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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.09.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960907016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896090701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896090701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-09
- Tag1896-09-07
- Monat1896-09
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Die Morgen-A-Sgabe erscheint um '/,? Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Ne-action und Expedition: 2«hanne»gaffe 8. Die Expeoition ist Wochentags ununterbrochen g«<lknrt von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Filialen: Ltto Klemm'- Sortim. (Alfred Hahn). Noiversitatsstratze 3 (Paukinum), Louis Lösche, ksatbarinenstr. 14, vart. und König-Platz 7. Bezugs-Preis in der Hauptexpedition oder den im Stadt- vezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen ab geholt: vierteljährlich ^>4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Haus ö.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ./L 6.—. Direkte tägliche Kreuzbondjenduug in« Ausland: monatlich 7.50. Morgen-Ausgabe. UjMr. TllgtblM Anzeiger. Amtsölatt des Äönigtichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Notizei-Nmtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile SO Psg. Neclam en unter dem Rrdaction-strich (4 ge spalten- 50^, vor Len Kaioilieunachrichten lii gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Preis« verzrichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), »ur att de, Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung SO.—, mrt Poslbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morge»-Ausgabe: Nachmittag- SUHL Bet den Filialen nud Annahmestellen jx etu» halbe Staude früher. Anzeige« find stet« au hi« Exhedittaa zu richten. Druck und Verlag von <k. P olz in Leipzig M. Montag den 7. September 1896. SV. Jahrgang. Amtlicher Theil. Sparcassengelder hat soforl oder später zu 4 Procent auszuleihen der Stadtrath zu Rostwcin. Einzureichcn Besitzstandsverzeichlllß, Brandcasjen- schein und Grundbuchsfolienauszug. von einigen Vorfahren unseres Königs. Der Kurfürst Moritz und seine Nachfolger batten die Bestimmung getroffen, daß die Universität Leipzig Jahr für Jahr ihr Gedächtniß durch eine Rede feiere. Dazu ver sammelten sich Rector, Senat und Studenten in der Pauliner- kirche dem Altar gegenüber, an den Säulen waren die Bilder der sächsischen Fürsten aufgebängt, und ein Mitglied der Universität hielt von einem Katheder herab eine lateinische Rede in Versen oder in Prosa. In den Jahren 1682 bis 1684 that dies der Magister und Baccalaureus der Theologie Georg Lani aus Tepla in Ungarn, geboren 1646 (s. des Professors vr. Sachse Programm der Thomassckule von 1896 S. 7), der, als 1670 Kaiser Leopold I. die ungarischen Protestanten durch den General Spork bart verfolgen ließ, als lutherischer Pfarrer in Preßburg auf seine Weigerung, zur katholischen Kirche überzutrelen, im Gefängniß schmachten mußte und dann mit den übrigen „Malcontenten" durch Mähren, Oesterreich, Steiermark, Kärnlben und Krain, über das adriatische Meer, durch Apulien nach Neapel geschleppt wurde, um dort als Galeerensklave zu dienen. Freigekommen, batte Lani in Leipzig eine Zufluchtsstätte gefunden. Er gab seine Fllrstenreden 1695 bei Andreas Zeidler in Druck, den Verlag besorgte Ludwig Gleditsch der Jüngere. Diese Reden betreffen die Kurfürsten Moritz, August, Christian I. und II., Johann Georg I., II., III. und IV. und (Friedrich) August (den Starken). Die meisten davon sind wirklich gehalten worden, einige hat Lani im Voraus ausgearbeitet, eine, die am 5. Juli 1694 (also später) auf Johann Georg IV. ge haltene Rede stammt aus ver Feder des Professors Valentin Alberti. Sie selbst oder die dazu gemachten Anmerkungen enthalten neben bekannten Thatsachen Manches aus der Zeit jener sächsischen Kurfürsten, was dem nicht sachgelehrlen Publicum interessant sein dürfte. Vom Kurfürsten Moritz (geb. 21. März 1521, gest. II. Juli 1553) wird erzählt, daß ihn sein Knappe Nibisch im Türkenkriege das Leben rettete, daß er an zwölf Feld zügen theilnahm und sogar Kaiser Karl V. widerstand, dem selben, der 40 Siege davontrug, über 70 Kriege führte, über 1000 Burgen, 8000 Städte und Schiffe nahm, sechs große Reiche regierte und vier Fürsten gefangen hielt. Moritz stattete die beiden sächsischen Universitäten Leipzig und Witten berg mit so vielen Stipendien aus, daß 150 Studirende jährlich mit je 30, je 90 und 100 Gulden unterstützt werden konnten. Er richtete in Leipzig das Convict ein, schenkte der Universität die Dörfer Zweenfurt, Wolsshain, Holzhausen, Kleinpösna und Zuckelhausen, außerdem 325 Acker Wald und jährlich 2000 Gulden aus den Einkünften der Klöster Pegau und Petersberg. Nach der Sitte seiner Zeit glaubt Lani an Vorzeichen von dem Tode eines berühmten Mannes. Drei Monate vor der Schlacht bei Sievershausen riß ein Sturm in Berlin den Kopf der Bildsäule des Kurfürsten im dortigen Schlosse ab, ohne den anderen fürstlichen Statuen einen Schaden zuzufügen. Vielfach regnete es Blut, vie Hunde erhoben ein schreckliches Geheul und zerfleischten sich gegenseitig. DaS wütbende Heer zog Nachts durch die Lust dalün, und am Morgen der Schlacht fiel plötzlich das kur fürstliche Zelt zusammen. Seinen Tod verherrlicht folgendes Chronostichon: LunuonIsL VILtor uotVs VIrtVtv per Vibes AlnVrltlV s pi'IuOps t'oitlter oOOVbVIt. ^laViItlV's prlnLeps uVgVsto suugVIue OburVs Iwtbul,! oxxetllt tlXVs ad Iwste gl.obo. Ter Kurfürst August (geboren 31. Juli 1526, gestorben 11. Februar 1586), ein Sohn Heinrich's des Frommen und der Prinzessin Katharina von Mecklenburg, besuchte das Gymnasium in Freiberg, seiner Vaterstadt, unter dem Rektorate des berühmten Rivius (1500—1553), beklagte sich aberspäter darüber, daß er sich in seiner Jugend ein gründliches Wissen, namentlich in der lateinischen Sprache, nicht angeeignet habe. Seine weitere Ausbildung erhielt er in Prag, zusammen mit den Söhnen Ferdinand's I., Maximilian und Rudolsi Seine erste Gemahlin war Anna, die Tochter des Königs Christian von Dänemark. Siegebar ihm 15 Kinder, von denen 11 frühzeitig starben, so daß nur ein Sohn, Christian, und drei Töchter, Elisabeth, Dorothea und Anna, übrig blieben. Die selben wurden einfach und streng erzogen. Die zweite Ge mahlin war Agnes Hadwig, eine Tochter des Fürsten Joachim Ernst von Anhalt. Die Nachricht vom Tode seines Bruders Moritz traf ihn in Dänemark bei seinem Schwieger vater. Die von ihm und dem Kurfürsten Johann Georg 1580 genehmigte Concordiensormel zog sich den Spott der Calvinisten zu, die in Schmähversen über sie herfielen, z. B. Schmidt, Topf, Maus, Korn, Mumm, kastrum teoers Ubellum, Womit auf die Verfasser der Formel Andreä, den Sohn eines Schmieds, Chyträus (Töpfer), Musculuö, (Mäuschen), Körner, Chemnitz aus Braunschweig, wo man Mumme, und Selnecker aus Leipzig, wo man Raster trank, hingewiesen wurde. Der Kurfürst August bewog 1582 die protestantischen Stände, den Gregorianischen Kalender nicht anzunehmen, um sich nicht dem Willen des Papstes zu fügen. Diese Ablehnung hat Lani's Beifall aus astronomischen, politischen und theologischen Gründen. Die berühmtesten Astronomen, wie Moller, Mestlin, Rößlin, Her- lich u. A. beweisen, daß in dieser scheinbaren Verbesserung Fehler verborgen seien. Der Papst sei als Einführer eines neuen Kalenders der Antichrist, da es Daniel 7,25 heiße: „Er wiro den Höchsten lästern und die Heiligen des Höchsten verstören und wird sich unterstehen, Zeit und Gesetz zu ändern". Vorschriften über Zeiteinteilung und Festsetzung von Feiertagen zu machen, verbiete Paulus ün Briefe an die Colosser 2,16: „So lasset nun Niemand euch Gewissen machen über Speise und »der über bestimmte Feiertag« oder Reumvude oder Sabbather." tiurfh'ft August zeigte sich dem Papst völlig abgeneigt. AlS ihm bei einer Zusammenkunft in Naumburg ein päpstliches Breve mit der Aufschrift „Unserem lieben Sohne" überreicht wurde, gab er es dem päpstlichen Legaten unervffnet zurück. Seine Freigebigkeit war so groß, daß er den protestantischen Pfarrers- willwen und Pfarrerswaisen 100 000 Gulcen, nach Anderen eine Tonne Goldes aussetzte. Der Universität Wittenberg bewilligte er Geld zu Stipendien für Lehrer und Lernende, zum Convict und zu einem Krankenhause für Studenten. Viel Segen stiftete er durch die „Constitutionen", die Heraus gabe eines gleichförmigen sächsischen Landrechtes. Kriegerisch zeichnete sich August in den bekannten Grumbachischen Händeln aus. Er baute das Dresdner Zeughaus, die Augustusburg u. A. Von feinen Liebhabereien erwähnt Lani die Freude am Jagen von wilden Schweinen, Hasen, Hirschen, Wölfen und Bären und seinen Hang zur Alchemie, dem er mit Paul Luther u. A. nachging. Lani wirft hier die Frage auf, ob die Alchemisten wirklich Gold machen könnten, und bejaht sie. Sperling beweise dies in seinen lustitutioues pbzsicuv. Mit Hilfe des Steins der Weisen oder der liueturu universulis könne Eisen, Kupfer und anderes Metall in Gold verwandelt werden. Kämen dabei Betrügereien vor, so seien diese nicht der Kunst, sondern den Betrügern zuzuschreiben. Einen Tractat über die liuetuiL uuiver^Llis, angenehm und nützlich zu lesen, habe der Altenburger Doctor der Medicin Gabriel Clauder herausgegeben. — August starb an einem Schlag flusse in den Armen seiner Gemahlin. Es folgte ihm Christian I. (geb. 29. October 1560, gest. 25. September 1591), sein einziger Sohn, den „nicht mit Unrecht Zanger und Ludwig Perso den Allerchristlichsten, der Wittenberger Arzt Jessenius den Großen und Heiligen, der Theolog Hutter Len großherzigen Helden, dessen erhabener Geist zum Größten geschaffen sei, der Jurist Waremund Ehrenberger den tapferen Fürsten, die Zierde Deutschlands und den Liebling seiner Zeit genannt hat". Tautmann ge dachte seiner im Varmen sueculrrrs in den lobendsten Aus drücken. Christian erhielt seinen Jugendunterricht zugleich mit Friedrich von Ranzau, Wolf Löser, Heinrich Hagen und Haubold von Starschedel. Mit 21 Jahren erhielt er den Vorsitz im geheimen Ratbe. Dann wohnte er den vom Kaiser Rudolf II. einbcrufenen Reichstagen bei und Heiratbete Sophie, die Tochter des Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg. Er vermehrte das sächsische Heer und beseitigte Dresden und den Königstein. Den „Constitutionen" fügte er die Capitel über Kirchen, Schulen und Staatswesen hinzu und veröffentlichte sie nach ihrer Genehmigung durch die Stände auf einer Versammlung in Torgau. Freilich überließ er wegen seiner Kränklichkeit die Zügel der Regierung dem Kanzler Crell, einem verschmitzten und schmiegsamen Manne, der „in seinem verworfenen Innern den Fuchs verbarg," alle wohlgemeinten Pläne des Kurfürsten mit wunderbarer Schlauheit zu Nichte machte und sich als Calvinist gegen die Concordiensormel erklärte. Auf seinen Antrieb schaffte Christian den Exorcismus bei der Taufe ab, entsetzte Len Dresdener Oberhofprediger Dr. Mirus, den Leipziger Super intendenten Selnecker, den Wittenberger Superintendenten Polycarp Leyser und den Leipziger Professor der Theo logie Georg Mylius ihrer Aemter und befahl, jede theologische Schrift vor dem Drucke den Censoren Crell und Obcrhosprediger Selmuth vorzulegen. In Leipzig wurde der Calvinist Gundermann zum Pfarrer an der Thomaskirche, in Wittenberg der Calvinist Pierius zum Superintendenten gewählt. Als unter dem des Calviuis- mus verdächtigen Leipziger Bürgermeister Bachof im Sommer 1591 der Thurmknopf auf die Nicolaikirche neu aufgesetzt wurde, legte man (wirklich?) in ihn eine Schrift, in der nach Mylius' LMOpsis vowoeckiuv Alisuicav folgende Worte vor kamen: Kurfürst August hat die von ihm beabsichtigte Re formation, weil er starb, nicht ausführen können und diese Ausgabe seinem Sohne hinterlassen, der sie auch zu Ende gebracht haben würde, wenn nicht zanksüchtige Theologen mit allerlei Ränken dazwischen getreten wären. Christian selbst war ein guter Lutheraner. In seiner letzten Krankheit ließ er sich aus der Bibel und aus Luther's Schriften vor lese« und äußerle oft: „L> Luther, Luther! Was Luther ge- schr-oi»-»', da» Koc Ma „ lrnde herannahen fühlte, setzte er den Herzog Friedrich Wilhelm von Weimar zum Vormund seiner Söhne Christian und Johann Georg ein und ermahnte letztere, festzuhalten an der wahren Religion, wie sie aus den reinen Quellen der heiligen Schrifl und den Katechismen Luther's flösse. Sofort nach seinem Hinscheidcn traf der nunmehrige Regent die härtesten Maßregeln gegen die Calvinisten, sie wurden aus dem Lande gejagt oder verhaftet. Letzteres Schicksal traf bekanntlich auch den Kanzler Crell. Alle Beamten mußten einen Eid auf die Augsburgische Confessio» ablegen. Bei einem Doctor- schmaus in Wittenberg erhielt der sächsische Hofmarschall Johann Löser am Ende der Tafel durch einen Eilboten aus Dresden die Nachricht vom Tode Christian's ^und von der Uebernahme der Regentschaft durch Friedrich Wilhelm von Weimar; er hob den Becher und brachte ein Hoch aus auf den neuen Statthalter Sachsens. Da entfernten sich die anwesenden Calvinisten bestürzt und verstört, und nur Löser nebst vier Ralhsherren blieb zurück. In Wittenberg floh ein gewisser Rennecher, so wie er ging und stand, aus der Stadt, in Leipzig fuhr der Pfarrer Gundermann eiligst auf und davon. Das Schicksal des Letzteren ist aus den Leipziger Chroniken bekannt, wie das des Kanzlers Crell aus der Geschichte. Im Jahre 1601 trat der junge Christian II. (geb. 23. September 1583, gest. 23. Juni 1611) die Regierung an. Er zeichnete sich durch Frömmigkeit und Ehrfurcht vor der Geistlichkeit aus und pflegte zu sagen, die Diener Gottes erschienen ihm nicht wie Menschen, sondern wie Engel, die in Menschengestalt einhergingen. Hörte er eine Predigt an, so stand er stets mit unbedecktem Haupte und gefalteten Händen und gestand oft unter Tbräncn, wie sehr er einmal beim Anhören einer Bußpredigt Schmerz über seine Sünden empfunden habe. Deshalb nannte man ihn das „fromme Herzchen" (pium cvreulum). Bon Kaiser Rudolf II. ver ¬ langte er 1609 freie Religionsübung für die evangelischen Böhmen, Schlesier, Oesterreicher und Mähren und söhnte jenen mit seinem Bruder Matthias, dem König von Ungarn, aus. Dafür versprach ihm der Kaiser seine Unterstützung im Jülich-Berg-Cleveschen Erbfolgestreite. Darüber entstand große Freude im Lande, man feierte mit Orgelspiel, Pauken schlag und Predigten ein Dankfest wegen der Aussicht auf eine friedliche Beilegung dieser Streitigkeit. Christian II. starb jung. Als er vom Turnier ermüdet und vor Schweiß triefend einen Schluck kalten Bieres zu sich genommen, traf ihn ein Schlagfluß, dem er trotz der Bemühungen der Aerzte bald unterlag. Es folgte ihm sein Bruder Johann Georg I. (geb. 5. März 1585, gest. 8. October 1656), der eine wissenschaft liche Erziehung genossen, sich aber auch im Waffenspiel, Malen und Reiten geübt hatte. Als Jüngling reiste er incognito nach Italien, besuchte Venedig, Mittel- und Unteritalien und kam nach Rom während des auf Befehl Clemens' VIII. ab gehaltenen Jubeljahres. Auf der Rückreise erkrankte er in Florenz an einem Fieber, und man stellte ihm ärztliche Hilfe nur für den Fall in Aussicht, daß er zum katholischen Glauben überträte. In dieser Bedrängniß mußte er sein Incognito aufgeben und dem Herzoge von Savoyen seine Lage mit- theilen. Der Herzog nahm sich seiner bereitwillig an und beschenkte ibn bei einem Besuche in Vercelli mit edlen Pferden, goldenen Kleinodien und Edelsteinen. Wegen schwankender Gesundheit mußte Johann Georg seinen Plan, auch Frank reich, Belgien und England zu bereisen, aufgeben, und kehrte unter dem Jubel der Bevölkerung nach Sachsen zurück. Dann wurde er 1601 Administrator des Stiftes Merseburg und vor dem Tode seines Bruders dessen Coadjutor. Auf einer Reise nach Mühlhausen zu einer Fürstenversammlung erfuhr er den Tod Christian's. Nach Kaiser Rudolf's II. Abscheiden übernahm er die Würde eines Reichsvicars. Unter ihm be gann der Dreißigjährige Krieg, in dem auch er bekanntlich eine Rolle gespielt hat. Nach dem Frieden siedelte er aus Böhmen, Oesterreich und Mähren vertriebene Lutheraner in dem nach ihm genannten Johanngeorgenstadt an. Bon seiner zweiten Gemahlin, Magdalene Sibylle von Brandenburg, halte er 10 Kinder, 51 Enkel und 29 Urenkel. Johann II 3' 9!^» inx». s-n 1680) erhielt das Kursurstenthum Sachsen, wahrend seine drei Brüder August, Christian und Moritz in Halle, Merseburg und Zeitz residirten. Er erlangte eine umfassende Bildung und sogar Kenntniß der hebräischen Sprache. Er ließ viele Ausgaben der Bibel drucken und bekümmerte sich selbst darum, daß die Exemplare fehlerfrei in der Oeffentlichkeit erschienen. Er nahm sich der Hanauer Protestanten an, wie auch der aus Ungarn rc. ihres Glaubens wegen Vertriebenen und trat oft als Friedensstifter auf. Dem Kaiser stand er zur Seite im französischen Kriege. Den Pennalismus suchte er von den Universitäten zu vertreiben. Bor der Pest flüchtete er nach Freiberg und starb hier. In Leipzig starben damals nach Lani an dieser furchtbaren Krankheit 3200 Menschen, darunter kein Professor, kein Pfarrer, außer 6 Pest pfarrern. Er giebt eine genaue Beschreibung der Art und Weise, wie die Pest auflrat. Als einziger Sohn Johann Georg'S II. folgte Johann Georg III. (geb. 20. Juni 1647, gest. 12. September 1691). Bon dem Theologen Jakob Weller vortrefflich erzogen, zeichnete er sich bald kriegerisch auS. Biermal zog er gegen die Franzosen zu Felde und half bekanntlich auch Wien von den Türken befreien. Bon letzterem Feldzuge zurückkehrend, ritt er in Dresden ohne jeden Prunk, ohne grotze Begleitung auf dem Pferde eines Couriers ein. Aus kirchlichem Gebiete ordnete er soninägliche Kalechisationen in Sachsen an, stand den schlesischen Protestanten mir Wort und Thal bei und trat den besonders in Leipzig seit 1689 sich zeigenden Pietisten ent gegen. Hier kündigte der bekannte August Hermann Franke Vor lesungen an, die er in deutscher Sprache halten wollte, und hing, um seine Wohnung, wo er nach damaliger Sitte lesen wollte, deutlicher erkennbar zu machen, eine Fahne aus Papier zum Fenster hinaus. Bald strömten denn auch Zuhörer herbei, aber nicht nur Studenten, sondern, wie Lani mit Ent rüstung bemerkt, auch Schuster und Schneider und andere Feiirlletsn. Das Geheimuiß des Ehemannes. Von Mathilde Clasen-Schmidt. Sie hat eS gefunden, das längst ersehnte Glück — und es ist ein wirkliches Glück. Die schöne Emilie ist die bessere Hälfte eines jungen, mit Patienten reich gesegneten ArzteS, ist die viel beneidete Frau Doctor des PrivianzialstädtchenS geworden. Als das reichste Mädchen des Ortes hat sie ihrem Gatten eine scbätzenswerthe Mitgift cingebracht, und in Folge dessen bewohnt das junge Paar eine mit allem Comsort ein gerichtete Billa in nächster Nähe der Stadt. Seit drei Monaten sind sie nun verbeiratbet; der erste Rausch der Wonnezeit ist also vorüber. An dessen Stelle ist das angenehme Bewußtsein getreten, sich eine glückliche Häuslichkeit begründet zu haben. Daß die junge Frau viele Stunden des Tages ohne ihren geliebten Mann, der von einer sehr umfangreichen ärztlichen Praxis in Anspruch genommen wird, verbringen mußte, empfindet sie nicht als einen Uebelstand. Im Gegentheil — und welcher jungen Frau erginge es nicht in den ersten Monaten der Ehe ebenso? — Denn in solchen Stunden kann sie den Umfang ihres Glückes erst recht mit Muße bemessen und sich erst recht be wußt werden, welchen ganz besonderen Schatz sie in ihrem Manne besitzt. Betrachtet sie diesen doch jetzt, nachdem sie im häuslichen Leben dessen kleine Eigenthümlichkeiten, wie solche ja jeder Mensch neben seinen wesentlichen Charakter eigenschaften besitzt, von einem ganz anderen Standpunct als ehedem. Ja, ihr Mann ist ein prächtiger, ein liebenswürdiger, ein ausgezeichneter Man», wenn er auch zuweilen etwas wenig mittheilsam, ja fast etwas verschlossen, oder, wie man zu sagen pflegt, zugeknöpft ist, besonders wenn Emilie einmal von der Neugierde geplagt wird, etwas über die häuslichen Zustände irgend einer Familie zu erfahren, deren Hausarzt er ist. Sie muß es sich schon gefallen lassen, und läßt es sich auch ge fallen, weil die Leute nun einmal vom Arzt eine gewisse Verschwiegenheit verlangen. Aber da ist ihr in letzterer Zeit wiederholt noch etwas Anderes ausgefallen, nämlich daß sie ihn, wenn sie unerwartet in sein Zimmer trat, vor dem Spiegel überraschte. Also eitel ist er! DaS findet sie eigentlich zwar ganz natürlich, denn er ist ohne Zweifel ein schöner und stattlicher Mann. Sind seine Augen nicht geistvoll, seine Gesichtszüge edel und lebhaft und seine fein bewegten Lippen nicht gerade zum Küssen einladend? Und wenn er lächelt, diese köstlichen Zähne! — Wenn nur das eine nicht wäre, zu gefallen — und womöglich Allen zu gefallen?! — Dies zu wünschen, hat er durchaus kein Recht mehr, aber, tröstet sie sich, vielleicht denkt er doch bei diesem Wunsche nur an mich. Aber, das Mißtrauen war einmal wach geworden, und Mißtrauen ist eines von denjenigen unheimlichen Pflänzchen, die, wenn auch nur ein Wurzelsäserchen davon in unser Herz gekommen, in sehr kurzer Zeit, in wenigen Stunden, ja in wenigen Minuten zu einer Alles überwuchernden, giftigen Schlingpflanze emporwachsen können. Etwas Derartiges sollte auch Emilie kennen lernen. Eines schönen Tages, al« sie sich gerade in bester Laune befand und ihren Mann mit der Frage hrimsuchen wollte, ob sie nicht am Abend der Einladung einer ihrer Freundinnen gemeinsam nachkommen sollten, traf sie denselben in einer eigenthümlichen Situation. Vor ihm auf dem Tisch lag ein zusammengefaltete« Briefchen, das er eben im Begriff war, in rin Couvert zu stecken. Bei ihrem Eintreten schien er saft erschreckt, und mit hastiger Bewegung war er bemüht, den Brief unter anderen Papieren zu verbergen. Auch entging Emilie nicht die Verlegenheit, die sich in seinen Gesichtszügen und durch rin leichtes Erröthen kundgab. „Alfred", fragte sie, sichtlich erstaunt, „ich störe Dich Wohl in einer ganz besonderen Correspondenz?" „Durchaus nicht", erwiderte er und schob den Brief in eine Seitentasche seines Nockes. Eine Weile verging, ehe sie wagte, eine weitere Frage an ibn zu richten, dann aber, als er Miene machte, bei seiner Beschäftigung am Schreibtisch zu bleiben, fubr sie fort: „Es betraf Wohl irgend eine Angelegenheit Deiner ärztlichen Praxis, das Schreiben?" „Gewissermaßen", entgegnete er, in seinem Lehnstuhl sitzen bleihend. „Gewissermaßen? — Das ist ja eine sonderbare Antwort." Der Himmel mag wissen, wie es kam, daß plötzlich die Erinnerung an eine Ballscene in ihr ausstieg, die lange vor ihrer Verlobung stattgefunden. Damals schien ihr Mann einer anderen jungen Dame den Hof zu machen, und sie batte zufällig bemerkt, wie er bei einer Tanzpause deren Fingerspitzen an seine Lippen führte. Bei seiner Verlobung mit ihr gab er ihr zwar die Versicherung, daß sie feine erste wirkliche Liebe wäre und daß er das frühere Berhältniß nie ernst genommen. Damals batte sie seinen Worten aucb vollen Glauben geschenkt, aber die beutige Wahrnehmung erschütterte diesen Glauben so sehr, daß er sich plötzlich in arge Zweifel verwandelte. Wie, wenn dieser Brief, dessen Inhalt er ihr offenbar zu verbergen suchte, von seiner früheren Geliebten wäre? Und — ja, sie täuschte sich nicht — macht sich doch im Zimmer ihres Mannes ein Parfüm bemerkbar, das un zweifelhaft von dem Billet herrührte. — Doch ibr lieber Alfred scheint heute wieder einmal seinen zugeknöpften Tag zu haben. Er fährt fort, Notizen zu machen, seine Papiere zu ordnen, und erst nach einigen Minuten gewinnt er Zeit zu der Frage: „Nun, liebe Emilie, waS hast Du mir mit- zutheilen?" „Nichts", erwiderte diese und verließ das Zimmer. Seitdem sind mehrere Tage vergangen, ohne daß Emilie Gelegenheit gesunden, aus den geheimnißvollen Brief zurück zukommen. EineStheils liebte sie ihren Mann zu sehr, um ihn mit unliebsamen Fragen zu peinigen, andererseits aber auch gedachte sie schweren Herzens des Vorwurfes, den ihre Mutter ihr öfters gemacht, daß sie in einem ganz ungerecht fertigten Grade mißtrauisch sei und sich dadurch selbst das Leben verbittern werde. Da trat sie denn eines Morgens wieder in daü Zimmer ihres Mannes. Sie fand ihn wieder vor seinem Schreibtisch sitzend. Eine Schublade desselben war geöffnet und — deutlich erkennt sie, daß er wieder den parfümirten Brief in seiner Hand hält. Ja, es schien ihr, als hätte er demselben etwa- entnommen, das er an seine Lippen drückte. Sollte es — ach, wie unglücklich wäre sie dann! — vielleicht gar ein photographirles Portrait sein? — Auch entfuhr ihrem Gatten ein leichter AuSrus der Ueberraschung über ihr unvennuthetes Eintreten, und in dessen Mienen ließ sich «ine ärgerliche Stimmung erkennen. Zugleich ergriff er, sich etwas vorbeugend, einen auf dem Schreibtisch liegenden Gegenstand, legte ihn in den Brief, verschloß diesen und barg ihn in seiner Brieftasche, die er iu seiner Tasche verschwinden ließ. Emilie verblieb bei dieser schrecklichen Wahrnehmung wie gebannt in der Näbe der Zimmrrlhür, einen starren Blick aus ihren Gemahl heftend. Dieser erhob sich dann, ohne sich umzuwenden, und schritt dem Fenster zu, warf aber dabei einen flüchtigen Blick in den Spiegel. Emilie stand noch immer, die Thürklinke in der Hand, in sprachlosem Erstaunen an derselben Stelle. Äergerlich über diese Situation, brach ihr Mann das Stillschweigen mit der trockenen Frage, was denn eigentlich ihr Begehr sei. Emilie, beklommen, erregt und verwirrt, hatte jetzt voll ständig vergessen, was sie eigentlich zu ihm geführt halt«. Tann aber nahm sie sich zusammen, trat einige Schritte näher an ihn heran und sagte so ruhig, al- es ihr möglich
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