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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.09.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960902013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896090201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896090201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-09
- Tag1896-09-02
- Monat1896-09
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Nrclamen unter dem Nedaction-strtch («ge spalten) bO^, vor den Familtennachrichtru (S gespalten) 40/4. Kroßere Schriften laut unserem Preis» derzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen» Ausgabe, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmelchluk far Anzeigen: Abend-Au-gabe: Bormittag« 10 UhL Margen-Au-gabe: Nachmittag« «Uhr, Bei den Filialen und Annahmestellen je eia« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Expedtttm» zu richte«. Druck and Verlag von E. Polz in Leipzig SV. Jahrgang. ZUM Ledantage. Der besondere Glanz, mit dem im vergangenen Iabre die Erinnerung an die glorreichen Siege de« deutsch französischen Kriege« begangen wurde, bat e» mit sich gebracht, daß in diesem Iabre diese Gedenktage im Allgemeinen nicht in be sonderer Weise gefeiert werben. Nur ein Tag hebt sich hoch heran« au« der schier übergroßen Zahl glorreicher Erinne rungen; er wird stets gefeiert werden, so lange da« deutsche Reich besteht und wo immer Deutsche wohnen: es ist der Sedantag. Denn für das deutsche Volk ist der 18. Januar 1871 nichts als die formelle Vollziehung einer durch den Tag von Sedan gesicherten Thatsache; für sein Empfinden ist am selben Tage, an dem das französische Kaiserreich in Trümmer ging, das deutsche Kaiserreich neuerstanden. Und darum ist dieser Tag jedem Deutschen ein ganz einziger Tag. Deshalb hat das deutsche Volk ein gutes Recht, diesen Tag in Freude zu begehen, wenn auch wohl Manche in übertriebener Rücksicht auf das Empfinden Anderer ver meinen, daß in dem Herzen des französischen Volkes durch die laute und öffentliche Feier des Sedantages in Deutsch land eine alte Wunde immer wieder neu aufgerissen würde. Sic batten wohl damit Recht, wenn in die Freude des deutschen Volkes auch nur die mindeste Schadenfreude über den gedemülhigten Gegner sich mischte. Aber nichts liegt dem deutschen Empfinden ferner; das deutsche Volk begeht ja diesen Tag nicht als Erinnerung an die Niederwerfung eines Gegners, sondern als den Tag der Einigung des deutschen Reiches. Es begeht ihn mit der freudigen Er innerung daran, daß die Männer, die an der Spitze der deutschen Volksstämme und der deutschen Heere standen, und Laß die deutschen Heere selbst vom höchsten General bis zum Troßknechl einmüthig in den Kampf zogen, um jenseits der Vogesen endlich das Vaterland, das jo lange zerklüftet war, zu einigen. Deshalb darf dieser Tag nicht nur der Freude gehören, sondern er muß auch der dankbaren Erinnerung geweiht sein. In der ersten Linie gebührt dieser Dank natürlich den Männern, die das deutsche Heer zum Siege führten» und diesem Heere, des in unvergleichlicher Tapferkeit mit seinem Blute die deutsche Einheit erslrilt. Aber nicht nur ihrer sei in Dank barkeit gedacht. Es gab noch ein anderes Heer, das an der Seite der deutschen Truppen stritt und ihnen den Sieg er kämpfen half, ein unsichtbares Heer. Es war das Heer der Männer, die in jenem unseligen halben Jahrhundert, das zwischen den Tagen lag, in denen man den äußeren Feind aus Deutschlands Grenzen verjagt halte, und dem Tage, den wir heute froh begehen, den inneren Feind, den Geist der deutschen Uneinigkeit und Zwietracht zu bekämpfen suchten. Fürst Bismarck hat es einmal ausgesprochen, daß die Imponderabilien, daS geistige Moment, die Kriege entscheiden. In diesem Kriege war das Jmponderabile der Glaube an die Möglichkeit der Einigung Deutschlands. Und die heilige Flamme dieses Glaubens hatten jene Männer dem deutschen Volke erhalten, die, unbekümmert um Spott, um Verfolgung und Kerker, im deutschen Volke in der Rede, im Liede, mit der Feder und mit dem Schwerte verkündet hatten, daß die Zeit doch kommen müsse, wo das Vaterland sich zusammenschließen werde. Ihr Geist schwebte vor dem deutschen Heere einher, er beflügelte seine Schritte, wenn es dem Feinde entgegen eilte, er stählte den Arm, daß die Schwerthiebe und die Kolbenschläge noch einmal so wuchtig ausfielen. Darum soll das junge Geschlecht daran gemahnt werden, daß es an diesem Tage nicht nur der E rkämpfer der deutschen Einheit, sondern auch der Vorkämpfer der Einigung in Dankbarkeit gedenkt. Denn nur das Volk ist eines großen Namens würdig, das allen den Männern treue Dankbarkeit bewahrt, die sich für des Vaterlandes Größe einsetzten, in welcher Weise eS auch immer geschah. Aber ein Volk, das seine Größe erhalten will, darf sich nicht nur m freudiger Feier und dankbarer Erinnerung an das Vergangene verlieren, cs muß auch auS der Geschichte der ruhmreichen Vergangenheit Mahnung und Lehre sür die Zukunft schöpfen. Und eine tiefe Mahnung für unser Volk liegt in der Würdigung der Männer, die für die Einigung des Reiches stritten und litten: die Mahnung, daß man sich nicht durch Verdruß und Enttäuschung im Kampfe für die Zukunft und Größe des Vaterlandes müde macken lasten darf. Nur zu oft finden wir es heute, daß gute Patrioten durch den Hader der Parteien, durch Mißbelligkeiten inner halb der Regierungskreise, durch kleine Schwankungen ent- muthigt werden und an der Zukunft und Weiterentwickelung des Reiches zu verzweifeln beginnen. Wer so kleinen Mutbes ist, für den ist eS gar nützlich, sich zu vergegenwärtigen, wie ganz Anderes die Männer leiden mußten» die in dem großen Kriege und vor ihm für die Einheit des Reiches stritten, und wie diese Männer trotzdem nicht den Muth und die Hoffnung sinken ließen. Was sind die Schwankungen, die wir heute erleben, gegen die Jämmerlichkeit der preußischen Negierung, unter der Fürst Bismarck als Bundestagsgesandter in Frankfurt arbeiten mußte; waS sind gewisse partikularistische Neigungen, die in der letzten Zeit gelegentlich hervorgetreten, und gegen den lächerlichen und traurigen Eigendünkel, der damals die kleinsten der kleinen Staaten und ihre Bevollmächtigten am Bundestage beseelte; was bedeutet der Hader der gegen wärtigen Parteien gegen die Todfeindschaft, die in jenen Zeiten zwischen den Parteien herrschte, wofür ein kleines charakteristisches Beispiel jenes halb scherzhafte, halb ernst hafte Gespräch zwischen dem damaligen Landtagsabgcordneten von Bismarck und einem radikalen Abgeordneten ist, die sich gegenseitig versicherten, daß jeder den andern hängen lasten würde, wenn seine Partei zur Macht gelangte. Trotz all dieses Jammers haben Fürst Bismarck und tausende wackerer deutscher Männer mit ihm niemals die Hoffnung auf die Größe und die Zukunft des deutschen Vaterlandes verloren. Diese Hoffnung hat den Tag von Sedan herbei geführt. Darum eben ist uns der Tag eine Mahnung, auch in Zeiten, an denen der Vaterlandsfreund wenig Freude finden kann, nicht zu verzagen. Er ist uns aber auch eine Mahnung, daß einmüthiges Zusammenstehen erforder lich ist, um deö inneren Feindes Herr und den Gegnern und Neidern im Auslande überlegen zu bleiben, uni die deutsche Cultur in die Welt hinauszutragen uno den deutschen Brüdern im AuSlande, die schwere Kämpfe für die Erhaltung ihrer Na.ionalität zu führen haben, die aber trotzdem treu zum deutschen Namen halten und unseren großen Freudentag mit uns feiern, als wäre es ihr eigener, jederzeit moralisch und materiell eine Stütze bieten zu können. Wenn das deutsche Volk das Sedanfest in diesem Sinne feiert, so wird ihm Niemand das Lob vorenthalten können, daß eS versteht, großer Tage in würdiger Weise zu gedenken. Die Pariser „Waarenhandelsbank" und das deutsche Lörsengesetz. In Paris ist ein Aktien - Unternehmen, „Maaren- Handelsbank" genannt, begründet worben, um jenen Outsiders, die nach dem neuen Börsengesetz vom Differenz spiel an der Börse ferngehalten werden sollen, Gelegenheit zur Befriedigung ihres Spielbrdürfnisies zu gewähren. Einem Zeitungsbericht zufolge verbreitet Vie besagte Bank namentlich in Deutschland ihre Prospekte; sie führt Aufträge in allen er denklichen Waaren aus, nicht nur in Getreide, das von Neujahr ab vom börsenmäßigen Terminhandel ausgeschlossen sein wird, sondern auch in Kaffee, Zucker, Baumwolle, Alkohol, Petroleum, also auch in Waaren, die nach wie vor ihren Terminmarkt in Deutschland haben werden. Nur daß dieses Pariser Unternehmen weit geringere Mengen-Einheilen dem Differenzgeschäft zu Grunde legt, so daß etwa auch der kleinste Sparer bei diesem Spiel sich betheiligen kann, wenn er eben durchaus sein Geld auf leichtfertig gewagte Weise wieder loswerden will. Die Absicht des ganzen Unternehmens liegt klar zu Tage. Ob die Outsiders der Berliner Getreideterminbörse dem nächst sich der Pariser „Waarenhandelsbank" zuwenden werden, bleibe dahin gestellt. Alle gewiß nicht — und zwar schon deshalb nicht, weil der Bankier in der Provinz es ab lehnen wird, solche Geschäfte zu vermitteln, während er keinen Grund hatte, zwischen dem Outsider und der Berliner Kornbörse nicht zu vermitteln, wenn er dazu beauftragt wurde. Gerade das kleine Sparcapital ist aber dann von dem neuen Markt für Differenzgeschäste ferngehalten, denn direkt wird der Löwenwirth in Hinterdingelfingen mit der Pariser Handelswaarenbank gewiß nicht verkehren. Bleiben nur die gewohnheitsmäßigen Spieler übrig, die größere Summen — wenn nicht besitzen, so doch riskiren, und von denen mag vielleicht der Eine und der Andere dem Pariser Unternehmen zum Opfer fallen. Gesetzt also, daß dies geschieht, so kann daraus nicht gefolgert werden, daß taö Börsengesetz seinen „ethisch-christlichen" Zweck durchaus verfehlt habe. Weil in Monaco weiter gespielt wird, hat doch die Aufhebung der Spielhöllen in Deutschland ihren Zweck nicht verfehlt. Gerade jene wirthschaftlich schwächeren Existenzen, die in socialer Hinsicht als ebenso nützlich wie nothwendig gelten dürfen, sind um so bester behütet, je weiter ihnen die Gelegenheit zur leichtfertigen Zerstörung ihres eigenen Funda ments fernzerückt wird. Insofern mag das Börjengesey gute Wirkung üben. Den abenteuerlichen Spieler auf seinem ver derblichen Wege aufzuhallen, wird keiner Staatsaufsicht ge geben sein. Demnach vermögen wir der Auffassung, daß die Gründung einer Pariser Bank sür Waarendifferenzgeschäfte gegen die Zweckmäßigkeit des deutschen Börsengesetzes spreche, durchaus nicht beizutreten. Ebenso wenig will es uns verständlich erscheinen, wie angesichts der ganz klaren Bestimmungen des Börsengesetzes immer wieder von einer Unterdrückung des Terminhandelö in Waaren, namentlich in Zucker, die Rede ist, wobei es nebenbei geradezu unterhaltend wirkt, wie z. B. süddeutsche freisinnige Blätter die Klagen und Beschwerden darüber sich zu eigen machen, daß die Beseitigung des Zucker- lcrmingeschäflS einen fortdauernden Preisrückgang zur Folge gehabt hätte. Es sei zunächst bemerkt, daß der börsenmäßige Zuckert ermin Han del von demBörsengcsetz gar nicht berührt wird. Der Bundesrath hat zwar die Befugniß, auch diesen Terminhandel zu verbieten oder an gewisse Bedingungen zu knüpfen. Aber in keinem Stadium der Berathungen über das Gesetz ist je eine Stimme laut geworden, dir auch nur vermuthen ließe, daß gegen denZuckertermm von dieserBefugniß Gebrauch gemacht werden sollte oder müßle. Das Einzige, was hier gcänverl sein wird, ist, daß wer an der Zuckerbörse Zeitgeschäfte abschließen will, in das Börsenregister sich auf nehmen lassen muß. Das mag dem Outsider unbequem sein, ihn auch wohl von der Börse künftig fernhalten. Für den Kaufmann und Fabrikanten aber, also für den Kreis der Interessenten, bietet es nicht die mindeste Unbequemlichkeit, schafft aber diesem Kreis die größere Sicherheit, daß un berechtigte, vom reinen Spekulationsgeschäft ausgehende Ein flüsse auf die Preisbildung fernerhin zurücktreten, wo nicht ganz unterbleiben werden. Wie in diesem Kreis der betheiliqten Interessenten ein täglich wachsender Unmuth über das Börsengesetz sich bemerk bar machen sollte, ist vollends nicht zu verstehen. Der Rück gang der Preise, der übrigens die fortschrittliche Prophezeiung von einer unerlaubten Vertheuerung des Zuckers durch das neue Steuergesetz trefflich illustrirt, weiß jever Halbwegs mit den Verhältnissen Vertraute richtig zu erklären. Dafür kann Loch eine thatsächlich gar nicht erfolgte Unterdrückung des Termingeschäftes unmöglich in Anspruch genommen werden. Deutsches Reich. * Berlin, 1. September. Der Vater LeS mit dem Kanonenboot „Iltis" untergcgangenen Maschinenheizcrs Wolter, der Gastwirth Peter Wolter aus Berlin, batte sich an das Commando der II. Werft-Division in Wil helmshaven gewandt mit der Bitte, ihm über die Ursache des Untergangs des Kanonenbootes Miltheilungen zu machen und ihm Nachricht zu geben, ob die Leiche seines Sohnes vielleicht gesunden oder Aussicht vorhanden sei, daß diese Leiche und die der anderen Verunglückten vielleicht später noch geborgen werden. Hierauf ist Herrn Wolter folgendes Schreiben der Werft-Division zu Wilhelmshaven zugeaangen: „Auf Befehl des Kaiserlichen Ober-Commandos der Marine wird Ihnen über den Untergang S. M. Kanonen boot „Iltis" Folgendes ergebenst mitgetheilt: Außer den bekannt gegebenen Darstellungen lasten sich nähere Mit theilungen über die Ursache des Untergangs des Kanonen boot« nicht machen. Es haben sofort eingehende Er hebungen stattgefunden; außer den geretteten Mannschaften sind auch die Leuchtthurmwärter in Schantung befragt worden. Die U eberleben den können aber in Folge ihrer Vorbildung und ihrer dienstlichen Stellung — sie gehören nicht dem Officierstande an — kein Urtbeil über die Ursache des Unterganges und keine Kenntniß von der Lage haben, in der sich das Kanonenboot vor der Strandung befand. Dies können nur die mit der Führung des Schiffes betrauten Ossicierc übersehen. Da von diesen Personen Niemand gerettet ist, so wird sich voraussichtlich überhaupt keine Klarheit über die Ursache der Katastrophe schaffen lassen. So viel steht fest, daß das Kanonenboot bei stürmischem Wind Abends längs der Küste von Schantung gedampft ist und daß das Wetter dabei noch unsichtig war und in Folge dessen die Küste nicht genau erkannt werden konnte. Der stürmische Wind und der herrschende Strom haben augen scheinlich das Kanonenboot zu nahe an Land gebracht, und die Gefahr ist in Folge deS unsichtigen Wetters zu spät erkannt worden. Es unterliegt keinem Zweifel, daß das Kanonenboot seetüchtig und seiner Aufgabe gewachsen war, sowie daß die ganze Besatzung bis zum letzten Augenblick ihre Pflicht im vollsten Maße gethan und eine musterhafte Haltung bewahrt hat. Leichen sind, soviel bisher bekannt geworden, nicht gefunden worben, und eS ist leider auch nicht wahrscheinlich, daß sie gesunden werden, gez. Oelrichs, Capitain zur See und DivisionS-Eommandeur." * Berlin, 1. September. Herr Stöcker veröffentlicht im „Volk" einen viele Spalten langen Brief aus seiner Sommerfrische an die „lieben Freunde und Parteigenossen" unter den Cbristlich-Socialcn. Manche Christlich-Sociale, so erklärt er, sind „durch die Ereignisse der letzten Zeit, ja des ganzen vergangenen Jahres irre geworden und wissen nicht, was sie von der Partei und ihrer Zukunst denken sollen; und doch ist Alles, klar betrachtet, recht einfach." Ob dies indeß für die lieben Freunde und Parteigenossen aus dem endlosen Briefe hervorgehen wird, ob sie nach dem Lesen desselben wissen werden, was sie „von der Partei und ihrer Zukunft denken sollen", scheint sehr zweifelhaft. Herr Stöcker setzt lang und breit auseinander, daß alle die, mit denen er im Laufe der Jahre irgendwie zusammengewirkt, die ihn aber jetzt allein seine Wege gehen lassen, Unrecht hätten, und daß nur er Reckt habe; das deutsche Volk taumelt dem Unter gang entgegen und cs könnte nur dann gerettet werden, wenn es sich — Herrn Stöcker'S Führung anvertraute: „Nicht das Bedürsniß, politisch thätig oder gar politischer Partei» führer zu sein, hat mich in den Kampf geführt; weder damals, als ich gegen die Socialdemokratie stritt, noch nachher, als ich nach einander Fortschritt und Judenthum, Liberalismus und Mittel» Parteien ad,zuwehren hatte, »och jetzt, wo ich auf das Drängen der alten Christlich-Socialen ihre Führung übernommen habe. Gern sehe ich einen Andern an meiner Stelle: ich habe es in Frank» furt vorausgesagt, daß mein Präsidium schwere Anfechtungen im Gefolge haben werde. Aber ich will mich auch der gemein» famen Pflicht, die christlich»sociale Fahne fernerhin hoch zu halten, nicht entziehen. Bis zum letztem Odemzug will ich meinem Volke und meiner Kirche dienen. Noch heute glaube ich, daß das deutsche Volk, wenn es kühn und stark im Geiste des Christenthums und der Mannhaftigkeit geführt wird, fein Wesen und seine Zukunft retten kann. Aber ich glaube auch, daß es so, wie es jetzt ist, führerlos und autoritätslos, in seinen höheren Ständen von Genußsucht und Zweifel, in seinen unteren Schichten von Haß und Kirchenfeinschast beherrscht, den größten Gefahren entgegengeht. Es bandelt sich dabei nicht um Rechte oder Linke, noch viel weniger um Alte oder Junge; es handelt sich um Sein oder Nichtsein deutscher Ehre und Herrlichkeit." Und für die wird Herr Stöcker weiter so kämpfen — wie bisher, jedoch ohne den Freiherrn v. Hammerstein. Feuilleton. Manöverschmerzen. Humoristische Plauderei vom Freiherrn von Schlicht. (Nachdruck »erbotm.) „Herr Lieutenant müssen aufstehen, es ist die höchste Zeit." Ein Strecken, Stöhnen, Aechzen . . . „Jetzt schon? WaS ist denn beute für Dienst?" „Herr Lieutenant, wir rücken doch heute ins Manöver!" Ach Gott, das hatte er bei seinen süßen Träumen ganz vergessen — mit einem Fluch, würdig seines Ahnherrn, eine erprobten Raubritters, streckt er die Beine in die nackt« Wirklichkeit und wenig später ist der Lieutenant fertig — beim Militair macken die Kleider wirklich die Menschen. „Ist der Tbee fertig?" „Herr Lieutenant haben mir doch befohlen, die Thee- maschine eiuzupacken." So tröstet sich der Lieutenant mit der Hoffnung, in der Kantine Kaffee zu bekommen, aber al« er den Kasernenbof erreicht, ist die Compagnie schon im Begriff abzumarschiren und so muß er „ungegessen und ungetrunken" mit »ach dem Bahnhof „strampeln", wo der Eisenbahnrug wartet, der die Krieger in daS Manöveraelände führen soll. Wenn eS nur keine Militairzüge gäbe! Zwischen einem solchen und einem D-Zug ist ein Unterschieb wie zwischen einem durchgehenden Renngaul und einem hinkenden alten Droschkenpserd. Wenn man mit einem Militairzug doch da« Ziel erreicht, so liegt das lediglich daran, daß die Manöver in drei oder vier Wochen beendet sein müssen. Die Zeit schleicht noch langsamer als die Fahrt dahin; zuerst versucht man zu schlafen, ist einem die« nach endlosen Bemühungen geglückt, so wird man sofort wieder von den Kameraden geweckt, weil man angeblich geschnarcht hat; der wahre Grund ist natürlich der, daß sie nicht wolle», daß man e« bester bat, al« sie selbst. Die nächsten zehn Minuten bringt man damit zu, sich Geschichten zu erzählen. „Kennen Sie da« Gegentheil von Frühlingserwachen— „Nein." — „Na dann denken Sie mal etwa« nach." Man befolgt diesen Rath, natürlich vergeben« und dann kommt die geistreiche Auflösung: „SpätrechlSeinschlafen". Hat man zehn Schock Witze dieser Güte genossen, sehnt man sich nach einer Abwechslung; man entschließt sich zu einer Scatpartie. Karten hat man in der Tasche, ein Tisch ist schnell besorgt, man lehnt sich zum Fenster hinau« und ruft: „Ein Spielman« soll eine Trommel hergeben. Weiter sagen." Von Coups zu Coup6 wird der Befehl weiter gerufen und schon nach wenigen Minuten wandert eine Trommel von einem Fenster zum andern, der Scat kann beginnen. Wenn man dann bei diesem Spiel so müde geworden ist, daß mau selbst mit den vier Jungen, vier Affen und zwei Zehnen nicht- mehr anzufangen weiß, hält endlich der Zug. Da« Ziel ist erreicht, man ist so steif, daß man weder sitzen, liegen noch stehen kann, die Füße sind angeschwollen, trotzdem muß man noch ein Dutzend Kilometer herunter schlucken, ebe man sein Quartier erreicht hat. Die Wohnungsfrage ist natürlich für den Krieger von der größten Wichtigkeit. Hätte Jeder für sich selbst zu sorgen, so lägen alle wie im Paradies, leider aber wird für sie gesorgt, da beißt e« zufrieden sei« mit dem, wa« der Fourierofficier ihnen bescheert. Fourier sein ist eine größere Strafe, al« skalpirt zu werden. „Nicht wahr. Sie legen mich zu dem Förster?" „Ich möchte gerne im Hotel liegen." „Sehen Sie doch mal zu, ob Sie für mich nicht ein Quartier finden, in dem hübsche Töchter sind, ja?" „Um Gottes Willen — nur kein Quartier mit jungen Mädchen — auch im Manöver Süßholz raspeln, da« geht über meine Kräfte." „Legen Sie mich blos nicht zum Apotheker — ick habe nun einmal eine unüberwindliche Antipathie gegen die Gifte, die da gebraut werden." „Wie ich liege, ist mir ganz gleichgiltig, wenn nur mein Pferd gut untergebracht ist." So bat Jeder seinen Wunsch — der arme Fourier läuft sich die Füße wund, um Allen gerecht zu werden und um hinterher die Entdeckung zu machen, daß doch kein Mensch zufrieden ist. In der Stadt ist der Ofsicier immer noch ganz gut auf gehoben, gefällt eS ihm nicht in seinen vier Wanden, so kann er sich auf eigene Kosten ein bessere« Logis suchen und für Geld und gute Worte wird er finden, wonach sein Herz sich sehnt. Aber wehe, wehe, dreimal webe, wenn man der Stadt den Rücken dreht und auf'« Land kommt! Nach einem endlosen Marsch auf staubiger Chaussee oder auf tiefen Sandwegen erreicht man sein Quartier. Die Mienen der Fourier«, die am Dorfeingang warten, verkünden nickt« Gutes, so fragt man gar nicht erst, wie die Wohnung, sondern nur, wo sie ist. „Herr Lieutenant können gar nicht fehl geben, da wo der große Misthaufen vor der Thür« ist, liegen der Herr Lieutenant". Da- klingt reckt verheißungsvoll und man sucht seine Stätte auf. Auf der Diele gackern die Enten und Hübner, die Kühe rufen „muh, mub", die Pferde raffeln mit den Ketten, au« einer offenen Thür dringt starker Rauch hervor. Ein weibliches Wesen, jedes Liebreizes bar, erscheint und nachdem sie unS bewundert, öffnet sie eine kleine Thür. Das also ist der Raum, in dem man Hausen soll: kleiner als klein und so niedrig, daß man nur in gebückter Haltung stehen kann. Eine Temperatur herrscht in der Stube und eine Luft, eine Luft — wie singt doch der Dichter: „So was läßt sick wobl empfinden, aber sagen läßt sich« nicht." Man stößt die Fenster auf und sinkt vernichtet auf einen Stuhl; tausende von Fliegen surren und summen um uns herum und krabbeln und kitzeln, daß e« kaum zu ertragen ist. Wenig später bringt der Bursche daS Esten; als Lieute nant erhält man jeden Mittag, so lange man auf dem Lande einquartiert ist, ein Huhn, — ein wahres Räthsel, wo alle die Hühner Herkommen. Man macht die Augen zu, bildet sich ein, einen Hummer vor sich zu haben und ißt drauf lo«. Der Bursche, der da weiß, daß Essen und Trinken zusammengehört, hat eine Flasche Bier aufgetrieben, die zur Zeit Alexander- des Großen schon sauer geworden ist. Das Diner ist beendet, man fühlt in seinen Gliedern eine bleierne Müdigkeit, man möchte so gerne schlafen, aber fragt mich nur nicht: wo? Sopha und Chaiselongue sind unbekannte LuxuSgeqen- stände, man schläft aus dem Lande im Bett d. b. in dem, was sie kurzweg Bert nennen: eia viereckiger in die Wand eingemauerter Kasten, der mit Stroh und centnersckweren Kissen und Decken auSgefüllt ist. Man reißt den Slrobsack heraus, wirft ibn auf die Erde und legt die müden Glieder nieder. Nun könnte man scklafen, wenn man könnte — nach einigen Vergeblicken Versuchen verzichtet man auf die an- genehmste aller Beschäftigungen, und ruft den Burschen, um sich umzuziehen. Vergeben« späht da« Auge nack einem Waschtisch auS, keine Schüssel, kein Wasser, nichts. Der Bursche wird abgesandt, um da- Nöthige zu besorgen, nach einer Minute kommt er zurück.
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