Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.08.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960828024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896082802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896082802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-08
- Tag1896-08-28
- Monat1896-08
- Jahr1896
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
DK Morgen-Aosgabe erscheint um '/,? Uhr. dir Abend-AuSgabe Wochentags um 5 Uhr. Filialen: ktt« klemm'« Lortim. (Alfred Hahn). UmverjitätSstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Kathannensir. iS, pari, und Königsvlatz 7, Nedaction und Expedition: Lohannesgaff« 8. DieExprottton ist Wochentag- ununterbrochen g«<anrt von früh 8 bi« Abend« 7 Utz,. BezugS-PreU hl der Hauptexpeditton oder den im Stadt- oezirk und den Bororten errichteten Au«- gavestellen abgeboll: vierteljährlich^ 4.50, 5»i jwrimaliger täglicher Zustellung in« Laut .cki ö.ö0. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandiendung tu« Ausland: monatlich »i 7.50. Abend-Ausgabe. WpMtr TagMM Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Ratljes und Volizei-Ämtes der Stadt Leipzig. die S gespaltene Petitzelle 20 Pfg. Reklamen Miter dem RedaciionSstrich (4ge- spalten) 50^ vor den Familitnnachrichiea <6 gespalten- 40/^. Vrößrre Schriften laut unserem Preis- verzelchniß. Tabellarischer und Ziffern!»« nach höherem Tarif. Extra-vetlagen (gesalzt), nur mit de, Eioraen-Ausgabe, ohne Postbefürderung X 80.—, mit Postbesorderung 70.—. Ännahmeschlvß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag« 10 Uhr. lviorgra-Ausgabe: Nachmittag« «Uhr. Del den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stund« früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck nnd Ber'a-i von E. Polz la Leipzig Freitag den 28. August 1896. so. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 28. August. Die Demokratie bat, als die Kundgebung über die Militairstrasproreflorduung im „Reichs-Anzeiger" erschienen war, einen Fehler begangen. Sie hat sich fast durchweg mit dem durch die halbamtliche Erklärung bezeichneten Stand der Angelegenheit zufrieden erklärt. Da die Frage gegenwärtig im Mittelpunkt des Interesses steht, so beißt das sür den Radikalismus seine Vorrälhe verbrennen. Man sieht den Mißgriff nun auch ein, und in der „Freis. Ztg." steht bereits ein Artikel, in dem daö Blatt um Entschuldigung bittet, daß es einen Augenblick leidlich objektiv gewesen, und weiterhin andeutet, daß so etwas nicht wieder Vorkommen soll. Letzteres darf man glauben. Der Radikalismus bereitet sich darauf vor, jede Militairstrafproceßorduung, mag sie wie immer beschaffen sein, in Grund und Boden zu kritisiren. Anderes stände auch Parteien übel an, die Alles, was die Erfüllung eigener Forderungen enthält, sobald es von der Regierung vorgeschlagen war, als unannehmbar zurückweisen. So z. B. die zweijährige Dienstzeit. Das Militairstrafverfahren ist nun gar ein Gegenstand, dem die Regierungen mit dem besten Willen den Charakter eines AgilalionSstoffes nicht abstreifen können. Dieser Auffassung hat dieser Tage auch eine vielfach bemerkte Auseinander setzung der Münchner „Allg. Ztg." Ausdruck gegeben. Nur daß dieses Blatt dem Nichtigen Schiefes beimengte, indem es schrieb: „Wer die Freunde des Rücktrittes (des Herrn Bronjart v. Schellen dorfs) kennt, wird das Moment nicht am leichtesten in die Waagschale fallend erachten, Lag Herr v. Bronsart sich je länger, desto mehr davon überzeugt habe, daß diejenigen Ideale weder als eine nationale Nothwendigkeit, noch als eine erreichbare Möglichkeit sich darstellen, welche sich die Herren von Rickert bis Singer von einer Militair- strafproceßordnung zurechtgemacht haben." Herr v. Bronsart hat wahrlich nickt die Nackrede ver dient, er habe sein Amt verlassen, weil ihm die Gemeinsam keit der Ideale mit der Socialdeniokratie und der Demokratie gefehlt habe. Das Ideal einer Militairstrafproceßorduung in den Augen des Herrn Singer ist keine Milita irstrafproceß- ordnung, sondern die Einführung des, selbstverständlich vorher noch ohne Rücksicht auf Rechtssicherheit und Ordnung revi- dirten gemeinen Strafverfahrens in der Armee. Au Der artiges hat Herr von Bronsart nun selbstverständlich nie gedacht, und ebensowenig die Parteien, die eine Reform der Militairstrafproceßorduung, aber nicht gleichzeitig eine Ge fährdung der inneren Festigkeit des Heeres wollten. Diese Bemerkung ist nothwendig, denn außer der „Freis. Ztg." stellt es noch ein anderes freisinniges Blatt so dar, als ob die Nationalliberalen, die allerdings in der Betreibung der Reform seit einem Bierteljahrhnudert die Führung über nommen haben, die Fragen des Strafverfahrens und der Disciplin im Heere in Uebereinstimmung mit den Herren Singer und Richter beurtbeilten. Tie Nationalliberalen sind im Jahre 1802, wo der Reichstag zum letzten Male einen Beschluß in derAngelegenbeit faßte, einerfetwas verschwommenen Resolution der Budgetcommission mit einer weiter gehenden Willenskundgebung entgegentreten und, beiläufig bemerkt, damit unterlegen. Hbre Resolution forderte, „daß die Grundsätze der Ständigkeit und Selbstständigkeit der Gerichte, sowie der Oeffent- lichkeit und Mündlichkeit des Hauptverfahrens, wie sie sich im Königreich Bayern bewährt haben", zur Geltung gebracht werden. An diesen Grundsätzen ist sestzubalten, bei ihrer Durchführung, namentlich in Bezug auf di« Oesfentlickkeit, muß selbstver ständlich das wohlverstandene militairische Interesse zu Rathe FeiiiHetsn. Luhne. 14j Roman von E. Halden. Nachdruck verboten. „Karl von Wildburg," wiederholte der Doctor. „Auch ich beiße Karl. Ja, ich kenne diese Züge, die sich mir un auslöschlich eingeprägt haben. Es sind dieselben, die das kleine Bild meines Bakers, das ich als Erbe meiner unglück lichen Mutter erhielt, trägt. Diese wunderbare Thatsache — der Name — das Todesjahr, das Datum meiner Geburt — Alles stimmt überein." „So denkst Du, daß Du den verlorenen Vater hier ent deckt hast!" rief Erna und unterdrückte mit Mübe den Laut jubelnder Freude, der sich ibrer Brust entringen wollte. „O, nun ist Alles gut, nun gehörst Du zu un«, bist unser nächster Verwandter, und damit ist jedes Hinderniß gefallen, das trennend zwischen unö stand. Wir müssen nock heute mit Albrecht sprechen, laß unS keine Minute verlieren." Doctor Blanden hatte sich gefaßt und schüttelte ernst den Kopf. „Jetzt müssen wir vorsichtiger nnd bedachtsamer denn je sein, meine Erna. Diese Entdeckung, die bis jetzt noch keinen realen Boden hat, könnte erst recht eine Schranke zwischen uns errichten, wenn ich darauf hin Ansprüche und Reckte geltend machte, die ich nicht beweisen und verfechten könnte. Noch ist mir Alles zu neu, um ruhig zu erwägen und ,u prüfen; und welchen wichtigen Schritt ich auch heute zur Enthüllung des Geheimnisses gethan, so fehlt doch ein Ring in der Kette, und ebe ich diesen aufgefunden habe, bleibt jeder Schluß trügerisch." „Ich verstehe Dich nicht," sagte Erna betroffen und nieder geschlagen." „Sieh, geliebtes Herz, ick muß die Dokumente über die Schließung einer giltigen Ehe zwischen Karl von Wildburg und m«iner Mutter haben; sonst bleibt auf ihrer Ehre uno der Rechtschaffenheit meines VaterS ein untilgbarer Makel, und ich bin nicht minder recht- und namenlos als vorher." Erna traten die Tbränen in die Augen. „So ist jede Hoffnung verloren", sagte sie traurig. „Das will ich gewiß nickt gelten lassen", rief der Doctor eifrig, „ich werde unablässig suchen und forschen, und wie ich fest an die Reinheit der Beziehungen zwischen meinen Eltern glaube, so will ich auch nicht ruhen, al« bis sie klar gezogen worden, wie dies in einer älteren nationalliberalen Resolution ausdrücklich hervorgehoben worden ist. Der Antrag von 1892 spricht wohlweislich von einer Aneignung der Grundsätze des bayerischen Verfahrens, nicht von einer Eopie derselben. Das Letztere wäre schon deshalb zweckwidrig gewesen, weil es notorisch ist, daß die bayerische Regierung selbst keiner Reichsmilitairstrafproceßordnung ihre Zustimmung geben würde, welche nicht gewisse, nach ihrerAnsicht vom militai- rischen Interesse verlangte Modifikationen der Gestaltung der Grundlage des bayerischen Gesetzes fordert. Mit dem Vor stehenden soll nur gesagt sein, daß die nationalliberale Partei sich keineswegs auf ein Gesetz festgelegt hat, das in allen Punkten den Beifall der Herren Singer und Richter fände. Dabei versteht es sich von selbst, daß sie auf eine loyale Erfüllung der von der Regierung gegebenen Zusage auch im Einzelnen rechnet. Es war vorauszusehen, daß die von deutscher Seite kürz lich erfolgte Besetzung von Sansanne-Mangu im Hinterlande unserer Togo-Eolonic von den Franzose» angefochten werde» würde. Die Bedeutung dieses Platzes ist längst allseitig als wichtig anerkannt worden, und man kann von einem förmlichen Wettlauf sprechen, der von Deutschen, Engländern und Franzosen um die Protectoratszusage des „Königs" Nbema angeslellt worden ist. Merk würdig ist nur die Art und Weise, wie die Franzosen ihre vermeintlichen Ansprüche geltend zu machen suchen. Während sie neuestens die Theorie der occupatio» eü'cetivc an die Stelle der Verträge setzten und behaupteten, alle mit den eingeborenen Fürsten abgeschlossenen Verträge seien wertblose Stücke Papier, die keine Rechtsansprüche auf die Länder dieser Fürsten begründeten, weil die letzteren keine Ahnung von der Bedeutung der Kreuze hätten, die sie auf Veranlassung des Reisenden unter einen Vertrag setzten, dessen Sprache und Inhalt sie nicht verständen, muß bei San sanne-Mangu plötzlich wieder der Vertrag berhalten, den der Lieutenant Baud mit dem dortigen Häuptling ab geschlossen zu haben vorgiebt. Nun steht es aber gerade mit diesem Vertrage sehr windig, und wenn auf irgend einen, so ist auf ihn die Nichtigkeitserklärung anwendbar, die aus den oben angeführten Gründen die „koütiguc coloniale" gegenüber den Verträgen mit. den Eingeborenen überhaupt auögesprocken hat. Lieutenant Baud behauptet, der von ibm mit dem König Nbema abgeschlossene Vertrag habe den jenigen, welchen I)r. Gruner vorher mit dem Könige ver einbart habe, annullirt. Dieser Vertrag ist aber, im Gegen sätze zu dem von dem Mulatten Fergusson Namens Eng lands abgeschlossenen Freunoschafts- und Handelsvertrag und im Gegensätze zu dem vom Lieutenant Baud und vorher von dem Oberst Alby mit Nbema vereinbarten Verträgen, in arabischer Sprache abgefaßt und von dem Könige und allen Großen des Landes unterzeichnet. Er stellt das Gebiet von Sansanne-Mangu unter den Schutz Deutschlands. Lieutenant Baud hat sich freilich Mühe genug gegeben, diesen Vertrag rückgängig zu macken, aber es ist ihm nicht gelungen. Die deutsche Expedition ist lange nach dem Abzüge Baud's nochmals in Sansanne-Mangu gewesen und hat sich davon überzeugt, daß der König an dem Schutz verträge mit Deutschland festhalte. In diesem Falle hat also Deutschland neben der „occupatio» cücetivc", die es in Sansanne-Mangu zur Geltung gebracht hat, auch noch einen vollwerthigen Vertrag auf seiner Seite. In einer Beziehung dürfte die jetzige Auseinandersetzung von Nutzen sein. Früher wurde, namentlich von englischer Seite, be vor dem Auge der Welt daliegen. Bis dahin aber, mein süßes Lieb, müssen wir auch dies Geheimniß treu und ver schwiegen bewahren." Die Klänge der Musik, die vom Tanzsaal her erschallten, würden von den Beiden kaum bemerkt worden sein, aber das Brautpaar, das nicht ganz ahnungslos geblieben war und sich in seinem Glück gern zum Beschützer einer anderen Herzensneigung machte, näherte sich ihnen jetzt behend und geräuschvoll, um sie mit fortzuführen, ehe ihre Abwesenheit zu auffällig wurde, und nun war es vorbei mit dem Aus tausch ihrer Gedanken, denn Erna war sogleich von Tänzern umringt und durfte den Geliebten nicht zu sehr bevorzugen. Zu ihrer Erleichterung befand sich Herr von Stadler nickt unter dem Schwarm, der ihr seine Huldigungen darbrachte. Er saß am Spieltisch und verließ denselben erst, als der anbrechende Sommermorgen mit dem Licht der Kerzen um die Herrschaft rang. Man hatte sehr hoch gespielt, und das Geld war von einem Besitzer zum anderen geflogen. Stadler hatte mit großem Eifer, aber mit wechselndem Glück gespielt. Die anderen Herren waren darin einig, daß er sich sehr gut hielt, mit Anstand, und Ruhe verlor und im Glück zu jeder Revanche bereit war. Die Zurückhaltung, mit der man ihn zuerst behandelt, verschwand immer mehr und von allen Seiten erhielt er die wiederholte Versicherung, daß sein Besuch willkommen sein würde. Zwölftes Capital. In dem Befinden de« Hauptmanns von Wildburg war in letzter Zeit eine sichtliche Verschlechterung eingetreten, so daß Doctor Blanden öfter auf das Schloß kam, al« e« erst beabsichtigt gewesen war. Die Baronin hatte außerdem geheime Berathungen mit ihm, die sich auf ihren Gatten be zogen, der sich der Reise in« Seebad, da« seine Nerven wieder Herstellen sollte, energisch widersetzte. „Können wir nicht meine Gesundheit zum Vorwand nehmen?" fragte sie den Arzt. „Ich glaub», dann würde mein Gemahl sich entschließen, wenn Sie ihm sagten, daß ich einer Cur bedarf." „Und damit spräche ich nur die Wahrheit, gnädigste Frau; ich habe zwar nicht die Ehre, Ihr ärztlicher Br- rather zu sein, aber ich muß doch aussprechen, daß mir Ihr Aussehen Sorge macht und daß Sie der Schonung im höchsten Grade bedürfen." „O, da« hat nicht« zu sagen", lächelte Melanie trübe, kauplet, das Gebiet von Sansanne-Mangu sei dem Sul tanat von Borg» tributär und der König Nbema sei gar nicht in der Lage, eigenmächtig Verträge abzuschließen. Diesen Einwand wird man in Zukunft nicht mehr geltend machen können, nachdem die Engländer versucht haben, den von Fergusson abgeschlossenen Vertrag für ihre Interessen zu verwerthen, und nachdem die Franzosen den Vertrag des Lieutenants Baud mit Nbema zur Grundlage ihrer Ansprüche gemacht haben. Die Unabhängigkeit des Gebiets von Sansanne-Mangu, die schon von 0r. Büttner und I)r. Kling constatirt wurde, wird bei den voraussichtlichen Auseinander setzungen über die Theilung des Gebiets im großen Niger- Bogen nicht mehr in Zweifel gezogen werden können. Bei den verwickelten politischen Verhältnissen in diesem Gebiete ist Vas immerhin von einigem Werthe. Nach den letzten Meldungen aus Konstantinopel scheint es festzustehen, daß Armenier es waren, welche sowohl den Anschlag auf die ottomanische Bank, bei welchem übrigens kein Beamter getödtet und verwundet und nichts gestohlen wurde, als auch an verschiedenen anderen Stellen Konstanti nopels und der Vorstädte Unruhen in Scene gesetzt haben, deren Folge wieder ein Hinschlachtcn von vielen Hunderten Armenier durch den türkischen Pöbel war. Der Zweck, den die Revol- tirenden damit verfolgt haben, ist unverkennbar der, die Mächte und den Sultan daran zu erinnern, daß ihnen als Schluß akt der vorjährigen Wirren, welche über 100 000 Armeniern das Leben kosteten, von der Pforte die Einführung schreiend nothwen- diger Reformen zur Besserung ibrer Lage auf Ehrenwort ver sprochen worden ist, ohne daß bis jetzt auch nur derAnfang gemacht worden wäre, eine einzige derselben in Angriff zu nehmen. Ihr Zweck war gleichzeitig, die allgemeine Aufmerksamkeit Europas auf die Thatsache zu lenken, daß die Regierung des Sultans, statt die unter den Armeniern herrschende Erregung durch menschen würdige Behandlung und versöhnliches Entgegenkommen zu be sänftige», Alles getban hat, dieselben zur Verzweiflung zu treiben. Schon aus den von uns in den letzten Tagen veröffentlichten Lepsius'schen Artikeln über Armenien geht hervor, daß die Türken auch nach der Unterdrückung des vorjährigen Auf standes in der Vergewaltigung des armenischen BolkSthums mit unheimlicher Consequenz fortgefahren sind, aber auch von anderen Seiten wird bestätigt, daß nach den kleinasiatischen Metzeleien noch Hunderte von Armeniern in die Gefängnisse geworfen worden sind, daß Verurtheilungen zu unmenschlichen Gefängnißstrafen und Hinrichtungen stattgesunden haben, ohne daß ein ordentliches Gerichtsverfahren vorauSgegangen war, während nicht einem der an den Metzeleien betheiligt gewesenen Musrlmannen auch nur ein Haar gekrümmt wurde. Tie Hinrichtungen wurden in möglichster Oeffentlichkeit voll streckt, wochenlang ließ man die Leichname der „Iustificirten" an den Pfeilern der Galatabrlicke hängen, viele Armenier verschwanden spurlos, und um die Sicherheit armenischen Eigen- thumS war es noch immer sehr schlimm bestellt. Dem armenischen Patriarchen Izmirlian, dem noch keine Betheiligung an der vorjährigen Erhebung bat nachgewiesen werden können, wurde das Leben so lange schwer gemacht, bis er seine Entlassung gab; dann sollte er verbannt, d. h. gedungenen Mördern preisgegeben werden, während an seine Stelle eine Creatur, ein Sklave des Sultans gesetzt wurde, dem es nicht einfallen wird, je ein Wort sür seine Landsleute einzulegen. Man mag die armenischen Agitatoren, welche die neuerlichen Blut- scenen heraufbeschworen, verurtheilen, wie man will, jeden falls wird man es begreiflich finden, daß sie, gereizt bis zum Aeußersten, abermals einen mit Blut geschriebenen Mahnbrief in den Sultanspalast gelangen ließen. Man sagt auch heute wieder, die Armenier hätten sich durch fremde (gemeint sind englische) Einflüsse, wie zu dem ersten, so zu dem zweiten Putsch verleiten lassen. Aber gerade weil von außen turck revolutionäre Anstiftungen mit Erfolg an der Erregung von Unruhen gearbeitet wird, sollte die Pforte erkennen, daß sic das Werk der Zerstörung nur fördert durch die Verblendung, mit der sie auch den maßvollsten Vorstellungen der euro päischen Mächte sich widersetzt. In Weiser Nachgiebigkeit kann sie noch lange ihr Dasein fristen; treibt sie aber bas alle Spiel des Versprechens und Nichthaltens und den Versuch, eine europäische Macht gegen die andere auszuspieleu, fort, so ist allerdings Schlimmes für sie zu befürchten. Vertuschen und verschleppen läßt sich heute nichts mehr, dafür ist gesorgt, und das sollte man sich am Goldenen Horn gesagt sein lassen. WeSbalb der vorgestrige Putsch gerade mit einen Coup gegen die Otto man bank begonnen wurde, ist noch zweifelhaft. Der „Internationalen Correspondenz" wird darüber gemeldet: Der Angriff der Armenier aus die Ottomanbank war von dem armenischen Revolutionscomits beschlossen worden, da die Pforle angeblich mit der Bank bereits ein vollständiges Reformprogramm zur Lösung der türkischen Finanzfrage vereinbart hätte. Danach sollte eine von der Ottomanbank zu bildende Finanzgruppe mehrere Monopole (Eigarettenpapier, Petroleum, Kaffee u. a.) erhalten und dafür der Pforte eine Anleihe von fünf Millionen Pfund be willigen. In armenischen Kreisen glaubte man, daß die Durch führung die-es Finanzplanes, sür welche die Mächte die Garantie übernehmen sollten, die türkische Regierung von ihren jetzigen Sorgen befreien und ihr damit jeden Zwang zur Einführung von Reformen für die Armenier entziehen würde. Deshalb wollte man die Ottomanbank durch einen Angriff einschüchtern und durch die Bernichtung ihrer Geschäftsakten die Durchführung der Reformpläne erschweren. Es bleibt abzuwarten, ob diese Darstellung sich als richtig erweist. Dagegen scheint zu sprechen, daß, wie schon erwähnt, in der Bank nichts geraubt worden ist, was doch inmitten der allgemeinen Verwirrung leicht hätte geschehen können. In der „Boss. Ztg." wird die Möglichkeit offen gelassen, daß türkische Xjzcuts provocrttcurs am Mittwoch die Rolle von Armeniern gespielt haben. Bei dem Ausdruck der vorjährigen Metzeleien kann diese Annahme zutreffen, ob auch diesmal, wagen wir beute noch nickt zu entscheiden, aber ganz von der Hand zu weisen ist der Gedanke nicht, daß die Pforte einen Anlaß gesucht hat, um den Mächten im letzten Augenblick ack oculos zu demonstriren, daß sie unmöglich den Kretern die verlangten Zugeständnisse machen könne, da hierdurch nur in anderen Theilen des Reiches Unzufriedenheit und neue gefährliche Unruhen erregt würden. Der frühere afrikanische Kriegscorrespondent Serao, welcher über die Verhältnisse der Colonie Hrythräa und die italie nischen Gefangenen bereits eine Reihe äußerst pessimistischer Artikel geschrieben hat, behandelt neuerdings die „Gefangenen frage". Beim Lesen seiner Berichte fühlt man es, daß, wie wir dieser Tage schon andeuteten, die Frage ter Freilassung der Gefangenen des Negus in Italien allgemein als die brennendste und am meisten einer schnellen Lösung be dürftig angesehen wird. „Bisher wurden", so schreibt Serao nach der „Täglichen Rundschau", „von diesen Gefangenen wenig mehr als 200 freigclassen; eS müßten also in Schoa und den hamarische» Provinzen noch etwa 3000 Gefangene sckmachten. Demgegenüber giebl cs nach den bestimmtesten Versicherungen der in Neapel gelandeten be freiten Gefangenen und des russischen Abenteurers, welcher die 47 von Menelik Freigelassenen nach Dschibuti führte, im Ganzen nur mehr 1500 Mann und 47 Offi- „sobald ich die Ruhe des Gemüths wieder erlangt habe, bin ich wohl wie früher." Sie schwieg wie erschrocken, als hätte sie bereits zu viel gesagt, und Doctor Blanden gab sich den Anschein, als wäre ihre Aeußerung unbemerkt an ihm vorüber geglitten. Er sprach mit dem Freiherr», fand aber bei diesem wenig Neigung, auf seine Vorstellungen einzugehen, „Wenn Du die nöthige Erholung nicht auf Wildburg finden kannst, so müssen wir natürlich die Badereise ins Auge fassen", sagte der Freiherr zu seiner Gemahlin, „nur werde ich Dich nicht begleiten können." Sie war nun höchst niedergeschlagen und behauptete, dann wäre für sie jeder Erfolg ausgeschlossen. „Du hattest doch im Frühjahr ganz andere Pläne, lieber Albrecht", bat sie innig, „mache Dich doch einmal frei von Deiner Arbeitslast, laß uns die ganze Welt vergessen und uns in einem stillen Winkel nur uns selbst leben." „Du verlangst Unmögliches", antwortete er ungeduldig. „Ich habe mehr denn je zu thun, und eine erzwungene Ruhe würde mir nur Qual verursachen." „Dann verzichte ich auch auf die Reise", sagte die Baronin ruhig und fügte nach einer Pause hinzu: „Weißt Du, was wir thun wollen, Lieber? Die Reise und der Aufenthalt im Bade hätten viel gekostet, laß uns nun einige Tausend Mark an die Ferienkolonie schicken. Ich denke immer, waS wir andern Kindern erweisen, das segnet uns der liebe Gott an unfern eigenen." Der Freiherr lachte bitter. „Und Du meinst, sie be dürften de« besonderen Schutze«. Aber der läßt sich nicht erkaufen und was dem Fluch verfallen ist, da« kann nicht ge rettet werden." „Um Gotte« willen, wie sprichst Du, Albrecht!" rief die Baronin entsetzt; „ich sehe nur rin Unheil, da« darin besteht, daß Du Dich von so furchtbaren Vorstellungen beherrschen läßt!" „So achte nicht darauf, liebe« Kind; ich wußte selbst kaum, wa« ich sagte. Es thut mir leid, Dir Dein« Bitte abschlagen zu müssen, aber ich kann jetzt «ine solche Summe nickt entbehren. Ein Hauptgrund, daß ich gegen die Bade reise bin, ist der, daß ich die Kosten scheue." Melanie sah ihren Gatten mit ungläubigem Erstaunen an. Sie hatte stets nur von seinem ungeheuren Reich- thum gehört, und nun sollten wenige Tausend Mark für ihn eine Bedeutung gewinnen I Die unbestimmte Furcht, di« auf ihr lastet«, gewann «ine schreckliche Ge stalt. Wie, wenn eine fixe Idee sich an die andere reihte, wenn dieser klare Geist, dieser scharfe Verstand von Wahn vorstellungen umnebelt, dem Fluche verfiel, von dem er mit solchem Grauen sprach I „Ich bin von mancherlei Verlusten heimgesucht", fuhr der Freiherr fort, als sie stumm blieb, „und so schwer es mir wird, habe ich mich zum Verkaufe von Hohenwalve ent schlossen." „Welcher Jammer I Diese« prachtvolle Gut!" rief die Baronin betroffen aus. „Aber wäre denn das nicht zu kalten! Du würdest doch überall Crevit finden, es kann sich ja doch nur um eine vorübergehende Verlegenheit handeln. Die Ernteaussichten sind so günstig, alle Deine industriellen Unternehmungen sind in voller Blüthe, und im Haushalt ließen sich manche Einschränkungen einführen, die ich so lange für unnöthig hielt." „Für letztere Maßregel würde ich Dir sehr dankbar sein, sonst muß ich Dich bitten, Alles meinem Ermessen zu über lassen; Frauen sollten sich von geschäftlichen Angelegenheiten fernhalten. Ich habe übrigens einen guten Käufer in Herrn von Stadler gefunden." „In ibm! O Albrecht, giek ihm daS Gut nickt, und wenn er Dir eine noch so hohe Summe dafür bietet!" rief Melanie in höchster Erregung au«. „Ich habe ein Grauen vor diesem Menschen, und sollte er nun als Grundbesitzer ein berechtigtes Glied unserer Gesellschaft werden, so scheitert auch meine letzte Hoffnung, daß Alles wieder gut wird. Seit er hier auftrat, bat sich Alles verändert, Du bist mir ent fremdet, ich habe Dein Vertrauen verloren." Der Freiherr stampfte zornig mit dem Fuße. „Immer dasselbe Lied! Du bist nicht Keffer al« andere Weiber! Weil eö dem armen Stadler nickt gelungen ist, sich Deine Gunst zu erwerben, dichtest Du ibm alle« Mögliche an. Er ist mein Freund, und ich leugne nicht, daß ich ibm Verbind lichkeiten au« früheren Tagen schulde. Eine kluge Frau sollte sich in die gegebenen Verhältnisse fügen, statt dessen erschwerst Du mir daS Leben auf jede Weise." Damit verließ er da« Zimmer und Melanie blieb in tiefer Betrübniß zurück. Unerklärlich war seine Schroffheit gegen sie, und dann war er sogar von ihr gegangen ohne ein versöhnende« Wort, ohne einen freundlichen Blick! Sicher hatte er schwere Sorgen, aber woher stammten diese und warum hielt er sie vor ibr geheim? Ibr war eS, als habe daS Gebäude ihres Glückes den festen Halt verloren, als
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite