher über die Act der Ausführung endgiltiger Beschluß gefaßt werden soll, so muß bis dahin sich übersehen lassen, welche Mittel zur Ver- sügung stehen. Mr bitte« deshalb, spätestens bis zum 1. Oktober rückständige Beiträge an uns, zu Händen des Herrn Carl Seidel, Röhrchenstraße 2 hierselbst, gelangen zu lassen. Die Vorarbeiten sollen dann so gefördert werden, daß im kommenden Frühjahr mit dem Bau begonnen werden kann. — Witten, 14. August 1896. Der geschüstssührende Ausschuß: Bürgermeister vr. Ha arm an», Vor- sitzender." — Hinsichtlich der Bewilligung von Ausnahmen von den Bestimmungen der Gewerbeordnung über die Dauer der Arbeitszeit erwachsener Arbeiterinnen sind die Behörden, wie die Berichte der preußischen Gewerberätbe für 1895 zeigen, auch im vergangenen Jahre sehr zurück haltend gewesen. Nur für 1062 von 15.549 Betrieben und für 88 530 von 302 628 Arbeiterinnen wurden Ucberstunden bewilligt, und zwar in solcher Beschränkung, daß auf jede Arbeiterin für das ganze Jahr nur 25,1 Ucberstunden ent fielen. Am häufigsten waren die Bewilligungen in der Textilindustrie. Hier umfaßten sie 639 Betriebe mit 65 98t Arbeiterinnen. Auf jede Arbeiterin kamen im Jahresdurch schnitt 22,3 Ucberstunden. Am wenigsten zahlreich waren die Bewilligungen in der Maschinenindnstrie, die mit 6 Fällen und 89 Arbeiterinnen betheiligt war. Nach örtlichen Ge sichtspunkten beurtheilt, waren die Ucberstunden natürlich am zahlreichsten in den Hauptindustriebezirken; an der Spitze steht hier der Regierungsbezirk Breslau, wo für 27 409 Ar beiterinnen Ucberstunden bewilligt wurden, während solche im Regierungsbezirk Trier nur für 66 Arbeiterinnen zugestanden sind. — In der Sitzung der Berliner Gewerkschafts commission wurde mitgetheilt, daß in den letzten sechs Monaten von 56 Ausständen in Berlin nur 27 Erfolge gehabt haben, drei noch schweben und die übrigen erfolglos gewesen sind. Die Ursachen der vielen Mißerfolge sübrt der GewerkschaftSsecretair Millarg auf die oft ungünstigen Zeit- und Casienverbältniffe, sowie die mangelhafte Fühlung mit anderen Berufszweigen und dann auch auf die ungenügende Organisation der Arbeiterschaft zurück. Zur Vermeidung künftiger Mißerfolge wurde die Wahl von Revisoren empfohlen, denen e« obliegen soll, alle Verhältnisse zu prüfen und dann Bericht zu erstatten. Die Einnahmen des Gewerkschafts bureaus beliefen sich auf 489 000 die bis auf 495 wieder auSgezeben wurden. — Der Präsident der Ansiedeluiigs-Commission für Westpreußen und Posen vr. v. Wittenburg ist aus Posen hier eingelroffen. — Der am hiesigen Hofe beglaubigte bayerische Gesandte Graf von Lerchenfeld - Äösering hat Berlin mit Urlaub verlassen. Während seiner Abwesenheit sungirt der Legationsrath Freiherr von und zu Guttenberg als Geschäftsträger. — Der Reichstagsabgcordnete vr. Böckel ist laut der „Post" an einem bösartigen Fieber bedenklich erkrankt. * Auö Nordschleswtg, 15. August. Die dänische Protest presse im nördlichen Schleswig beschäftigt sich lebhaft mit der Heldentbat von Fanö. In einem längeren Leitartikel, betitelt „Fanö und Bornholm", klagt das Blatt „Flens borg Avis" über den Einfluß des Deutsckthums in Däne mark und erblickt eine gewaltige Gefahr darin, daß deutsche Geldleute Antheil an den Steinbrüchen auf der dänischen Ostseeinsel Bornholm und dem Hafen daselbst, wie auch an dem Nordseebade Fanö haben. Das Blatt spricht die Hoff nung aus, es mögen die deutschen Badegäste nicht wieder nach Fanö kommen. Der Leitartikel schließt mit folgenden, ehr bezeichnenden Worten: „Sollte die Fahnengeschichte auf Fanö dazu Veranlassung gegeben haben, daß dänische Leute etwas vorsichtiger dabei verfahren, Deutschen festen Fuß in unserem Lande (!) zu verschaffen — so würde sie von Nutzen sein. Wer sein Land (!) liebt, muß jede Mitwirkung, fremden Feinden dänischen Grund und Boden zu überlassen, Haffen." * Posen, 16. August. Die hiesigen polnischen Blätter, besonders der „Dziennik Poznansti", der „Goniec Wilkopolski" und der „Przeglad", widmen den zum Verbandstage auS Posen, Westpreußen, Oberschlesien und Galizien eintreffenden Sokols (Turnverein«) schwungvolle Begrüßungsartikel. Die Idee des SokolthumS ist in den 60er Jahren von Galizien aus gegangen, sie hat in den polnischen LandeStheilen Preußens aber erst seit 12 bis 1i Jahren Eingang gefunden. Im Jahre 1884 wurde zu Jnowrazlaw der erste Sokolverein ge gründet. In den 12 Jahren sind, wie der „Dziennik Poz- nanSki" ausführt, unter den preußischen Polen 48 Sokol- vereine mit etwa 2465 Mitgliedern entstanden. Als das Wesen des SokolthumS bezeichnet der „Dziennik PoznanSki" „körperliche Kräftigung, geistige Gesundung und Weckung des Sinnes für Unterordnung und DiSciplin". „Jedes Haus — so führt das Blatt aber weiter aus — werde mit der Zeit ein Verbreiter dieser Idee werden, alle Eltern würden sie ihrer Nachkommenschaft einimpfen, bis die polnischen Lande über ein Geschlecht verfügen würden, das stark an Leib und Geist sei, und bis der Nus „Alle für Einen, Einer für Alle" Eigen- thum der Gesammtheit geworden sei." Diese Ausführungen stellen den polnischen Sokols zweifellos eine polnisch-nationale Aufgabe. - "- blick auf die Zukunft seine» Sohnes gewann er es über sich, auf da» Anerbieten deS Freiherrn, der die Sorge für dessen Erziehung übernehmen wollte, einrugehen. Diese Bestimmnng, die Albrecht eine Rente bi» zu seiner Selbstständigkeit auS- setzte, fand sich auch in seinem Testamente, als er bald darauf starb. Seine Gemahlin war mit unbegrenzter Vollmacht zur Vormünderin feines Sohnes ernannt, und aus Allem ging hervor, ,wie dieser letzte Wille von ihr beeinflußt war, auck daraus, daß deS Hauptmanns von Wildburg mit keiner Silbe Erwähnung geschah. Er war nach Berlin gezogen, weil er seine beschränkten Verhältnisse dort am besten zu verbergen glaubte, zuerst fand er noch einigen Verdienst durch seine Feder, aber seine zer rütteten Nerven machten ihm das später unmöglich. Seine Frau hatte nach der Geburt einer Tochter fortwährend ge kränkelt und starb, ehe diese ganz erwachsen war, und so ging die Sorge für den kleinen HauSbalt und die Pflege des leidenden Vater» auf Erna von Wildburg in einem Alter über, wo andere Mädchen nur die heitere Sorglosigkeit der Kindheit kennen. Sie erlag aber nicht unter ihrer Bürde, sondern ihre Kräfte erstarkten, und so ertrug sie willig und ohne Murren alle» Schwere, wa» an sie herantrat und freute sich über jede Blume, die an ihrem Wege wuchs. Vierte» Capitel. Da» Palais de» Grafen Feldberg, in einer vornehmen Straße Berlin« gelegen, erstrablte im blendendsten Lichter glanz, und unaufhörlich fuhren elegante Equipagen mit reich betreßten Dienern auf die Rampe, denen die Gäste ent stiegen, welche zu dem großen Ballfest eingeladen waren, mit dem da« gräfliche Paar die weit vorgerückte, fast beendete Saison beschließen wollte. Es batte sich eine zahlreiche Menschenmenge vyr dem Palais angesammelt, die neugierig und bewundernd zu den geöffneten, nur durch kostbare Stores verhüllten Fenstern emporblickte, hinter denen man die schattenhaften Umriffe der Geladenen sich auf- und abbewegen sab, oder sich bemühte, beim AuSsteigen einen Blick auf die schimmernden Toiletten der Damen oder die glänzenden Uniformen und Orden der Herren zu werfen oder etwas von der Pracht de» teppichbelegten, mir Marmorstatuen und tropischen Gewächsen reich geschmückten Treppenhauses zu erspähen. Jetzt schritt eine hohe, schlanke Männergestalt die Rampe hinauf; über den schwarzen GesellschaftSanzug hatte der Gast «inm Mantel geworfen, und er achtete mit Sorgfalt auf seinen Weg, um sich tadellos präsentiren zu können. Ein leichter, mit zwei feurigen Rappen bespannter Wagen stürmte aber nun so schnell daher, daß er sich durch einen Seitensprung in Sicherheit bringen mußte, um nicht von den Pferden umgeworfen zu werden. Der Kutscher hielt sie nun mit plötzlichem Ruck an, der Diener sprang herab und half dem jungen Ofsicier, dem einzigen Insassen, beim AuSsteigen. Am Portal trafen die beiden Herren zusammen. „Ah, Du bist es, Albrecht, guten Abend, aber wie in aller Welt konntest Du Dick auch zu Fuß in das Gewühl bier wagen!" rief der junge Mann aus, indem er dem Andern mit großer Herzlichkeit die Hand entgegenstreckte, in die dieser sehr gemessen die seine legte. „Bei dem schönen Wetter vermeide ich gern eine Droschke, und nicht alle Rosse und ihre Lenker find so hart gegen daS zu Fuß gehende Proletariat, daß sie ihm kaum dieses Ver gnügen gestatten", lautete die bittere Erwiderung. „Wie scharf Du wieder bist! Wir konnten doch nichts dafür, ich so wenig wie meine armen Thiere", sagte Erwin, der jetzige Majoratsherr von Wildburg, mit gutmüthiger Freundlichkeit. „Hättest Du mir nur eine Karte geschrieben, so würde es mir ein Vergnügen gewesen sein, bei Dir vor- zusahren und Dich abzuholen. Ich habe außerdenc Wichtiges mit Dir zu besprechen, Dich um eineg Dienst zu bitten. Doch nun laß uns eintreten. Was hast Du?" „Nicht vor Dir", sagte Albrecht von Wildburg, „ich weiß sehr wohl, was ich dem Haupt unseres HauseS schuldig bin". Erwin beachtete die bittere Ironie im Ton seines Vetters nicht weiter, sondern schob ihn ohne Umstände hinein, vorbei an dem stattlichen Portier, der in seiner AmlStracht, den großen Stock mit dem vergoldete» Knopf in der Hand, sich ehrerbietig vor den Gästen verneigte, die dann von einem der Diener in die Garderobenräumc geleitet wurden. Die Zeit war schon vorgerückt, die meisten der Eingeladenen waren bereits eingetroffen, und so befanden sich die beiden Vettern allein in dem Gemache. Dem Lieutenant schien dies sehr erwünscht, und so machte er dem Diener ein Zeichen, daß sic seiner nicht bedürften, worauf sich dieser zurückzog. Ein Blick in ff den Spiegel, cine kleine Nachhilfe mit der Haarbürste, ein Ziehen und Rucken an der Uniform, und er war fertig und wartete in augenscheinlicher Ungeduld auf Albrecht, der mit großer Sorgfalt und Umständlichkeit die Musterung seiner Erscheinung vornabm. „ES ist ja Alles gut, und bist Du noch nicht in Ordnung?" * MckHdebür», 15. Arlgust. Der Landeshauptmann der Provinz Sachsen hat die Verfügung der Minister der Finauzen und des Innern vom 20. Mai d. I., die als eine ganz außerordentlich umfangreiche Erleichterung des Ge schäftsverkehrs bezeichnet werden muß, in entsprechender Abänderung durch Verfügung vom 3. d. M. nunmehr auch für den Geschäftsbereich der Provinzialvcrwaltung cingesübrt. Dabei Hal der Landeshauptmann gleichzeitig eine größere Zahl von Mustern zu Eingaben und Anträgen verschiedener Art bekannt gegeben, die in abkürzendem und vereinfachendem Sinne eine lange Reihe althergebrachter Zöpfe wegschneidet. Gleichzeitig hat er die Kreise, Städte u. s. w. der Provinz ersncht, sich stillschweigend damit einverstanden zu erklären, daß die neuen Vorschriften auch auf den gegenseitigen Verkehr zwischen ihnen und ihm sowie anderen Provinzialorganen Anwendung finden. * Osnabrück, 15. August. Das hannoversche Consisto- rium hat in Aufsehen erregender Weise in die Prediger wahl eingegriffen. Die St. Mariengemeinde batte, so berichtet die „Prot. Ver. Korr", unter pünctlicher Erfüllung aller vorgeschriebenen Formalitäten nach Anhörung einer großen Anzahl von Probepredigten drei Geistliche gewählt, die zur engeren Wahl kommen sollten. Die Gemeinde ist von Alters her liberal, es war deshalb selbstverständlich, daß nur die Namen dreier liberaler Prediger auf diesen „Wabl- aufsatz" gesetzt wurden. Eine orthodore Minderheit stellte indeß das Ansinnen an die Gemeindekörperschaften, daß auch ein orthodoxer Geistlicher auf den Wahlaufsatz gesetzt werde. Die liberale Partei ließ sich jedoch aus keinerlei Kompromiß ein. Nun wandte sich die orthodoxe Minderheit unter der Hand an das Consistorium zu Hannover. Und diese Behörde hatte natürlich volles Verständniß für die Klagen über ver meintliche Intoleranz der Liberalen. Sie erließ eine tele graphische Ordre an den Osnabrücker Superintendenten und hob aus eigener Machtvollkommenheit kurzer Hand den Wahl termin auf. * BrcSlan, 15. August. Unter der Spitzmarke „Der Fähigkeitsnachweis als verantwortlicher Redak teur" berichtet der „BreSl. Gen.-Anz." über einen Proceß, welcher sich vor Kurzem vor der Breslauer Ferienstrafkammer abspielte. Der Thatbestand ist folgender: „Der Maurermeister Georg Koiub gab in diesem Frühjahr dir „Zeitschrift für das Baugewerbe" heraus und zeichnete dieselbe ver antwortlich mit seinem Namen, obwohl er nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte war. Ihm wurde sofort untersagt, weiter zu zeichnen, worauf er seine Frau als verantwortliche^Redaction zeichnen ließ. Beide wurden zur Rechenschaft gezogen, der Mann, weil er, trotz des Verlustes der bürgerlichen Ehrenrechte, verant wortlich gezeichnet hatte, die Frau, weil sie, obwohl sie nicht Rcdactrice war, ihren Namen dazu hergegeben. Als Redactrice war die Frau, so führte der Gerichtspräsident aus, nicht zu be- trachten, denn sie hatte für das Baugewerbe kein Verständniß. Zeichnen können nur Personen, welche die nöthigcn Kenntnisse besitzen, um den Inhalt des betreffenden Blattes ganz zu verstehen. Der Mann wurde zu 30 .4l und die Frau zu 5 Geldstrafe verurtheilt." Wir halten das Urtheil für durchaus zutreffend. Eine vorgeschobene Person ist eben kein verantwortlicher Redakteur. * AuS Bayern, 15. August. In Bayern ist den Zög lingen der Lehrerseniinare mit ihrem Abgang die Be rechtigung zum Einjährigendienst schon seit Jahren eingeräumt. Gebrauch aber haben von diesem Rechte nur ganz vereinzelte Lehrer gemacht, noch nicht ein halbes Dutzend unter Hunderten. Frankreich. Möline über »en äarenbesnch. * Römircmont, 17. August. (Telegramm.) Bei dem gestern veranstalteten Festmahle trank der Ministerpräsident MSI ine auf die Politik der Versöhnung, welche in RSiniremont befolgt worden sei und die er iu ganz Frankreich zur Anwendung bringen werde; denn das geeinigte Frankreich sei unbesiegbar. „So werden wir", fuhr Msline fort, „Frankreich unserem erlauchten Gaste zeigen, dessen Besuch den Bund der beiden mächtigen Völker besiegeln wird." Nachklänge vom Lillcr Locialistcucongretz. * Lens, 16. August. Die Arbeiterpartei hatte eine Versammlung in Billy-Montigny zusammengerufen, aber in folge der den deutschen socialistischen Abgeordneten in Lille bereiteten Aufnahme empfing die Bevölkerung die socialistischen Arbeiter mit den Rufen: „Es lebe Frankreich, nieder mit den Vaterlandslosen!" Es entstand daraus eine Schlägerei, bei welcher Viele schwer verwundet wurden und mehrere Verhaftungen stattfandea. Italien. Tic Verlobung des Sron-rinr«». * Rom, 14. August. Der „Corriere della Sera" schreibt zu der bevorstehenden Verlobung des italienischen Kron prinzen mit der Prinzessin Helene von Montenegro: Die Prinzessin ist das fünfte Kind und die dritte Tochter des Fürsten von Montenegro; sie ist 23Vr Jahre alt und von außer ordentlicher Schönheit. Als König Humbert sie im vorigen Jahre in Venedig kennen lernte, war er von ihrer Schönheit drängte Erwin ungeduldig. „Ich möchte Dir noch so gern einige Worte sagen." Albrecht fuhr mit einer Bürste leicht über seine Schuhe, die nickt ganz frei vom Staub der Straße geblieben waren. „Hättest Du mir auch eine Meinung verstauet, so würde ich nicht auf den Beistand deS Dieners verzichtet haben", sagte er ruhig. „Verzeih, ich War wieder einmal unbedachtsam. Aber Du glaubst nicht, wie sehr es mir auf dem Herzen brennt, Dir Alles zu sagen. Ich bin so gut wie verlobt." Albrecht fuhr zusamnmi, seine Blässe wurde noch tiefer. „Da gratulire ich Dir", sagte er endlich. „Wie kalt Du daS thust! Und nicht einmal nach dem Namen meiner Auserwäblten fragst Du!" rief der junge Ofsicier vorwurfsvoll. „Doch Du ahnst ihn wohl, ich habe ibr ja genug den Hof gemacht, und die Ueberraschung wird nirgends sehr groß sein, man erwartete so etwas. Aber Du wirst zugeben, daß ich Geschmack habe, und daß die Schloß frau von Wildburg sich sehen lassen kann." „Tu vergißt, daß Du mir den Namen Deiner Braut nicht mitgetheilt hast." * „Braut, nun — ganz so weit bin ich noch nicht, denke aber noch heute dahin zu kommen. Wer sollte eS fein, als die Königin der Saison, die herrschende Schönheit, der alle» zu Füßen liegt, kurz, Melanie von DettelSbach." „Und Du hast um sie geworben? Du hast ihr Jawort?" rief Albrecht und umklammerte mit eisernem Druck den Arm seines Vetter». Dieser suchte sich frei zu machen. „Du hast ja den Griff eines Tigers", rief er lackend, „hast Du auch für sie ge schwärmt? Sie besaß ja ein Heer von Anbetern, aber zum Heirathen war sie für wenige mit ihrer Schönheit und ihren Ansprüchen." „Hast Du ihr Jawort?" wiederholte Albrecht. „Ich zweifle wenigstens nicht daran, und ich will der Geschickte jetzt ein Ende macken", antwortete Erwin sehr zu- versichtlick. „Mit meinem Junggesellenlcben habe ich schon so ziemlich gebrochen. Ich habe es ja toll genug getrieben, aber das soll ja die besten Ehemänner geben. Nur die kleine Fanny macht mir noch Sorgen, ein allerliebster kleiner Käfer, aber eine wahre Furie, wenn ihr Temperament ent und Grazie gebadizu ketrsffen. Die ersten Gerüchte »SN dkr Verlobung tauchten im Frühjahre deS vergangenen Jahre» auf, und in der That erfolgte die erste Begegnung de» italienischen KönigSpaareS mit der Prinzessin Helene am 29. April 1895. Das KönigSpaar hatte sich zur Eröffnung der internationalen Kunstausstellung nack Venedig begeben, wo damals auck Fürstin Milena von Montenegro mit ihren Töcktern Anna und Helene weilte. Die Königin, der die Fürstin und ibre Töchter vorgestellt wurden, fand außerordentliches Gefallen an denselben und lud die fürstlichen Damen nach dem ersten Etikette-Besuch ein, häufig wiederzukommen. Vielen Leuten in Venedig fiel eS damals auf, daß der König der Prinzessin Helene jedesmal, so oft er die Damen zur Gondel geleitete, den Arm reichte, sich mit ihr in lebhafter Weise unterhielt und ihr wiederholt die Hand drückte. Die fürstlichen Damen wurden nickt nur zu den osficiellen Festlichkeiten, sondern auch den Familienesien beigezogen. Den größten Triumph feierte die Schönheit der jungen Prinzessin anläßlich einer Festvorstrllung im Fenice- theater, wo sie in der Hofloge neben der Königin saß. Die zahlreich anwesenden Künstler waren entzückt von der idealen, feurigen Schönheit der Prinzessin, die in einem einfachen Rosakleidchen, ohne allen Schmuck, die Blicke Aller aus sich zog. ES siel damals auch allgemein auf, daß der Kronprinz Victor Emanuel keinen Blick von der schönen Prinzessin ab wendete. * Rom, 16. August. Der Papst hielt heute Mittag in seiner Privatbibliothek Cercle. Anwesend waren mehrere Cardinäle, Bischöse, sonstige Prälaten und Vertreter des römischen Adels, sowie katdo- lische Vereine. Der Papst dankte sür die ihm dargebrachten Glück wünsche und sprach sich lobend über den verstorbenen Cardinal Monaco La Voletto aus; sodann ließ er sich über den demnächst stattfindenden Congreß über Eucharistie in Orvieto und über den antimasionischen Congreß in Trient Vortrag halten und sagte seine vollste Unterstützung für das Gedeihen der katholischen Mission in Syrien und Centralafrika zu. Zum Schlüsse «rtheilte er ollen Anwesenden den apostolischen Segen. Das Aussehen des nahezu IV, Stunden laut sprechenden Papstes war vorzüglich. Belgien. * Wie dem „Hamb. Corr." aus Brüssel, 15. August gemeldet wird, erhielt die belgische Regierung, die Deutsch land um Auskunft über daS militairische UebungL- lager in Elsenborn ersucht hatte, befriedigende Erklärungen darüber. Großbritannien. Li-Hnng-Tschang. * London, 16. August. Li-Hung-Tschang machte gestern Gladstone auf dessen Wohnsitz Hawarden bei Chester seinen Besuch. Orient. * Athen, 16. August. Der österreichisch-ungarische Gesandte Freiherr v. KoSjek ist hier eingetroffcn. * Sofia, 16. August. Das Amtsblatt veröffentlicht die Enthebung des Ministers für Ackerbau und Handel, Natscke- witsch's,von seinem Posten. Die Handelsangelegenheilensind interimistisch Geschow übertragen worden. Tie türkischen Wirren. * Larissa, 17. August. (Telegramm.) 30 Mann, die im Begriffe waren, in Makedonien einzudringen, wurden von den Behörden von Karaklar festgenommen. Die Türken befestigen eilig die Grenze. * Canea, 17. August. (Telegramm.) Bei Castelli hat ein Kampf slattgefunden. Nähere Einzelheiten fehlen noch. * London, 17. August. (Telegramm.) Die „Dailv News" melden aus Canea unter dem 15. August, daß während des 14. August in der Provinz Malevieri in der Nähe der Stadt Heraklion ein heftiger Kamps zwischen 800 Aufständischen und bewaffneten Mohamedancrn, die von türkischen Truppen unterstützt worden seien, stattgefunden habe. Die Christen hätten gesiegt, die Türken zurück getrieben und 4 Kanonen, Waffen und Munition erbeutet. Afrika. Tie Italiener in Abessinien. * Rom, 16. August. Die „Tribnna" meldet aus Mafsana: Die Untersuchungs-Commission in Sachen deS beschlagnahmten SckiffeS „Doelwyk" verhörte den Commandanten, die Officiere und die Mannschaft. Die Ausladung der die Ge wehre enthaltenden Kisten hat begonnen. Im Ganzen sind es 2477 Kisten, von denen einige 13, andere 20 bez. 30 Ge wehre enthalten; eS sind im Ganzen 50 000 Gewehre ge zählt worden. Der Rest der Schiffsladung besteht aus 2221 Kisten mit Gewehrpatronen und 125 solchen mit Geschützmunition. — Nachrichten ans Abessinien be sagen, daß RaS Sebat und RaS Mangascha sich ruhig ver halten. Auch in Kassala herrscht Ruhe. * Leila, 16. August. (Meldung der „Agenzia Stefani".) Major Nerazzini erhielt von RaS Makonnen einen Brief, in welchem dieser mittheilte, daß die letzten drei italienischen.Gefangenen in kürzester Zeit bei Nerazzini fesselt ist. Unsere Liaison ist erst von kurzer Dauer, und ick glaube, ich war ihr wirklich nicht gleichgiltig, und sie wird mich nicht so leicht über einen anderen Anbeter vergessen. Na, ich werde mich anständig von ibr verabschieden, und da wollte ich eben Deine Vermittelung in Anspruch nehmen, Du bist so kaltblütig und so klug, und ich kann einem hübschen Mädchen so wenig widerstehen und fürckte mich so vor Scenen. Nicht wahr, Du thust mir den Gefallen?" „Ich fühle mich solchen Diensten nicht gewachsen." „Ach waö, Du kannst Alles, wa» Du willst, und für einen Diplomaten ist daS eine ganz geeignete Mission; solche kleine Balleteuse ist nicht weniger schwierig zu behandeln al» ein widerstrebender ländergieriger Staat. Aber hier ist nicht der Ort, da« Nähere zu besprechen. Ich komme morgrn zu Dir." „Bedaure, ich bin den ganzen Tag dienstlich in Anspruch genommen." „Nun denn, übermorgen", sagte Erwin lachend. „So aalglatt Du Dich auch zeigst, entschlüpfen sollst Du mir nicht. Diesen Liebesdienst mußt Du Deinem nächsten Verwandten erweisen. Aber nun komm' in den Saal, wir wollen andern Gästen das Feld räumen, da ist ja ein ganzer Schwarm." Er schob seinen Arm in den seine« Vetter» und schritt mit ihm die breite Treppe hinauf, die zu den Festräumen führte. Der MajoratSerbe war kaum mittelgroß und sah durch seine untersetzte, schon jetzt die Neigung zur Corpulenz verrathende Figur noch kleiner au», sein rundes, gutmüthigr» Gesicht mit der Stumpfnase, den stark vorspringenden Backen knochen und den hellgrauen, lachenden Augen strahlte von Gesundheit und Lebenslust; der Mund zeigte einen stark sinnlichen Zug, und etwa» Weiche», Unentschlossene« lag in seinem ganzen Wesen ausgeprägt; dabei besaß er eine Sicher heit de« Auftretens, welche aus dem Bewußtsein seiner be vorzugten Stellung entsprang. Auf den Wunsch seiner vor mebr al» zwei Jahren verstorbenen Mutter diente er noch in der Armee, aber rr war weit entfernt tavon, «in schneidiger Ofsicier zu sein und machte gar kein Hehl darau», daß der Dienst ihm lästig und er gesonnen war, ihn sehr bald zu quittiren. (Fortsetzung folgt.)
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