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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.09.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960901023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896090102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896090102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-09
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Sieclamen uni« dem Redaction-strich i4go» spalten) 50^, vor den Jamilieunachrichle» (6 gespalten) 40-4- Gröbere Schriften laut unserem Preis» verzeichniß. Tabellarischer und Zissrrnsa» »ach höherem Tarif. tzktra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen»Ausgabe, ohne Postbesörderung >tz SO—, Mit Postbesörderung 70.—. ^nnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe. Bormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. vei den Filialen und Annahmesrelleu je eiu» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» au die Expedition zu richten. ——o—o- - Druck und 8er!ai von !?. Bolz in Leipzig - Dienstag den 1. September 1896. 90. Jahrgang — SWS» Amtlicher Lhetl. III. Realschule. Zur Feier des nationalen Festtages findet Mittwoch, den 2. September, früh 9 Uhr ein Actus statt Zu geneigier Tbeil- nahme an demselben ladet im Namen des Lehrercollegiunis ergeben« ein Leipzig, den 1. September 1896. k. kisbkvr. Denkschrift über die zur Förderung der Landwirthschaft in den letzten Jahren ergriffenen Maßnahmen. Die ministerielle „Berl. Corr." schreibt: „Die Lage der Landwirthschaft ist Gegenstand unaus gesetzter, pflichtmäßiger Fürsorge der Staatöregierung, wie das wiederholt, zuletzt in feierlicher Form durch die Aller höchste Thronrede bei Eröffnung der diesjährigen LaUdtagS- session, bekundet worden ist. Bei der Fordauer der un günstigen landwirthschastlichen Verhältnisse bat eS deshalb die landwirthschastliche Verwaltung als Bedilrfniß empfunden, fich selbst und Anderen Rechenschaft abzulegen Uber das, was m den letzten Jahren zur Förderung der Landwirthschaft in Reich und Staat bereits wirklich geschehest ist. Der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten bat im Einver nehmen mit dem Staatsministerium Sr. Majestät deM Kaiser und Könige eine Denkschrift über die zur Förde rund der Landwirthschaft in den letzten Jahren ergriffenen Maßnahmen unterbreitet, die mit Allerhöchster Genehmigung der Oesfentlichkeit zugänglich gemacht werden soll. Tie Denkschrift beschränkt sich nicht auf das landwirth- fchaftliche Ressort im engeren Sinne. Obwohl ihre Mit tbeilungen nach der Natur der Sache im Einzelnen dem Kundigen kaum viel Neues bieten, gewährest sie doch im Zu sammenhänge ein Bild, das des Eindruckes auf die ländliche Bevölkerung nicht verfehlen wird. Denn diese Zusammen- stellung liefert wohl jedem Unbefangenen den Beweis, daß der Staatsregierung keinerlei Versäumnis zur Last fällt, sondern daß sie mit Ernst bestrebt ist, auf allen Wegen, die sie überhaupt für gangbar hält, der Landwirthschaft zu Hilfe zu kommen. Wenn der Erfolg aller dieser Arbeit leider noch kein vollkommener ist, so liegt da« eben in Verhält nissen, die sich der Einwirkung der Regierungen entziehen. In der Einleitung wird die Bedeutung deS Getreide baues für Deutschland und die im Sinken der Getreide preise liegende Gefahr rückhaltlos anerkannt. Bei der Un durchführbarkeit der bekannten zur allgemeinen Hebung der Preise seither gemachten Vorschläge beschränke sich zur Zeit die Aufgabe der Staatsverwaltung auf solche Maß nahmen der Gesetzgebung und Verwaltung, welche die Ren tabilität der Landwirthschaft dadurch zu hebe» trachtest, daß die landwirthschastliche Production in allen ihren einzelnen Zweigen gehoben und, soweit wie dies sticht schon durch die Vermehrung der Production rintritt, auch dadurch verbilligt werde, daß der Landwirthschast möglichst billige Betriebsmittel zur Verfügung gestellt und die aus ihr ruhenden Lasten vermindert werden. Hand in Hand hiermit mußten die Maßnahmen zur besseren Aus nutzung der vorhandenen Naturschätze und zur Erleichterung des Verkehrs, sowie zum Schutz der Landwirthschaft gegen Verlust durch Seuchen rc. und diejenigen gesetzlichen Ein richtungen gehen, welche unter Rücksichtnahme auf die be sonderen Verhältnisse der Landwirthschaft die Herstellung eines Nechtszustaudeö bezüglich deS Eigenthums und der Belastung des Grund und Bodens bezwecken, der die Schaffung und Erhaltung richtiger Wirthschafts- größen zU sichern und eine Ueberschuldung deS länd lichen Besitzes in Zukunft zu verhindern geeignet sei. Bestimmt abgelehnt wird die Auffassung, welche das Ziel der Landwirthschaft in einer allgemeinen Auf- theilung des Grund und Bodens in Kleinbesitz erblickt. Was nun die seitherige Ausführung jenes Programms betrifft, so darf zunächst als charakteristisch für die gesteigerte Werthschätzung der Landwirthschaft im Staatsleben hervor gehoben werden, baß der Ausgabeetat der landwirthschaft- lichen und Gestütverwaltung in dtn letzten 15 Jahren um 68,8 Proc., in den letzten 10 Jahren um 45,3 Proc. gestiegen ist. Nicht eingerechnet sind dabei solche Beträge, die durch besondere Gesetze bewilligt sind, wie zur Errichtung von Korn hausern und zur Förderung der Meliorationen in Oberschlesien. Auf die Bedeutung dieser Ausgabe vermehrung für wichtige Zweige der landwirthschastlichen Ver waltung, namentlich für das Melioratiouswesen, wird noch zurückzukommen sein. Bedeutsamer als jene Zahlen sind für die Landwirthschaft im Ganzen diejenigen Ausfübrungeu der Denk schrift, welche sich mit dem Gange der allgemeinen Gesetz gebung und Verwaltung während der letzten Jahre beschäf tigen. Sie zeigen nicht blos, eine wie große Zahl alter berechtigter Forderungen der Landwirthe in dieser Zeit von der Gesetzgebung verwirklicht sind, sondern sie beweisen auch überzeugend, daß die in früherer Zeit bisweilen vermach lässigten Interessen der Landwirthschaft gegenwärtig aus allen Gebieten der Gesetzgebung und Verwaltung voll gewürdigt und von der Staatsregierung planmäßig so weit unter stützt werden, als es sich mit den allgemeinen Landes interessen und den Rücksichten auf andere gleich berechtigte Erwerbskreise verträgt. Daß durch die gesetzliche Einführung der Landwirthsckaftskammern der Land wirthschaft jetzt selbst ein gewichtiges Werkzeug zur Wahrung ihrer Interessen in die Hand gegeben ist, muß in diesem Zusammenhänge noch besonders hervorgehoben werden. Zum Belege des Vorstehenden ist binzuweisen auf die verabschiedeten Neichsgesctze zur Reform der Branntwein - und Zuckersteuer und zur Börsenrcform, auf die er folgte Aufhebung deS Identitätsnachweises, die Be schränkung der Zollcredite für gemischte Privaltransitlager und die mit Ende September d. I. erfolgende Aushebung eines Theiles dieser Lager, auf die einem lebhaften Wunsche derLandwirthe entsprechende Aenderung des Unterstützungs- wohnsitzgesetzeS durch die Novelle vom 12. März 1891 und auf die Gewerbeordnungsnovelle. Daneben sind in Preußen namentlich auf dem Gebiete der Steuer-, Kosten- und Stempelgesetzgebung, der Schulverwaltung und deS Eisenbahnwesens Maßnahmen getroffen, die direct oder indirekt für die Landwirthschaft von sehr bedeutendem Nutzen sind. Was zunächst die Steuerreform betrifft, so berechnet die Denkschrift die Erleichterung, welche durch Autzerhebung- setzung der Grund- und Gebäudesteuer dem platten Lande gewährt ist, unter Berücksichtigung des Auskommens an Ver mögenssteuer vom Lande, deS Fortfälle« ter Einnahmen aus der ler Huene, der Zurückzahlung der Grundsteuerent schädigungen und der Nichtabzugsfäbigkeit der in den Ge meinden etwa forterhobenen Grund- und Gebäudesteuer bei der staatlichen Einkommensbesteuerung auf über 28i/r Mil lionen Mark. Diese Erleichterung ist am meisten dem ver schuldeten Theile des Grundbesitzes zu Gute gekommen. Im Gebiete der Schulverwaltung entfielen von den durch die Gesetze von 1888 und 1889 eingeführten Staats zuschüssen im Jahre 1891/95 auf da« platte Land über 19>/» Millionen Mark, ebenso sind die aus den rtatsmaßigen Fonds der UnterrichtSverwaltiing gewährten Zuschüsse be deutend gestiegen, zum Beispiel die Zuschüsse für die Pensionen der Lehrer und Lehrerinnen auf dem platten Lande in den letzten 5 JahttN voll 2 683 600 auf 3 362 000 In der Eisenbahnverwaltung ist neben der Forde rung des Kleinbahnwesens und her Herabsetzung mehrerer für die Landwirthschaft wichtiger Tarife besonders die all gemeine Erweiterung deS Slaatöeisenbabnnetzcs zu erwähnen, da sie für die Erschließung des Ostens von großer Bedeutung ist. In den letzten 10 Jahren sind für Staatörechnunz 4598,5 km Eisenbahnen zum Batt genehmigt, und hiervon entfallen auf die sechs östlichen Provinzen 2397,3 km zum Geldbeträge von rund 206 Millionen Mark. Von allgemeiner Bedeutung ist endlich der im April dieses Jahres ergangene Staatsministerialbeschluß, der die direkten Bezüge von den Protucenten den Verwaltungs organen empfiehlt. Die Thätigkeit der lanbwirthschaftlichen Ver waltung ist, wie die Denkschrift ergiebt, eine äußerst um fangreiche gewesen. Neben der Ncntengutsgesetzgebung und der Aussicht über ihre Durchführung, der vermehrten Thätigkeit aus dem Gebiete des Veterinärwesens und der Förderung des Agrarrechts (Gesetz vom 8. Juni 1896), für dessen weitere landesgesetzliche Regelung die erforder lichen Vorbehalte im Einsührungsgesetze zum Bürgerlichen Gesetzbuch getroffen sind, ist in allen Zweigen dieser Verwaltung eine lebhafte Entwickelung zu constatiren. Die durch Verstärkung der Fonds ermöglichte bessere Pflege der ländlichen Wohlsahrtsintereffen tritt u. A. in der Ent wickelung des Meli oratio ns w esens hervor. Die Denk schrift berichtet über die Fortschritte der hydrotechnischen Arbeiten und über die Vermehrung des meliorations technischen Personals, das in 5 Jahren von 28 auf 83 etatsmäßige Beamte gestiegen ist. Zur directen Förderung der Meliorationen sind in den letzten 6 Jahren über 12 Millionen Mark aufgewendet, die Zahl der MeliorationS- verbände und Genossenschaften ist feit Anfang 1891 um 554 Mit 242 711 ba Fläche gestiegen. Den erheblichen An- theil der östlichen Provinzen zeigt folgende Zusammenstellung: Zkinoum ti« 1891 , 1891 bi« 188« Zahl der ... Zahltet Lus» MeNdratibn«- Flüche Meloration«- Fläche sllSrUlig«- vetbände verbände koste« d» d» äk Ostpreußen 116 399 566 63 40 457 5 427 469 Westpreußen . 114 223 395 39 70 998 1 226 525 Posen . . . 82 119 050 55 29 664 4 2S9 342 Brandenburg . 52 187 646 SO 16 529 4 043 778 Schlesien . . 192 141 386 119 26 640 5 149 870 Von großem Werth endlich ist die allgemeine Verbreitung der ländlichen Personal-Genossenschaften (Credit-, Ein kaufs-, Absatzgenossenschaften), an deren Vermehrung die Staatsverwaltung durch fortgesetzte Anregungen und Unter stützungen, in neuester Zeit auch durch die Einrichtung der preußischen Central-Genossenschaft«casse einen wesent lichen Antheil bat. Die ländlichen Genossenschaften des Neu- wieder und Offenbacher System« sind in Preußen seit 1890 von 1877 auf 5158 gestiegen. politische Tagesschau. * Leipzig, 1. September. Zur tnucrcn Lage schrieb gestern der häufig von officiöser Seite bediente „Hamb. Corr.": „Man darf nicht verkenne» ( daß der springende Puncl der jüngsten KrisiS, die das Ausscheiden des Kriegsminislers v. Bronsart zur Folge hatte, nicht beseitigt ist: das Ver- bältniß zwischen verantwortlichen und unverant wortlichen Rathgebern der Krone, zwischen Ministern und Militaircabinet hat zwar in einem Specialfalle einen Ausgleich, aber keineswegs eine grundsätzliche und dauernde Lösung erfahren. Darin liegen für die Zukunft die Keime neuer Krisen." Dasselbe war in neuerer Zeit oft gesagt worden; daß es aber in einem Blatte gesagt wurde, das der preußischen Negierung nicht selten als Sprachrohr dient, legte die Vermuthung nahe, daß im Schooße dieses Ministeriums das Bestreben herrsche, die „Keime neuer Krisen" durch Vorstellungen an höchster Stelle zu beseitigen und spätere Conslicte zwischen Ministern und Militaircabinet, wenn nicht unmöglich zu machen — das dürfte unerreichbar sein —, so doch auf ein den Gang der NegierungSgeschäfte weniger störendes Maß zurückzu führen. Wenn nun die bereits vom Telegraphen mit- gethcilte Meldung der „Tägl. Rundsck.", baß der Ebes des Biilitair-Cabinets vonHahntc zum Nachfolger des Generals von Loö als Oberbefehlshaber in den Marken und Gou verneur von Berlin auserseben sei, fich bestätigt, so wird anzuuebmen sein, daß jenes Bestreben des preußi schen Ministeriums von einigem Erfolg gewesen sei. Schon ein bloßer Wechsel in der Person deS Cbefs des Militaircabinets wird den überwiegenden Einfluß Mindern, den General von Hahnke durch sein lang jähriges Wirken als Cbef dieses Cabinets allmählich errungen hatte und der den preußischen Kriegsminister nicht nur, sondern das gesammte Ministerium in den Schalten stellte. Immerhin ist cs fraglich, ob durch einen bloßen Personal wechsel im Militaircabinet genug geschehen sein würde, um nickt nur Reibungen, sondern auch ernstlich störenden Ein wirkungen vorzubeugen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird eine schärfere Umgrenzung der Befugnisse des Chefs des Militaircabinets unerläßlich sein. Und zwar erscheint dies um so nölhiger, je wesentlicher die Stellung des preußischen Kriegsministers seit der Wiederaufrichtung de« Reiches sich verschoben hat. Hal sich seitdem sein Einfluß auf der einen Seite erweitert, so ist er auf der andern doch vermindert worden. In Preußen stand er dem Landtage als Minister gegenüber, der mit dem ganzen Gewichte dieser Stellung seine Ansicht vertrat, die zugleich die Ansicht seine« Monarchen und der Mehrheit seiner College« war. Dadurch gewann er auch, wenn er mit dem Landtage einig war, eine feste Position gegen bas Militaircabinet. Dem Reichstage gegenüber bat er die Ansichten der Mehrheit des BundeSrathes zu vertreten, die sich mit seiner eigenen Ansicht unv der seine« Monarchen wie feiner preußischen College« nicht vollkommen zu decken brauchen. Ist eine Uebereinstimmung zwischen den gesetzgebenden Factoren erzielt und erfolgt dann, wie die« vor nicht langer Zeit geschehen ist, aus Veranlassung des Militaircabinets eine Maßnahme, die den gemeinsamen Beschlüssen des Bundes raths und des Reichstags widerspricht, so stehl ein Einspruch eigentlich nur diesen beiden Körperschaften zu, und der preußische Kriegsminisler ist des nachdrücklichen Einspruch« beraubt. Auf diese Seite der Frage ist unsere« Wissens die Aufmerk samkeit noch nicht gelenkt worden, jedenfalls aber ist sie be- Feurlleton. Luhne. 17j Roman von E. Halden. Nachdruck verboten. „Die Neugier trieb mich, dem jungen Manne zu folgen, der den Schlüffe! von dem verschlafenen Hausknecht empfing und der nun den Weg zum Hertbasee einschlug. Bald gesellte sich eine zweite Person zu ibm, die ihm vorauS- gegangen war und ihn unter dem Schatten der Buchen erwartete. Es war ein Mann, also handelte eS sich nicht um daS romantische Stelldichein eine« LiebeSpärchenS, wie ich er wartet batte. Aber meine Neugier war einmal erregt, um den Schlaf war ich doch betrogen, und so folgte ich den Beiden, vorsichtig schleichend und durch daS nächtliche Dunkel geborgen. Sie plauderte» heiter, lachten sogar, ich sab die glimmenden Spitzen ihrer Cigarren wie Glühwürmchen durch die Finsterniß leuchten. Beide mußten jung sein; der Eine über ragte den Andern um ein Beträchtliches. Der Kleinere, der selbe, welcher den Schlüssel verlangt hatte, schien wenig mit dem nächtlichen Abenteuer einverstanden, er murrte und schalt den Einfall feines Gefährten, der den Zauber des Hcrtbasees durch die spukhafte Einwirkung des MondlichteS erhöbt genießen wollte. Dieser ließ sich die Borwürfe ruhig und lachend gefallen, er bestand aber auf feinem Willen, als der Andere die Lust zu verlieren schien und Miene machte, ninzukebre». So erreichten sie den See, öffneten da« Schloß der Kette und lösten den Kahn, den sie unter fröhlichen Scherzen bestiegen. Doch entging mir nicht, daß der größere der beiden Männer die heitere Gesprächigkeit seines Genoffen nicht «heilte. Bald befanden sie sich auf der Mitte de« Sees, der größere batte den Platz am Steuer inne, der andere ruderte. Da ertönte ein Schuß, ein matter Schrei folgte, der Kahn gerieth ins Schwanken durch die wild taumelnde Bewegung seiner Insassen, und dann gewahrte ich nur noch eine Gestalt; die deS Rudernden war wohl zusammengestürzt und auf den Boden des BooteS gesunken." „Und Sie ließen den Mord geschehen? Sie eilten dem Unglücklichen nicht zu Hilfe?" >am e« mit Mühe über die bleichen Lippen der Baronin. „Zuerst lahmte mich daS Entsetzen, vielleicht auch die Furcht; denn ich halte eS ohne Zweifel mit einem kaltblütigen, erbarmungslosen Mörder zu thun, der die zweite Kugel nicht gespart haben würde, um sich eines gefährlichen Zeugen zu entledigen. So beobachtete ich in atbemloser Spannung das Treiben des Mannes. Er beugte sich Uber sein Opfer, wohl um sich zu überzeugen, daß das Leben erloschen war. Dann machte er sich mit dem Körper zu schaffen, er durchsuchte die Taschen des Ermordeten, leerte sie aus und steckte ihren In halt zu sich. Auch Uhr und Kette nahm er ihm und zog ihm die Ringe von den Fingern." „Also ein schändlicher Raubmord, wie man von jeher annahm, verübt von einem Elenden!" sagte die Baronin mit bebender, kaum verständlicher Stimme. „So dachte auch ich zuerst, aber ich sollte bald anderer Meinung werden", fuhr der Erzähler fort, sie mit einem stechenden Blicke musternd, als wollte er prüfen, wie weit ihre Kräfte noch ausreichen würben. „Der Mörder lenkte nun den Kahn dem Ufer zu, sprang heraus und machte sich dort zu schaffen. Bald wurde mir klar, was er gesucht batte; eS waren Steine gewesen, mit denen er nun die Taschen der Leiche beschwerte. Wieder fuhr er auf die Mitte des Sees, hob den leblosen Körper in seinen Armen empor und ließ ihn in daS Wasser binabgleiten, das mit dumpfem Geräusch seine düsteren Wogen über der Untbat schloß. Dann schöpfte der Mann mit beiden Händen Wasser in den Kahn, wohl um die Spuren des vergossenen Blutes zu beseitigen. Nun führte er sein Fahrzeug dem Lande zu und befestigte e« an der Kette; dann schritt er in den Wald. An einer freien Stelle machte er Halt; die mächtiaen Buchen, welche sich hier erhoben, waren von üppigem Unterholz umgeben, der Boden mit Moos und dichtem GraSwuch« bedeckt. Hier kniete er nieder und begann mit seinen Händen und einem Taschen messer, daS er zu Hilfe nahm, ein Loch in den Boden zu graben. Es mußte sehr tief werden, denn trotz seiner eifrigen Arbeit brauchte er lange Zeit dazu. Endlich war er mit seinem Werk zufrieden, und nun zog er die Gegenständ«, welche «r dem Todten abgenommen hatte, hervor und übergab sie der Erde. Dann füllte er die entstandene Vertiefung sorgfältig mit Erde wieder au« und bedeckte die Stelle mit Moos und Gras. Dabei stieß er einen tiefen Seufzer auS, wohl der Erleichterung, weil jede Spur seines Frevels be seitigt ersten Mal erhob er srin Antlitz, der Strahl deS DtondeS beleuchtete r», und ich hatte Mühe einen Schrei deS Erstaunens zurückzuhalten, denn ich kannte diese Züge, es war —" „Um Gottes willen, halten Sie ein! Sprechen Sie den Namen nicht auS! Es kann ja nicht sein!" schrie Melanie auf und umklammerte den Arm deS Erzähler« mit ver- zweiflungSvoller Heftigkeit. „Ihr Wort ist mir Befehl, gnädige Frau", sagte dieser mit einer Verbeugung, „auch ohne den Namen verstehen wir unS. Ich habe damals eine ähnliche Bewegung empfunden, wie Sie jetzt. Für den Augenblick schwand mir die Be sinnung, ich wußte nicht mehr, was ich beginnen sollte. Als ich wieder zu mir kam und klar denken konnte, befand ich mich allein im Walde, der Mann war fort. Mir war zu Mulhe, als hätte mich ein gräßlicher Traum gepeinigt- aber Nein — alles war Wirklichkeit. Dort stand die Buche vor mir, darunter befanden sich die Beweise der Untbat. Leise und vorsichtig, ängstlich lauschend, ob nicht jener Schreckliche zurückkcbren möchte, schlich ich näher; kaum war etwas zu oemerken, nur der tastenden Hand verrieth sich die lockere Erde. Ich grub und schaufelte; jetzt stieß ich auf etwas Hartes, eS war die Brieftasche deS Ermordeten, seine Börse, seine Uhr und Kette lagen darunter; mit Mühe fand ich auch die beiden Ringe, die er getragen batte. Ich nahm Alles an mich und dazu einen andern Fund von ungeheurer Wichtigkeit. Dann stampfte ich die Erde fest und schlich davon. Der Mond, der mir bisher mit seinem Hellen Schein geleuchtet hatte, batte sich hinter dunkeln Gewittterwolken verborgen, und ich war kaum in daS Hotel zurückgekehrt, als das Unwetter losbrach. Nach wenigen Tagen, die ich in qualvoller Aufregung verbrachte, erfolgte die Entdeckung des Verbrechens; von dem Tbater fand man keine Spur, und ich hütete mich zu sprechen!" Hier schwieg Stadler und blickte erwartungsvoll auf die Baronin, dir in furchtbarster Erregung, mit leichenblassem Gesicht, die Hände in namenloser Angst verschlungen, au seinen Lippen hing. Plötzlich richtete sie sich empor, warf ihm einen Blick voll niederschmetternder Verachtung zu und rief: „Ja, Sie hatten Ursache zu schweigen, denn Niemand anders als Sie war der Mörder! Wie konnte ich so thöricht sein, mich durch Ihre verleumderischen Erfindungen auch nur einen Augenblick schrecken zu kaffen. Sie haben den Unglücklichen getödtet und beraubt, und nun schleudern Sie mit erbärmlicher Frechbeit die Anklage einem Manne zu, der vielleicht in der Scheu einer großen Stele vor solcher Gemeinheit eine verzeihliche Schwäche zrigte. Um sich nickt zu einer Rechtfertigung herabzulaffen, die ibm schon wie eine Besudelung erschien, legte er Ihnen Schweigen auf, erkaufte es wohl mit Opfern und gerieth auf diese Weise immer tiefer in Ihre Netze! O, ich verstehe, ich be greife jetzt Alles! Weshalb war Albrecht nicht aufrichtig gegen mich?! Die Entrüstung und der Abscheu hätten aus mir, dem schwachen Weibe, eine Kämpferin gegen diese Hinterlist gemacht! Aber nun ist Ihre Macht zu Ende, ich verachte Ihre Lügen, ich zerreiße Ihre arglistigen Gespinnste, ich er bebe die Anklage gegen Sie und ich rube nicht eher, als bis Sie die verdiente Strafe getroffen hat!" Die Baronin batte sich erhoben. Sie war außer sich vor Entrüstung, ihr Busen wogte, ihre Augen blitzten, ihre Faust ballte sich drohend gegen den verhaßten Feind. Dieser ließ sie ruhig aussprechen, ein Zug kalten, grausamen Hohns lag auf seinem Gesicht, er schien sich förmlich an dem Zorn der Frau zu weiden. Als sie erschöpft schwieg, sprach er mit einer Gelassenheit, die jedem seiner Worte einen Stack el verlieb. „Sie vergessen nur eins, gnädige Frau, oder vielmehr ich vergaß einen Umstand, der alle Ihre Behauptungen umwirft und der mit unwiderstehlicher Gewalt Zeugniß äblegt." „Was wollen Sie für eine neue Lüge erdichten? Sprechen Sir!" herrschte Melanie ibn an. „Ich gebe zu, daß ich das Eigentbum deS Todten an mich nahm, aber nur, um es in sicherer Verwabrung zu bebalten, daß ick von der bedeutenden Summe, welche die Brieftasche in Banknoten enthielt, einen Tbeil zu meinem Vortkeil ver wandte, leugne ich nicht; aber ich fand noch mehr. Kennen Sie diese Buchstaben, gnädigste Baronin?" Dabei batte er auS der Brusttasche seines RockeS ein kleines, sorgfältig eingewickeltes Päckchen bervorgezogen; er entfernte die Hülle und bielt c« Melanie bin. Es war eine Manschette, mit dunkeln Flecken beschmutzt, deren Anblick ihr einen Schauder einflößte. Ter goldene Knopf, der sich daran befand und den Stadler ihr jetzt zeigte, trug ein Mono gramm, ein verschlungenes A und W, darüber die sieben zackige Krone. Wie wobl war ibr dies Zeichen vertraut, daS ibr Gatte auf all' seinen Sachen führte! Nun schlug Stadler ein weiße« Tuch vor ihren Augen auseinander, und auch hier fanden sich Flecken und sogar die Abdrücke von Fingern, Alle« in jener schmutzig bräunlichen Färbung, die eine so fürchterliche Bedeutung batte, und in der Ecke ge wahrte sie mit Schaudern die verschlungenen Buchstaben mit der Krone, daS Monogramm ihres Gatten. Sie war wie vernichtet, erst starrte sie die entsetzlichen Beweise alter Schuld an, dann schlug sie die Hände vor«
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