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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.08.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960828018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896082801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896082801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-08
- Tag1896-08-28
- Monat1896-08
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Gröbere Schriften laut unserem Preis, verzeichnib- Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit de, Morgen.Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l öl).—, mit Postbesördrrung 70.—. Ztnnahmeschluß für 2t«)eizen: Nbrad-Au-gabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen» Ausgabe: Nachmittag» »UhL Lei den Filialen und Annahmestelle» je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» aa die Expedition zu richte». Druck und A»r*oq von E. Bolz in Leivzlg SV. Jahrgang. Die Wahrheit über Armenien. ii. Die erhobenen Anklagen rechtfertigt vr. LepsiuS in weiteren Artikeln. Zunächst stellt er auf Grund zahlreicher Zeugnisse folgende Thatsache fest: In allen Städten und Landdistricten wurden die Priester der armenischen Gemeinden durch Einkerkerung, Folterungen, Bedrohung mit Tod und Androhung neuer Massacres durch die Behörden selbst gezwungen, lügenhafte Erklärungen, falsche Berichte, er heuchelte Dankadressen und gefälschte Dokumente jeder Art zu unterschreiben, des Jnbalts, daß sie selbst, die Armenier, durch revolutionaire Aufstände den Frieden gestört bätten, der nun Dank der Bemühungen der Regierungsbehörden wieder bergestellt sei. Unter den Belegen befindet sich fol gender Brief auS Arabkir vom 29. December 1895: „Mein lieber Bruder! .... Das cynischsle an dieser ganzen Sacke ist dies, daß nach allen Leiden, die wir haben erdulden müssen, man uns zwingt, Dankadressen an den Sultan zu unterzeichnen. Man zwingt uns sogar, zu sagen, daß wir selbst, die Armenier, all dies gethan bätten. Sind denn die Armenier verrückt geworden, daß sie sich selbst einer den anderen umgebracht und ihre eigenen Häuser"ver brannt haben sollen? Und ist Europa so blöde, daß man sich nickt sckämt, es mit solchen abgeschmackten Mitteln zu täuschen? Ob, sagen Sie es in Europa, wie es hier zu gegangen, damit man kommt, uns zu retten; ohne Hilfe sind wir verloren. Unser Elend ist furchtbar. Was die Massacres überlebt hat, Frauen, Greise, Kinder, kommt von den Bergen, wohin sie sich geflüchtet hatten, zurück; krank, halb nackt, er schöpft vor Hunger und Kälte, irren sie von Straße zu Straße, klopfen an die Thüren der Häuser, dir aus dein Brande übrig geblieben sind, und betteln. Aber Niemand hat etwas, ihnen zu geben. Man ißt Gras." Ein Bericht erzählt: „In dem Dorfe Hob, District Cbarput, versprachen die Agbas, die Christen zu schützen, aber als sie überall brennende Dörfer saben, weigerten sie sich, ihr Wort zu balle?-. Die Christen wurden in einer Moschee versammelt, 80 junge Männer wurden ausgewählt und zum Dorf hinausgeführt, um dort abgeschlachtet zu werden. Hunderte von armenischen Christen wurden gepeinigt, weil sie sich weigerten, Adressen an den Sultan zu unterschreiben, in denen ihre Verwandten und Nachbarn des Hockverralhs beschuldigt wurde». Einer z. B. batte sich geweigert, einen Eid zu leisten, der die besten Leute seines Dorfes dem Henker überliefert hätte. Daraufbin befahlen seine Richter, ibn zu foltern; eine ganze Nacht wurde darauf verwendet. Zuerst empfing er Schläge auf die Fuß sohlen in einem Raum, in dessen unmittelbarer Nähe sich seine weiblichen Angehörigen befanden. Dann entkleidete man ibn und band zwei Stangen, die von den Achselhöhlen bis zu den Füßen reichten, au seinem Körper fest. Dann wurden seine Arme auSgestreckt, die Hände an Stangen befestigt und dieses lebende Kreuz an einem Pfeiler festgebunden, worauf die Auspeitschung begann. Der Unglückliche vermochte kein Glied zu regen, um seine Schmerzen zu mildern, nur seine Gesichtszüge verriethen durch furchtbare Verzerrungen, welche Qualen er litt. Je lauter er schrie, um so wuchtiger fielen die Hiebe Wiederholt fragte man ihn, ob er den Eid leisten wolle. Aber er antwortet^» stets: „Ich kann meine Seele nicht mit unschuldigem Blut beflecken, ich bin ein Christ!" Nun holte man Zangen herbei, um ihm die Zähne auS- zureißen, stand aber davon ab, da er fest blieb. Ein Beamter gab hierauf seinen Dienern den Befehl, dem Gefangenen die Barthaare einzeln mit den Wurzeln auszuziehen. Es geschah unter lautem Hohngeläckter. Als auch dies nichts half, hielt einer einen glühenden Bratspieß an die Hände des Unglück lichen, dessen Fleisch brannte, und der in seiner Qual ausrief: „Um GotleS Barmherzigkeit willen tödtel mich gleich!" Die Henker nahmen hierauf das rotbglühende Eisen von den Händen weg und legten es an Brust, Rücken Gesicht und Füße. Dann rissen sie seinen Mund mit Gewalt auf und brannten seine Zunge mit glühenden Zangen. Der Unglück liche fiel drei Mal in Ohnmacht, aber jedes Mal, wenn er wieder zu sich kam, war sein Entschluß gleich unerschütterlich. Die Frauen und Kinder im Nebengemach wurden ohnmächtig vor Schrecken bei dem Stöhnen und Wehklagen des ge folterten Mannes. Als sie die Besinnung wieder erlangt hatten, wollten sie hinaus eilen, um Hilfe herbeizurufen Die Polizeidiener an der Thür aber stießen sie ins Zimmer zurück." Die Frage, wer der Schuldige sei, beantwortet der Verfasser schließlich auf Grund zahlreicher Jndicien dabin, „daß die armenischen Massacres nichts anderes gewesen sind als eine administrative Maßregel, welche im Namen des Sultans von Seilen der Central regierung angeordnet, mit nur allzugroßer Bereitwillig keit von den Prvvinzialbehörden ausgeführt wurde." In Bezug auf Ort, Zeil, Nationalität der Opfer und sogar Methode des Mordens und Plünderns sei der Gesammt- beit der Metzeleien ein einbeitlicher Plan zu Grunde gelegen. Betroffen wurden diejenigen Bezirke, in denen Re formen eingefübrt werben sollten, und der Scklag sollte nur die Armenier treffen; es war wiederholter strenger Befehl ergangen, die anderen Nationen zu schonen, namentlich die Griechen, weil man eS sonst sofort mit Rußland zu thun be kommen hätte. Die gesammke türkische Bevölkerung, die Straflosigkeit zugesickert erhalten hatte, sei sich bewußt ge wesen, aus Befehl und im Namen des Sultans zu bandeln; nachweislich war ihr auch mitgetheilt, daß das Vorgehen gegen eie Christen auch die Billigung deS Scheik-ut-Jslam besitze. Die Frage, ob der Befebl von der persönlichen Initiative des Sultans ausging oder ob er durch die verschlagene Kunst der Palastcamarilla und gefälschte Berichte dazu vermocht worden sei, will der Verfasser offen lassen, aber der autokratische Monarch trage die volle Verantwortlichkeit für die Metzelein, und die Stimme der Türken bezeichne ibn auch unwiverrufen als den letzten Urbeber der Massenmorde und Plünderungen. „Da» Urtheil der Geschichte", schließt der Verfasser, „wird kaum ein anderes sein können, denn durch zuviel Handlungen hat sich dieser Mann als den ersten Repräsentanten des alt türkischen Fanatismus erprobt. Durck die Uniformirung kurdischer Räuberbanden, welche nun als Hamidieh-Regimenter nach seinem Namen genannt werden, hat er die vornehin- lichsten Werkzeuge zur Vernichtung seiner christlichen Unter- tbanen geschaffen und durch die Decorirung und Beförderung der am meisten in den Massacres compromiltirten Negierungs beamten hat er die Urbeber der größten Schandlhaten als die auserwählteu Rüstzeuge seiner Politik bezeichnet und durch die Straflosigkeit von allem und jedem, was in dieser Sckreckenszeit geschehen, sein kaiserliches Siegel unter ein Regiment des Mordes und des Vandalismus ohne gleichen und unter eine der größten Christeuverfolgungen aller Zeilen ^ie Auffassung LepsiuS' deckt sich im All gemeinen mit der unsrigen, die wir von An fang consequent vertreten haben, nur glauben wir auch jetzt den Versuch widerra'ben zu müssen, die europäischen Cabinete zu einer Lösung der Orientfrage mit dem HmweiS auf Armenien zu drängen. Bei der gegenwärtigen Machl- constellation kann eine solche „Lösung" nur die Herauf beschwörung des gefürchteten europäischen Krieges bedeuten, den Niemand will. Zweifellos ist der Zerfall deS osmanischen Reiches nicht mehr aufznhalten, aber die Notb der Christen im Orient, so himmelschreiend sie ist, kann für die Machte kein Motiv sein, die Katastrophe zu beschleunigen, so lange sie befürchten müssen, selbst in dieselbe hineingezogeu zu werden. Von anderer Seite erhalten wir folgende, den LepsiuS'schen Bericht in einigen Punkten ergänzende Mitlheilungen: In der Stadt Aleppo selbst wird zur Zeit der türkischen Festtage (Beiram) durch starke Polizeipatrouillen für die Aufrechterhaltung der Ruhe gesorgt; dagegen herrscht weiter im Innern, besonders dort, wo die Armenier sich einiger maßen zu vcrtbeidigen wußten, nicht blos großes Elend, sondern auch jetzt noch immer Unsicherheit. Von den eingesperrten Armeniern aus Ain Tab sind sechs aus dem Gefängnisse in Aleppo wieder befreit worden, aber es wagt noch keiner, nach Ain Tab zurückzukehren, da sie nur mit neuen Drohungen in ihrer Heimath würden empfangen werden. Seitdem die Armenier für Geld und gute Worte Pässe bekommen, beginnen sie zu Hunderten aus zuwandern. Die Mehrzahl freilich hat nicht die nölhigen Mittel dazu. Das Militair wird an der Küste zusammengezogen; zu welchem Zwecke, weiß man nicht. Vor Kurzem reiste ein englischer Missionar im Auf trage des englischen Consuls in Aleppo nach Biredschik, um den mir Gewalt zum Islam bekehrten Armeniern, denen man nicht einmal die Betten zurückgegeben halte, eine Sammlung von Liebesgaben zu überbringen. Der Wali von Aleppo gab ibm einen Brief an den Kaimakam in Biredschik mit, in dem er jedoch, statt den Missionar zu empfehlen, nur mit trockenen Worten den Zweck seiner Sendung erwähnte, wie sich nachträglich berausgestellt hat. In Folge dessen machte ihm die Ortsbehörde Schwierigkeiten über Schwierigkeiten. Der Missionar hatte eine Liste von etwa zweihundert unterstützungsbedürftigen Familien bei sich, der Kaimakam aber brachte angeblich >n drei Tagen nur ein Verzeichiiiß von 48 unterstützungsbedürftigen Familien zusammen. Der Kaimakam hatte sogar die Frechheit, dem Missionar gegenüber zu erklären, die neu zum Islam übergelretenen Armenier seien zu stolz, um sich dem christlichen Missionar zu näbern, und daran den Vorschlag zu knüpfen, er solle sich doch von Aleppo die Vollmacht ausbitten, die mitgebrachten Liebes gaben an alle bedürftigen Muslimen ausiheilen zu dürfen, ici'.n pcriönlicher Verkehr zwischen dem Millionär und den Unrer- stützungseedürfligen wurde von der Behörde nickt gestaltet; nur durch Zeichen tonnte er sich aus der Ferne mitDeuen verständigen, denen er hatte Hilfe bringen wollen. Sein Aufenthalt wurde jeden Tag unsicherer und seltsamer. Vor feinen Augen ließ es die Behörde nicht an Liebenswürdigkeiten fehlen, aber hiuter seinem Rücken verhöhnte man ihn und bedrohte gar sein Leben, es wurde wiederholt in seiner Nähe geschossen. Was war das Ende? Der Missionar mußte mit seinen Liebesgaben unverrichteter Sache wieder nach Aleppo zurückkehren. Die türkischen Behörden hatten die verwlgten Curlilen, die bereits, um ihr Leben und ihren Besitz zu retten, zum Islam übergetreten waren, dennoch wieder gepeinigt, indem sie den Elenden auch nur eine vor übergehende Linderung ihrer Nolh versagten. Hiernach läßt sich leicht ermessen, rn welch' schrecklicher Unsicherheit die Armenier in Biredschik leben, mögen sie nun ihrer nationalen Kirche angehören oder Protestanten sein oder den Islam angenommen Haven. Alle Christen, Gregorianer (armenische Christen) so gut wie Protestanten, macken das Zeichen des Kreuzes, nagen am Hungertuch und leben in Todesangst. Die große armenische Kirche wird als Moschee benutzt; die kleinere amerikanisch-protestantische Kirche sollte dem Gerüchte nach in der gemeinsten Weise beschmutzt und entweiht worden sein. Der englische Missionar fand sie bei seiner Ankunft wobt frisch gereinigt, dock nicht ohne Spuren der gemeinen Beschmutzung; die türkische Behörde hatte fick vielleicht doch des Vorkommnisses geschämt und seine Spuren angesichts der Gegenwart deS christlichen Missionars zu ver- wlschen gesucht. Das Verhalten der Behörden beweist nur, wie die Re gierung in Konstantinopel den Unruhen gegenüber denkt und sie auszunutzen trachtet. Sie schürt den wilden Fanatismus des Pöbels und läßt seinen Ausbrüchen freien Lauf, gleichviel ob Hunderte oder Tausende ihrer Unterthanen dabei zu Grunde gehen. Hat sie doch damit einmal wieder zu Edren des Islam den Beweis geliefert, daß der Sultan mit Eifer und Treue in den Bahnen der alten Kbalifen wandelt! Aber der ver nünftigere Theil der mobamedaniscken Bevölkerung, namentlich die Araber, schütteln zu solchen Ereignissen den Kopf: sie fürchten, daß sich daraus der gewaltsame Zusammenbruch des ganzen Reiches entwickelt. Es herrscht eben der alte Glaube im Orient, daß mit dem Anftauchen der armenischen Frage das Ende der Türkeaherrschaft unaufhaltsam hrrrinbreche. Deutsches Reich. /S. Leipzig, 27. August. Von unehrlicher Kampfesweise zeugt eine Polemik, welche Vie „Correspondenz des Bundes der Lanvwirthe" gegen das „Leipz. Tagebl." richtet. Am 9. August VS. Js. schrieb unser ^-Mitarbeiter in der Wochenschau u. A.: „Man hat Lieser Tage auf ein Flugblatt des Bundes der Landwirthe hingewiesen, worin dem Bauer vorgerechnet wird, daß er als Mitglied des Bundes bei einem Jahresbei trag von 2 jährlich 671 verdiene. Zur Grundlage genommen wird der Erfahrungssatz, daß von drei Schweinen jährlich eins trichinös wird, daß jeder Landwirth jährlich eine neue Dreschmaschine braucht, ein augenkrankes Pferd kaust und dergleichen Unumstößlichkeiten mehr. Wir finden, im Gegensatz zu anderen Zeitungen, daß der Bund sich ein Verdienst erwirbt und ganz seinem Programme gemäß handelt, wenn er dergestalt die ökonomischen Umstände Les Bauern verbessert! Die gleiche Billigung kann man einem anderen Circular der Bundesleitung nicht vorenthalten, das, auf fernem Papier gedruckt und in verschlossenem Couvert versandt, sich an die Großgrundbesitzer wendet. Es heißt darin u. A.: „„Ihr älterer Herr Sohn, der Herr Garbelieutenant, macht jährlich lö OOO >t, Ihr jüngerer Herr Sohn, der Jura ltudirt, 8000 Schulden. Beide Herren bleiben vorläufig jährlich 40 bis 50 Procent Zinsen schuldig. Wie Ew. Hochgeboren nicht unbekannt ist, steigert sich der Zinsfuß mit den Jahren, auf Grund der thörichten und unverschämten Vermuthung der Geldgeber, daß die Creditwürdig- keit der Herren Schuldner Schoden gelitten haben könnte. Wenn dies aber auch nicht eintritt, so wachsen den Schulden ihrer Herren Söhne jährlich über 12 000 zu, eine Summe, die bei der gegen wärtigen Lage der Landwirthschast, deren Ende angesichts des bösen Willens der Regierung nicht abzusehen ist, eine ziemlich hohe genannt werden muß. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß eine Herab» drückung der Lebensweise von Herren aus einem Hause wie das Ihrige eine socialpolitische Calamität genannt werden müßte. In Erwägung dieser Umstände hat das Bureau des Bundes mit den renommirtesten Geldfirmen Berlins und Bonns rin Ab- wmmen dahin getroffen, daß Söhnen von Mitgliedern des Bundes (und solche» selbst, wenn sie noch da» Bedürfniß haben, in da» ein tönige Leben des LandwirtheS einige Abwechselung zu bringen) ein Rabatt bewilligt wird, und zwar in der Weise, daß — ganz ent» gegengesetzt der unbequemen herkömmlichen Praxis — der Rabatt mit der Höhe der Schuldsumme steigt, der Zinsfuß also sinkt. Ihre Herren Söhne werden also durch unser« Einrichtung in ihren finan» zielleu Operationen nicht nur nicht gehemmt, sondern erhalten weiteren Spielraum, und Ew. Hochgeboren selbst ersparen zunächst nach unseren Sätzen ca. 3000 jährlich, eine Summe, die sich jährlich steigert, wenn Gott den Herren Söhnen Gesundheit und Lebenslust erhält!"" Es wirb keinem einzigen unserer Leser zweifelhaft ge blieben sein, daß das im Vorstehenden angezogene „andere Circular" genau nach dem Muster des tbatsäcklich vor handenen Flugblattes des Bundes der Landwirthe von FeiriHeton. Geschichten aus Indien. Bon Hedwig Klein. Der Kaktr. Nachdruck verboten. Unter den vielen Kasten, in welche sich die Inder seit Jahrtausenden schon tbeilen, betrachtet man die Kaste der Jongleure, Zauberkünstler und Schlangenbeschwörer nicht mit Unrecht als diejenige, welche den Zigeunerstamm bildete, der sich dann, von unsteter Wanderlust beseelt, fast über die halbe Welt verbreitete. Diese Kaste bildet, wie jede an deren, eine für sich abgeschlossene große Familie, in der die Söhne immer wieder den Beruf deS VaterS ergreifen, es so sorterbend von Generation zu Generation. Nun lebte vor langen, langen Jahren solch' rin Zauber künstler oder Fakir, wie er sich nannte, der sich durch ein wunderbares Talent weit und breit berühmt gemacht halte. Er besaß eine ibm selbst unerklärliche Macht über seinen Körper, sich sür Tage, Wochen, ja selbst Monate in einen todesähnlichen Schlaf zu bringen, nahm keine Nahrung wäh rend dieser Zeit zu sich und lag ohne die geringste Bewegung oder Zuckung auch nur einer Muskel starr, einem Tobten gleich, da. Es bedurfte nur weniger Vorbereitungen, um sich in diesen Todesschlaf zu versetzen, und diese wurden von einer zweiten Person aus seinem nächsten Derwandtenkreise ausgeführt. Ohren und Nase wurden ibm mit einem Gemisch von Kalk und Kreide derart verschlossen, daß jede Luft fern gehalten wurde, der Körper wurde unter gewissen Berührungen in eine bestimmt« Lage gebracht und sodann der leblose Körper sich selbst überlassen, bis die Frist abgelaufen war, welche man ihm gestellt hatte. War diese verstrichen, so wurde der Kalk aus Obren und Nase entfernt, wieder gewisse Be rührungen vorgenommen an dem leblosen Körper, und bald kam der scheinbar Todte wieder zu sich, aß und trank mit gutem Appetit und war ganz wobl und munter. DaS Merkwürdigst« aber war, daß er während diese» lebrndigen TodtseinS vollständig bei Besinnung blieb, die Nerven eine säst noch feinere GefühlSintensirät erhielten, als im normalen Zustande, uud sein Denkvermögen in Nichts beein trächtigt war. ES war der merkwürdigste und einzige Fall, von dem man je gehört batte; man ließ sich den seltsamen Mann nach allen Theilen Indiens kommen, damit man sich mit eigenen Augen von dem Wunder überzeugte, und der Fakir wurde mit klingender Münze beloknt für seine Wunderlbateo. So trieb er dieses Geschäft lange Jabre hindurch immer mit gleich guten Erfolgen. Aber eines Tages fühlte er plötzlich, daß ihn sein wunderbares Talent schmählich verlassen batte; die Fähigkeit, sich in den todcsäbnlichen Schlaf zu versetzen, war geschwunden und kehrte nie mehr zurück. Nun erwachte aber eine neue Hoffnung in ihm, die wunderbare Gabe vielleicht in einem seiner Kinder oder Kindeskinder wiederzufinden, und mit krankhaftem Eifer forschte er darnach. Aber er suchte vergebens, keiner seiner Söhne oder Enkel vrrrieth etwas von dieser Wunderaabe, und obwohl sie sehr geschickte Zauberkünstler und Wahrsager wurden, das von dem alten Manu sicherlich erwartete Talent besaß keiner, und er verfiel in tiefe Sckwermuth au« Kummer über den verlorenen Rubm, der nun nie wieder ersteben sollte, durch dessen Verlust nun auch die Armuth wieder einzog in seine Hütte. Jahre vergingen so, der Alte erlebt« eS, daß Urenkel um ihn herumsprangen, aber er hatte r» langst ausgegebrn, zu hoffen, daß der einstige Rubm sich wieder erneuern würde. Eine» Tage« saß er wieder in traurigem Sinnen vor der niederen Thur seiner Lehmhütte und träumte von seinen einstigen RuhmeSsahrten, al« plötzlich die Frau seine» jüngsten Enkel» schreckensbleich zu ihm hlnstürzte und jammerte: „Ach, kommt doch und helft mir, Vater! Mein kleiner Sohn, Euer Urenkel Ganesch, stirbt, ja, er ist schon tvdt, es kam so sebr plötzlich, daß ich ihm nicht einmal irgend welche Hilfe bringen konnte." Da leuchtete e» auf in den Augen de» Alte», neue» Hoffen belebte ihn, er sprang auf und rief mit vor Bewegung schluchzender, zitternder Stimme: „Wenn eS da» wäre — doch ein Nachfolger, wenn ich daS noch erlebte, ehe ich sterbe, dann nur kann ich ruhig sterben!" Zitternd wankte er an daS Lager seines kleinen Urenkels und blickte aufmerksam hernieder auf Len kleinen leblosen Körper; seine welken, zitternden Finger betasteten denselben in banger, fieberhafter Hast, und dann ertönte ein Jubrlruf von seinem zabnlosen Munde, während er in seligem Ent zücken aus die kleine Gestalt berniederdlickte. „Er ist tvdt, und Tu freust Dich daran, Du grausamer Alter —" kreischte die junge Mutter entsetzt auf, als sie daS Gebühren deS Alten sah. „Du Thörin" — jubelte dieser glücklich — „er ist nicht todt, sein großes Talent, das verloren geglaubte Erbtheil seines Urgroßvaters, offenbart sich in ihm in dieser Stunde, und es wird ihm «inst Rubm und Ebren und ReickthLmer bringen, er wird ein berühmter Mann werden, und sein Name wird in Aller Munde sein, wie eS einst der meine war. Gebt mir den Kuabeo von nun an in meine Obbut, und ich will ibn lehren, Gebrauch zu macken von dem, was ibm der Götter Gunst verlieben. Nun bewegte er de» kleinen Körper auf eigentbümliche Art, und unter seinen Be rührungen kam bald wieder Leben in den Knaben. Die Mutter stimmte ein Freutengeschrei an und verkündete e- der ganzen Nachbarschaft, die mit ungläubigem Staunen die Geschichte vernahm. Der kleine Ganesch war vou nun an fast immer mit seinem Urgroßvater zusammen; es schien fast, als sei der Alte wieder jung geworden. Jabre vergingen, Ganesch wurde ein hübscher stattlicher Jüngling; er hing mit größter Liebe an seinem Urgroßvater und empfand bitteren Schmerz, als derselbe plötzlich starb in sehr hohem Älter. Aber Ganesch war nicht nur ein beliebter und gesuchter Jongleur und Zauberkünstler geworden, er hatte auch die wunderbare Gabe de« Urgroßvaters geerbt. Er vermochte sich wochenlang io jenen todesädnlichrn Schlaf zu versetzen, ohne daß dies seiner körperlichen Entwickelung Eintrag tbat. Dabei wurde er sebr jung schon ein berübmler Mann, und viele Väter und Mütter, selbst sogar anderen Kasten angebörend, machten dem Vater deS Ganesch HeiratbSanträge, da Alle sich ihn gern alS Schwiegersohn gewünscht hätten. Ader Ganesch « Herz hatte schon gewählt und zwar die fleißige, bescheiden und schöne Tochter deS Ramasamh, der zu einer viel an geseheneren und auch wohlhabenderen Kasten gehörte, aber gern in Len Heirathsvertrag willigte, als der Vater vom Ganesch zu ibm kam und um die Tochter für den Sohn warb. Und Pteri —so hieß das Mädchen — war sebr glücklich darüber, denn sie batte längst im Geheimen viel Gefallen gefunden an dem schönen Jüngling. Zu gleicher Zeit hatte noch ein Anderer um Pteri ge worben, Murgajur, ein heimtückischer, falscher Bursche; und als sich dieser zurückgesetzt sah, schwur er sich im Ge heimen, sich zu rächen an Ganesch, und wartete nur den Zeitpunkt ab, wo er den Racheact zur Ausführung bringen konnte. Ganesch ahnte davon nichts in seinem gute», harm losen Herzen und trieb nach wie vor sein Geschäft. Sein Rubm und seine Ehren wuchsen, die Engländer wäre» ins Land gekommen und viele hatten schon von dem Wundcr- meuschen gehört. Manch reicher Mann ließ ihn zu sich kommen, um sich von dem Gehörten mit eigenen Augen zu überzeugen und ihn reich beschcakt nnd mit klingender Münze belohnt zu entlassen, nachdem er sich von dem Wunder über zeugt batte. Eines Tages kam ein hoher englischer Beamter mit einem Freund an den kleinen Ort, wo Ganesch wohnte. E« war selten, daß sich Europäer dahin verirrten, und Ganesch, von unsteter Wanderlust beseelt, hielt sich meist in den größeren Städten auf, um seine Künste zu zeigen. Der Beamte war von der englischen Regieruog nach dem noch fast gaoz un bekannten Ort gesandt worden, und seine Arbeiten hielten ihn sür längere Zeit, vielleicht für Monate, an dem Ort fest. Er hörte von Ganesch und seinem Talent, und es traf sich, daß er sich just zu dieser Zeit i» seinem HeimatbSort auf hielt, um sich eine längere ErbolungSfrist zu gönnen und während dieser Zeit zugleich seine Hochzeit zu feiern. Der Beamte, «in Collector, ließ ihn zu sich kommen und fand viel Gefallen an dem schönen Burschen; er betrachtete mit Wohl gefallen die ganz kräftige Gestalt desselben, glaubte aber nicht an seine Wunderkraft, sich nach Belieben in einen Schein- todten zu verwandeln, und lächelte ungläubig und spöttisch zu seinen Beth«urrung«n. D«r ganz« Stolz de» Jüngling»
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