02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.08.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960827023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896082702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896082702
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- LDP: Zeitungen
- Saxonica
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-08
- Tag1896-08-27
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Neclumru unter dem RrdartionSstrich (4g<» spalten) öO/H, vor den Familtrnnachrichteu (6 gespalten) 40 Vrohere Schristrn laut unserem Preis, vrrzeichniß. Tabellarischer und Zifserojatz nach höherem Taris. Etttru-Beilagen (gefalzt), nur mit de, Morgen-Ausgabe, ohne Postbeforderung >l KO.—, mit Postbeforderung ^4 70.—. —o-— Annatsmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eiur halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Vr-ebitio» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Donnerstag den 27. August 1896. 9«. Jahrgang. Frankreichs angebliche Bedrohung im Jahre 1875. Zu dem obigen Thema liefert H. (zweifellos Horst Kohl. Ned.) in den „Berliner N. N." den nachstehenden wichtigen Beitrag: Zenseitö der Vogesen gilt es bis auf den heutigen Tag als beglaubigte Thalsache, daß Frankreich im Jahre 1875 unmittelbar vor einem Angriffe Deutschlands gestanden habe und nur durch das Eingreifen deö Fürsten Gortschakow vor dem Kriege bewahrt geblieben sei. Di« bekannten Depeschen Gortschakow s vom 13. Mai 1875, durch die er von Berlin aus den Cabineten verkündete, daß nunmehr der Friede gesichert sei, schienen allerdings den französischen Befürchtungen die autoritative Beglaubigung zu geben, die ihnen fehlte. Aber es war auch nur ein Schei n. Denn wenn auch seit dem „Krieg in Sicht "-Artikel der „Post" vom 8. April 1875 in der deutschen Presse wiederholt die Möglichkeit eines Krieges mit Frank reich und unberufen und theoretisch die Frage erörtert Worden war, ob nicht daS Interesse Deutschlands gebiete, den unruhigen Nachbar cinzuschücktern, so lagen doch dem verantwortlichen Leiter der deutschen Politik alle Kriegsgedanken fern. Wenn er den „Krieg iu Sicht"-Artikcl nicht öffentlich desavouirte, so leitete ihn dabei eine Er wägung, die er in seiner Rede vom 9. Februar 1876 in die Worte faßte: „Ich finde, wenn man das Gefühl hat, daß in irgend einem Lande die Minorität zum Kriege treibt, dann soll inan recht laut schreien, damit die Majorität darauf aufmerksam gemacht wird; denn die Majorität bat gewöhn lich keine Neigung zum Kriege." In der That wird der Krieg meist durch Minoritäten oder durch militairische Ein flüsse entzündet. Gortschakow bat es fertig gebracht, gerade den Fürsten Bismarck als Anstifter der Kriegsbeunruhigung der Welt zu denunciren. Le Flö, der damalige französische Botschafter am russischen Hofe, Gontaut Biron, der diplomatische Ver treter Frankreichs in Berlin, und der Herzog von Decazes, Frankreichs auswärtiger Minister, waren unter seiner Leitung die Hauptacteure in der politischen Comödie des Jahres 1875. Auf ihren Betrieb machte sich Lord Derby zum Ehampion Frankreichs, indem er den Mächten eine förmliche Friedens vermittelung anbot und auf ein Bündniß zwischen England, Rußland, Oesterreick und Italien hinarbeitete, dessen aus gesprochener Zweck sein sollte, die angebliche deutsche Kriegs last durch starken diplomatischen Druck »iederzuhalten. Daß diese Coalition nickt zu Stande kam, war dem Grafen Andrassy zu danken, der — nickt ohne Ironie — jede Theilnahme an einer gegen daS deutsche Reich gerichteten Action ablebnte, weil er keinerlei Anlaß habe, bei Deutschland eine friedenslörende Tendenz vorauszusetzen. ES hat an amtlichen Protesten der deutschen Regierung gegen diese Insinuation nicht gefehlt. Fürst Bismarck hat wiederholt vor dem Forum der Ocffentlichkeit den KriegS- lärm von 1875 für eine Eomödie seines russischen College,« erklärt (vgl. die Reden vom 9. Februar 1876, 11. Januar 1887 und 6. Februar 1888) und durch die in der „Nord deutschen Allg. Zeitung" erfolgte Veröffentlichung der amt lichen Berichte des damaligen Vertreters der deutschen Politik in St. Petersburg, des Prinzen Neuß, die Le Flü'schen „Ent hüllungen" als Phantasiestücke eines PhrascurS erwiesen. Gleichwohl wird das Märchen von der damaligen Bedrohung Frankreichs mit Zähigkeit von den Franzosen und ihren poli tischen Freunden in Deutschland festgehalten, theils aus Fenrlletsn. Sühne. 13j Roman von E. Halden. Nachdruck verboten. Es blieb Melanie nichts übrig, als die Einladung Ihres Gatten zu bestätigen, obgleich ihr Stadler unendlich zuwider war und sie sick vornahm, Albrecht zu bitten, ihn nickt wieder aufzufordern. Sie begriff nicht, wie er die unverschämte Vertraulichkeit dieses Menschen sich gefallen lassen konnte, ja, sich sichtlich Mühe gab, ihr freundlich zu begegnen, und eine unbestimmte Furcht überfiel sie. Man speiste heute ohne Gäste, waS den Zwang nur peinlicher machte. Erna, der Stadler nicht minder mißfiel al« ihrer Schwägerin, hatte doch Mitleid mit ihm und ging freundlich und geduldig auf seine Unterhaltung ein, während die Hausfrau nur stolze Zurück haltung zeigte, und der Freiherr oft düster vor sich hinstarrte und erst durch eine Anrede seines GastcS aus seiner Ver sunkenheit aufgeschreckt wurde. So wandte sich Herr von Stadler bald ausschließlich dem jungen Mädchen zu, dessen Anmuth und Lieblichkeit sogleich seine Bewunderung erregt batten; er erzählte von seinen weiten Reisen, die fast alle Welttbeile betrafen, und es war nicht zu leugnen, daß er viel erlebt, mit Scharfblick beobachtet hatte und gut zu schildern wußte, und wider Willen erweckte er auch Melanie's Interesse. Dennoch athmeten Alle erleichtert auf, als er sich nach aufgehobener Tasel empfahl, denn so wenig Zartgefühl er besitzen mochte, konnte selbst er sich nickt verhehlen, daß sein Besuch die Grenze de» Zulässigen längst überschritten hatte. Krau von Wildburg erwiderte den Schwall seiner .Höf lichkeiten nur mit einem hockmütbigen Neigen ihres schönen Kopse», was ihn aber nickt binderte, den Aeußerungen seines Dankes für die liebenswürdige Aufnahme die Versicherung der baldigen Wiederholung jenes Besuches binzuzufügen, eine Aussicht, die der Hausfrau auch nicht ein Wort entlockt«, so daß Erna ii« ziemlicher Verlegenheit statt ihrer stammelte: „Wir werden uns sehr freuen." Der Freiherr gab seinem Gast selbst daS Geleit bis an seinen Wagen, und als er zu den Damen zurückkehrte, die auf der Terrasse saßen und wie befreit aufatbmeten, rief ihm Melanie entgegen: „Welch ein widerwärtiger Mensch! Ich werde Befehl geben, daß wir ein für allemal nicht zu Hause Feindschaft gegen den Fürsten Bismarck, dem man einen blut dürstigen Haß gegen Frankreich andichtet, theils aus politischer Berechnung, weil NußlaatS rettende That von 1875 Vie Dankbarkeit Frankreichs unk seine Hingabe an den russischen Zaren zu rechtfertigen scheint. Wenn wir heute ein geschichtliches Zeugniß von hervor ragender Bedeutung publiciren, durch welches die Unschuld BiSmarck's an der angebliche«! Kriegsfurcht Frankreichs erwiesen wird, so schmeicheln «vir uns nicht mit der Hoff nung, die Franzosen eiiieS Besseren zu belehren, aber wir erwarte» von der Geschichtschreibung wenigstens in Deutsch land, daß sie von diesem Documente Kcnntniß nehme. Dieses Zeugniß findet sich in einen« bisher nicht veröffentlichte» Schreiben des Fürsten Bismarck ai« Se. Majestät Kaiser Wilhelm I. vom 13. August 1875, das die Ant wort auf einen Brief Kaiser Wilhelm'« I. bildet, durch den derselbe seinem Kanzler einen Brief der Königin Victoria von England zur Kenntnißnahme — nicht zur Rechtfertigung, den» einer solchen bedurfte es nicht — von Gastein aus am 8. August übersandte. Das Schreiben bat folgenden Wortlaut: Varzin, 13. August 1875. Eurer Majestät huldreiches Schreiben vom 8. e. ans Gastein hab« ich mit ehrfurchtsvollem Danke erhalten und mich vor Allem gefreut, daß Eurer Majestät die Eur gut bekoinmen ist, trotz alles schlechten Wetters in den Alpen. Len Brief der Königin Victoria beehre ich mich wieder beizusügen; es wäre sehr interessant gewesen, wenn Ihre Majestät sich genauer über den Ursprung der damaligen KriegSgelüste ausgelassen hätte. Die Quellen müssen der hohen Frau doch für sehr sicher gegolten haben, sonst würde Ihre Majestät Sich nicht von Neuem darauf berufen und würde die englische Regierung auch nicht so gewichtige und für uns so unfceunv- liche Schritte daran geknüpft haben. Ich weiß nicht, ob Eure Majestät es für thunlich halten, die Königin Victoria beim Worte zu nehmen, wenn Ihre Majestät versichert, es sei Ihr „ein Leichtes, nachzuweisen, daß Ihre Vesürchtungen nicht übertrieben waren." Es wäre sonst wohl von Wichtigkeit, zu ermitteln, von welcher Seite her so „kräftige Jrrthümer" nach Windsor haben befördert werden können. Die Andeutung über Personen, welche als „Ber- treter" der Regierung Eurer Majestät gelten müssen, scheint auf Graf Münster zu zielen. Derselbe kann ja sehr wohl, gleich dem Grasen Moltke, akademisch von der Nützlichkeit eines rechtzeitigen Angriffs aus Frankreich gesprochen haben, obschon ich eS nicht weiß und er niemals dazu beauftragt worden ist. Man kann ja sagen, daß eS für den Frieden nicht förderlich ist, wenn Frankreich die Sicherheit habe, daß es unter keinen Umständen angegriffen wird, es mag thun, was eS will. Ich würde noch heut wie 1867 in der Luxemburger Frage Eurer Majestät niemals zureden, einen Krieg um deswillen sofort zu führen, weil wahrscheinlich ist, daß der Gegner ihn bald beginnen werde; man kann die Wege der göttlichen Vorsehung dazu niemals sicher genug im Voraus erkennen. Aber es ist auch nicht nützlich, dem Gegner die Sicherheit zu geben, daß man seinen Angriff jeden- falls abwarten werde. Deshalb würde ich Münster noch nicht tadeln, wenn er in solchem Sinne gelegentlich geredet hätte, und die englische Regierung hätte deshalb noch kein Recht gehabt, auf außeramtliche Reden eines Botschafters amtliche Schritte zu gründen und sang nous «lirs xare die anderen Mächte zu einer Pression auf uns aufzufordern. Ein so ernstes und unfreundliches Verfahren läßt doch vermuthen, daß dir Königin Victoria noch andere Gründe gehabt habe, an kriegerische Absichten sind, wenn er seine Drohung ausführen und unS wieder über fallen sollte." „Ich möchte Dick sehr ernst bitten, daS nicht nur nicht zu thun", siel der Freiherr in scharfen« Ton ein, „sondern dem armen Stadler auch in Zukunft da« Entgegen kommen zu zeigen, das jeder meiner Gäste von der Herrin des Schlosses erwarten kann und an dem Du eS leider sehr fehlen ließest." Noch nie batte er in diesem Tone mit seiner Gattin ge sprochen, Erna sah erschrocken auf und benutzte einen Vor wand, um sich zu entfernen. Melanie hatte mit den auf- steigeiiden Thränen zu kämpfen, aber sie bezwang sick und erwiderte mit ruhiger Stimme: „Ich würde ihm die Höflich keit der Hausfrau nicht versagt baden, wenn seine an Frech heit grenzende Vertraulichkeit nicht fortwährend des Zügels bedurft hätte. Du hast nie seinen Namen genannt, und ich bin erstaunt, daß Beziehungen zwiscken Dir und einem solchen Menschen bestehen konnten, die ihm gestatten, sich be ständig auf Deine Freundschaft zu berufen." „In der Jugend wählt man nicht immer mit genügender Sorgfalt", sagte der Freiherr heftig; „Stadler ist bei all seinen Schwächen und Fehlern doch Da», wa« man einen fluten Kerl nennt und er bat mir manchen Dienst erwiesen «n meiner damaligen bedrängten Lage, für den ich ihm Dankbarkeit schulte. Er entstammt einer begüterten Familie au« Krain, und die ungezwungene Landesart, die uns Nord deutschen sonderbar erscheint, erklärt manche seiner Eigen- tbümlichkeiten. Bei seinem umherschweifrndrn Leben mag er auch in sehr gemischte Gesellschaft gerathen sein, doch da wird sich wieder verlieren, nun er sich seßhaft gemacht bat und in den Kreis der Civilisation zurückkehren will. Ick muß Alle« tbun, um ibn« die- zu erleichtern." „Nicht möglich! Du wirst ihn doch nicht in die hiesige Gesellschaft rinführen wollen!" rief Melanie entsetzt au«. „DaS ist meine Absicht, und ich bitte Dich, sie al« unab änderlich zu betrachten", sagte der Freiherr schroff. „Am besten erreiche ich nieinen Zweck, wenn ich ibn in unserem Hause vorstelle. Wir wollen in der nächsten Woche eine Gesellschaft geben, die Alle- vereinigt, wa« in unsere Kreise gehört." „Dann erwarte aber nicht von mir, daß ick Deine Gäste empfang«; ick wenigsten« will keine Bürgschaft übernehmen, indem ich ihnen «inen solchen Menschen unter unserem Dach vorstelle", ries Melanie au-, deren ergebene Sanftmuth zu glauben, als gelegentliche Gesprächswendungen des Grasen Münsler, an die ich nicht einmal glaube. Lord Russell hat versichert, daß er jederzeit feinen festen Glauben an unsere friedlichen Absichten berichtet habe. Dagegen haben alle Ultrainontane und ihre Freunde uns heimlich und öffentlich in der Presse angeklagt, den Krieg in kurzer Frist Zu wollen und der französische Botschafter, der in diesen Kreisen lebt, hat die Lügen derselben als sichere Nach richten nach Paris gegeben. Aber auch daS würde im Grunde »och nicht hinteichen, ber Königin Victoria die Zuversicht und das Ver trauen zu den von Euerer Majestät Selbst drmentirlen Unwahr heiten zu geben, die höchstdieselbe noch in dein Bkiese vvm 20. Juni ausspricht. Ich bin «nit den Eigenthümlichkriten der Königin zu wenig bekannt, um eine Meinung darüber zu haben, ob es möglich ist, daß die Wendung, eS sei „ein Leichtes nachzuweisen" rliva nur den Zweck hoben könnte, eine Uebereilung, dir einmal geschehen ist, zu «naskirrn, anstatt sie offen «lnzugestehen. Verzeihe Eure Majestät, wenn das Interesse de- „Fachmannes" mich über diesen abgemachten Punct nach dreimonatlicher Enthaltung hat weitlüuftig werden lasten. Die türkischen Sachen können kaum große Verhältnisse annehmen, wenn nur die drei Kaiserhösr einig bleiben, und dazu können grade Eure Majestät am erfolgreichsten wirken, weil wir di« Einzigen sind, die zunächst, und noch sehr lange, keine directen Interessen auf dem Spiele stehend haben. Im Uebrlgen kann es für unk nur nützlich sein, wenn die öffentliche Aufmerksamkeit und die Politik der andern Mächte sich einmal einer andern Richtung als der deutsch-franzö sischen Frage eine Zett lang zuwenden. Da Eure Majestät die Gnade haben, meiner Gesundheit zu er wähnen, so melde ich darüber ehrfurchtsvoll, daß die sechs Wochen lang durckgeführtr Kissinger Cur mich schließlich doch mehr als im vorigen Jahr« angegriffen hat. Ich bin sehr matt geworden, kann wenig gehen und noch gar nicht reiten. Ein Regime von Malz- und Soolbädern soll dem nun wieder abhelfen und haben dir vier ersten in der That gut gewirkt. Ich hoffe daher, daß die nächsten sechs Wochen mich wieder geschäftsfähiger machen werden, wenn ich auch fürchte, daß ich auf Eurer Majestät huldreiche Nachsicht in höherem Maße rechnen muß, al- meinem Pflichtgefühl zulässig scheint. Meine Frau und Tochter danken ehrfurchtsvoll für Eurer Majestät huldreiche Erinnerung und empfehlen sich der allerhöchsten Guade. v. Bismarck. Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. August. Die „Nationalzeitung" bat mit ihrem Vorschlag einer An näherung von Nationalliberalismus unv Freisinn bei den eigenen Parteigenossen kein Glück gehabt. Daß und warum dies nicht anders sein konnte, baden wir kürzlich auseinander gesetzt. Aus der angesprochenen Partei heraus waren bisher nur Antworten in Preßorganen erfolgt, die, soweit die freisinnige Volkspartei in Betracht kommt, nicht« zu „sagen" baden, weil Herr Richter nicht hinter ihnen steht. Dieser Parteiführer spricht nun, und damit bat die „Nationalzeitung" ihren officiellen Bescheid. Die „Freis. Ztg." sagt zwar, die Bemerkung eines nationallideralen Blattes, wenn „Eugen Richter nicht wäre", ließe sich über die „Annäherung" reden, beruhe auf einer „außerordentlichen Ueberschätzung der Persönlichkeit von Eugen Richter". Aber daS ist eine Verwahrung, die einzulegen der Leiter der „Freis. Ztg." schon mit Rücksicht auf die eigenen Parteigenossen nicht unterlassen durfte. Die Persönlichkeit des Herrn Richter überschätzt man, zumal in nationallideralen Kreisen, gewiß nicht, WaS aber dessen Stellung in seiner Partei an gebt, so ist er dort nach wie vor Allah und sein Prophet zu gleich. Was antwortet nun die freisinnige Volkopartei durch den Mund ihres Führers auf die Anregung der „Nationalzeitung" ? Diese batte als Bedingung der „An näherung" bezeichnet: Abrücken des Freisinns vom Centruin. Darauf erwidert Herr Richter mit einer Ablehnung: „Wir wüßten nickt, waruin wir nicht einem Nationalliberalen vor einein Conservativen oder einen« Freiconjrrvativen den Vorzug geben sollten, vorausgesetzt, daß die nationalliberale Flagge nicht eine coniervative Politik bei dem Eandidaten deckt. Dem Ecntruin haben wir bisher naher gestanden in Fragen der Steuerpolitik und der Militairpolitik, sowie der allgemeinen Verfassungspolitik. Die Frage, ob ein Centruinscandidat oder ein nalionalliberaler Candidat vorzuziehen ist, hat für die Freisinnige Bolkspartei eine praktijche Bedeutung nur in ganz wenigen Wahlkreisen, und auch dort nur, insofern der CcntrumScandidat in Bezug auf Steuer-, Militair- und Verfassungsfragen der Freisinnigen Volkspartei näher steht. Wa- die Deutsch-Hannoveraner anbetrifft, so haben dieselben sich neuerlich in agrarischer Richtung sehr bedenklich entwickelt." „Dem Centrum haben wir bisher näher gestanden in Fragen der Steuerpolitik und der Militairpolitik, sowie der allgemeinen Verfassungspolitik"; mit anderen Worten: in der Reichspolitik, in den nationalen Fragen. Und dabei soll es bleiben, mit keinem Wort deutet die „Freis. Ztg." die Ge neigtheit zu einer Acnderung an. Sie thut, als ob die „Nationalzeitung" nur vor allein die Wahlen und nickt auch das Verhalten der Volkspartei zum Centrum im Reichstage im Auge babe, und weicht ferner selbst in der Frage der Wablnnterstützung mit der ganz unzu treffenden Bemerkung aus, daß nur „ganz wenige Wahlkreise" in Betracht kämen. Die weiterhin be kundete Bereitwilligkeit, bei den preußischen Landtagswahlei« in „eine allgemeine liberale Wablbewegunq" einzutreten, be kräftigt nur die Ablehnung in Sacken der NeickSpolitik; denn Herr Richter selbst betont: „In Fragen des Schulwesens und der Comniunalverwaltung haben sich Nationalliberale und Freisinnige immer näber gestanden." Diese Fragen machen aber eben unsere, nationalliberale, Welt für sich allein nicht aus, Allem voran geht uns das Nationale. Und daß Herr Richter in diesem Pnnct nicht nur gleichgiltig, sondern positiv gegnerisch gerichtet ist, das muß für Denjenigen, der ihn bisher noch nicht ganz erkannt bat, niit erschreckender Klar heit daraus hervorgeben, daß er ein künftiges Cooperiren mit den Welfen für zweifelhaft erklärt, weil, und nur weil, diese sich in „agrarischer Richtung" bedenklich ent wickelt haben. Andere Gründe gegen die Unterstützung der geschworenen Feinde Preußens und des Reiches kennt Herr Richter auch heute nicht. Dabei wird sich wohl auch die „Nationalzeitung" beruhigen. Die bedauernkwertben Ausschreitungen gegen Ita- licnrr, die sick 'n den letzten Tagen in Brasilien ereignet haben, sind eine Folge der Hetze, die junge Studenten und nativistische Hitzköpfe seit langer Zeit gegen die italienische Colonie unterhielten, weil die Regierung deS Königs Humbert für die Schädigung, die italienischen Staatsangehörigen ari den Wirren des letzten Bürgerkriege«, besonders in Rio Grande doSul, erwachsen ist, Ersatz beanspruchte. Es war ein Abkommen zwischen beiden Regierungen zu Stande gekommen, wonach, wie es scheint, für einen Theil der Ersatzansprüche die Regierung sie zum ersten Male verließ und einem heftigen Zorn Platz machte. Ihr Gatte betrachtete sie stumm, ein unendliche« Mitleid lag in seinem Blick, dann sagte er weich: „Arme Melanie, wie Schweres verlange ich von Dir! Glaube mir, ich leide auch darunter. Aber eS muß sein!" „Vergieb mir, Albrecht, ich will ja Alles tbun, WaS Du wünschest", rief Melanie und warf sich an seine Brust. „Aber habe Vertrauen zu mir, sage mir, WaS Dich quält, welch unselige Macht dieser Mensch über Dich auSübt, laß unS Alles zusammen tragen." Albrecht hatte sie fest an sich gepreßt/ nun gab er sie frei und sagte ruhig: „Du bist angegriffen und siebst Hirn- gespiniiste, die nicht epistiren. Wenn ich Sorgen hätte, die ich Dir verheimlichte, so ist die einzige Art, mir wohl zu thun, daß Du mich in Frieden läßt. Frage mich nicht und forsche nicht, meine Last ist schwer genug." Melanie schmiegte sich eng an den geliebten Mann, und so standen sie lange und blickten von der blumengeschmückten Terrasse über die üppigen Grasflächen und die schönen Baumgruppen des Parkes hinaus in die tiefer liegende Ebene, die von den waldigen Ausläufern de« Gebirgszugs begrenzt wurde. Wogende Kornfelder wechselten mit schönen Waldungen, dazwischen tauchten die Kirchthürme und Dächer der Dörfer auf, hohe Fabrikschornsteine und klappernde Mühlen folgten dem Lauf deS Flusses, in der Ferne verkündeten dunkle Rauch wolken und das Stampfen und Aechzrn der Maschinen die Hüttenwerke, welche daö in den Bergen gewonnene Erz ver arbeiteten, und daS Alle« gehörte ihnen, diesen beiden Menschen, di( ihr Reichthum und ihre Stellung nicht schütze» konnte vor dem Unglück, da« sie beide herannahrn saben, der «ine in bewußter lähmender Qual, dir andere in schrecken«voll«r aufreibender Ahnung. Von dieser Stunde an richtete Melanie nie wieder einr Frage an ihren Gatten, ja, sie vermied jeden forschenden Blick; sie tbat nach seinen Wünschen, wie viel r« sie auch kostete, und sie gelobte sich, jetzt in doppelter Treue zu ihm zu stehen und ihm seine Bürde nicht zu erschweren, bi« e« ihr vergönnt sein würde, sie mit ihm zu tragen. Erna konnte die schwüle Atmosphäre, welche sie umgab, nicht verborgen bleiben, aber sie wurde doch dem Drucke der selben durch «hr eigene- Seelenleben entzogen. Sie sah dem Fell, da« Melanie mit so schweren« Herzen vorbereitete, voller Freude entgegen, denn gerade zu diesem Zeitpunkt wurde der Besuch de« Doctor« Blanden bei seinem Patienten erwartet, und sie würde in dem Gewirre der geladenen Gäste es nicht schwer finden, unbeobachtet mit dem Geliebten zu verkehren. Es war ihr, als begänne ihr Leben erst jetzt, als singe ihre Jugend, die sie bisher kaum empfunden, erst jetzt an; sie empfand mit Freude, daß sie schön und anmuthig war, und sie strebte danach, es in noch erhöhtem Grade zu sein. Noch nie hatte sie die Sorge für ihre Toilette so sehr in Anspruch genommen, noch nie war ihr die Wahl des Kleides und der Blumen und Bänder so wichtig erschienen. Ihr leichter Fuß trug sie Trepp auf. Trepp ab, und je ernster und stiller die Schloßfrau wurde, um so heiterer und fröhlicher war das junge Mädchen und nahm jener mit großem Vergnügen die Anordnungen ab, die ihr so schwer fielen. Ein Fest auf Schloß Wildburg wurde stets von allen Geladenen mit Freuden begrüßt; man war sicher, sich dort zu alnilsiren, wo sick Reichthum und Geschmack mit dein Eifer der Wirthe vereinten, es ihren Gästen angenebm zu machen. Nach ländlicher Sitte schloß sich an das Diner ein Gartenfest an; für einen Ball, dem nur der anspruchsvolle Name fehlte, war gesorgt, und man pflegte bis spät in die Nackt oder vielmehr bis zum frühen Morgen beisammen zu sein. Herr von Stadler gehörte zu den Ersten, die eintrafen. Die Sckloßfrau, die im Gartensaale die Gäste empfing, ließ sich seine wortreiche Begrüßung mit rubigcr Würde gefallen, dann fragte er nach Erna, die in einiger Entfernung mit Frau von Dürkheim sprach. Sie batte einige Rosen an ihrer Brust befestigt, die ihr Doctor Bland«n vor einer Stunde überreicht; daS kostbare Bouquet, welches Stadler «nit seinen« Reitknecht für sie am Morgen binübcrgesandt hatte, suchte er vergeben« in ibrer Hand, und so fragte er ohne Zögern, nachdem er ihr seine Verbeugung gemacht, Ma die armen Blumen verbrochen hätten, um eine so grausame Behandlung zu verdienen. „Ich fand sie viel zu schön für mich und konnte außerdem gar keinen Grund finden, der mich zu der Annahme be rechtigte, daß sie mir allein galten", erwiderte Erna mit merklicher Zurückhaltung, „so denke ick, daß sie dort in jener Vase, wo sie zu der Verherrlichung deS Feste- beitragen, der Absicht de« Spender« am besten entsprechen." Herr von Stadler wollte das nickt gelten lassen und be hauptete, daß jede Blume, die nickt für sie besonder« ihr Dasein hingeben dürfe, sich zu beklagen habe, dock Erna tbat, als verstände sie seine Anspielung nicht und wußte ihm
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