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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.08.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960821014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896082101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896082101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-08
- Tag1896-08-21
- Monat1896-08
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Morgen-Ausgabe Druck und Verlag von L Pol, k Leipzig so. Jahrgang. ° 424 Freitag den 21. August 1896. DI» Morge»-A»-gabe erscheint um '/,? Uhr. dl» Abend-Lus gäbe Wochentag- um 5 Uhr. Nedartiou «u- LrpeLNo«: JohanneSgafle 8. DieExpeMou ist Wochentag- ununterbrochen tz^Aurt von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Filiale«: Ltt» ltlemi» s Eorti«. (Alfred Hahn). Uviversitätsstraße 8 (Paulinum), LouiS Lösche, Katharinen str. 14, pari, und König-Platz 7. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgea-AuSgabe: Nachmittag- - Uhr. V«i den Filialen und Annahmestelle» je ein» halb« Stund« früher. An-etgen sind stet- a» die Expedition zu richte». Extra-Beilagen (gefalzt), »ar mit der Morgen-Ausgab«, ohne Postbesördernng «X—, m»t Postbesvrder»»g 70.—» lnWgcr Tagehlalt Anzeiger. ÄMtsbkatt -es Königlichen Land- und Ämtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Nolizei-Ämtes -er Lta-1 Leipzig. Aa-eigrnPreiA die «gespaltene Petit-eile SO Pfg. Reclamen unter dem Redactiou-strich (-ge spalten) 50^, vor den Familirnnachrichte» (6 gespalten) -0^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichmß. Tabellarischer and Atffernsatz nach hüherem Tarif. BezugS-PreiS dtdue Haupt expedition oder den im Stadt- -Wt-I und d« Vororte» errichteten Au-- «wastellen abgetzolt: vierteljährlich bei -weimaltaer täglicher Zustellung m- v«»- ^l hchO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 8.—. Direkte tLglich« streuzbaudleuduug i»S Ausland: »wualllch 7^0. Vie Forderungen der Kreter. Nach den letzten Nachrichten auS dem Osten kann man sich der Befürchtung nicht verschließen, daß die kriegslustigen Elemente unter den Aufständischen in Kreta die Oberhand gewinnen, die LoSreißung von der Türkei auSrufen werden und daS Blutvergießen von Neuem beginnt. Die Haltung Englands, die Erregung im griechischen Volke könnten auch kühlere Köpfe mit der Hoffnung erfüllen, der Augenblick sei gekommen, wo die Selbstständigkeit sich erringen lasse. Daß dem religiösen Fanatismus, der Erbitterung auf beiden Seiten noch viele Unschuldige zum Opfer fallen müssen, ebe die Halb mondfahne aufbört, über der Insel zu flattern, ist leider zweifel los, »her die Stimmung unter den Aufständischen scheint sich damit als unvermeidlich abfinden zu wollen. Schon unter den Forde rungen, die von den christlichen Abgeordneten zur National versammlung gestellt wurden, waren verschiedene, die bei ge nauerer Erwägung dem ruhigen Beobachter als unannehmbar für die Pforte erscheinen mußten, die durch Genehmigung der zuerst verlangten vier Puncte (Einberufung der National versammlung, allgemeine Amnestie und Wiederherstellung des Vertrags von Haleppa, einschließlich der Ernennung eines christlichen Gouverneurs) den Mächten wenigstens ihre Bereit willigkeit zur friedlichen Beilegung deö Streites bewiesen batte. Dem gegenüber haben die Aufständischen ihre An sprüche mehr und mehr gesteigert und, wie gesagt, in ihre spätern, zwölf Hauptabschnitte umfassenden Verlangen Dinge bineingebracht, die auS politischen wie kulturellen Gründen keine Annahme bei der türkischen Regierung finden konnten. An der Spitze stebt die Forderung, ein Christ solle mit Zustimmung der Mächte auf fünf Jahre vom Sultan zum Generalgouverneur ernannt werden, ihm daS Vetorecht, das bisher der Sultan ausübte, dem es für grund sätzliche Verfassungsänderungen bleibt, zustehen, ebenso die Ernennung und Entlassung aller Beamten, mit Ausnahme des Muschawirs, seines Stellvertreters, und der vom Volke gewählten, und schließlich das oberste Militaircommando. Ter Kernpunct aller in der Türkei möglichen Verbesserungen ist damit getroffen. Das jetzige System mit seinem fort währenden Wechsel der WaliS hindert, wie der „K. Ztg." aus Konstantinopel geschrieben wird, die guten Elemente an erfolgreicher Arbeit und fordert die schlechten zur Ausbeutung ihres Postens auf. Da aber die Haltung der Malis einfach bestimmend für die des ganzen Beamtenkörpers ist, so muß rgend eine Gewähr dafür geschaffen werden, daß der Ge neralgouverneur längere Zeit im Amte bleibt, anderseits bedarf dies aber einer Ergänzung in dem Sinne, daß er für seine Verwaltung einem Gerichtshof in Konstantinopel verantwortlich ist und zur Rechenschaft gezogen werden kann. Auch das Recht der Entlassung und Ernennung der sämmtlichen Beamten muß in irgend einer Form beschränkt werden, damit die Partei leidenschaft nicht zum Schaden der Minderheiten ihr Spiel treiben kann. Bei der Bildung Ostrumeliens wurde übrigens auch schon die Ernennung eines christlichen Generalgouverneurs auf fünf Jahre mit Zustimmung der Mächte vorgeschrieben. Er führte, waS die Kreter ebenfalls verlangen, auch den militairischen Oberbefehl, wie eS sein muß, um fort währenden Zwiespalt zu vermeiden; die Kreter verlangen jetzt aber weiter, daß er nur mit Zustimmung der National versammlung die in den Festungen stehenden türkischen Truppen im Notbfall in Anspruch nehmen darf, eine Be schränkung seiner Befehlsgewalt, die im ostrumelischen Statut richtigerweise nicht vorhanden war. Das Verbleiben türkischer Truppen im Lande sah auch der Berliner Friede vor, daneben aber sollte eine ein heimische Gendarmerie mit einer Ortsmiliz zur Seite die Ordnung aufrechterhalten und in ihrer Zusammensetzung auf die Religion der betreffenden Bewohner Rücksicht be nommen werden. Die kretische Forderung einer „rein nationalen Gendarmerie" scheint auf dasselbe hinaus zugehen. Schon im Vertrage von Haleppa war stipulirt, daß als Gendarmen die Einheimischen vorzuzieben wären und nur im Falle ihrer erwiesenen Unfähigkeit taugliche Männer auch aus anderen Reichstheilen ausgenommen werden könnten, die Officiere aber alle aus Ein heimischen, Türken oder Christen zu bestellen wären und zwar durch den Gouverneur, nicht wie bisher durch den Sultan. Aber auch unter solchen Umständen bat das Gendarmerie-Institut sich nur schlecht bewährt, indem Officiere und Gendarmen als Anbänger bestimmter Parteien Leben und Habe ihrer Gegner nicht schützten, so daß die Kreter selbst sich Albanesen als Gendarmen wünschten. Daß die selben unter allen Umständen Gendarmen aus anderen Theilen der Türkei fernhalten wollen, kann man ihnen nickt verargen, denn diese haben jederzeit in unbeschreiblicher Weise auf der Insel gekauft, aber die „rein nationale Gendarmerie" hat sich, wie gesagt, auch als unbrauchbar erwiesen. Diese Frage erscheint daher auch heute noch als die strittigste und wird noch zu vielen Weiterungen Anlaß geben. Neben dem Mali bezw. unter ihm sollen stehen die Nationalversammlung und der Nationalver- waltungSrath, in denen beide Bekenntnisse gerechterweise verhältnißmäßige Vertretung haben sollen, während jetzt den Moslems mehr Abgeordnete zustehen, als der Zahl entspricht. Bisher war auch eine Zweidrittel-Mehrbeit nothwendig, die man durch die absolute ersetzen will, was freilich zur sicheren Knebelung der mohamedanischen Minderheit führen müßte und daher mit Recht zurückgewiesen werden wird. Um die Steuerkraft zur Unterlage des Wahlrechts zu machen, wäre eine Umgestaltung des ganzen Systems und eine neue Ein schätzung nothwendig, die aber jedenfalls gerechtere Ergebnisse als die Berücksichtigung der nackten Zahl haben würde. Bei stimmen kann man mit der „K. Ztg." der Vorschrift, daß die Nationalversammlung keine Erhöhung der Ausgaben be schließen darf, wenn der Mali, der Finanzausschuß oder der Verwaltungsrath keine Gesetze dazu vortegen. Früher ist von der Versammlung darin nach amerikanischem Muster gewirthschaftet worden, besonders vor 1887, als die Pforte im Vertrag von Haleppa die Verpflichtung übernommen hatte, im Falle eines Fehlbetrags bis zur Höbe der Hälfte der Zolleinnabmen eine Beihilfe zu gewähren. Augenblicklich hat man in Konstantinopel bei der finanziellen Noth es allerdings vorgezogen, einfach die sämmtlichen Zolle für sich zu nehmen, und die Unmöglichkeit, die Verwaltungs kosten zu decken, Beamte, Lehrer, Gendarmen zu bezahlen, ist ein wirksamer Hebel beim Ausbruch des Aufstandes gewesen. Um die Justizverwaltung zu heben, will man in Canea den obersten Gerichtshof zum letzten Berufungsgericht macken, so daß die Konstantinopeler Instanz fortsiele. Damit dürfte sich das Palais nicht einverstanden erklären, es könnte jedoch vielleicht auf die Art eine Einigung erzielt werden, daß Urtheile, über die innerhalb einer bestimmten Frist in dem Konstantinopeler Gericht keine Entscheidung gefällt wird, rechtskräftig werden. Dem Verschleppungssystem würde damit die Spitze abgebrochen. Ebenso kann man von vornherein dem Verlangen, die Pforte solle den Fehlbetrag seit 1887 decken bezw. auf sich übernehmen, keinen Erfolg voraussagen, die Gründe dafür liegen auf der Hand. Unmöglich ist auch, daß alle afrika nischen Einwanderer, die nicht Grundeigenthum im Werthe von 10 000 Piastern besitzen, ausgewiesen werden sollen. Das kann die Negierung gar nicht, ohne endloses Blutvergießen heraufzubeschwören, denn kaum einer der Benghazis, die als Hafen- und Landarbeiter ihr Leben fristen, hat Besitz. Ein Verbot der künftigen Einwanderung thäte dieselben Dienste. Der Wunsch nach Abschaffung der Censur und Preßfreiheit, sowie nach dem Recht, wissenschaftliche Vereine zu bilden, geht im Grunde die Pforte weniger an, als die Kreter selbst, denn dem griechischen Charakter gemäß würden sich die Parteien bald am wildesten unter einander befehden, aber für die ruhige Entwickelung des Landes wäre die Zügellossigkeit kein Gewinn. Daß schließlich der Sultan und die Mächte feierlich die vor geschlagene Verfassungsänderung verbürgen sollen, ist ein ,n der Türkei bei solchen Dingen herkömmliches Verlangen, genützt hat es eigentlich nie etwas, sondern nur den Keim zu neuen Zwistigkeiten, welche leicht auch auf die Garantiemächte übergrcifen können, gelegt, und die Kreter sind seit Alters her stets neuerungssüchtig gewesen. In Ostrumelien hatte die türkische Bevölkerung sich bald mit den Verhältnissen ab gefunden und wurde zur Regierungspartei, in Kreta trennt daS Blut, das in der letzten Zeit geflossen ist, leider, wie es scheint, MoSlemS und Christen durch eine unüberbrückbare Kluft. Nach unserem Dafürhalten liegt darin, daß einem christlichen Gouverneur eine fünfjährige Amtszeit gewährleistet wird und der Militairgouverneur ganz wegfällt oder ihm unterstellt wird, eine weit bessere Garantie für die Durch führung der Reformen als in der Bürgschaft der Mächte. Deutsches Reich. * Leipzig, 20. August. In der heutigen Nummer der „Christlichen Welt" lesen wir: „Bei den Verhandlungen über das Bürgerliche Gesetzbuch hat die Centrumspartei es versucht, beim Eher echt durchzusctzen, daß denen, die katholische Priester gewesen sind, dann aber auS dem Amt ausscheiden, es nicht gestattet werde, sich zu verheirathen, weil ja die Priesterweihe dem, der sie empfängt, einen Okaracter iullolsbilw aufprägt, der auch dann bleiht, nach katholischer Anschauung, wenn er den geistlichen Stand ver läßt. Ein paar gutmüthige protestantische Abgeordnete der conservativen Partei glaubten bereits auch hier dem Centrum eine Concession machen zu können, bis man durch Hinweis auf Martin Luther's Eheschließung ihrer gewiß durch die warme Jahreszeit hervorgerufenen Gedächnißschwäche zu Hilfe kam. Tbatsächlich besteht diese Bestimmung in der österreichischen Gesetzgebung und ist vor einigen Jahren in der österreichischen Presse viel behandelt worden, als der bekannte Professor der Philosophie Franz Brentano von der Wiener Universität, um in den Stand der Ehe zu treten, erst sein österreichisches Bürgerrecht aufgeben und sächsischer Unterthan werden wußte; denn auch ein Uebertritt in die evangelische Kirche genügt in diesem Fall vor den öster reichischen Gesetzen nicht. Wer austritt aus dem katholischen Priesterstanv, dem ist dort von der Gesetzgebung die rechts- giltige Eheschließung nicht gestattet: gegen ein Concubinat Hal sie nichts einzuwenden. Consequenl mag diese Anschauung ja sein, um ihrer Consequenz willen wird sie von manchem grauen Theoretiker bewundert, mit dem Moralcodex steht sie freilich in schneidendem Widerspruch, aber damit haben wir uns hier nicht zu befassen. Hier handelt es sich lediglich um die Tbatsache, daß nach kanonischer Rechtsanschauung, wer die Priesterweihe erhalten Kat, damit von dem anderen Sacrament, der Ehe, ausgeschlossen ist. Ist nun von der mit Rigorosität gehandhabten Bestimmung eine Befreiung zu lässig? Allerdings. Wenn der Fall eintreten sollte, daß die albertinischen Wettiner, also die katholische Linie Sachsen, aussterben könnten, dann ist beim Eintritt des Prinzen Max in den Priesterstand vorbehalten, baß er zurücktreten kann, d. h. dann kann er eine rechtsgiltige Ehe schließen, und damit ist den katholischen Albertinern die Succession gesichert. Man wird auf römischer Seite gewiß nicht um Gründe in Verlegenheit sein, um zu beweisen, daß solche Ausnahme bestimmung durchaus zulässig sei. Für uns ist nur von Interesse, daß der Centrumsantrag über die Unzulässigkeit der Eheschließung eines vormaligen katholischen Priesters und die Abmachungen über den Eintritt des katholischen Albertiners in den Priesterstand zeitlich so dicht hinter einander zu Tage gekommen sind." * Berlin, 20. August. Die „Nat.-Lib. Corr." schreibt: „Mit einer ausfallenden Oberflächlichkeit ist in dem Gesetz entwürfe, betreffend die Zwangsorganisation des Handwerks, und in den Motiven zu demselben eine der Feuilleton. Die Frau im Spiegel der Frau. Eulturbildrr aus aller Herren Länder. IX. Die Frau in den Vereinigten Staaten. Von May Wright Sewall (Indianapolis).*) Nachdruck verboten. Sehr viel ist schon über die amerikanischen Frauen ge schrieben worden; aber die massenhafte Literatur über diesen Gegenstand hat nur dazu gedient, die ganz falsche Meinung über unsere Frauen bei Fremden noch zu vergrößern oder wenigstens zu befestigen. Erst seit 30 Jahren ist eS unseren Frauen möglich gemacht worden, sich eine höhere Bildung anzueignen. Die Frauen also, die jetzt den Doctortitel führen dürfen, sind alle erst mittleren Alters, und erst seit zehn Jahren ist der Kampf für höhere Erziehung der Frauen als gewonnen zu erklären. ES giebt in unserem Lande einen Verein, der sich „Tks ^gsvewtion ok Oollogiate ^lumnkw" nennt. Zu diesem Verein gehören nur solche Frauen, die wenigstens den Laodelor's clsgree auf einer unserer amerikanischen Universitäten oder OoUoxeg er halten haben, also zum Wenigsten eine Gymnasialbildung hesitzen. Mehrere Tausend Frauen sind berechtigt, zu diesem Verein zu gehören; bis jetzt haben sich aber weniger als zweitausend angeschlosscn. Die Mitglieder diese« Verein- sind Frauen, die sich die höchste Bildung angeeignet haben und an höherer Erziehung für Frauen da« tiefste Interesse nehmen. Manche dieser Frauen wurden in unseren sogenannten freien „high schcwk", in Privatschulen oder durch Privat lehrer für daS Oollego (Gymnasium) vorbereitet. Sie besuchten darauf ein Oollegv oder eine Universität und erwarben sich da den Titel eines dachslor's (BaccalaureuS), master^ (Magister) oder den Doctortitel. Andere besuchten Univer sitäten, die hier für Frauen speciell errichtet wurden (Vaszor, Smith, ^Velleslezc und Lrzru dl»re8). Wieder Andere erhielten ibre Bildung auf solchen Universitäten, an denen früher nur Männer zugelassen wurden. Alle, die früher Propaganda für höhere Frauenerzirhung machten, befürworteten gemein schaftliche Erziehung für Männer und Frauen sowohl in den VorbereitungSschulen al- auch auf der Universität: und zwar au« dem Grunde, weil nur die Oolloges-Universitäten, die für Männer gegründet worden waren, wirklich gute Facultäten besaßen, Frauen also, die ein höhere« Streben batten, nur auf solche» Instituten die gewünschte höhere Bildung erlangen konnten. Daß die öffentliche Meinung wirklich für diese Ansicht gewonnen ist, zeigt die Tbatsache, daß die beiden neu gegründeten Universitäten, IwIkmä-StLnkorä in Palo Alto (Calisornien) und die Univsrmt^ ok Oüicago in Chicago, ihre Thore von Anfang an den Frauen öffneten, *) Mit diesem Aufsätze schließen wir die Serie: „Die Frau im Spiegel der Frau". ohne daß es für dieselben nöthig gewesen wäre, sich dies Recht durch Petitionen zu erwerben. Die Frauen sind in diesen beiden Instituten vollständig gleichberechtigt mit den Männern. Die Chicagoer Universität hat auch einige Frauen, die als äean» (Decane) und Professoren fungiren. Doch sind ihnen bis jetzt noch die höchsten Stellen verschlossen. Hunderte von Frauen (400) studiren dort; darunter sind viele, die sich Specialfächer erwählt haben und hier ihren Doctor machen wollen. Selbst die ältesten, konservativsten Universitäten unseres Landes lassen jetzt Frauen zu, so z. B. Dale — jedoch nur für Specialstudium. Auch die Lleäical auu Irnv colleg^ sind dem Beispiel gefolgt, so daß Frauen ungehindert,Medicin und Jurisprudenz studiren können. Da« beste Argument dafür, die Frauen hier auf den Universitäten zuzulassen, war, daß sie eben hier zu Lande beinahe vollständig die Erziehung der Jugend in Händen haben. In den öffentlichen Schulen, selbst high 8ckool8, sind meistens Lehrerinnen angestellt. Präsident Elliot von der Harvard-Universität und andere hervorragende Männer be klagen sich schon längst, daß die amerikanischen Jünglinge, die mit achtzehn Jahren auf die Universität kommen, noch nicht einmal so viel wissen, wie ein 15 jähriger Gymnasiast in Europa. Die Schuld liegt wohl nicht daran, daß die Amerikaner dümmer sind, sondern daß sie schlechtere Lehrer haben. Die Lehrerinnen hatten eben bis vor Kurzem eine ungemein beschränkte Bildung. Wollen wir also gute Re sultate in der Erziehung unserer Kinder erzielen, so sollten wir darauf bestehen, daß ihre Lehrerinnen Frauen von wisseuschaftlicher, gründlicher Bildung sind, und daS beißt, daß die Frauen auf den Universitäten Zutritt haben müssen. WaS nun die Frau im Geschäftsleben und in den prak tischen Berufsarten angeht, so zeigt der letzte Census, daß in unserem Lande mehr als zwei Millionen Frauen leben, die sich selbst ernähren. Ohne Zweifel giebt es eine größere Anzahl, die nicht in dem CeasuS stehen; denn eS giebt viele Frauen mit Familien, die durch Geschäfte, welche sie zu Hause treiben, Geld verdienen. Viel« von ihnen behalten diese ihre Thäligkeit als ein Geheimniß für sich, und zwar aus einem Gefühle, welches hier noch vorherrscht: daß e« nämlich ent ehrend für die Frauen eine« gewissen Range« sei, Geld zu verdienen. Diese Millionen von Arbeiterinnen werden in allen Be- ruf-arten gefunden; e« giebt bei un« kein sogenannte- „männ liches" Geschäft mebr, d. h. einen Geschäftszweig, in den die Frauen nicht eingetreten wären. Al« Bankier«, Kaufleute und Fabrikanten Haden die Frauen ihre Stellungen sich er obert, indeß muß ich doch gestehen, daß im Vergleiche mit der ganzen großen Anzahl der im GeschästSleben tbätigen Frauen die Zahl derjenigen, die an der Spitze stebrn, klein ist. Es ist bei unS keine Ausnahme mehr, daß eine Frau, die ihren Gemahl durch den Tod verliert, sein Geschäft selbst ständig weiter betreibt. In dieser Weise können Frauen al« Capitaine der Flußschiffe, Vorsteher der Banken und in anderen ungewöhnlichen Stellungen gefunden werden; und in Telegraphen-, Telephon- und Post-Bureau« werden oft nur noch Frästen gefunden. Der Beruf, in welchem die Frauen am zahlreichsten vertreten sind, ist der deS Lehrers; dann kommen an Zahl die weiblichen Aerzte am nächsten, während die Predigerinnen und die Advocatinnen noch nicht sehr zahl reich sind, aber sich jährlich vergrößert. Eigentbümlich ist bei uns die Stellung der Frauen im gesellschaftlichen und öffentlichen Leben. In unserem Lande sind die Frauen auf verschiedene Weise in da« öffentliche Leben gekommen, hauptsächlich aber durch Philanthropie und Reformbestrebungen. Die Männer der besseren Classen sind so beschäftigt, daß manche halböffentliche Pflichten ganz natürlich in die Hände der Frauen übergegangen sind. Zu diesen Pflichten gehören z. B. die Armenpflege, die Krankenpflege u. a. Die Folge der theils im Stillen, theilS mit Hilfe der Kirche vollbrachten Arbeit war, daß allmählich die Männer die Beihilfe der Frauen auch in den durchaus öffentlichen Pflichten der Menschenliebe gesucht haben, und so haben die Frauen in den Ausschüssen, die die Waisenhäuser, Asyle, Spitäler rc. zu ver walten haben, jetzt oft eine Stelle. Ich muß aber hierbei bemerken, daß die Stellen, die den Frauen gegeben werden, gewöhnlich keine Besoldunb mit sich bringen, während die Posten, welche von den Männern ausgefülll werden, meisten- theil« eine Besoldung in sich schließen. Diese freiwilligen Bestrebungen für gemeinschaftliche Ziele sind eS meistens, in denen der Antheil der Frauen an der öffentlichen Arbeit besteht. Die Anzahl und die Mannigfaltigkeit der Organisationen, durch welche die Frauen Reformen durchzuführen suchen, sind gleich außerordentlich. Die Clubs für Studium und die literarischen Clubs sind ebenso zahlreich und bedeutend. Die frühesten Reformen, für welche die grauen sich organisirten, waren die Abschaffung der Sklaverei, das Verbot der Her stellung und des Gebrauchs von geistigen Getränken und die Einführung des Frauenstimmrechts. Der Zweck der erst genannten Classe dieser Vereine wurde durch den Bürgerkrieg erreicht ; die Thätigkeit der anderen „Tüo Xatioua! ^wsricau ^Vonwn gutkrazo Xssocistiou" und „Ilio National >Vomau'8 Okri8ti»n Tempersnce lluion" dauert noch fort. Diese beiden Vereine haben für die Verbesserung der gesellschaftlichen Zustände viel gethan, aber nicht Alles erreicht, wa« ge wünscht wird. Zur Zeit besitzen die^ Frauen schon in zweiundzwanzig Staaten der Union daS Stimmrecht in Schulfrageu, in drei Staaten haben sie eine Stimme in Stadtangelegenheiteu, und in zwei Staaten sind die Frauen mit der Ehre des voll kommenen Bürgerrechts bekleidet. In der jüngsten Zeit be fand sich eine Frau unter den Delegirten Mr die große demokratische Versammlung, die in Chicago stattsand und den Zweck hatte, einen Candwaten für die nächste Präsidenten wahl zu ernennen. Der größte Frauen - Verein nennt sich «Tds Kation»! Oouvcil ok >Vomeu ok tlis Ilaiteck Ltutoa". Er besteht au- großen nationalen Vereinen und hat mehr als eine Million Mitglieder. Bei uns hat die Bezeichnung „eine emancipirte Frau" eine ganz andere Bedeutung, al« sie in Deutschland besitzt. Hier bekümmern sich solche „emancipirte" Frauen um die höchsten Bildungsangelegenheiten, auch interessiren sie sich für die politischen Fragen; aber in ihren persönlichen Lebens gewohnheiten, in ihrer Kleidung, ihren Manieren und ihrer Unterhaltung sind sie nicht weniger fein, sorgfältig und liebenswürdig als die Frauen, die sich nur mit häuslichen Interessen beschäftigen. In den meisten Theilen unseres Landes liegt das gesellschaftliche Leben ganz und gar in den Händen der Frauen. Diese Thatsache erklärt meiner.Mei- nung nach die Mangelhaftigkeit diese« Lebens nach seiner geistigen Seite. In Bezug auf „die amerikanische Frau zu Hause" kann es keinen größeren Fehler geben als den, den die Durch schnitts-Fremden machen: daß sie nämlich die amerikanische Frau in Bezug auf die häuslichen Tugenden als mangelhaft betrachten. Durchschnittlich bat die amerikanische Frau eine außerordentliche Geschicklichkeit; und wenn da« MonatSgeld für die Haushaltung klein ist, weiß sie eS so vortheilhaft und mit solchem Geschmacke auszugeben, daß nur sie allein weiß und merkt, woran gespart worden ist. Vergrößert sich das Vermögen ihres Gemahls, so wird sie gewöhnlich auch ihrer vergrößerten Haushaltung gerecht und vermag sie verständig und ohne Verschwendung zu führen. Das gemischte Blut, das in ihren Adern fließt, das in Amerika so schnell wechselnde Glück und die mannigfachen Lebenserfahrungen, die in dieser neuen Welt gemacht worden sind, — alle diese Umstände vereinigen sich, die amerikanische Frau so zu bilden, daß sie sich in alle Verhältnisse mit der größten Leichtigkeit schicken kann. In einer Beziehung glaube ich, daß der Ruf der amerikanischen Frau in Europa ganz und gar unverdient ist: wir sind nicht ein Geschlecht von Kranken. Freilich nähert sich unsere körperliche Beschaffenheit noch nicht dem griechischen Ideale; aber so oft ich in Europa gewesen bin, sckien e« mir, daß bei allen Nationen, die ich beobachten konnte, die Frauen weniger körperliche Ausdauer hatten, als meine eigenen Landsmänninnen besitzen. Gegen wärtig ist es bei den Frauen hier Mode, sehr „athletisch" zu sein; und Frauen jedes Alter« interessiren sich für Spiele im Freien. Noch ist in Amerika die ideale Frau nicht erschienen. Aber wir stimmen hier Alle darin überein, welche- ihre Züge und ihre Eigenheiten sein sollen. Wenn sie kommt, wirb sie stark, fleißig und hochgebildet sein; und sie wird auch ihre eigene Bankrechnung und ein freies Stimmrecht haben. Nur eine solche Frau, die auf diese Weise ausgerüstet ist, ist würdig, die Frau der beste» amerikanischen Männer und die Mutter idealer Bürger zu sein.*) *) Der vorstehend« Aussatz einer hervorragenden amerikanischen Schriftstellerin enthält Biele«, wa« unseren Anschauungen und Gewohnheiten fremd ist oder selbst in Gegensatz zu ihnen steht. Er ist aber sür die Denkweise und die Ziele der modernen amerika- Nischen Frau so ungemein charakteristisch, daß wir ihn unverändert wiedergeben zu sollen glaubten. (Anm. d. Red.)
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