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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.08.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960824010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896082401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896082401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-08
- Tag1896-08-24
- Monat1896-08
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Di» Dtorge^AO-gab« erscheint um '/,7 Uhr. die <beud-dlu«gabe Wochentag- um ü Uhr. Nr-actio« «ad Expedition: IOhanne-gasse 8. DtrExpeoktion ist Wochentag- ununterbrochen geistert von früh 8 bi« Abend» 7 Uhr. Filialen: vtt» Klemm'» Sortim. (Alfred Hahn). Uoiversität-strahe 3 (Paulioum), Loni» Lösche, llatbarmenstr. 14. Part, und KSnlgSplatz 7. Bezugs-Preis t» der Hauptexpedition oder den im Stadt- veztrk und den Bororten errichteten Au», nabestellen abgeholt: vierteljährlich >14.50, bei uveimaliaer täglicher Zustellung in» van- 5^0. Durch die Post bezogen für Hentschland >wd Oesterreich: vtertestährlich . Direkt« tägliche Kreuzbandfendun» tu» Au»laud: monatlich ^l 7.bO. Morgen-Ausgabe. KlpMcr TügMM Anzeiger. Ämlsökatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Volizei-Nmtes der Ltadt Leipzig. AnzeigenPreis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pf-. Reclamen unter dem Redactionistrich (»ge spalten) 50^, vor den Famüieanachrichte» (Sgejpalten) 40^. Größere Schristen laut unserem Preis- verzeichn iß. Tabellarischer und Zisjernjas nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit de, Morgen. Ausgabe, ahne Postbeförderuag ^l 60.—, mrt Postbrsördrrung 70.—. Annahmeschlnß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 UhL Morgen-Ausgabe: Nachmittag- »Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ei« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets all dir Expeditiaa zu richten. Druck und Verlag von L. Potz in Leipzig ^42S. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. Da» «nbesngte Fischen im Pleistenmühlgraben, insbesondere während der Dauer de- vom 24. August bis 20. September d. I. stattfindenden Abschlages dieses Flußlaufes, sowie das unbefugte Betreten des Flußbettes ist, wie hiermit ausdrücklich bekannt gegeben wird, verboten, und haben Zuwiderhandelnde Bestrafung gemäß 8 370, 4 bez. 8 366, 10 des Reichsstrafgesetzbuches zu gewärtigen. Leipzig, am 22. August 1896. Tas Polijkiamt der Ltadt Leipzig. v. R. 4250. Bretschneider. ^Zu vcrmicthcn ist für den 1. September d. IS. oder später eine Wohnung im linken Erdgeschoß des städt. Hausgrundstücks Fürstenstratzc Nr. 10, bestehend aus 3 Zimmern, Mädchenkammer, Küche und Speisekammer nebst Zubehör, für jährl. 525 Miethzins. Miethgesuche werden auf dem Ralhhause, 1. Obergeschoß, Zimmer Nr. 9, entgegengenommen. Leipzig, den 20. August 1896. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröndlin. Morche. Leipzig vor 75 Jahren. Wenn die Gründung eine- Palmengartens in Leipzig jetzt in sicherer Aussicht steht, so muß daran erinnert werden, daß hier schon einmal ein ganz ähnliches Unternehmen bestand. Im Jahre 1809 legte der Kunstgärtner Christian August Breiter „zwischen dem Grimmaischen und Halleschen Thore" einen Wintergarten an und „zog darin die interessantesten exotischen Gewächse in den ausgezeichnetsten Exemplaren", über welche eine unter dem Titel „Üortu8 öreiteriamw oder Verzeichniß derjenigen Gewächse, welche im Breiler'schen botanischen Garten zu Leipzig gezogen und unterhalten werden, nebst einem Theile der in Deutschland einheimischen Pflanzen, ihren systematischen Namen und Synonymen rc." 1817 herausgegebene Broschüre Aufschluß gab. Vor 75 Jahren war dieser Garten beim Publicum sehr beliebt: in den Kaffee stunden gaben sich die höheren Stände ein Stelldichein in seinen „grünen, duftenden Räumen", um „auch im härtesten Winter das Bild eines italienischen Frühlings", umgeben von Orangenbäumen, Myrthen, Hyacinthen, Veilchen, Tulpen rc. bei Kaffee oder Thee zu genießen, während „der Wind draußen den Schnee zusammentrieb und der Schlitten vorbei jagte". Jetzt erinnert an ihn nur noch die auf seinem Areal angelegte Wintergartenstraße. Versetzen wir uns im Geiste in den Anfang der zwanziger Jahre zurück und machen wir vom damaligen Wintergarten ans einen Spaziergang in und um die Stadt! Am Schwanenteiche vorüber, von dessen anderen User das Georgen- baus durch die hohen Pappeln hindurchblickt, biegen wir zwischen dem Schneckenberge und dem an der Ecke des Grimmaischen Steinwegs stehenden baufälligen „Weißen Schwane" in den „Grimmaischen Zwinger" ein, besten rechte Hälfte mit BosquetS bepflanzt ist, während die linke Hälfte unterhalb der Bürgerschule noch den alten Stadtgraben zeigt, den wir auch passiren müssen, um durch das Grimmaische Thor in die Stadt hineinzugelangen. Der innere Thor- bogen stammt vom Jahre 1577, der äußere ist 1688 erbaut. Ueberragt wird das Thor von dem mächtigen „Schuldtburme". In der Thorwölbung fällt uns eine schwarze Tafel auf. Wir finden auf derselben die Stunde verzeichnet, zu der am Abend auf ein Zeichen mit einer Glocke vom Rathbause das Thor wie alle übrigen Leipziger Stadtthore verschlossen und (bis 1823) nur gegen Erlegung eines Groschens dem späten Wanderer geöffnet wird. Wer in einem Wagen sitzt, zahlt 6 Groschen. Nur die „ordinairen" Posten sind frei, aber Extraposten mästen zahlen. Fahrende finden nur am Grimmaischen Thore Einlaß, der ein wenig umständlich ist, da auf das Klopfen am äußeren Gatter die Schildwache den Corporal herausruft und dieser daS Recht hat, zu fragen, wer man sei. Am AuSgange des ThoreS erblicken wir rechts das niedrige Wachtlocal der berühmten Leipziger Stadt soldaten in ihren langen blauen Nöcken, rothen Westen und Beinkleidern, schwarzen Gamaschen und Dreimastern. Links ziehen sich längs der 1817 modernisirten Paulinerkirche, zum Theil aus Leichensteinen errichtet, Arkaden oder Colon naden F-ttilleton. Ein Taufpathe. Ein Genrebild von Albert Ladvocat. Au» dem Französischen von Wilhelm Thal. (Nachdruck verboten.) „Nun, Herr Schwiegersohn, haben Sie sich die Sache überlegt?" „WaS denn, Schwiegermama?" „Wie! Sie fragen, wa-? Ja, wo haben Sie denn den Kcpf? Ja, haben Sie denn nicht an die ernste dringende Frage gedacht, wen wir zum Pathen Ihre« Sohnes machen?" „Aufrichtig gesagt, nein!" „Entsetzlich. Sie vergessen doch Alle-! Nun, so hören Tie mich; ich möchte, daß das Kind den Namen Emil erhält." „Warum denn gerade Emil?" „Ich batte einen Vetter, der Emil hieß, und dem es im Leben sehr gut gegangen ist, — er ist dreorirt. Kurz, alle EmilS haben Glück." „Siebe Emil Zola! Na meinetwegen also, Emil, wenn Ihnen dieser Name so gut gefällt. Aber da wir uns mit ter Taufe zu beschäftigen haben, wen sollen wir denn zum Pathen wählen? Ich hatte an meinen alten Kameraden Lascoux oder an Herrn Castaguet gedacht." Montag den 24. August 1896. SV. Jahrgang. bin, die zu Kaufmannslädeu eingerichtet sind, während hier noch vor wenigen Jahren ein Kirchhof sich befand, dessen unbebaut gebliebenen Theil jetzt zur Zeit der Messen die Blechwaarenbändler einnehmen. Hinter der Kirche zeigt ein schöner, gewölbter Gang noch viele Grabdenkmäler berühmter UniversitätSmitglieVer. Auch der botanische Garten neben dem Fürstcnhause ist nach der Grimmaischen „Gasse" zu in Arkaden verwandelt worden. Weiter gelangen wir zur ältesten Apo theke Leipzigs, genannt „Zum goldenen Löwen". Hier können wir ein vortreffliches, besonders an Conchylien reiches Natura- lieucabinet besichtigen, das 1686 der Apotbekenbesitzer Heinrich Linck gründete. Leipzig hatte im Jahre 1821 vier Apotheken. Machte aber schon die Stiftung der vierten („Zum weißen Adler") im Jahre 1705 Schwierigkeiten, die erst eine Ver fügung des Landesherrn hob, so führten Schritte, die man damals wegen der gestiegenen Volksmenge zur Errichtung einer fünften Apotheke tbat, zu keinem Resultat. An der linken Ecke der Grimmaischen „Gasse und des „Neuen" Neu marktes erhebt sick das 1799 vom Buchhändler CrusiuS, dem Verleger von Christian Felix Weiße'ü Kinderschriften, erbaute Eckhaus, das „beiden Straßen zur Zierde dient". Auf dem Naschmarkl bemerken wir neben dem Gebäude des vereinigten Criminal- und Polizeiamtes (früheren Nathsgarküche) die 1578 erbauten „Fleischbänke", ein massives, steinernes, vier Stockwerke hohes Gebäude, in dessen tiefen Kellern das Fleisch lagert, das in den Gewölben an der Reichsstraße verkauft wird. Außerdem befindet sich darin die Personensteuer expedition, Bierniederlagen, eine Trinkstube, eine Stube für die Chaisenträger, Laternenwärter rc. Der über dem Burg keller befindliche kleine Thurm war früher das Gefängniß für bankerotte Kaufleute und heißt immer noch von seinem ersten Bewohner Spindlerthurin. Unter dem Treppenvorbau der Börse stehen seit 1816 die Sänften und die stier verkehrenden Kaufleute können hoffen, einst unter den hier seit einigen Jahren anzepflanzten Linden lustwandeln zu können. Kommen wir auf den „großen, stellen und schönen" Saal des Rath Hauses in der Zeit zwischen 11 und 12 Uhr, so finden wir „ein für den Menschenbeobachler ungemein inter essantes Getümmel von Beklagten und Klägern, Schuldnern und Gläubigern, Advocaten und Dienern des Gerichts, welches bunte Gemisch durch neugierige Müßiggänger öfters noch be deutend vermehrt wird Denn hier sind die Expeditionen des OberhosgerichtS, die Contributionsstube, das Handels gericht, der Schöppenstuhl, die Schoßstube, das Stadtgericht, das Rügengcricht, die Einnahincstustc, die Lcichenscstreiberei, das Berathungszimmer des Magistrats und die Stadt schreiberei, während das zweite Stockwerk Versatz- und Vor mundschaftsstube, Landstube, Stempelimposteinnabme, Steuer expeditionen, Stuben für Schuldner und Gefängnisse für ein gefangenes Gesindel, zur ebenen Erde aber die Wachtstube der Gerichlsdiener, die Stockmeisterwohnung, die Hausvater wohnung und die Expedition des Stadtschuldcntilgungsfonds sich befinden. Unter den Bühnen ziehen uns besonders die hier zum Verkauf stehenden Vorräthe Meißner Porzellans und die Sellier'sche Handlung an, die „das Kostbarste enthält, was Geschmack und Kunst in Bijouterien, Uhren, französischen Vasen, Porzellan, Kämmen und tausend anderen Artikeln des Luxus liefern können". Wenn wir unfern Spaziergang im Sommer angctreten haben, so kommen wir vielleicht gerade, wie die Stadtpfeifer vom Altane des Rathhauscs herab, über den Pranger, der bis 1830 noch in Anwendung kam, eine lustige Musik ertönen lassen. Die NatbhauSuhr ist neben der auf dem Jobanniskirchthurm die einzige Schlaguhr der Stadt, und nach ibr haben sich die Tbürmer auf den übrigen Thürmen zu richten. Auf der Südseite des Marktes steht das vormals Apel'sche, jetzt Tbomä'sche Haus, in dem am 15. October 1820 Fürst Schwarzenberg starb und in dessen Hintergebäude rin „schöner, nur etwas zu dunkler Saal mit einem vortrefflichen Gemälde im Plafond, den Olymp dar stellend, öfters zu musikalischen, theatralischen und ähnlichen Unterhaltungen von Privatpersonen benutzt wird." Der daneben liegende Auerbach'S Hof ist „keineswegs mehr eins der schönsten Gebäude Leipzigs". Wir wenden uns, vorüber an dem 1581 errichteten Goldenen Brunnen, nach der Katharinenstraße zu, bewundern „Koch's Hof" als „ein fast palastähnliches Gebäude, das der Kaufmann Koch 1737 anfführen ließ, und das „die Menge der Gewölbe darin, die vielen Bewohner deS Hauses zu einem der lebhaftesten Puncte macht. Wenn diese Straße sich durch stattliche Gebäude ganz besonders auSzeichnet, so ist dock das ansehnlichste darin das 1717 von der Schocher'schen Familie erbaute, in dem sich das ansehnlichste Kaffeehaus Leipzigs, daS Klassig'sche, befindet. Ein Saal im zweiten Stockwerke dient ost zu Concerten, Bällen u. s. w. und bildete einst einen Theil der Wohnung des Professors Ernst Platner. Auf dem Brühl treffen wir „Tausende von Juden, Russen, Fuhrleuten, Ablädern, Käufern und Verkäufern in wechselndem Verkehre". Wir werfen nun einen kurzen Blick in die Gegend der uralten Nathswaage an der Ecke der Rilterstraße, mustern an der Ecke „daS schönste, mindestens berühmteste Privat- bauS" von Leipzig (Richter's KasfeehanS) gegenüber dem Kaffee hause im Apfel, und lenken, den Gasthos „Zur weißen Taube" und das Theater, wo beim Scheine Arqant'scyer Lampen außer der Messe wöchentlich drei bis fünf Mal gespielt wird, und biegen beim „Schwarzen Bär" in^die Hainstraße ein. Auch hier sehen wir schöne und große Häuser, z. B. den „Birn baum", das „Große Joachimsthal" und den „Goldenen Stern". Vom Barfußgäßchen aus gelangen wir in die Klostergasse, deren berühmtestes Gebäude das „Hotel de Taxe" ist. Die vornehmsten Fremden steigen hier ab, hier gilt die Table d'hote für die beste und der Saal als der ansehnlichste. Tas Amtbaus an der rechten Ecke am Thomaskirckhofe ent hält eine Anzahl königlicher Expeditionen, die Post mit ihren „gelben Kutschen", die Kreishauptmannschaft und die Wohnung des Kreisamtmanns; auch hält darin das Consistorium seine Sitzungen ab Hinter der Thomaskirche liegt die Thomas- sckule, wo 59 Alumnen Wohnung, Kost und baare Unter stützungen erhalten, wofür sie in den Kirchen und bei Begräbnissen und jede Woche dreimal auf den Straßen zu singen verpflichtet (die Currende). Die beiden letzteren Dienst pflichten wurden, nachdem die Perrücken und Mäntel am 9. Juli 1793 abgeschafft waren, in Dreimastern ausgeführt, an deren Stelle dann schwarze Cylinderhüte traten. Tstomas- cantor ist (bis 1823) der bekannte Johann Gottfried Schicht. Von der Burgstraße aus gelangen wir au der „alten Badcrei vorüber in die Pleißenbürg über einen Damm, der 1774 an Stelle eines Wallgrabens und einer Brücke auf geschüttet wurde. In dem „Trotzer" gegen die Stadt zu befinden sich große Wollniederlagen. Gegenüber stößt an den Thurm die katholische Kirche, deren Schiff auf zehn Pilastern ruht. Ihre drei Altäre sind mit trefflichen Gemälden geschmückt. Das Grabmal des Fürsten Jablonowsky aus weißem Marmor enthält nur sein Herz. Auf demselben Schloßhofe ist seit 1816 die katholische Schule. Ueber der Kirche un zweiten Stock werke, früher die Wohnung des Schloßhauptmanns, wohnen die vier katholischen Geistlichen. Im dritten Stockwerke finden wir die Steuercreditcasse, die Buchhalter« und daS Zimmer der ökonomischen Societät. Der Schloßthurm wurde 1790 in eine Sternwarte verwandelt und 1817—1821 auf der Ostseite ein Anbau auf die Galerie hinaus zu Meridian beobachtungen gemacht. In der Nähe derselben ist auf könig liche Kosten ein chemisches Laboratorium eingerichtet. Tie am Thurme liegende Bastei birgt eine Feuerwerkstätte, darauf stabe» die katholischen Geistlichen einen Garten eingerichtet. Nach Westen zu liegen über der 1764 gestifteten Zeichnungs-, Malerei- und Architecturakademie (Director Veit Hans Schnorr von Carolsfeld) große Getreidemagazine für daS Militair, im Erdgeschosse die Floßholzexpedition, Salzver- wallerei u. A. Der um daS Schloß führende Wassergraben ist seit 1765 in einen Obstgarten verwandelt worden. Nunmehr wenden wir uns von dem 1773 gebauten Ooliogium zuriclicum (neues Petrinum) und der Sckloß- gasse aus in die Petersstraße, mustern die Gasthöfe „Zum Reiter", „Zur Stadt Wien" und „Zu den heiligen drei Königen", nackdem wir beinahe achtlos an der unscheinbaren Pelerskircke vorbeigegangen sind, ferner das „wohl in ganz Deutschland bekannte" Hotel de Baviöre und das „durch Eleganz, die fast an Prackt grenzt, im Aeußern wie im Innern" ausgezeichnete Hotel de Rnssie. In einem Stalle des ersteren „wohnte" am 11. Februar 1821 der „Philosoph" Pitschaft, genannt „der Unaufhaltsame", ein moderner Diogenes, der 1833 im Jrrenhause starb, nachdem er zehn Jahre srühcr in der Stötteritzer Papiermühle zum Besten der Armen freie Vorträge und Declamationen abge halten hatte. Unmittelbar an die Peterskirche stößt das Kornhaus mit seinen sechs Stockwerken und 17 mit eisernen Laden verschließbaren Fenstern. Außer Korn bewahrt man darin auch Holz, Kohlen u. A. auf. Dahinter läuft der auS- getrocknete Stadtgraben mit seinen Gärten und seiner neben der PeterSbrücke stehenden riesigen Pappel. Vorbeiaekommen am Sperlingsberge betrachten wir am „alten" Neumarkte das Gewandhaus als „eins der schönsten und größten öffent lichen Gebäude". Sein Hof bildet den Meßplatz für die Tuch- und Buckhändler. Im Zeughause daneben befand sich bis 1820 die Wollwaage. Jetzt ist darin seit 1782 der be kannte Concert- und Ballsaal, nach dem Kupfergäßchen zu Professor Platner's, durch Oeser's Meisterhand und Büsten alter Weiser verzierter Hörsaal und — außerhalb der Messen — der Universilälssechlbodcn. An der Ecke des Gewant- gäßckens bat seit 1747 die RathSbibliothek ihre Räume, die vor 75 Jahren mehr wie heutzutage ein Aufbewahrungsort für Gemälde, Statuen, Urnen rc. war. Das Paulinum ist damals nächst der Pleißenburz das größte Bauwerk Leipzigs. ES enthält Hörsäle, Convict, «Buchbändlerbörse, Synagoge, Anatomie, Universitäts-Bibliothek, Sludentenwohnungen rc. Die Nikolaikirche, zu der wir nun wandern, hat erst 1822 ihren Dachreiter verloren, von dem herab ein Glöckcken die Sänger zur Hora rief. Sie ist durch den Baumeister Dautbe vor kurzem restaurirt worden. Vom „Sckwarzen Brel" ist der größte Theil baufällig und das ^uäitorium meäicum ganz verfallen. An der schon erwähnten Ratbswaagejvorbei kommen wir, uns rechts wendend, an das Arbeitshaus für Freiwillige (Mädchen) und das daran stoßende Georgenbaus, das Ver pflegungsanstalt für körperlich Schwache, Waisenhaus, Armen- dauS und Besserungsanstalt zugleich ist. Ueber dem Portal prangt in Stein gehauen der Ritter Georg mit dem Lindwurm. In der Mitlte des großen Häuservierecks steht die Kirche. Die Waisenkinder, gegen hundert, erhalten auck im Singen, Exerciren und anderen „Nebendingen" Unterricht. Durch eine eigentlich nur für sie seit 1797 im Zwinger an gebrachte Pforte schlüpfen wir aus der Stadt hinaus, wenden uns links und finden bis zum Ranstädter Thor fast gar keine Häuser. Nur die Stadtmauer ist mit Hintergebäuden vom Brühle her überbaut. Neben dem schon erwähnten Theater steht das alte Neilhaus, erbaut 1717, und das neue, erbaut 1821, gegenüber bis 1822 das Ranstädter SchicßbanS ter Armbrustsckützen, die dann in die Funkenburg ziehen. Wie das alte Hallesche Thor 1820 abgebrochen und durch ein einfacheres mit bequemer Fahrstraße und bequemen Fuß wegen versehenes ersetzt wurde, so ist man eben im Begriff, das Ranstädter Thor einzureißen, das wegen seiner Bau fälligkeit, Enge und Krümmung längst schon sehr unbequem erschien, und vafür ein einfaches Portal zu errichten, zumal da zu befürchten stand, daß einmal durch die aus dem Theater in die Stadt drängende Menge ein Unglück ange- richtet werden könnte. Ter Ranstätter Zwinger gebt an diesem Tbore bis zum Barfußpförtchen. Bis zur Pforte, die aus den Neuen Kirchhof gebt, giebt es hier nur einige alte, unansehnliche, zum Theil an die Zwingermaner aufgcbaute oder darüber angelegte Wohnungen. Bis zur Barfußpforte folgen nur Hinterhäuser des Neuen Kirchhofs. Ter TbomaS- zwinger ist eng und schmutzig. Am Eingänge steht noch ein Stück der Stadtmauer und eine thurmähnliche Böschung. Der davor liegende Stadtgraben wurde schon 1784 in eine Gartenanlage umgewaudelt und enthält zum Theil eine be deutende Baumschule. Die auf die Stadtmauer aufgesetzte Schulgasse zeigte eine Reibe sckmutziger Hütten, die den be zeichnenden Namen der „Baracken" trugen, sind aber neuerdings durch nette Gebäude ersetzt, an die sich die Freischule und Lehrerwobnungeu anschließen. Die Gasse schließt mit dem in seiner jetzigen Gestalt erst seit 1816—1817 stehenden Ge bäude der Freimaurerloge zu den drei Palmen. Vom Peters thore an bis zum Grimmaischen Thore läuft der PcterS zwinger. Ersteres ist von allen Thoren das geschmackvollste, obgleich es wegen seiner Enge den Fußgängern keineswegs zusagt. August der Starke ließ eS 1723 bauen. Es besteht auS Quadersteinen und bat zwei Portale. DaS innere zeigt dorische Ordnung und Trophäen über dem Hauptgesimse; im Giebelfelde schwebt ein Adler über einem Kisten, auf dem Krone, Schwert und Scepter liegen. Ueber diesem Eingänge ist zu lesen: ^.uspiciis bUckvrici ^uZusti Uogis?oliuaium et Illectoris Zaxouias 1'riucipis optimi katris katiias port» liuoe ruinosa et vetustate cwkormi8 acl ckecus ui dis iu8taui ata «8t I). HIOEEXXIll. Das äußere Portal Hal toskanische Ordnung. Ueber dem Eingänge sieht man die Wappen von Polen und Sachsen, zu beiden Seiten Waffen, und über den Portalbogen sind Vasen aufgestellt. Die Brücke davor ruht auf zwei Schwibbogen und war bis zum Jahre 1776 länger. Weiter kommen wir zu der auf der Moritzbastei liegenden Bürgerschule, deren rechter Flügel erst 1825 ausgebaut wird. — Nachdem wir unseren Gang durch die innere Stadt und um Vie Stadt vollendet haben, wandern wir zum Rcßplatz?, auf dem besonders in der zweiten Meßwoche ein lebhafter Castaguet! Der könnte mir gefallen! Er hat fünf Neffen und acht Nichten. Denken Sie, daß der sich nm sein Vathen- kind bekümmern wird? Was Ihren alten Freund LaScoux anbelangt, so ist er rin Knauser. Er würde einen Bonbon in vier Theile schneiden. Und Sie wissen doch, daß wir mindestens 200 Düten Bonbons haben müssen." „200 Düten Bonbons! Aber wozu denn, mein Gott." „Um sie unseren Freunden und Bekannten schenken zu können. ES giebt eine Menge Leute, die uns Dienste er wiesen haben oder uns welche erweisen könnten. Warum die Gelegenheit versäumen, ihnen eine Höflichkeit zu erweisen, besonders da es uns nichts kostet?" „Wahrhaftig, Sie haben Recht!" „Ich habe immer Reckt, Herr Schwiegersohn. Ach! eS würde seltsam in Ihrer Ebe bergehe», wenn ich nicht da wäre! Sie müssen sich daher einen sehr freigebigen Pathen suchen; er muß ferner eine hohe Stellung einnehmen, damit er Emil protegiren und ihm einen guten Posten bei der Regierung verschaffen kann. Schließlich muß dieser Pathe Junggeselle sein; denn wer weiß, wenn er sick an daS Kind anschließt, so würde er es vielleicht zum Universalerben ein setzen." „Sie denken wirklich an Meß; aber wo soll ich diesen Phönix ausfindig macken?" „Das ist Ihre Sache! . . . Suchen Sie! finden Sie! Nehmen Sie einen Wagen auf Zeit und machen Sie sich anö Werk!" „Schön! Ich werde mich zunächst an meinen AbtheilungS- chef wenden. Das ist ein reicher, angesehener Mann . . . . Dann gehe ich zu ... zu ... oder zu ... Na, ich brauche mir ja jetzt nicht den Kopf zu zerbrechen; ich werde schon Alles richtig besorgen!" II. Bei dem AbtheilungSchef. Ich komme, verehrter Herr, um Sie ergebenst zu bitten, mir die Ehre zu erweisen, als Taufpathe meines Erst geborenen zu fungiren." „Haba! sehr gut! Setzen Sie sich doch. Ich werde in meiner Statistik Nachsehen . .. Sehen Sie selbst, mein Herr, Sie sind der Vierunsiebzigste!" „Der Vierundsiebzigste?" „Gewiß, der Bierunvsiebzigste, der seit fünf Jahren diese Bitte an mich richtet. Und wissen Sie, mein Herr, wa« ick Ihren dreiundsiebzig Vorgängern geantwortet habe? Ich habe ihnen geantwortet, daß >ck mich eben darum nicht ver- beirathete, um keine Kinder zu haben. Sie langweilen mich, diese schreienden, quiekenden und Grimassen schneidenden Bälger. . . Sie begreifen also, daß ich Ihren Wunsch nicht erfüllen kann!" „Seien Sie überzeugt, Herr Chef, daß, wenn ich gewußt . . . daß, wenn ich hätte ahnen können . . ." „Oh, ich zürne Ihnen nicht! Sie sind der Vierund siebzigste, daß ist Alle«! Wenn e» Hundert sind, de- mstflonire ich!" m. Bei Herrn Lardigou, ehemaligem Notar. „Mein lieber Lardigou, Sie wissen Wohl, daß mich meine Frau mit einem strammen Jungen beschenkt bat . . . Sie kennen also wohl die Bitte, die ich an Sie richten will?" „Eine Bitte? . . . Hm! . . . Nein ... ich errathe sie wirklich nicht!" „Würden Sie geneigt sein, der Pathe meines Erst geborenen zu werden?" „Der Pathe! . . . Hm! . . . Aber gewiß! . . . Ich sage nickt nein! Ich bin sogar sehr glücklich ... um so mehr, da daS Schicksal diesmal hoffentlich ein Einsehen haben wird . . „Wie meinen Sie daS?" „Denken Sie sich . . . «S ist ganz merkwürdig ... denken Sie sick, daß ich schon fünf Mal Patbe gewesen bin, und daß meine fünf Pathen alle mit einem Gebrechen geboren wurden oder später ein- bekommen haben." „Teufel!" „Ja, der Erste hinkte, der Zweite war taubstumm, der Dritte bucklig ... der Vierte . . . wa» war brr Vierte?... ach ja, er hatte sechs Finger an der linken Hand . . . Wa den Fünften anbelangt . . ." „Halten Sie ein! Ich zittere!" „Nun, nun, da» ist reiner Zufall! Ich leide doch schließ lich nicht am bösen Blick. . ." „Nun, gestatten Sie mir ganz aufrichtig zu sein, ich bitte Sie, meine Bitte von eben als gar nicht geschehen zu be trachten . . ."
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