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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.07.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189607127
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18960712
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18960712
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-07
- Tag1896-07-12
- Monat1896-07
- Jahr1896
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.07.1896
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Die Morgen-Au-gabe erscheint um '/«? Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Neliaction und Expedition: JohanntSgasse 8. DieExpeMon ist Wochentag- ununterbrochen aröffuet von früh 8 bi- Abend« 7 Ubr. Bezugs-Preis der Hauvtexpedition oder den im Stadt, dehirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgehott: vierteljährlich >!t 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.50. Durch die Post bezogen tiir Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 8.—. Directe tägliche Kreuzbandienüung in« Ausland: monatlich 7.50. Filialen: D-t« Klemm's Sorlim. (Alfred Hahn). Uviversitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche,' Nathartnenstr. 14, Part, und Königsplatz 7. P'cip)igcrTageblatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes nnd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen Preis die b gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reklamen unter dem RedactionSstrich ^ge spalten) 50-^, vor den Familienuachrichte» (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Pceis- verzeichniß. Tabellarischer und Zijfernsa- nach höherem Tarif. tztra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, vHne Postbesörderung SO.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahniktchlnk für Anzeigen: Abend-AuSaabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anteigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz ln Leipzig Sonntag den 12. Juli 1896. SV. Jahrgang. Bestellungen auf Neiseabonnements nimmt entgegen und führt für jede beliebige Zeitdauer aus , llitz Expedition I^eipLixer ^LKediattes, Johannisgasse 8. Aus der Woche. K. Wenn vor einigen Tagen an dieser Stelle in Bezug aus die Gerüchte von Krisen und Intriguen bemerkt wurde, keine Zeitung könne auf halt en, was sich auf der kaiser lichen Dacht Vollziehe, so sollte damit nicht auch gesagt sein, daß die Presse nicht benutzt werden könne, um Intriguen zu fördern. Mit Berechnung verfaßten und geschickt lancirten Zeitungsartikeln ist bei allen wichtigeren Veränderungen, die sich in den letzten sechs Jahren in der inneren deutschen Politik voll zogen haben, eine Nolle zugcfallen und die mißlungenen Versuche, durch den falschen Schein eines Dolmetschers der öffentlichen Meinung einen illegitimen Einfluß auf Entschließungen maß gebender Stellen zu gewinnen, zählen nach Tausende». Dieses Treiben, bei dein die Redaktionen nicht selten in der gleichen Weise wie der ins Auge gefaßte Leser gutgläubige Opfer einer raffinirten Täuschung sind, läßt nicht nach und wir irren Wohl nicht, wenn wir ihm eine Betrachtung in einem Berliner Blatte zurechnen, die eine in jeder Beziehung correcte Beurtheilung der politischen Verhältnisse in Braunschweig zum Ausgangspunkte nimmt, um den Fürsten Hohenlohe leise und den Freiherr» von Marschall laut als ungeeignet zur Leitung der auswärtigen Angelegenheiten zu bezeichnen, weil sie als Nichtpreußen außer Stande sein, in Fragen wie die der braunschweigischen Thronfolge den preußischen Einfluß in dem nothwendigen Maße zur Geltung zu bringe». Da es auf der Hand liegt, daß die braunschweigische Angelegenheit nicht in den Amts bereich der Staatssccretaire des Auswärtigen fällt, so rechtfertigt sich die Annahme, daß der Reichskanzler und preußische Ministerpräsident, obwohl er im Hintergründe sigurirt, das eigentliche Ziel des Schützen ist. Jeden falls ist es ein Schlag ins Gesicht der Wahrheit, wenn an dem, was in der braunschweigischen Frage schon gesündigt worden ist, jetzt gesündigt wird und dem Anscheine nach Weiler gesündigt werden soll, einem verantwortlichen Nathgeber die Schuld beigemessen wird. Man braucht gar nicht zu den „Eingeweihten" zu gehören, sondern nur Zeitungen gelesen zu haben, um die Stelle zu kennen, an der die Bemühungen der ehemaligen Königin von Hannover und der Herzogin Thyra, den Herzog von Cumberland zur Auf stellung der Thron-Candidatur seines Sohnes zu bewegen, ihren Stützpunkt haben. Es ist s. Z. in einem Braunschweiger Blatt offen dargelegt worden und hierauf sowie auf die energische Reklamation der nationalen Presse ist nichts als ein bestätigendes Schweigen gefolgt. Man könnte, ohne sich eines schroffen Uebergangs schuldig zu machen, diesen Bemerkungen solche über die Entsendung von deutschen Schiffen nach Rußland und die Ankündigung der Theilnahme „Deutschlands" an der Pariser Welt ausstellung anfügen. Wir verzichten darauf und wollen nur der Empfindung Ausdruck geben, daß die Anerkennung, welche der Pariser „Figaro" für die Mittbeilung des Grafen Münster spendet, eine Beleidigung ist. Hoffentlich läßt sich Niemand in Deutschland von den — wer weiß, von welchem schmutzigen Interesse eingcgebenen — Schmeichelworten der verächtlichsten und verachtetsten Zeitung des Welttheiles be stricken. Die sehr heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Centrumspresse und der Leitung des Bundes der Land wirt he oder, was dasselbe sagen will, mit der konservativen Partei sind zunächst deshalb interessant, weil sie die Energie der allerdings mehr von konservativer als von klerikaler Seite angekündigten gemeinsamen Action zu Gunsten eines Zedlitz'schen Schulgesetzes doch einigermaßen lähmen dürften. Sie verdienen ferner insofern Beachtung, als sie zeigen, daß das Centrui», selbst wenn es wollte, die Wirthschaftsreaction der Conservativen gar nicht mitmachen darf, wenn eS das Gros seiner Wähler bei den Fahnen erhalten will. In Schlesien thun die klerikalen Agrarier dem Centrum fortgesetzt empfindlichen Abbruch und, wie wir die Führer der Partei kennen, wären sie skrupellos genug, sehr viel und Alles zu concediren, um in der Ostprovinz Herr zu bleiben. Aber es geht nicht, denn die Kerntruppen stehen im Westen und Süden und deren Ab fall wäre mit der Befriedigung des Grasen Strachwitz und Genossen zu theuer bezahlt. Freilich hat das Centrum auch außerhalb Schlesiens mit dem reinen Agrarierthum zu rechnen. Aber hier kämpft es, während es sich in der Ostprovinz regelmäßig auf Rückzugs kanonaden beschränkt. Wir haben mitgetheilt, wie bös die „Köln. Volksztg." den Bund der Landwirthe im Allgemeinen und die „Germania" den Herrn v. Ploetz insbesondere zerzaust hat. Das letztere Blatt hat den Finger in eine Wunde ge legt, die auch Andere gekannt aber — mit vielleicht nicht mehr erlaubter Scheu vor dem Persönlichen in der politischen Polemik — nicht beredet haben. Das Geschäftsagrariertbum ist in der That allmählich sehr stark geworden und der Bund der Landwirthe weist in dieser Hinsicht nachgerade eine un zweifelhafte Aehnlichkeit mit der Socialdemokratie auf, nur daß diese sich aufs Leugnen beschränkt, wenn ein Zusammenhang zwischenPrivatinteresHund socialdemokratischer Völkerbefreiung behauptet wird, wahrend die von Bauerngroschen lebenden Herren durch Berühmung ihrer Uneigennützigkeit das Prävenire spielen. Solche Mätzchen, wie die Posener „Ehrenerklärung" für Herrn v. Ploetz sind nicht« Neues, keines aber ist den Urhebern so übel bekommen. Die Frage der „Germania" an das Bundesorgan: „Wie viel an Gehalt, wie viel an Nepräsentationskosten, wie viel an Reisespesen hat Herr v. Ploetz aus der Casse des Bundes der Landwirthe erhalten, wie viel erhält er jetzt?" — wird von der Befragten nie beantwortet werden. Aber ihre Formulirung wird den con- tribuirenden kleinen Landwirtben nicht vorenthalten, nnd wenn der Bauer, der klüger ist, als der phrasenumwickelte social demokratische Arbeiter, in Geldsachen zu fürchten angefangen hat, dann hat er auch bald zu fürchten aufgehört. Deutsches Reich. -s- Leipzig, 11. Juli. Obwohl die deutsche Gerichts organisation schon seit mehr als 15 Jahren besteht, begegnet man noch häufig Ausdrücken, welche die Nichtkenntniß der einfachsten Seiten der Sache darthun. Daß statt: Land gericht gedruckt wird: Landesgericht und wieder andererseits statt: Oberlandesgericht zu lesen ist: Oberlandgericht, das sind Erfahrungen, die der Leser selbst der correctesten Blätter heute noch machen muß. Ganz besonders muß aber, wenn gesagt wird, diese oder jene Vacanz im Reichsgericht habe je nachdem Preußen, oder Mecklenburg rc. zu besetzen, auf das völlig Falsche dieser Ausdrucksweise aufmerksam gemacht werden. Die Einzelstaaten haben nur ein durch Verständigung unter sich hinsichtlich der Zahl der Stellen geordnetes Vorschlagsrecht; der Bundesrath prüft die Vorschläge und er schlägt, wo er nack gewissen hafter Prüfung beistimmen zu können glaubt, den Betreffen den deni Kaiser zur Ernennung vor. Das Besetzungsrecht ruht also beim Bundesrath und beim Kaiser. Deshalb gebührt den Mitgliedern der Behörde auch das Prädicat „kaiserlich" und deshalb spricht das Reichsgericht Recht nicht „Im Namen der Bundesfürsten", sondern: „Im Namen des Reichs." Berlin, Il.Juli. Wenig beachtet worden ist eine vor einigen Tagen veröffentlichte Meldung des Lieutenants Grafen Zech, wonach er bei seiner vom 6. Januar bis 14. März d. I. währenden Expedition in das Hinterland von Togo bei der Abwehr eines Angriffs und der späteren Unterwerfung der räuberischen Taschi in der Landschaft Fasugu von dem Herrscher von Tschautscho mit 100 Fußsoldaten und 40 Reitern wirksam unterstützt worden ist. Und doch bringt diese Meldung die erfreuliche Gewißheit, daß der deutsche Ein fluß in Tschautscho trotz der Machenschaften unserer fran zösischen Concurrenten nicht nur keine Einbuße erlitten hat, sondern nach wie vor der herrschende und maßgebende ist. Bekanntlich haben die Franzosen im vorigen Jahre den Versuch unternommen, durch die Errichtung einiger Militairstationen in dem Hinterlande unserer Togocolonie der Theorie der „accupation esteetive« dort zu ihren Gunsten eine Unterlage zu schaffen, und sich auch durch den zwischen Deutschland und dem Sultanat Tschautscho bestehenden Schutzvertrag nicht abhalten lassen, in Tschautscho, so u. a. in Basilo und Kirikri, solche „Stationen", die in Wirklichkeit aus einigen uniformirten Schwarzen bestehen, anzulegcn. Die Ansprüche Deutschlands auf Tschautscho, dessen Erwerbung wir dem im Dienste der Colonialpolitik gestorbenen Stabs arzt vr. Wolf verdanken, sind gemäß der Brüsseler Acte seiner Zeit auch der französischen Negierung notisicirt worden und dieselbe hat die RechtSgiltigkeit des Vertrages zwischen Deutschland und Tschautscho nicht bezweifelt. Das Vorgehen der Franzosen kann daher nur den Zweck haben, bei den vorauszusehenden Abmachungen über das Hinterland von Togo fingirte Rechtsansprüche aus Tschautscho als Com- pensationsobjecte zu benutzen. Unter diesen Umständen er scheint die kräftige Geltendmachung der deutschen Autorität nnd deS deutschen Einflusses in Tschautscho, die sich Graf Zech allem Anschein nach hat angelegen sein lasten, besonders dankenSwerth. * Berlin, Il.Juli. lieber Wahlmachenschaften der Polen im Reichstagswadlkreise Schwetz berichtet ein nickt- preußischer Mitarbeiter der „Tägl. Rundsch." das Folgende, das zugleich deutlich zeigt, wie fehlerhaft die Beibehaltung der alteu Wahllisten von 1893 war. Er schreibt nämlich: „Wie streng gesetzlich die Herren Polen, die fast bei jeder Wahl in den Ostprovinzen über landräthliche Wahl beeinflussungen Zeter und Mordio schreien und die Wahl prüfungscommissionen der Parlamente mit Wahleinsprüchen überschwemmen, bei ihrer Wahlagitation verfahren, ist männiglick aus vielen Beispielen bekannt — wir erinnern nur an die Wahl des Abgeordneten v. DziembowSki-Bomst im Wahlkreise Bomst-Meseritz, wo der im Interesse des polnischen Candidaten, des Propstes Szymanski (Schnmann)-Gr. Dammer wirkende Reichstagsabgeordnete Fuchs in einer polnischen Wählerversammlung erklärte, „auf der einen Seite stehe die katholische Christenheit, auf der andern die übrigen Menschen, die sich sämmtlich unter dem Halbmonde befänden; des halb müßten die Katholiken wie überall so auch bei den Wahlen Zusammenhalten und dem polnisch-katholischen Can didaten ihre Stimme geben". Heute wird ein Seiten stückchen zu dieser lügenhaften Wablbeeinflussung bekannt, das auf polnische Unverfrorenheit ein bezeichnendes Lickt wirft. DaS polnische Wahlcom its im Kreise Schwetz bat aus Anlaß der Stich- wahl folgendes Manöver ins Werk gesetzt: Nachdem fest gestellt war, daß bei der Stichwahl nach den Wählerlisten von 1893 gewählt werden würde, versandte das polnische Wahlcomits Briefe an polnische Wähler, die 1893 im Krciie Schwetz wohnten, seitdem aber anderwärts ihren ständigei: Wohnsitz hatten, mit der Aufforderung, am Tage der Slick Wahl sich in ihren früheren Wahlbezirk zu begeben; sie ständen ja noch in den Wählerlisten und seien bcrecktcki, in Schwetz zu wählen! Willens, dieser Aufforderung Folge zu leisten, machten u. A. zwei polnische „Flissaken" (Holz traftschiffer), die seit zwei Jahren in Graudenz wohnen, den Versuch, sich bei der Graudenzer Polizei eine amt liche Lcgitimationsbescheinigung ausstellen zu lassen, wo nach sie zur Ausübung des Wahlrechts im Wahlkreise Schwetz befugt wären. In Graudenz mißglückte der Versuch; ob die Kriegslist der Polen an anderen Orten von besserem Erfolge begleitet war, ist uns nicht bekannt geworden. Daß man aber überhaupt aus diese List verfallen konnte, ist ein Beweis dafür, daß es sich in keinem Falle empfiehlt, bei einer so spät nach der ursprünglichen Wahl erfolgenden Nachwahl nach den alten Wählerlisten zu verfahren. Falls der polnische Candidat nicht durchkommt, werden die Herren Polen ohne Frage wegen der Benutzung der Wählerlisten von 1893, die ihnen die Möglichkeit einer solchen Heranziehung unberechtigter Wähler zu bieten schien, Lärm schlagen und die Wahl, des deutschen Candidaten anfechten." Berlin, ll. Juli. (Telegramm.) Wie die „Nordd. Allgem. Ztg." erfährt, ist in Preußen die Erhöhung der BeamtcudcfolSungen für sämmtliche mittleren und höheren Beamten, einschließlich der vortragenden Räthc im Ministeriuni, in Aussicht genommen. Die daraus bezüg lichen Vorarbeiten sind so weit vorgeschritten, daß die zur Ausbesserung nothwendige Summe bereits in den Etat für 1897/98 eingestellt werden kann. Ebenso liegt die Sacke bezüglich der Reichs beamten. — Nach einer Meldung dcs „Hamb. Corr." wird sick die Ausführung des Schutztruppeugesetzes noch bis zum Herbst hinziehen. Bekannt ist schon, daß vom Reichs kanzler eine Verfügung über die künftige Organisation der Schutztruppen ergehen soll, ferner soll noch eine Anzahl anderer dazu gehöriger Verordnungen erlassen werden. Der Reichskanzler ist aber bis Mitte nächsten Monats beurlaubt und so lange ruhen diese Arbeiten. Daher wird an den be rufenen Stellen angenommen, daß das Reichsmarineamr die Angelegenheiten der Schutztruppen etwa bis zum 1. October verwalten wird und daß sie dann erst an ras Auswärtige Amt übergehen. — Generalpostmeister Or. v. Stephan hat eine Jnspectionk- reise nach den schleswig-holsteinischen und hanseatischen Ober- Postdirectionsbezirken angetrcten. * Äraudcuz, 1l. Juli. (Telegramm.) Wie der „Ge sellige" meldet, ist in dem Neichstagswahlkreise Schwetz die Wahl des freiconservativen Candidaten Holtz gesichert. Das Resultat auö drei Wahlbezirken steht noch aus. * Brombcrg, 11. Juli. (Telegramm.) In der DiS- ciplinar-Untersuchung, welche gegen den Bürgermeister Roll in Gnesen verfügt war, weil er bei einer Feierlichkeit aus Rücksicht auf die Polen das Spielen der National hymne verboten batte, erkannte der Bezirksausschuß heute gegen den Angeschuldigten auf Dienstentlassung. Inowrazlaw, 10. Juli. Dieser Tage wollte der Arbeiter G. aus Russisch-Polen, der aber in Popowo bei Kruschwitz (auf preußischem Gebiete) in Arbeit steht, seine in Russisch-Polen, aber unmittelbar an der preußischen Grenze wohnende Familie besuchen, um Frau und Kindern den er sparten Lohn zu behändigen. G- war noch aus preußifchcni Gebiete und etwa zehn Schritte von der russischen Grenze entfernt, als die drei russischen Grenzsoldaten Hin», FerriHstsn. Sechs Monate unter dem Schnee. Nach einem Reisebericht des Amerikaners Lieutenant Schwatka von M. Hardenberg. Nachdruck verboten. DaS rege Interesse, welches die ganze gebildete Welt in jüngster Zeit dem kühnen Nordpolfahrer vr. Nansen zu wendet, und bis auf weitere Nachrichten über dessen Schickfal wach erhalten wird, giebt uns Veranlassung, unseren Blick nach den Regionen des hohen Nordens zu lenken und das Leben unter den dortigen, äußerst schwierigen Verhältnissen einer kurzen Betrachtung zu unterziehen. Die Gefahren, denen alle früheren ForschungS-Erpeditionen zumeist erlagen, sind so bedeutender Art, daß die schlimmsten Befürchtungen berechtigt sind, denn sie bestehen nicht allein in der fast sicheren Wahrscheinlichkeit, von den haushoch auf- gethürmten, sich mächtig heranwälzenden Eisblöcken des Ark tischen Meeres zerschellt zu werden, sondern auck in der Möglichkeit, von dieser Eisströmung in daS endlose Meer ge trieben, schließlich zu verhungern oder durch die grausige Kälte zu Grunde zu gehen. Nansen, der seine Forschungs reise überaus zuversichtlich antrat, hatte allerdings den Plan gefaßt, sich von dieser Eisströmung tragen zu lasten, um so sein Ziel, den Nordpol, zu erreichen und vielleicht auch Land zu entdecken. Die große aufrichtige Freude, welche jüngst jene Nachricht über daS vermuthliche Lebenszeichen allgemein bervorrief, hat, nachdem sich dieses als trügerisch erwiesen, wieder einer ernsten Besorgniß weichen müssen. Denn ob wohl die „Fram" wie kein anderes früheres Polar-Fahrzeug in einer Gediegenheit und mit allen nur denkbaren praktischen, technischen Einricktungen der Neuzeit zur größten und man möchte behaupten „unbedingten" Widerstandsfähigkeit aus gerüstet ist, und obwohl sein Führer wie besten Gefährten, wahre Hünengestalten an Gesundheit und Körperkraft, in jahrelanger Abhärtung entsprechend vorbereitet und wider standsfähig sind, so ist dennoch bedauerlicher Weise sehr wenig Hoffnung, ihre Absicht verwirklicht und die Helden wieder- jusehen. Nach den Acußerungen des befreundeten CapitainS WigginS ist erwiesen, daß die von Nansen versprochenen Nach richten, die er auf zwei Punkten seines WegeS nnd zwar auf den sogenannten Dickson-Jnseln, nahe der Jenisteibucht, im Karischen Meer, und auf dem Cap Tscheljuskin über seine Reise zu hinterlassen beabsichtigte, bis jetzt nicht vorgefunden wurden. Man bedenke nur, daß die Temperatur auf den noch bewohnten Inseln, Grönland u. s. w., 60 und 70 Grad unter Gefrierpunkt steht und im Winter noch beständig sinkt, — so dürfte es fast unglaublich erscheinen, daß in jenen Zonen ein menschliches Wesen noch lebensfähig sei. Und doch finden wir hier Menschen, die nach unseren Begriffen aller dings ein kümmerliches Dasein fristen, die aber, da sie nichts Besseres kennen, sich sehr wohl befinden und trotz der un geheuren Kälte sich ebenso „warm" fühlen, als ,,wenn ein Weißer bei uns in ein Treibhaus eintreten würde, in welchem der Wärmemesser 60—70 Grad über Gefrierpunkt anzeigt". Dieser gewaltige Gegensatz der Temperatur macht es daher dem Nicht-Eingeborenen unmöglich, sich längere Zeit daselbst aufzuhaiten. Nur mit ungewöhnlicher Energie deS Willens, bei bester Gesundheit aller Organe nnd bei strengster Abhär tung de« Körpers vermochten eS bisher einzelne bevorzugte Naturen, ihren Aufenthalt in der Polargegend auf ein Jabr oder wenig darüber auszudehnen, indem sie für den sechs Monate langen Winter in den Höhlen der Eskimos Unter schlupf suchten. — Die andauernd heftige Kälte bedingt eine ganz besondere Beschaffenheit des menschlichen Körpers. Es dürfte Mancher sich kaum einen Begriff davon machen können, daß der Eingeborene sich nickt nur mit ihr befreunden, sondern sie sogar für einen Lebensgenuß halten kann, und daß er Schnee und Eiö als Mittel seiner Bequemlichkeit be trachtet und, durch lange Erfahrung belehrt, sich so zu Nutze zu machen weiß, daß er durch sie den besten Widerstand gegen die heftigen Norbstürme findet. So versteht es auch der Eskimo, einem „nothwendigen Uebel" die nützliche Seite abzugewinnrn und daS Unangenehme zum Angenehmen und Nützlichen zu gestalten. — Nickt uninteressant (st eS, an der Hand ter Aufzeichnungen des Amerikaner- Schwatka Einige- über da- Leben der nordischen Bewohner zu erfahren. „Ich gelangte", sagt dieser in seinem Bericht, „mit einem I Eskimo in eine Schneetrist, wo er sogleich seinen Seehundspeer I in einen ungeheueren Scbneehügel stieß, nm dessen Beschaffenheit zum Bauen seiner Häuser zu untersuchen; als wir zu einem anderen gelangten, erkannte er, daß jener zu einem Jgloo vorzüglich geeignet sei und begrüßte diese Entdeckung mit dem jähen AuSrufc: „Warm! sehr warm!" Sein Gesicht nahm dabei einen verschmitzt lächelnden, mehr grinsenden Ausdruck an. Es dürften aber wohl nur sehr wenig Menschen fähig sein, in dem Umstande, daß ein in doppelte Pelze eingeschnürter Eskimo — bei einer Temperatur von 50 Grad unter Gefrier punkt — vor einem haushohen Schneeberg steht nnd diesen mit einer langen Stange durchsticht und bearbeitet, etwa angenehme Warme verspüren zu können. — Aber dieser schlaue Bursche sah höchlichst vergnügt, daß jener mäcktWe Schneehügel, wohlgeformt durch die schneetreibenden Nord stürme, bestens geeignet war, ihm für die langen Winter monate einen ungewöhnlich schönen Jgloo zu schaffen. Mit dem Beistand einer kleinen Steinlampe, darinnen Seehund oder Walroßöl brennt, würde solche Höhle ihm eine trauliche Wohnung sichern, worin er den stärksten Winterstürmen Trotz bieten und seine Familie sich höchst bequem einrichten könnte. Einem Weißen dürfte solche Wohnung freilich ein wenig „schauerig" vorkommen", fügt Lieutenant Schwatka hinzu. — „Jenes Volk fühlt sich von einigen Fuß Schnee nicht mehr belastet, als unter einer leichten Decke, und ein Eisblock von beträchtlicher Stärke, von welchem es seinen Durst löscht, ist ihm ebenso willkommen, wie uns da- „Ge frorene" im Sommer, wenn es auf der Zunge zerstießt. — Thatsächlich enthalten Schnee und EiS für diese leicht zu be- fnedigenden Wesen erst den Begriff deS Wohlbehagens. D:e Temperatur im Innern solcher Jgloo, für den Nord- Nomaden vollkommen angenehm, würde einer an daS Klima nicht gewöhnten Person gänzlich unerträglich sein. Wenn der E-kimo, an der Küstenlinie deS Eismeere- sich festsetzend, mit einigen fremden Gefährten, wie z. B. mit denjenigen meiner Gesellschaft, sich während voller sechs Monate unter dem Schnee vergräbt, so ist daraus nicht etwa zu schließen, daß diese« Ueberwintern demjenigen mancher Tyiere gleicht, im Gegentbeil, der E-kimo bringt den größten Theil außer halb zu, mit Schlachten, Fischen, Jagen oder Reisen, und fürchtet weniger die grimme Kälte als da« stürmische Wetter, welche» nach seiner Ansicht die einzige unangenehme Seite seine« Winkers ist. Diesem rauhen Klima, das die überaus harten arktischen Winter hervorbringen, beständig ausgesetzt zu sein, das ist eS, was jene kleinen Schneehäuse um so behaglicher erscheinen läßt, obwohl die Temperatur im Innern zu keiner Zeit über den Gefrierpunkt kommt. Wenn der Eskimo bei 40, 50 oder auch 60 Grad unter Null tagsüber im Freien oder Tage lang unterwegs war, so kriecht er zu Nacht in seinen Jgloo, in dem nur 1 oder 2 Grad unter Gefrierpunkt ist. Wie erträgt nun ein Eskimo diese Kälte? Sowohl Männer, Frauen als Kinder tragen außerhalb ihrer Höhlen doppelte Rennthierkleider, von denen das oberste abgelegt wird, sobald sie ihre Wohnung betreten. Mit ibrcm Uebcrpelz würden sie sich viel zu warm und höchst unbehaglich fühlen. Während dem Weißen bei solcher Temperatur die Finger den Dienst zu jeglicher Arbeit versagen, weil sie Be weglichkeit ihrer Gliedmaßen erfordert, führt jenes Volk die feinsten Arbeiten auS, theilS um nöthigen Lebensunterhalt zu beschaffen, theilS um die langen Winterabende damit aus zufüllen. Die Frauen sitzen und nähen Renntbierfelle und ziehen den Faden mit kräftigem entblößten Arm. Die Männer schnitzen Walroß-Elfenbein zu allerhand nützlichen Gegenständen oder verrichten andere Geschäfte, um die Gelenke ihrer Finger be ständig in Bewegung zu erhalten und zwar bei so niedriger Temperatur, daß ein Weißer der Meinung ist, seine Hände seien nur noch Stümpfe, ohne jegliche Finger. Das Winterlebcn gestaltet sich hier besonders interessant Wenn die langen sechs Monde der sogenannten „Hald- Nächte" erscheinen, dann beginnt erst da» echt gemüthlicke Leben der Eingeborenen. In ihren Zelten sind sie während deS Sommers über daS ganze Jnselland zerstreut, indem sie wegen ihres Bedarfes für Kleidung und Nahrung, Renn- thiere und Mastochsen jagen. Aber so bald daS Land mit Schnee und Eis bedeckt ist, riehen sie zu den Ufern des Eismeeres, bauen ihre Jgloo-, jagen Seehunde und Walrosse und lasten sich zu vergnüglichem Leben nieder. Sie sind von Natur ein geselliges Volk, und der Winter ist ihnen trotz seiner schrecklichen Windstöße die genußreichste Hälfte des Jahres. Von ihrer kleinen Stein lampe erhellt, welche genügend Hitze auSströmt, um die Temperatur bis nahe an den Gefrierpunkt zu rieben — mag diese außen noch so niedrig fern — sind kiese kleinen Schnee höhlen so wohnlich, so angenehm, wie man nur wünschen kann. Die Beleuchtung solch eine-Jgloo- ist wahrhaft groß-
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