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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.09.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960908024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896090802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896090802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-09
- Tag1896-09-08
- Monat1896-09
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Reklamen unter dem Rehoctlontstrlch (4ge- spalt-a) so^z, bör VSn F-iüikietinachtichtei» (kgelpaltsls) SrößdrS TcktMn !ä«t iinsetem Preis- oerzeichnih. Lavellarllcher titiü Mttnsa» nach höherem Darif. Extra-vetlaael (gesalzt), «Utz nM »er Morgen, ohne PösrbkftkvktMA M.—mit Pojtbesördenmg 7^-^. Ännah»eschlnß Mt Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- -Uhi> vri den Filialen und Annahmestellen je estie halbe Stunde frktzrr. Anzeigen sind stet- au die Otzptdttisn zu richtet!. Druck und Ber'aa nr E. Pol» tu Leipzig SV. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. Von heute ab beträgt bei der Reicksbank der Diskont 4 Procent, der Lombardzinssust für Darlehne gegen ausschließliche Verpfändung von Schuldverschreibungen des Reiches oder eines Deutschen Staates 4'/, Procent, gegen Verpfändung sonstiger Effecten und Maaren 5 Procent. Berlin, den 7. September 1896. RcichSbank-Tirectorium. Politische Tagesschau. * Leipzig, 8. September. Der Bericht, den beute der „Neichsanzeiger" über die vorgestern in Breslau bei der Festtafel von unserem Kaiser und dem Zaren ausgebrachten Trink sprüche veröffentlicht, bestätigt, daß der Zar nicht von den traditionellen Ge sinnungen seines Vaters, sondern von denen Kaiser Wilhelm's gesprochen hat, von denen er in gleicher Weise beseelt sei. Dadurch werden die Zweifel der „Voss. Ztg.", welche der beiden von dem officiösen Telegrapben-Bureau verbreiteten Lesarten die richtige sei, beseitigt. Und wenn wirklich trotz des „Reichsanzeigers", irgend ein verstockter Pessimist noch glauben sollte, der Zar habe wirklich, wie die erste Meldung be hauptete, den Hinweis des Kaisers auf die alten traditionellen Beziehungen zwischen den preußischen Königen und den russischen Herrschern ignorirt und sich lediglich zu den Ge sinnungen seines VaterS gegen Deutschland bekannt, so würde diese pessimistische Auffassung schwinden müssen vor dem Trinkspruche, den Kaiser Wilhelm gestern in Görlitz bei der Paradetasel auf das V. Armeecorps unter dem frischen Eindrücke der Worte seines hohen Gastes ausgebracht bat. Er lautet: „Freudigen Herzens erhebe Ich Mein Glas bei dem heutigen Festmahle, nm auf das Wohl des V. Corps zn trinken. Ich danke Ihnen von ganzem Herzen, daß Sie das Corps in dieser Vorzug- lichen Verfassung erhalten haben. Aber nicht nur für Mich und Meine Person, sondern vor allen Dingen im Namen Meines hoch seligen Herrn Großvaters und Meines verewigten Herrn Vaters spreche Ich diesen Dank aus; denn Sie handeln in deren Sinne, wenn Sie die schönen Regimenter, die den Herzen der beiden Herrscher jo nahe gestanden haben und die heute so vorzüglich vorbeimarschirten, i» diesem Zustande erhalten. Fürwahr ein schönes Stück preußischer Geschichte zieht an uns vorüber mit diesen Regimentern, ihren Namen und Fahnen. Be wegten Herzens gehen unsere Blicke zurück auf diejenigen Stätten, wo so viele Angehörige der Regimenter ruhen, die mit Einsetzung von Blut und Leben das erkämpften und mitschaffen halfen, woran wir uns heute erfreuen. Das muß der Wunsch eines jeden Soldaten sein, daß die Regimenter jeder Zeit das sein und bleiben möchten, was sie früher waren. Ganz besonders aber spreche Ich Ihnen und dem Corps Meine freudige Anerkennung aus, daß es Ihnen vergönnt gewesen ist, unter Len Augen Meines geliebten Nachbars und Vetters, Sr. Majestät des Kaisers von Rußland, in dieser vorzüglichen Verfassung zn erscheinen. Wir stehen noch alle unter dem Eindruck der jugendfrischen Gestalt des ritterlichen Kaisers und sein Bild schwebt vor unseren Augen, wie er an der Spitze des Regiments seines verewigten Herrn Vaters vorbeizog. Er, der Kriegsherr über das gewaltigste Heer, will doch nur feine Truppen im Dienste der Cultur verwendet wissen und zum Schutze des Friedens. In völliger Neberein- stimmung mit Mir geht sein Streben dahin, die ge- sammten Völker des europäischen Welttheils zusammen- zuführen, um sie auf der Grundlage gemeinsamer Interessen zu sammeln zum Schutze unserer heiligsten Güter. Daß dieses Armeecorps auch in Zukunft in reger an gestrengter Friedensarbeit die gleichen Resultate liefern möge, wie es heute der Fall gewesen ist, daraus trinke Ich Mein Glas. Das V. Armeecorps Hurrah! Hurrah! Hurrah!" Hiernach muß der Zar in Breslau versichert haben, daß er von denselben traditionellen Gesinnungen erfüllt sei, wie unser Kaiser. Die Bedeutung dieser Versicherung nochmals zu betonen, halten wir nach dem, was wir schon gestern ausgeführt, für überflüssig. Nur darauf sei hingewiesen, daß der gestrige Trinkspruch deS Kaisers wenigstens indirect auch die Meldung bestätigt, daß die zwischen den deutschen und den russischen Staats männern gepflogenen Besprechungen von Neuem die voll ständige Uebereinstimmung derselben sowohl bezüglich der Gesammtlage, als auch hinsichtlich aller gegenwärtig schwebenden Fragen ergeben haben. Denn unser Kaiser würde die zwischen ihm und dem Zaren herrschende völlige Uebereinstimmung so entschieden nicht betont haben, wenn zwischen den Staatsmännern beider Reiche Differenzpuncte sich herausgestelll hätten, welche die Betätigung der Ueber einstimmung ihrer Monarchen mindestens verzögern müßten. Der Görlitzer Trinkspruch Kaiser Wilhelm'S wird daher den Rausch, der sich inwlge der ersten, falschen Meldung über den Breslauer Trinkspruch deS Zaren der französischen Ebauvinisten bemächtigt hat, um so rascher verfliegen machen, je weniger auch die übrigen Meldungen, die heute aus Bres lau und Görlitz eintreffen, geeignet sind, die Hoffnungen dieser Chauvinisten zu beflügeln. Die „Schlesische Zeitung" meldet nämlich: „Das russische Kaiserpaar begiebt sich von Görlitz aus nach Kiel. Wie verlautet, wird die Zarin ihren Gemahl nur bis Kopenhagen begleiten, Paris also nicht mit besuchen." Und eine Görlitzer Meldung desselben Blattes besagt, das Programm für den Pariser Besuch des Zaren stehe über haupt noch nicht fest und werde erst in vierzehn Tagen be kannt gegeben werden. Trotz dieser kalten Wasserstrahlen auf die heißen Köpfe der französischen Chauvinisten wäre es indessen ebenso lhöricht, au das völlige Unterbleiben des Be suches des Zaren in Paris oder an einen den Bruch zwischen Frankreich und Rußland vorbereitenden Verlauf desselben zu glauben, wie es thöricht wäre, auS der in Breslau und Görlitz zu Tage getretenen völligen Uebereinstimmung zwischen den deutschen und den russischen Monarchen und Staatsmännern auf eine schleunige Lösung aller brennenden Fragen zu schließen. Für Rußland ist die französische Freund schaft und Unterwürfigkeit schon im Hinblick auf diese Fragen viel zu werthvoll, als daß der Zar daran denken könnte, Frank reich zu verletzen. Es kann für ihn nur darauf ankommen, Kundgebungen zu verhüten, die eine energische Zurückweisung nöthig machen und dadurch zum Bruche führen müßten. Unter bleiben solche Kundgebungen, so wird der Zar sicherlich Mittel und Wege finden, seine französischen Freunde zu weiterem Festhalten an dem Defensiv - Bündniß zu bewegen und bei Geberlaune zu erhalten. Er hat in Breslau den in deutscher Sprache ausgebrachten Trinkspruch unseres Kaisers in französischer Sprache erwidert und führt sicherlich in seinem Reisegepäck noch mancherlei mit sich, was den Parisern den herben Inhalt jener Tischrede versüßt. Andererseits hängt es von den deutschen und den russischen Staatsmännern allein, auch wenn sie auf die Zustimmung der österreichisch-ungarischen und der italienischen zählen dürfen, nicht ab, daß und wie die Wirren im Orient sich lösen. Immerhin ist die in BreSlau zu Tage getretene Uebereinstimmung der Monarchen und Staats männer für die Beurtheilung der Gesammtlage ebenso werth voll, wie die von dort an Frankreich gerichteten Verhaltungs vorschriften für unser Verhältniß zu unseren westlichen Nachbarn. Die Agrarbewegung, welche seit einigen Jahren auch in Bayern veranstaltet und in Gang erhallen wird, ist neuer dings mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt worden. Es kann selbstverständlich kaum inleressiren, ob dieser oder jener von den Gernegroßen des Vorstands seinen Führerebrgeiz völlig befriedigen wird und auf wessen Kosten. Bemerkenswerth ist aber, wie die Bewegung dem naturgemäßen Abschluß aller Uebertreibungen dieser Art um so rascher entgegengehk, je leichter die Führer inSgesammt an der Last politischer Verantwortlichkeit tragen. Im Osten der Elbe, wo der aitpreußische Adel den Einsatz gewagt hat, vollzieht sich die Abwärtsbewegung auf der schiefen Ebene langsamer, und das bayerische Beispiel sollte ihm eigentlich so viel zu denken geben, daß das in ibm selbst noch lebendige Moment deS Widerstandes gegen solche letzte Conseqnenzen sich verstärken müßte. Denn darüber kann dem Sehenden kein Zweifel sein, daß der Abmarsch der süd bayerischen und oberpfälzischen Bauernbündler inS Lager des äußersten politischen Radikalismus streng folgerichtig aus den wahnwitzig übertriebenen wirtbschaftlicken Ansprüchen an den Staat sich ergeben mußte. Wir hätten nicht gedacht, daß irgend Jemand, der von den Dingen nicht unmittelbar berührt ist, hierüber noch der Belehrung benötbigen würde. Dennoch ist es der Fall. Der mittelfränkische Gewährsmann der „Kreuzztg.", obendrein Führer der kleinen parlamentarischen Gruppe der Landtagsconservativen, speculirt auf den baldigen Zerfall deS Bauernbundes und rechnet mit den vom Radikalismus fern bleibenden „besseren Bestandtheilen" der Bündler, als ob diese nach ersolgter Scheidung mit Politikern vom Schlage der Lutz, Beckh und Genoffen ihr Abkommen treffen würden. Nein, dieser politische Radi- calismus, dem die Bauernbundbewegung verfällt, hat vollen Anspruch darauf, daß die Erzväter desselben ihn bis ans Ende mitmachen. Oder er wird nach Renegatenart am heftigsten mit ihnen abzurechnen suchen. Möglich, daß „bessere Bestandtbeile" vorhanden sind, die den Abgrund noch recht zeitig erblicken, in den es binunteraehen soll. Aber daß sie nun gerade die Gemeinschaft der Luy und Genossen suchen sollten, die so eifrig an den Rand des Abgrunds mit hin gedrängt haben, will uns doch fraglich erscheinen. Der österreichische Katholikentag, Weicker in der Zeit vom l. bis 3. d. M. in Salzburg slatlfand, ist "diesmal, so wird der „Tägl. Rundschau" aus Wien geschrieben, aus der in den letzten Jahren beobachteten Zurückhaltung vollständig berausgetreten und hat mit jener Offenheit, welche nur das Gefühl der Stärke zu erzeugen vermag, die allen Forderungen der Concordatszeit wiederausgegraben. Die weltliche Macht stellung des Papstes durch Wiederaufrichtung des Kirchen staates wurde als unumgänglich nolhwendig bingestellt, die Unterordnung des gesammten Schulwesens unter die Kirche zum Grundsatz erhoben. Die Gegnerschaft gegen jede natio nale Bewegung wurde offen verkündet und das auf einem durchweg von Katholiken deutscher Zunge in Oesterreich be schickten Tage. Dazu kam noch eine ganze Reihe von Einzel forderungen, welche alle den unverfälschten Stempel ultra montaner Gesinnung an der Stirne tragen und nichts Anderes bezwecken, als daß die Zustände der Concordatszeit in wo möglich noch verschärfter Weise wiederkebren. Die Regierung scheint selbst durch die Offenheit und Rücksichtslosigkeit, mit der solche Forderungen in einer Zeit, da der klerikale Einfluß als gebrochen galt, erhoben wurden, nicht besonders angenehm berührt worden sein. Ob die Forderungen selbst, oder aber blos die beim Katholikentage beobachtete Taktik unangenehm wirkte, ist schwer zu entscheiden, einzelne Erscheinungen weisen aber darauf bin, daß die Regierung lediglich den Zeit punkt für die Forderungen unpassend hält. Der Katholiken tag, auf welchem so unverblümt die klerikale Herrschaft für Oesterreich verlangt wurde, erfeute sich besonderer Gunst der Regierung. Der Statthalter begrüßte die Versammelten, Minister sandten Zustimmungsschreiben und die Wortführer bei den Beratbungen waren nichts weniger als Regierungs gegner. Von der Aufstellung der Forderungen bis zur Er füllung ist allerdings noch ein weiter Weg, aber es ist be zeichnend, daß man gerade jetzt die richtige Zeit für gekommen erachtete. Und da kann die antisemitische Bewegung, (dieses Gesländniß in der antisemitischen „Täglichen Rundschau" ist sehr bemerkenswert!)!) insbesondere die in Nieverösterreich, nicht von aller Schuld frei gesprochen werden. Allzu sehr hatte man mit dem Klerikalismus geliebäugelt, viel zu viel herüber genommen, um des Sieges sicherer zu sein, und die in die Reihen der Antisemiten aufgenommenen Klerikalen glauben jetzt, da über das Iudentbum der Sieg erfochten wurde, die Früchte desselben für ihre ganz be sonderen Sonderzwecke ausbeuten zu können. Es ist gut, daß die Karten so offen und frühzeitig ausgedeckt wurden. Mancher, der vertrauensselig genug war, zu glauben, es gebe überhaupt keine ernsthaft zu nehmende klerikale Bewegung in Oesterreich, wird so bei Zeiten eines Besseren belehrt, und Jene, welche im Interesse der klerikalen Sache diesen Glauben durch allerhand politische Kunststücke nährten, müssen jetzt offen Farbe bekennen. Zu den orientalischen Vorgängen wird derMünchener „Allgem. Ztg." von einem wohlinformirten Correspondenlen in Wien geschrieben: „Es mag Wohl nur dem stark verbreiteten, aller dings durch Aeußerungen mancher englischen Blätter genährten Glauben, daß England sich eventuell allein zu entschiedenem Vorgehen gegenüber der Türkei entschließen könnte, zuzu- chreiben sein, wenn die Meldung auftauchte, es hätte Eng land den Mächten ein bis zum Aeußersten entschlossenes Vor gehen gegen den Sultan empfohlen, die Mächte hätten das- elbe aber auf die Initiative Rußlands abaelehnt. Bestätigt ist diese Meldung bisher von keiner Seite, wenngleich die Bewegungen und Ansammlungen der englischen Kriegs chiffe in der Räbe der türkischen Gewässer und die gleich zeitigen Aeußerungen englischer Journale Schlüsse auf an gebliche Absichten des Londoner Cabineks zeitigen. Tbat- ächlich ist von den Mächten im gegenseitigen Einvernehmen, daher auch in solchem mit England, nur die Entsendung der zweiten Stationsschiffe nach Konstantinopel beschlossen und vollzogen worden. Mehr ließ sich mit dem Princip der Aufrechterhaltung des statrw quo des türkischen Reichs nicht in Einklang bringen; denn weitergehende Maßnahmen hätten schon einer Sequestration sehr ähn lich gesehen und würden die Gefahr in sich geschloffen haben, daß der Zerfall, den man verhüten wolle, herbeigesübrt werde. Einstweilen bringt das Erscheinen der SlationSschiffe als Vorsichtsmaßnahme gegen eine Wiederholung der SchreckenS- scenen auch dem Sultan selbst Beruhigung. Sollten weitere Maßnahmen erforderlich werden — was geschehen könnte, wenn die Pforte ihre Pflicht nicht thäte —, dann hätte diese aller dings nur sich selbst auch die weiteren Consequenzen zuzu schreiben. Davon, daß man über die Lage beruhigt sei, kann füglich nicht die Rede sein. Man ist es weder bezüglich der Haltung der Pforte, noch bezüglich des Vorgehens von anderer Seite. Die Wiederherstellung der Ruhe in Konstantinopel verbürgt noch nicht die Ruhe in der Türkei überhaupt, und mit der förmlichen Wegschaffung der Armenier aus der Hauptstadt, von denen man nicht weiß, wohin sie von den türkischen Schiffen, welche sie wegführen, gebracht werden, ist wohl kaum viel ge wonnen. Es fehlen verläßliche Nachrichten darüber, wie es in den Provinzen aussehe; daß aber in Makedonien trotz aller Vertuschungen die Situation sich eher verschlimmere als ver bessere, ist gewiß; man ersieht dies daraus, Laß ungeachtet der anscheinend erzielten Pacisication Kretas nun die Landung einer sogar mitGeschützen versehenen, mililairisch organisirten griechi- schenBande im Vilajet Janina gemeldet und aus Bulgarien über die Ankunft zahlreicher Armenier in den dortigen Häfen berichtet wird. All' dies deutet nicht nur auf weitere Unordnungen oder wenigstens aus die Vorbereitung solcher, sondern auch darauf, daß zur Herbeiführung derselben auch von außen mitgewirkt wird, bin." Noch besorgter äußert sich die „Kreuzztg.", die den Verdacht, daß England sich mit weiter gebenden Absichten trage, nicht von der Hand zu weisen ver mag und namentlich durch die Meldungen aus Makedonien und den Zuzug von Armeniern nach Bulgarien zu dem Schluffe sich veranlaßt sieht: „Eine beruhigende Auffassung der Dinge im Orient, die deutlich die Spuren der Vorbereitung für weitere Störungen tragen, lassen alle diese Erscheinungen und vor Allem die eine nähere Prüfung nicht aushaltende „Uebereinstimmung" des sich nur wider willig auf anscheinend gleicher Linie mit den anderen Mächten be wegenden England nicht aufkommen." Deutsches Reich. * Berlin, 7. September. Ueber die deutschen In strukteure in China wird der „Köln. Volksztg." berichtet: „Der Instrukteur Krause, welcher bei den Angriffen ver wundet wurde, bat nicht, wie Sbangbaier Blätter behauptet haben, eine Entschädigung von 5000 Taels erhalten, sondern nur seinen kontraktlichen Gehalt und die Reisekosten nach Europa. Dennoch wurde Len Deutschen für die Unbilden, Feuilleton. Sühne. 231 Roman von E. Halden. Nachdruck verboten. Plötzlich fuhr er erschrocken zusammen. Hatte es nicht an der Tbüre gerüttelt? Jetzt nur keine Störung, er wollte Niemand sehen, hatte er Loch mit der ganzen Welt abgeschlossen. Es war der Sturm gewesen, der sich von Neuem erhoben hatte, und in einzelnen Stößen pfeifend und brausend dahersauste. Dazwischen ließ sich fernes Donnergrollen vernehmen, und fahle, bleiche Blitze verjagten für kurze Momente die Finsterniß. Das erste FrühlinaSgcwitter zog hinauf. Das that dem Unglücklichen wohl. Die Erke in ihrer Schönbeit und Prackt konnte ibn nicht mehr reizen und bereitete ihm nur Schmerz, aber die Wnth der entfesselten Elemente betäubte den Sturm in seiner Seele, und im Leuchten der Blitze, dem Tosen des Sturmes sah er ein Ebenbild der Kämpfe, die sein Inneres durchwühlt batten. Er öffnete das Fenster und ließ Regen und Wind sich in- Gesicht peitschen; das kühlte seine brennende Stirn und beschwichtigte das Bohren und Hämmern in seiner Stirn, das ihn so gequält. Er wurde ruhiger, brauchte nicht mehr zu fürchten, daß die in fiebernder Schwäche bebende Hand ibm den letzten Dienst versagen würde. Wie schnell das Gewitter heraufzog! Blitz folgte auf Blitz, der Donner zerriß krachend die Wolken, und doch wurde sein Rollen durch das Brausen deS Orkans fast übertönt, der Regen stürzte prasselnd in Strömen herab. Die Fenster des Schlosses erhellten fick, die Schrecken des Unwetter- trieben die Bewohner aus den Betten. Man bangte voll Angst und Sorge vor dem Unheil, daS da kommen konnte. Er war ohne Furcht, er freute sich, so weit er überhaupt eines solchen Gefühls noch fähig war. Nun schloß er daS Fenster wieder, daS ihm der Sturm fast auS der Hand gerissen hatte. Er trat an den Tisch, rückte den Sessel für sich zurecht, der seinem leblosen Körper Aufnahme gewähren sollte, und griff zur Pistole. Da durchzuckte ein leuchtender, prächtiger Blitz von un geheurer Helligkeit die Luft, ein Prasseln und Knistern be gleitete ihn und ein furchtbarer betäubender Tonnerscblag ließ sich fast gleichzeitig hören. Dem Freiherrn sank die Pistole auS der erhobenen Hand, und ehe er wieder Herr seiner Nerven geworden war und die Erschütterung über wunden hatte, trat ein rötbliches Licht an die Stelle der Finsterniß, der Beweis, daß der Blitz gezündet hatte. Rusen und Schreien erhoben sich im Schloß und um dasselbe, alle Fenster waren erhellt, jeder glaubte daS Feuer in nächster Nähe. Durch die Bäume des Parkes sab man jetzt den in rotbe Gluth getauchten Himmel, flackernd stiegen die Flammen in die Höhe, e« brannte im Dorfe, und von dort erhob sich da- Geheul und Gewimmer der Sturmglocken, die um Hilfe riesen. Auch an da» Obr deS Schloßberrn drang ihr Ton. und durch ibn wurden alle Gedanken an sich selbst, alle Vorsätze und Wünsche der letzten Stunden verscheucht. Es galt zu retten , zu helfen , wie durfte er da seinen Beistand ver sagen? Ohne Zögern eilte er hinaus, und wie er unter seine Leute trat, da war er wieder der gebietende Herr, ter kühl und ruhig di« Gefahr erwog, um ihr beherzt und klug entgegenzutreten. „Wo brennt-?" „Im Dorfe, es muß beim Waisenbause eingeschlagen haben", lautete der Bescheid. Der Freiberr gab seine Befehle, dann eilte er an der Spitze seiner Leute davon. Das Feuer halte bereits um sich gegriffen, durch den Sturm den nächstliegenden Gebäuden zu geweht. Zum Unglück hatte der Regen aufgehört, und die Flammen fanden kein Hemmniß, nur Förderung. Das Waisen haus selbst war ein züngelndes Feuermeer, aus allen Fenstern brach sich das entfesselte Element Bahn und wirbelte als mächtige Flammensäule über dem Dach empor. „Sind die Kinder gerettet?" fragte der Freiberr. Man bejabte e-; weinend und jammernd stand die kleine Sckaar in einiger Entfernung zusammengedrängt, nicht wissend, wohin sie ibre Flucht lenken sollte. „Bringt sie auf's Schloß, meine Sckweste wird für sie sorgen", befahl der Schloßherr und nun leitete er die Auf stellung und die Arbeit der Spritzen, die Rettung des be drohten ViebS in den nächsten Gehöften und brachte überall zielbewußte Sicherheit in die zuerst ziemlich planlos betriebenen Löschanstalten. Der Blitz, der in das Waisenhaus geschlagen hatte, hatte in allen Stockwerken gezündet, und so war es geschehen, daß daS Feuer sich mit rasender Schnelligkeit verbreitet hatte; das Gebäude war nicht mehr zu retten, man mußte es der Vernichtung preiSgeben. Ohne Säumen gab der Freiherr die Befehle. „Laßt das eine HauS niederbrennen, rettet nur die anderen." Er selbst stürzte in die Ställe deS nächsten GeböftS und half Rinder und Pferde berauSziehen, die durch heftige Gegen wehr ihre Bergung erschwerten. Ta ertönte ein SchreckenSruf, der sich von Mund zu Mund fortpflanzte und die Arbeit der Rettenden lähmte. „WaS giebt'S, Leute? Es ist doch Niemand verunglückt?" „Frau Brandt fehlt; die Kinder meinen, sie wäre im Hause geblieben!" „So müssen wir hinein und sie retten", rief der Freiherr entschlossen. „Ist es sicher, daß sie vermißt wird?" „Da ist die Lise, die sagl's für gewiß", rief ein Mann. Ein weinendes Bauernmädchen, die Schürze vor dem Gesicht, wurde vorgeschoben und gezerrt, denn es wollte fick augenscheinlich verbergen. „Ich könnt' ja nicht dafür", jammerte die erschrockene Dirne, „ich schlief fest, und da hat mich die Frau wecken gewollt, und sie batte Mühe mit mir, denn ich war ganz verschlafen und wollte vom Aufsteben noch nichts wissen, und als ich daS Unglück sab, verlor ich erst recht den Kopf und wußt' mir nicht zu helfen." „Weiter, schneller, erzähle, was geschah", drang man von allen Seiten in das Mädchen. „Ach Gott, da hat mir die Frau geholfen, daß ick dock etwas auf Leu Leib kriegte und nicht so nackt und bloß fort mußte, und dann sind wir an die Treppe gelaufen, und da ist sie gefallen und konnte nimmer wieder auf. Und ick traut' mich nicht, mich aufzuhalten, sondern ich bin fort gestürzt und —" „Du haft die arme alte Frau in ihrer Noth verlassen", schrieen ihr die Männer zu. „Ja, ich dacht ja nur an mich selbst und wie ick am schnellsten aus dem brennenden Hause kam", jammerte das Mädchen, „und nun ists mir eingefallen, wie schleckt ich an der alten Fran gebandelt, und so sehr ich mich fürchtete, es zu gestehen, so mußt ick'S dock sagen!" „Oben an der Treppe blieb Frau Brandt liegen?" fragte der Freiherr, der die erregten, drohend auf da« Mädchen an dringenden Männer ihr abwehrte.
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